Georg Simmel:
Philosophie
des Geldes
Duncker & Humblot
Verlag, Berlin 1900 (1. Auflage) 1. Kapitel:
Wert und Geld - Teil I (S. 1-29)
Wirklichkeit und Wert als gegeneinander
selbständige Kategorien, durch die unsere Vorstellungsinhalte zu Weltbildern
werden
Die psychologische Tatsache des
objektiven Wertes
Das Objektive in der Praxis
als Normierung oder Gewähr für die Totalität des Subjektiven
Der wirtschaftliche Wert als
Objektivation subjektiver Werte, vermöge der Distanzierung zwischen
dem unmittelbar geniessenden Subjekt und dem Gegenstand
Analogie: der ästhetische
Wert
Die Wirtschaft als Distanzierung
(durch Mühen, Verzicht, Opfer) und gleichzeitige Überwindung derselben
Die Ordnung der Dinge, in die sie sich als natürliche Wirklichkeiten
einstellen, ruht auf der Voraussetzung, dass alle Mannigfaltigkeit
ihrer Eigenschaften von einer Einheit des Wesens getragen werde: die Gleichheit
vor dem Naturgesetz, die beharrenden Summen der Stoffe und der Energien,
die Umsetzbarkeit der verschiedenartigsten Erscheinungen ineinander versöhnen
die Abstände des ersten Anblicks in eine durchgängige Verwandtschaft,
in eine Gleichberechtigtheit aller.
Allein bei näherem Hinsehen bedeutet dieser Begriff doch nur, dass die Erzeugnisse des Naturmechanismus als solche jenseits der Frage nach
einem Rechte stehen: ihre unverbrüchliche Bestimmtheit gibt keiner
Betonung Raum, von der ihrem Sein und Sosein noch Bestätigung oder
Abzug kommen könnte.
Mit dieser gleichgültigen Notwendigkeit, die das naturwissenschaftliche
Bild der Dinge ausmacht, geben wir uns dennoch ihnen gegenüber nicht
zufrieden.
Sondern, unbekümmert um ihre Ordnung in jener Reihe, verleihen
wir ihrem inneren Bilde eine andere, in der die Allgleichheit völlig
durchbrochen ist, in der die höchste Erhebung des einen Punktes neben
dem entschiedensten Herabdrücken des anderen steht, und deren tiefstes
Wesen nicht die Einheit, sondern der Unterschied ist: die Rangierung nach
Werten.
Dass Gegenstände, Gedanken, Geschehnisse wertvoll sind, das
ist aus ihrem bloß natürlichen Dasein und Inhalt niemals abzulesen;
und ihre Ordnung, den Werten gemäß vollzogen, weicht von der
natürlichen aufs weiteste ab.
Unzählige Male vernichtet die Natur das, was vom Gesichtspunkt
seines Wertes aus eine längste Dauer fordern könnte, und konserviert
das Wertloseste, ja dasjenige, was dein Wertvollen den Existenzraum benimmt.
Damit ist nicht etwa eine prinzipielle Gegnerschaft und durchgängiges
Sich-Ausschließen beider Reihen gemeint; denn dies (> 4) würde
immerhin eine Beziehung der einen zur anderen bedeuten, und zwar eine teuflische
Welt ergeben, aber eine vom Gesichtspunkte des Wertes, wenn auch mit umgekehrtem
Vorzeichen, bestimmte. Vielmehr, das Verhältnis zwischen beiden ist absolute Zufälligkeit.
Mit derselben Gleichgültigkeit, mit der uns die Natur die Gegenstände
unserer Wertschätzungen einmal darbietet, versagt sie uns ein
anderes Mal; so dass gerade die gelegentliche Harmonie beider Reihen,
die Realisierung der aus der Wertreihe stammenden Forderungen durch die
Wirklichkeitsreihe, die ganze Prinziplosigkeit ihres Verhältnisses
nicht minder offenbart als der entgegengesetzte Fall.
Derselbe Lebensinhalt mag uns sowohl als wirklich wie als wertvoll bewusst werden; aber die inneren Schicksale, die er in dem einen und in dem anderen
Falle erlebt, haben völlig verschiedenen Sinn.
Man könnte die Reihen des natürlichen Geschehens mit lückenloser
Vollständigkeit beschreiben, ohne dass der Wert der Dinge darin
vorkäme - gerade wie die Skala unserer Wertungen ihren Sinn unabhängig
davon bewahrt, wie oft und ob überhaupt ihr Inhalt auch in der Wirklichkeit
vorkommt.
Zu dem sozusagen fertigen, in seiner Wirklichkeit allseitig bestimmten,
objektiven Sein tritt nun erst die Wertung hinzu, als Licht und Schatten,
die nicht aus ihm selbst, sondern nur von anderswoher stammen können.
Es muss aber das Missverständnis ferngehalten werden,
als sollte damit die Bildung der Wertvorstellung, als psychologische Tatsache,
dem naturgesetzlichen Werden entrückt sein.
Ein übermenschlicher Geist, der das Weltgeschehen mit absoluter
Vollständigkeit nach Naturgesetzen begriffe, würde unter den
Tatsachen desselben auch die vorfinden, dass die Menschen Wertvorstellungen
haben. Aber diese würden für ihn, der bloß theoretisch erkennt,
keinen Sinn und keine Gültigkeit über ihre psychologische Existenz
hinaus besitzen.
Was hier der Natur als mechanischer Kausalität abgesprochen wird,
ist nur die sachliche, inhaltliche Bedeutung der Wertvorstellung, während
das seelische Geschehen, das jenen Inhalt zu unserer Bewusstseinstatsache macht, ohne weiteres in die Natur hineingehört.
Die Wertung, als ein wirklicher psychologischer Vorgang, ist ein Stück
der natürlichen Welt; das aber, was wir mit ihr meinen, ihr begrifflicher
Sinn, ist etwas dieser Welt unabhängig Gegenüberstehendes, und
so wenig ein Stück ihrer, dass es vielmehr die ganze Welt ist,
von einem besonderen Gesichtspunkt angesehen.
Man macht sich selten klar, dass unser ganzes Leben, seiner Bewusstseinsseite
nach, in Wertgefühlen und Wertabwägungen verläuft und überhaupt
nur dadurch Sinn und Bedeutung bekommt, dass die mechanisch abrollenden
Elemente der Wirklichkeit über ihren Sachgehalt hinaus unendlich mannigfaltige
Maße und Arten von (< 5) Wert für uns besitzen.
In jedem Augenblick, in dem unsere Seele kein bloßer interesseloser
Spiegel der Wirklichkeit ist - was sie vielleicht niemals ist, da selbst
das objektive Erkennen nur aus einer Wertung seiner hervorgehen kann -lebt
sie in der Welt der Werte, die die Inhalte der Wirklichkeit in eine völlig
autonome Ordnung fasst.
Damit bildet der Wert gewissermaßen das Gegenstück zu dem
Sein und ist nun gerade als umfassende Form und Kategorie des Weltbildes
mit ihm vielfach vergleichbar.
Kant hat hervorgehoben, das Sein sei keine Eigenschaft der Dinge; denn
wenn ich von einem Objekte, das bisher nur in meinen Gedanken bestand,
sage: es existiere, so gewinnt es dadurch keine neue Eigenschaft; denn
sonst würde ja nicht eben dasselbe Ding, das ich vorhin dachte, sondern
ein anderes existieren.
So wächst einem Dinge auch dadurch, dass ich es wertvoll nenne,
durchaus keine neue Eigenschaft zu; denn wegen der Eigenschaften, die es
besitzt, wird es ja gerade erst gewertet - genau sein schon allseitig bestimmtes
Sein wird in die Sphäre des Wertes erhoben.
Dies wird von einer der tiefstgehenden Zerlegungen unseres Denkens getragen. Wir sind fähig, die Inhalte des Weltbildes zu denken, unter völligem
Absehen von ihrer realen Existenz oder Nichtexistenz.
Die Komplexe von Eigenschaften, die wir Dinge nennen, samt allen Gesetzen
ihres Zusammenhanges und ihrer Entwicklung, können wir in ihrer rein
sachlichen, logischen Bedeutung vorstellen und, ganz unabhängig davon,
fragen: ob, wo, wie oft alle diese Begriffe oder inneren Anschauungen verwirklicht
sind.
Wie dieser inhaltliche Sinn und Bestimmtheit der Objekte nicht von der
Frage berührt wird, ob sie sich im Sein wiederfinden, ebenso wenig von der anderen, ob sie eine Stelle und welche in der Skala der Werte einnehmen.
Wenn es aber einerseits zu einer Theorie, andrerseits zu einer Praxis
für uns kommen soll, so müssen wir die Denkinhalte nach diesem
beiden fragen, und in beiderlei Hinsicht kann sich keiner einer Antwort
entziehen.
Von jedem vielmehr muss ein unzweideutiges Sein oder Nichtsein
aussagbar sein, und jeder muss für uns auf der Stufenleiter der
Werte - von dem höchsten durch die Gleichgültigkeit hindurch
zu den negativen Werten - eine ganz bestimmte Stelle haben; denn die Gleichgültigkeit
ist ein Ablehnen der Wertung, das sehr positiven Wesens sein kann, in ihrem
Hintergrund steht immer die Möglichkeit des Interesses, von der nur
gerade kein Gebrauch gemacht wird.
Die prinzipielle Bedeutung dieser Forderung, die die gesamte Konstitution
unseres Weltbildes bedingt, wird natürlich gar nicht dadurch alteriert, dass
unsere Erkenntnismittel sehr oft zu der Entscheidung über
die Realität der Begriffe nicht ausreichen und ebenso oft Umfang und
Sicherheit (< 6) unserer Gefühle nicht zu einer Wertrangierung
der Dinge, insbesondere nicht zu einer beständigen oder allgemein
gültigen.
Der Welt der bloßen Begriffe, der sachlichen Qualitäten und
Bestimmungen stehen die großen Kategorien des Seins und des Wertes
gegenüber, allumfassende Formen, die ihr Material aus jener Welt der
reinen Inhalte entnehmen.
Beiden ist der Charakter der Fundamentalität gemeinsam, d. h. die
Unmöglichkeit, aufeinander oder auf einfachere Elemente zurückgeführt
zu werden. Deshalb ist unmittelbar das Sein irgendwelchen Dinges nie logisch erweisbar;
vielmehr, das Sein ist eine ursprüngliche Form unseres Vorstellens,
die empfunden, erlebt, geglaubt, aber nicht dem, der sie noch nicht kennte,
deduziert werden kann.
Hat sie erst einmal einen einzelnen Inhalt ergriffen, durch eine jenseits
des Logischen liegende Tat, so nehmen die logischen Zusammenhänge
sie auf und tragen sie, soweit sie selbst reichen.
So können wir freilich in der Regel sagen, weshalb wir eine bestimmte
Wirklichkeit annehmen: weil wir nämlich eine andere bereits angenommen
haben, deren Bestimmtheiten mit jener inhaltlich verbunden sind. Die Wirklichkeit der ersten jedoch ist nur durch eine gleiche Zurückschiebung
auf eine noch fundamentalere zu erweisen.
Dieser Regress aber muss ein letztes Glied haben, dessen Sein
nur durch das unmittelbare Gefühl einer Überzeugung, Bejahung,
Anerkennung oder richtiger: als ein solches Gefühl gegeben ist. Genau so verhält sich der Wert den Objekten gegenüber.
Alle Beweise für den Wert eines solchen bedeuten nur die Nötigung,
den für irgendein Objekt bereits vorausgesetzten und jetzt augenblicklich
fraglosen Wert auch einem anderen, jetzt fraglichen Objekt zuzuerkennen.
Auf welche Motive hin wir dies tun, ist später festzustellen; hier
nur, dass, was wir durch Wertbeweise einsehen, immer nur die Überleitung
eines bestehenden Wertes auf neue Objekte ist, dagegen weder das Wesen
des Wertes selbst noch der Grund, weshalb er ursprünglich an denjenigen
Gegenstand geheftet wurde, der ihn nachher auf andere ausstrahlt.
Gibt es erst einmal einen Wert, so sind die Wege seiner Verwirklichung,
ist seine Weiterentwicklung verstandesmäßig zu begreifen, denn
nun folgt sie - mindestens abschnittsweise - der Struktur der Wirklichkeitsinhalte. Dass es ihn aber gibt, ist ein Urphänomen.
Alle Deduktionen des Wertes machen nur die Bedingungen kenntlich, auf
die hin er sich, schließlich ganz unvermittelt, einstellt, ohne doch
aus ihnen hergestellt zu werden - wie alle theoretischen Beweise nur die
Bedingungen bereiten können, auf die hin jenes Gefühl der Bejahung
oder des Daseins eintritt.
So wenig man zu sagen wüsste, was denn das Sein eigentlich
sei, so wenig kann (< 7) man diese Frage dem Wert gegenüber beantworten. Und gerade indem sie so das formal gleiche Verhältnis zu den Dingen
haben, sind sie einander so fremd wie bei Spinoza das Denken und die Ausdehnung:
weil diese beiden eben dasselbe, die absolute Substanz, ausdrücken,
jedes aber auf seine Weise und für sich vollständig, kann nie
eines in das andere übergreifen.
Sie berühren sich nirgends, weil sie die Begriffe der Dinge nach
völlig Verschiedenem fragen.
Aber mit diesem berührungslosen Nebeneinander von Wirklichkeit
und Wert ist die Welt keineswegs in eine sterile Zweiheit zerrissen, bei
der sich das Einheitsbedürfnis des Geistes niemals beruhigen würde
- selbst wenn es sein Schicksal und die Formel seines Suchens wäre,
sich von der Vielheit zur Einheit und von der Einheit zur Vielheit abschlußlos
zu bewegen.
Oberhalb von Wert und Wirklichkeit liegt, was ihnen gemeinsam ist: die
Inhalte, das, was Plato schließlich mit den "Ideen" gemeint hat,
das Bezeichenbare, Qualitative, in Begriffe zu Fassende an der Wirklichkeit
und in unseren Wertungen, das, was gleichmäßig in die eine wie
in die andere Ordnung eintreten kann.
Unterhalb aber dieser beiden liegt das, dem sie beide gemeinsam sind:
die Seele, die das eine wie das andere in ihre geheimnisvolle Einheit aufnimmt
oder aus ihr erzeugt.
Die Wirklichkeit und der Wert sind gleichsam zwei verschiedene Sprachen,
in denen die logisch zusammenhängenden, in ideeller Einheit gültigen
Inhalte der Welt, das, was man ihr "Was" genannt hat, sich der einheitlichen
Seele verständlich machen - oder auch die Sprachen, in denen die Seele
das reine, an sich noch jenseits dieses Gegensatzes stehende Bild dieser
Inhalte ausdrücken kann.
Und vielleicht werden diese beiden Zusammenfassungen ihrer, die erkennende
und die wertende, noch einmal von einer metaphysischen Einheit umfasst,
für die die Sprache kein Wort hat, es sei denn in religiösen
Symbolen.
Vielleicht gibt es einen Weltgrund, von dem aus gesehen die Fremdheiten
und Divergenzen, die wir zwischen der Wirklichkeit und dem Wert empfinden,
nicht mehr bestehen, wo beide Reihen sich als eine einzige enthüllen
- sei es, dass diese Einheit überhaupt von jenen Kategorien nicht
berührt wird, in erhabener Indifferenz über ihnen steht, sei
es, dass sie eine durchweg harmonische, an allen Punkten gleichartige
Verflechtung beider bedeutet, die nur von unserer Auffassungsweise wie
von einem fehlerhaften Sehapparat auseinandergezogen, zu Bruchstücken
und Gegenrichtungen verzerrt wird.
Den Charakter des Wertes nun, wie er sich zuvor in seinem Kontrast gegen
die Wirklichkeit herausstellte, pflegt man als seine Subjektivität
zu bezeichnen.
Indem ein und derselbe Gegenstand in einer Seele den höchsten,
in einer anderen den niedrigsten Grad des Wertes (< 8) besitzen kann,
und umgekehrt die allseitige und äußerste Verschiedenheit der
Objekte sich mit der Gleichheit ihres Wertes verträgt, so scheint
als Grund der Wertung nur das Subjekt mit seinen normalen oder ausnahmsweisen,
dauernden oder wechselnden Stimmungen und Reaktionsweisen übrigzubleiben.
Es bedarf kaum der Erwähnung, dass diese Subjektivität
nichts mit jener zu tun hat, der man die Gesamtheit der Welt, da sie »meine
Vorstellung« ist, anheimgegeben hat. Denn die Subjektivität,
die vom Werte ausgesagt wird, stellt ihn in den Gegensatz zu den fertigen,
gegebenen Objekten, völlig gleichgültig dagegen, auf welche Weise
diese selbst zustande gekommen sind.
Anders ausgedrückt: das Subjekt, das alle Objekte umfasst,
ist ein anderes als dasjenige, das sich ihnen gegenüberstellt, die
Subjektivität, die der Wert mit allen Objekten teilt, kommt dabei
gar nicht in Frage.
Auch kann seine Subjektivität nicht den Sinn der Willkür haben:
all jene Unabhängigkeit vom Wirklichen bedeutet nicht, dass der
Wille ihn mit ungebundener oder launenhafter Freiheit da und dorthin verteilen
könnte. Das Bewusstsein findet ihn vielmehr als eine Tatsache vor, an der
es unmittelbar so wenig ändern kann wie an den Wirklichkeiten.
Nach Ausschluss dieser Bedeutungen bleibt der Subjektivität
des Wertes zunächst nur die negative: dass der Wert nicht in
demselben Sinne an den Objekten selbst haftet wie die Farbe oder die Temperatur;
denn diese, obgleich von unseren Sinnesbeschaffenheiten bestimmt, werden
doch von einem Gefühle unmittelbarer Abhängigkeit von dem Objekt
begleitet - einem Gefühle, auf das uns dem Werte gegenüber die
eingesehene Gleichgültigkeit zwischen der Wirklichkeits- und der Wertreihe
leicht verzichten lehrt.
Allein wesentlicher und fruchtbarer als diese Bestimmung sind diejenigen
Fälle, in denen die psychologischen Tatsachen sie dennoch zu dementieren
scheinen. In welchem empirischen oder transzendentalen Sinne man auch von »Dingen«
im Unterschied vom Subjekte sprechen möge -- eine »Eigenschaft«
ihrer ist der Wert in keinem Fall, sondern ein im Subjekt verbleibendes
Urteil über sie.
Allein weder der tiefere Sinn und Inhalt des Wertbegriffs, noch seine
Bedeutung innerhalb des individuellen Seelenlebens, noch die praktisch-sozialen,
an ihn geknüpften Ereignisse und Gestaltungen sind mit seiner Zuweisung
an das »Subjekt« irgend zulänglich begriffen.
Die Wege zu diesem Begreifen liegen in einer Schicht, von der aus gesehen
jene Subjektivität als etwas bloß Vorläufiges und eigentlich
nicht sehr Wesentliches erscheint. Die Scheidung zwischen Subjekt und Objekt ist keine so radikale, wie
die durchaus legitimierte Aufteilung ebenso der praktischen wie (< 9)
der wissenschaftlichen Welt über diese Kategorien glauben macht.
Das seelische Leben beginnt vielmehr mit einem Indifferenzzustand, in
dem das Ich und seine Objekte noch ungeschieden ruhen, in dem Eindrücke
oder Vorstellungen das Bewusstsein erfüllen, ohne dass der
Träger dieser Inhalte sich von diesen selbst schon getrennt hätte.
Dass in dem aktuell bestimmten, momentan wirklichen Zustand ein
Subjekt, das ihn hat, von dem Inhalt, den er hat, zu unterscheiden ist,
das ist erst ein sekundäres Bewusstsein, eine nachträgliche
Zerlegung. Die Entwicklung führt offenbar pari passu dahin, dass der
Mensch zu sich selbst Ich sagt, und dass er für sich seiende
Objekte außerhalb dieses Ich anerkennt.
Wenn die Metaphysik manchmal meint, dass das transzendente Wesen
des Seins absolut einheitlich wäre, jenseits des Gegensatzes Subjekt-Objekt,
so findet dies sein psychologisches Pendant an dem einfachen, primitiven
Erfülltsein mit einem Vorstellungsinhalt, wie es an dem Kinde, das
noch nicht von sich als Ich spricht, und in rudimentärer Art vielleicht
das ganze Leben hindurch zu beobachten ist.
Diese Einheit, aus der sich die Kategorien Subjekt und Objekt erst aneinander
und durch einen noch zu erörternden Prozess entwickeln, erscheint
uns nur deshalb als eine subjektive, weil wir an sie mit dem erst nachher
ausgebildeten Begriff der Objektivität herantreten, und weil wir für
derartige Einheiten keinen rechten Ausdruck haben, sondern sie nach einem
der einseitigen Elemente zu benennen pflegen, als deren Zusammenwirken
sie in der nachträglichen Analyse erscheinen.
So hat man behauptet, alles Handeln wäre seinem absoluten Wesen
nach schlechthin egoistisch, während der Egoismus doch erst innerhalb
des Handelns und im Gegensatz zu dem ihm korrelativen Altruismus einen
verständlichen Inhalt hat; so hat der Pantheismus die Allheit des
Seins Gott genannt, von dem man doch einen positiven Begriff nur in seinem
Sichabheben von allem Empirischen gewinnen kann.
Diese evolutionistische Beziehung zwischen Subjekt und Objekt wiederholt
sich schließlich im größten Maßstab: die Geisteswelt
des klassischen Altertums unterscheidet sich von der Neuzeit im wesentlichen
dadurch, dass erst die letztere es auf der einen Seite zu der völligen
Tiefe und Schärfe des Ichbegriffes gebracht hat - wie er sich zu der
dem Altertum unbekannten Bedeutung des Freiheitsproblems aufgegipfelt hat
-, auf der anderen zu der Selbständigkeit und Stärke des Objektbegriffes,
wie er in der Vorstellung der undurchbrechlichen Naturgesetzlichkeit ausgedrückt
ist.
Das Altertum war dem Indifferenzzustande, in dem Inhalte schlechthin,
ohne zerlegende Projizierung auf Subjekt und Objekt vorgestellt werden,
noch nicht so weit entrückt wie die späteren Epochen. (< 10) Diese auseinanderzweigende Entwicklung scheint auf ihren beiden Seiten
von demselben, aber wie in verschiedenen Schichten wirkenden Motiv getragen
zu sein. Denn das Bewusstsein, ein Subjekt zu sein, ist selbst schon eine
Objektivierung.
Hier liegt das Urphänomen der Persönlichkeitsform des Geistes; dass
wir uns selbst betrachten, kennen, beurteilen können, wie
irgendeinen »Gegenstand«, dass wir das als Einheit empfundene
Ich dennoch in ein vorstellendes Ich-Subjekt und ein vorgestelltes Ich-Objekt
zerlegen, ohne dass es darum seine Einheit verliert, ja, an diesem
inneren Gegenspiel sich seiner Einheit eigentlich erst bewusst werdend
- das ist die fundamentale Leistung unseres Geistes, die seine gesamte
Gestaltung bestimmt.
Das gegenseitige Sichfordern von Subjekt und Objekt ist hier wie in
einen Punkt zusammengerückt, es hat das Subjekt selbst ergriffen,
dem sonst die ganze Welt als Objekt gegenübersteht.
So hat der Mensch, sobald er sich seiner selbst bewusst wird, zu
sich selbst Ich sagt, die grundlegende Form seines Verhältnisses zur
Welt, seiner Aufnahme der Welt realisiert. Vor ihr aber, sowohl dem Sinne nach, wie der seelischen Entwicklung
nach, liegt das einfache Vorstellen eines Inhalts, das nicht nach Subjekt
und Objekt fragt, das noch nicht zwischen sie aufgeteilt ist.
Und von der anderen Seite her gesehen: dieser Inhalt selbst, als logisches,
begriffliches Gebilde, steht nicht weniger jenseits der Entscheidung zwischen
subjektiver und objektiver Realität.
Wir können jeden beliebigen Gegenstand rein seinen Bestimmungen
und ihrem Zusammenhange nach denken, ohne im geringsten danach zu fragen,
ob dieser ideelle Komplex von Qualitäten auch als objektive Existenz
gegeben sei oder sein könne.
Freilich, indem ein solcher reiner Sachgehalt gedacht wird, ist er eine
Vorstellung und insofern ein subjektives Gebilde. Allein das Subjektive ist hier nur der dynamische Akt des Vorstellens,
die Funktion, die jenen Inhalt aufnimmt; er selbst wird gerade als etwas
von diesem Vorgestelltwerden Unabhängiges gedacht.
Unser Geist hat die merkwürdige Fähigkeit, Inhalte als von
ihrem Gedachtwerden unabhängig zu denken - eine primäre, keiner
weiteren Reduktion fähige Eigenschaft seiner; solche Inhalte haben
ihre begrifflichen oder sachlichen Bestimmtheiten und Zusammenhänge,
die zwar vorgestellt werden können, aber darin nicht aufgehen, sondern
gelten, gleichviel, ob sie von meinem Vorstellen aufgenommen werden oder
nicht - gleichviel auch, ob sie von der objektiven Realität aufgenommen
werden oder nicht: der Inhalt eines Vorstellens fällt mit dem Vorstellen
des Inhalts nicht zusammen.
So wenig jenes primitive, undifferenzierte Vorstellen, das schlechthin
nur im Bewusstwerden eines Inhaltes besteht, als subjektiv bezeichnet
werden darf, weil es in den Gegensatz: (< 11) Subjekt-Objekt überhaupt
noch nicht eingetaucht ist, so wenig ist dieser reine Inhalt der Dinge
oder Vorstellungen etwas Objektives, sondern von dieser differentiellen
Form ebenso frei wie von ihrem Gegensatz und erst bereit, sich in der einen
oder der anderen darzustellen.
Subjekt und Objekt werden in demselben Akte geboren, logisch, indem
der rein begriffliche, ideelle Sachgehalt einmal als Inhalt des Vorstellens,
ein anderes Mal als Inhalt der objektiven Wirklichkeit gegeben wird - psychologisch,
indem das noch ichlose, Person und Sache im Indifferenzzustande enthaltende
Vorstellen in sich auseinander tritt und zwischen dem Ich und seinem Gegenstand
eine Distanz entsteht, durch die jedes von beiden erst sein vom anderen
sich abhebendes Wesen erhält.
Dieser Prozess nun, der schließlich unser intellektuelles
Weltbild zustande bringt, vollzieht sich auch innerhalb der willensmäßigen
Praxis. Auch hier umfasst die Scheidung in das begehrende, genießende,
wertende Subjekt und das als Wert beurteilte Objekt weder die ganzen seelischen
Zustände noch die gesamte sachliche Systematik des praktischen Gebietes.
Insoweit der Mensch irgendeinen Gegenstand nur genießt, liegt
ein in sich völlig einheitlicher Aktus vor. Wir haben in solchem Augenblick eine Empfindung, die weder ein Bewusstsein eines uns gegenüberstehenden Objektes als solchen, noch ein
Bewusstsein eines Ich enthält, das von seinem momentanen Zustande gesondert wäre.
Hier begegnen sich Erscheinungen der tiefsten und der höchsten
Art. Der rohe Trieb, insbesondere der von unpersönlich-genereller Natur,
will sich an einem Gegenstande nur selbst los werden, es kommt ihm nur
auf seine Befriedigung an, gleichviel, wodurch sie gewonnen sei; das Bewusstsein
wird ausschließlich von dem Genuss erfüllt, ohne sich seinem
Träger auf der einen Seite, seinem Gegenstand auf der anderen mit
getrennten Akzentuierungen zuzuwenden.
Andrerseits zeigt der ganz gesteigerte ästhetische Genuss dieselbe Form.
Auch hier »vergessen wir uns selbst«, aber wir empfinden
auch das Kunstwerk nicht mehr als etwas uns Gegenüberstehendes, weil
die Seele völlig mit ihm verschmolzen ist, es ebenso in sich eingezogen,
wie sie sich ihm hingegeben hat. Hier wie dort wird der psychologische
Zustand von dem Gegensatz zwischen Subjekt und Objekt noch nicht oder nicht
mehr berührt, aus seiner unbefangenen Einheit löst erst ein neu
einsetzender Bewusstseinsprozess jene Kategorien aus und betrachtet
nun erst den reinen Inhaltsgenuss einerseits als den Zustand eines
dem Objekt gegenüberstehenden Subjekts, andrerseits als die Wirkung
eines von dem Subjekt unabhängigen Objekts.
Diese Spannung, die die naiv-praktische Einheit von Subjekt und Objekt auseinander treibt
und beides - eines (< 12) am anderen - erst für
das Bewusstsein erzeugt, wird zunächst durch die bloße
Tatsache des Begehrens hergestellt. Indem wir begehren, was wir noch nicht haben und genießen, tritt
dessen Inhalt uns gegenüber.
In dem ausgebildeten empirischen Leben steht zwar der fertige Gegenstand
vor uns und wird daraufhin erst begehrt schon, weil außer den Ereignissen
des Wollens viele andere, theoretische und gefühlsmäßige,
zu der Objektwerdung der seelischen Inhalte wirken; allein innerhalb der
praktischen Welt für sich allein, auf ihre innere Ordnung und ihre
Begreiflichkeit hin angesehen, sind die Entstehung des Objekts als solchen
und sein Begehrtwerden durch das Subjekt Korrelatbegriffe, sind die beiden
Seiten des Differenzierungsprozesses, der die unmittelbare Einheit des Genussprozesses
spaltet.
Man hat behauptet, dass unsere Vorstellung von objektiver Realität
aus dem Widerstand entspränge, den wir, insbesondere vermittelst des
Tastsinnes, seitens der Dinge erfahren. Dies ist ohne weiteres auf das praktische Problem zu übertragen.
Wir begehren die Dinge erst jenseits ihrer unbedingten Hingabe an unseren
Gebrauch und Genuss, d. h. indem sie eben diesem irgendeinen Widerstand
entgegensetzen; der Inhalt wird Gegenstand, sobald er uns entgegensteht,
und zwar nicht nur in seiner empfundenen Undurchdringlichkeit, sondern
in der Distanz des Nochnichtgenießens, deren subjektive Seite das
Begehren ist.
Wie Kant einmal sagt: die Möglichkeit der Erfahrung ist die Möglichkeit
der Gegenstände der Erfahrung - weil Erfahrungen machen heißt: dass unser
Bewusstsein die Sinnesempfindungen zu Gegenständen
bildet - so ist die Möglichkeit des Begehrens die Möglichkeit
der Gegenstände des Begehrens.
Das so zustande gekommene Objekt, charakterisiert durch den Abstand
vom Subjekt, den dessen Begehrung ebenso feststellt wie zu überwinden
sucht - heißt uns ein Wert. Der Augenblick des Genusses selbst, in dem Subjekt und Objekt ihre Gegensätze
verlöschen, konsumiert gleichsam den Wett; er entsteht erst wieder
in der Trennung vom Subjekt, als Gegenüber, als Objekt.
Die trivialen Erfahrungen: dass wir viele Besitztümer erst
dann recht als Werte schätzen, wenn wir sie verloren haben; dass die bloße Versagtheit eines begehrten Dinges es oft mit einem Werte
ausstattet, dem sein erlangter Genuss nur in sehr geringem Maße
entspricht; dass die Entferntheit von den Gegenständen unserer
Genüsse - in jedem unmittelbaren und übertragenen Sinne der Entfernung
- sie in verklärtem Lichte und gesteigerten Reizen zeigt - alles dies
sind Abkömmlinge, Modifikationen, Mischungsformen der grundlegenden
Tatsache, dass der Wert nicht in der ungebrochenen Einheit des Genussmomentes entspringt, sondern indem dessen Inhalt sich als Objekt (< 13) von dem
Subjekt löst und ihm als jetzt erst Begehrtes gegenübertritt,
das zu gewinnen es der Überwindung von Abständen, Hemmnissen,
Schwierigkeiten bedarf.
Um die obige Analogie wieder aufzunehmen: im letzten Grunde vielleicht
drängten sich nicht die Realitäten durch die Widerstände,
die sie uns leisten, in unser Bewusstsein, sondern diejenigen Vorstellungen,
an welche Widerstandsempfindungen und Hemmungsgefühle geknüpft
wären, hießen uns die objektiv realen, von uns unabhängig
außerhalb unser befindlichen.
So ist es nicht deshalb schwierig, die Dinge zu erlangen, weil sie wertvoll
sind, sondern wir nennen diejenigen wertvoll, die unserer Begehrung, sie
zu erlangen, Hemmnisse entgegensetzen.
Indem dies Begehren sich gleichsam an ihnen bricht oder zur Stauung
kommt, erwächst ihnen eine Bedeutsamkeit, zu deren Anerkennung der
ungehemmte Wille sich niemals veranlasst gesehen hätte. Der Wert, der so gleichzeitig mit dem begehrenden Ich und als sein Korrelat
in einem und demselben Differenzierungsprozess auftritt, untersteht
darüber hinaus einer weiteren Kategorie; es ist dieselbe, die auch
für das auf dem Wege des theoretischen Vorstellens gewonnene Objekt
galt.
Dort hatte sich ergeben, dass die Inhalte, die einerseits in der
objektiven Welt realisiert sind, andrerseits als subjektive Vorstellungen
in uns leben, jenseits dieser beiden eine eigentümliche ideelle Dignität
besitzen.
Der Begriff des Dreiecks oder der des Organismus, die Kausalität
oder das Gravitationsgesetz haben einen logischen Sinn, eine Gültigkeit
ihrer inneren Struktur, mit der sie zwar ihre Verwirklichungen im Raume
und im Bewusstsein bestimmen, die aber, auch wenn es zu solchen niemals
käme, unter die nicht weiter auflösbare Kategorie des Gültigen
oder Bedeutsamen gehören und sich von fantastischen oder widerspruchsvollen
Begriffsgebilden unbedingt unterscheiden würden, denen sie doch in
bezug auf physische oder psychische Nichtrealität völlig gleichstünden.
Analog nun, mit den durch die Gebietsänderung bedingten Modifikationen,
verhält sich der Wert, der den Objekten des subjektiven Begehrens
zuwächst.
Wie wir gewisse Sätze als wahr vorstellen, mit dem begleitenden Bewusstsein,
dass ihre Wahrheit von diesem Vorgestelltwerden
unabhängig ist - so empfinden wir Dingen, Menschen, Ereignissen gegenüber,
dass sie nicht nur von uns als wertvoll empfunden werden, sondern
wertvoll wären, auch wenn niemand sie schätzte.
Das einfachste Beispiel ist der Wert, den wir der Gesinnung der Menschen
zusprechen, der sittlichen, vornehmen, kraftvollen, schönen.
Ob solche inneren Beschaffenheiten sich je in Taten äußern,
die die Anerkennung ihres Wertes ermöglichen oder erzwingen, ja, ob
ihr Träger selbst mit dem Gefühl eigenen Wertes (< 14) über
sie reflektiert, erscheint uns nicht nur für die Tatsache ihres Wertes
gleichgültig, sondern diese Gleichgültigkeit gegen ihr Anerkannt-
und Bewusstwerden macht gerade die bezeichnende Färbung dieser
Werte aus.
Und weiter: die intellektuelle Energie und die Tatsache, dass sie
die geheimsten Kräfte und Ordnungen der Natur in das Licht des Bewusstseins
hebt; die Gewalt und der Rhythmus der Gefühle, die in dem engen Raum
der individuellen Seele doch aller Außenwelt mit unendlicher Bedeutsamkeit
überlegen sind, selbst wenn die pessimistische Behauptung von dem
Übermaß des Leidens richtig ist; dass jenseits des Menschen
die Natur überhaupt sich in der Zuverlässigkeit fester Normen
bewegt, dass die Vielheit ihrer Gestaltungen dennoch einer tiefen
Einheit des Ganzen Raum gibt, dass ihr Mechanismus sich weder der
Deutung nach Ideen entzieht, noch sich weigert, Schönheit und Anmut
zu erzeugen - auf alles dies hin stellen wir vor: die Welt sei eben wertvoll,
gleichviel, ob diese Werte von einem Bewusstsein empfunden werden
oder nicht.
Und dies geht hinunter bis zu dem ökonomischen Wertquantum, das
wir einem Objekt des Tauschverkehrs zusprechen, auch wenn niemand etwa
den entsprechenden Preis zu bewilligen bereit ist, ja, wenn es überhaupt
unbegehrt und unverkäuflich bleibt.
Auch nach dieser Richtung hin macht sich die fundamentale Fähigkeit
des Geistes geltend: sich den Inhalten, die er in sich vorstellt, zugleich
gegenüberzustellen, sie vorzustellen, als wären sie von diesem
Vorgestelltwerden unabhängig.
Gewiss ist jeder Wert, den wir fühlen, insoweit eben ein Gefühl:
allein, was wir mit diesem Gefühl meinen, ist ein an und für
sich bedeutsamer Inhalt, der von dem Gefühl zwar psychologisch realisiert
wird, aber mit ihm nicht identisch ist und sich mit ihm nicht erschöpft.
Ersichtlich stellt sich diese Kategorie jenseits der Streitfrage nach
der Subjektivität oder Objektivität des Wertes, weil sie die
Korrelativität zum Subjekt ablehnt, ohne die ein »Objekt«
nicht möglich ist; sie ist vielmehr ein Drittes, Ideelles, das zwar
in jene Zweiheit eingeht, aber nicht in ihr aufgeht. Entsprechend dem praktischen
Charakter ihres Gebietes, hat sie eine besondere Beziehungsform zum Subjekt
zur Verfügung, das der Reserviertheit des nur abstrakt »gültigen«
Inhaltes unserer theoretischen Vorstellungen abgeht.
Diese Form ist als Forderung oder Anspruch zu bezeichnen. Der Wert,
der, an irgendeinem Dinge, einer Person, einem Verhältnis, einem Geschehnis
haftet, verlangt es, anerkannt zu werden.
Dieses Verlangen ist natürlich als Ereignis nur in uns, den Subjekten,
anzutreffen; allein, indem wir ihm nachkommen, empfinden wir, dass wir damit nicht einfach einer von uns selbst an uns selbst gestellten Forderung
genügen - ebenso wenig freilich eine Bestimmtheit des (<14) Objekts
nachzeichnen.
Die Bedeutung irgendeines körperhaften Symbols, uns zu religiösen
Gefühlen zu erregen; die sittliche Forderung einer bestimmten Lebenslage,
sie zu revolutionieren oder bestehen zu lassen, sie weiterzuentwickeln
oder zurückzubilden; die pflichtartige Empfindung, großen Ereignissen
gegenüber nicht gleichgültig zu bleiben, sondern unsere Innerlichkeit
auf sie reagieren zu lassen; das Recht des Anschaulichen, nicht einfach
hingenommen, sondern in die Zusammenhänge ästhetischer Würdigung
eingestellt zu werden - alles dies sind Ansprüche, die zwar ausschließlich
innerhalb des Ich empfunden oder verwirklicht werden, ohne in den Objekten
selbst ein Gegenbild oder sachlichen Ansatzpunkt zu finden, die aber, als
Ansprüche, in dem Ich so wenig unterzubringen sind wie in den Gegenständen,
die sie betreffen.
Von der natürlichen Sachlichkeit aus gesehen, mag solcher Anspruch
als subjektiv erscheinen, von dem Subjekte aus als etwas Objektives; in
Wirklichkeit ist es eine dritte, aus jenen nicht zusammensetzbare Kategorie,
gleichsam etwas zwischen uns und den Dingen.
Ich sagte, dass der Wert der Dinge zu jenen Inhaltsgebilden gehörte,
die wir, indem wir sie vorstellen, zugleich als etwas innerhalb dieses
Vorgestelltwerdens dennoch Selbständiges empfinden, als etwas von
der Funktion, durch die es in uns lebt, Gelöstes; dieses »Vorstellen«
ist nun in dem Falle, wo ein Wert seinen Inhalt bildet, genauer angesehen,
eben eine Empfindung von Anspruch, jene »Funktion« ist eine
Forderung, die als solche nicht außerhalb unser existiert, aber ihrem
Inhalt nach dennoch aus einem ideellen Reiche stammt, das nicht in uns
liegt, das auch nicht den Objekten der Wertschätzung als eine Qualität
ihrer anhaftet; es besteht vielmehr in der Bedeutung, die sie durch ihre
Stellung in den Ordnungen jenes ideellen Reiches für uns als Subjekte
besitzen.
Dieser Wert, den wir als von seinem Anerkanntwerden unabhängig
denken, ist eine metaphysische Kategorie; als solche steht er ebenso jenseits
des Dualismus von Subjekt und Objekt, wie das unmittelbare Genießen
diesseits desselben gestanden hatte.
Das letztere ist die konkrete Einheit, auf die jene differentiellen
Kategorien noch nicht angewendet sind, das erstere die abstrakte oder ideelle
Einheit, in deren fürsichseiender Bedeutung er wieder verschwunden
ist - wie in dem allbefassenden Bewusstseinszusammenhang, den Fichte
das Ich nennt, der Gegensatz des empirischen Ich und des empirischen Nicht-Ich
verschwunden ist.
Wie der Genuss in dem Moment der völligen Verschmelzung der
Funktion mit ihrem Inhalt nicht als subjektiv zu bezeichnen ist, weil kein
gegenüberstehendes Objekt den Subjektsbegriff rechtfertigt, so ist
dieser für sich seiende, an sich geltende Wert nichts Objektives,
weil er gerade (< 16) von dem Subjekt, das ihn denkt, unabhängig
gedacht wird, innerhalb des Subjekts zwar als Forderung des Anerkanntwerdens
auftritt, aber auch durch die Nichterfüllung dieser Forderung nichts
von seinem Wesen einbüßt.
Für die Wertempfindungen, in denen die tägliche Lebenspraxis
verläuft, kommt diese metaphysische Sublimierung des Begriffes nicht
in Betracht.
Hier handelt es sich nur um den im Bewusstsein von Subjekten lebendigen
Wert und um diejenige Objektivität, die in diesem psychologischen Wertungsprozess
als sein Gegenstand entsteht. Ich zeigte vorhin, dass dieser Prozess der Wertbildung sich
mit dem Aufwachsen eines Abstandes zwischen dem Genießenden und der
Ursache seines Genusses vollzieht.
Und indem die Größe dieses Abstandes variiert - gemessen
nicht von dem Genuss her, in dem er verschwunden ist, sondern von
der Begehrung her, die mit ihm entsteht, und die er zu überwinden
sucht - entspringen nun erst jene Unterschiedenheiten der Wertbetonung,
die man als subjektive und objektive auseinanderhalten kann.
Mindestens für jene Objekte, auf deren Schätzung die Wirtschaft
beruht, ist der Wert zwar das Korrelat des Begehrens - wie die Welt des
Seins meine Vorstellung ist, so ist die Welt des Wertes meine Begehrung
-; allein trotz der logisch-physischen Notwendigkeit, dass jeder Begehrungstrieb
seine Befriedigung von einem Gegenstand erwarte, richtet er sich in vielen
Fällen seiner psychologischen Struktur nach doch auf diese Befriedigung
allein, so dass der Gegenstand selbst ganz gleichgültig ist,
wenn er nur den Trieb stillt.
Wenn der Mann sich an jedem beliebigen Weibe ohne individuelle Auswahl
genügen lässt, wenn er alles isst, was er nur kauen
und verdauen kann; wenn er auf jeder Lagerstätte schläft, wenn
sich seine Kulturbedürfnisse noch aus dem einfachsten, von der Natur
ohne weiteres dargebotenen Material befriedigen lassen - so ist das praktische Bewusstsein
noch ein völlig subjektives, es wird ausschließlich
von dem eignen Zustand des Subjektes, dessen Erregungen und Beruhigungen,
erfüllt, und das Interesse an den Dingen beschränkt sich darauf, dass sie unmittelbare Ursachen dieser Wirkungen sind.
Das naive Projektionsbedürfnis des primitiven Menschen, sein nach
außen gerichtetes, die Innerlichkeit selbstverständlich hinnehmendes
Leben verdeckt dies zwar. Allein der bewusste Wunsch darf nicht immer als zureichender Index
des wirklich wirksamen Wertempfindens gelten.
Eine leichtbegreifliche Zweckmäßigkeit in der Dirigierung
unserer praktischen Kräfte stellt uns oft genug den Gegenstand als
wertvoll dar, während, was uns eigentlich erregt, nicht er in seiner
sachlichen Bedeutung, sondern die subjektive Bedürfnisbefriedigung
ist, die er uns schaffen soll. (<17)
Von diesem Zustand aus - der natürlich nicht immer als der zeitlich
erste, sondern als der einfachste, fundamentale, gleichsam systematisch
erste zu gelten hat - wird das Bewusstsein auf zwei Wegen, die sich
aber wieder vereinigen, auf das Objekt selbst hingeleitet.
Sobald nämlich das gleiche Bedürfnis eine Anzahl von Befriedigungsmöglichkeiten,
ja vielleicht alle bis auf eine einzige zurückweist, wo also nicht
nur Befriedigung überhaupt, sondern Befriedigung durch einen bestimmten
Gegenstand gewünscht wird, da ist die prinzipielle Wendung vom Subjekt
weg auf das Objekt angebahnt.
Man könnte freilich einwerfen: es handle sich doch in jedem Falle
nur um die subjektive Triebbefriedigung; nur sei im letzteren Falle der
Trieb selbst schon von sich aus so differenziert, dass nur ein genau
bestimmtes Objekt ihn befriedigen kann; auch hier also werde der Gegenstand
nur als Ursache der Empfindung, nicht aber an sich selbst geschätzt.
Dieser Einwand würde allerdings den fraglichen Unterschied annullieren,
wenn die Differenzierung des Triebes diesen wirklich auf ein einziges ihm
genügendes Objekt so ausschließlich zuspitzte, dass die
Befriedigung durch andere überhaupt ausgeschlossen wäre.
Allein dies ist ein sehr seltener Ausnahmefall. Die breitere Basis, von der aus sich auch die differenziertesten Triebe
entwickeln, die ursprüngliche Allgemeinheit des Bedürfnisses,
das eben nur ein Getriebenwerden, aber noch keine Einzelbestimmtheit des
Zieles enthält, pflegt auch weiterhin der Untergrund zu bleiben, an
dem die Verengerungen der Befriedigungswünsche sich erst ihrer individuellen
Besonderheit bewusst werden.
Indem die Verfeinerung des Subjekts den Kreis der Objekte, die seinen
Bedürfnissen genügen, einschränkt, hebt es die Gegenstände
seines Begehrens in einen scharfen Gegensatz zu allen anderen, die das
Bedürfnis an sich auch stillen würden, trotzdem aber jetzt nicht
mehr gesucht werden.
Dieser Unterschied zwischen den Objekten lenkt, nach bekannten psychologischen
Erfahrungen, das Bewusstsein in besonders hohem Maße auf sie
und lässt sie in diesem als Gegenstände von selbständiger
Bedeutsamkeit auftreten.
In diesem Stadium erscheint das Bedürfnis von dem Gegenstande determiniert,
das praktische Empfinden wird in dem Maße, in dem der Trieb sich
nicht mehr auf jede, obgleich mögliche, Befriedigung stürzt,
mehr und mehr von seinem terminus ad quem statt von seinem terminus a quo
gelenkt; so dass der Raum .sich vergrößert, den das Objekt
als solches im Bewusstsein einnimmt.
Das hängt auch noch folgendermaßen zusammen. Insoweit der
Mensch von seinen Trieben vergewaltigt wird, bildet die Welt für ihn
eigentlich eine unterschiedslose Masse; denn da sie ihm nur das an sich
irrelevante Mittel der Triebbefriedigung bedeutet, diese Wirkung (< 18) zudem auch aus vielerlei Ursachen hervorgehen kann, so knüpft
sich so lange an den Gegenstand in seinem selbständigen Wesen kein
Interesse.
Dass wir aber ein ganz besonderes, einziges Objekt bedürfen,
hebt die Tatsache, dass wir überhaupt eines Objektes bedürfen,
in schärferes Bewusstsein. Aber dieses Bewusstsein ist gewissermaßen ein mehr theoretisches,
das die blinde Energie des nur auf sein eigenes Verlöschen losgehenden
Triebes herabsetzt.
Indem die differenzierende Zuspitzung des Bedürfnisses mit der
Schwächung seiner elementaren Gewalt Hand in Hand geht, wird im Bewusstsein
mehr Platz für das Objekt. Oder eben von der anderen Seite gesehen: weil die Verfeinerung und Spezialisierung
des Bedürfnisses das Bewusstsein zu einer größeren
Hingabe an das Objekt zwingt, wird dem solipsistischen Bedürfnis ein
Quantum von Kraft entzogen.
Allenthalben steht die Schwächung der Affekte, d. h. der unbedingten
Hingabe des Ich an seinen momentanen Gefühlsinhalt, in Wechselbeziehung
mit der Objektivation der Vorstellungen, mit der Heraussetzung derselben
in eine uns gegenüberstehende Existenzform. So ist z. B. das Sichaussprechenkönnen eines der mächtigsten
Dämpfungsmittel der Affekte.
In dem Worte projiziert sich der innere Vorgang gleichsam nach außen,
man hat ihn nun als ein wahrnehmbares Gebilde sich gegenüber und damit
die Heftigkeit des Affektes abgeleitet.
Die Beruhigung der Leidenschaften und die Vorstellung des Objektiven
als solchen in seiner Existenz und Bedeutung sind nur zwei Seiten eines
und desselben Grundprozesses. Die Wendung des innerlichen Interesses von dem bloßen Bedürfnis
und seiner Befriedigung zum Objekt mittelst verengerter Möglichkeiten
der letzteren ist ersichtlich ebenso gut von der Seite des Objekts aus herzustellen
und zu steigern - indem dasselbe die Befriedigung schwer, selten, nur auf
Umwegen und durch besonderen Krafteinsatz erreichbar macht.
Wenn wir nämlich selbst ein sehr differenziertes, nur auf ganz
ausgewählte Objekte gerichtetes Begehren voraussetzen, so wird doch
auch dieses seine Befriedigung noch relativ wie selbstverständlich
hinnehmen, solange dieselbe sich ohne Schwierigkeit und Widerstand darbietet.
Worauf es ankommt, um die Eigenbedeutung der Dinge zu erkennen, das
ist doch die Distanz, die sich zwischen ihnen und unserem Aufnehmen bildet. Es ist nur einer der vielen Fälle, in denen man von den Dingen
hinwegtreten, einen Raum zwischen uns und sie legen muss, um ein objektives
Bild von ihnen zu bekommen.
Sicher ist ein solches nicht weniger subjektiv-optisch bestimmt als
das undeutliche oder verzerrte bei zu großem oder zu kleinem Abstand;
allein aus inneren Zweckmäßigkeitsgründen des Erkennens
gewinnt die Subjektivität gerade bei den Extremen der (< 19) Distanz
spezifische Betonung.
Ursprünglich besteht das Objekt nur in unserer Beziehung zu ihm,
ist ganz in diese eingeschmolzen und tritt uns erst in dem Maß gegenüber,
in dem es sich dieser Beziehung nicht mehr ohne weiteres fügt. Auch zu dem eigentlichen Begehren der Dinge, das ihr Fürsichsein
anerkennt, indem es dasselbe gerade zu überwinden sucht, kommt es
erst da, wo Wunsch und Erfüllung nicht zusammenfallen.
Die Möglichkeit des Genusses muss sich erst, als ein Zukunftsbild,
von unserem augenblicklichen Zustand getrennt haben, damit wir die Dinge
begehren, die nun in Distanz von uns stehen.
Wie im Intellektuellen die ursprüngliche Einheit der Anschauung,
die wir noch an Kindern beobachten, erst allmählich in das Bewusstsein des Ich und des ihm gegenüberstehenden Objektes auseinandergeht, so
wird der naive Genuss erst dann einem Bewusstsein von der Bedeutung
des Dinges, gleichsam einem Respekt vor ihm, Raum geben, wenn das Ding
sich ihm entzieht.
Auch hier tritt der Zusammenhang zwischen der Schwächung der Begehrungsaffekte
und der beginnenden Objektivation der Werte hervor, indem das Herabsetzen
der elementaren Heftigkeit des Wollens und Fühlens das Bewusstwerden des Ich begünstigt.
Solange sich die Persönlichkeit noch ohne Reserve dem momentanen
Affekt hingibt, von ihm ganz und gar erfüllt und hingenommen wird,
kann sich das Ich noch nicht herausbilden; das Bewusstsein eines Ich
vielmehr, das jenseits seiner einzelnen Erregungen steht, kann sich erst
dann als das Beharrende in allem Wechsel dieser letzteren zeigen, wenn
nicht jede derselben den ganzen Menschen mehr mitreißt; sie müssen
vielmehrirgendeinen Teil seiner unergriffen lassen, der den Indifferenzpunkt
ihrer Gegensätze bildet, so dass also erst eine gewisse Herabsetzung
und Einschränkung ihrer ein Ich als den immer gleichen Träger
ungleicher Inhalte entstehen lässt.
Wie aber das Ich und das Objekt in allen möglichen Provinzen unserer
Existenz Korrelatbegriffe sind, die in der ursprünglichen Form des
Vorstellens noch ungeschieden liegen und sich aus ihr, das eine am anderen,
erst herausdifferenzieren - so dürfte auch der selbständige Wert
der Objekte sich erst an dem Gegensatz zu einem selbständig gewordenen
Ich entfalten.
Erst die Repulsionen, die wir von dem Objekt erfahren, die Schwierigkeiten
seiner Erlangung, die Warte- und Arbeitszeit, die sich zwischen Wunsch
und Erfüllung schieben, treiben das Ich und das Objekt auseinander,
die in dem unmittelbaren Beieinander von Bedürfnis und Befriedigung
unentwickelt und ohne gesonderte Betonung ruhen.
Mag die hier wirkende Bestimmung des Objekts nun in seiner bloßen
Seltenheit - relativ zu seiner Begehrtheit - oder in den positiven Aneignungsmühen
bestehen, jedenfalls setzt es erst dadurch jene (< 20) Distanz zwischen
ihm und uns, die schließlich gestattet, ihm einen Wert jenseits seines
bloßen Genossenwerdens zuzuteilen.
So kann man sagen, dass der Wert eines Objekts zwar auf seinem
Begehrtwerden beruht, aber auf einer Begehrung, die ihre absolute Triebhaftigkeit
verloren hat. Ebenso wenig aber darf das Objekt, wenn es ein wirtschaftlicher Wert
bleiben soll, sein Wertquantum zu einer Höhe steigern, bei der es
praktisch wie ein absolutes wirkt.
Die Distanz zwischen dem Ich und dem Gegenstand seiner Begehrung kann
eine so weite werden - sei es durch die sachlichen Schwierigkeiten der
Beschaffung, sei es durch exorbitante Höhe des Preises, sei es durch
Bedenken sittlicher oder anderer Art, die sich dem Streben nach ihm entgegenstellen
-, dass es zu gar keinem realen Willensakt kommt, sondern das Begehren
entweder erlischt oder zu einem schattenhaften Wünschen wird.
Der Abstand zwischen Subjekt und Objekt, mit dessen Aufwachsen der Wert,
mindestens in dem wirtschaftlichen Sinne, entsteht, hat also eine untere
und eine obere Grenze, so dass die Formulierung, das Maß des
Wertes sei gleich dem Maße des Widerstandes, der sich der Erlangung
begehrter Dinge nach Natur-, Produktions- und sozialen Chancen entgegensetze
- den Sachverhalt nicht trifft.
Gewiss würde Eisen kein wirtschaftlicher Wert sein, wenn sich
seiner Erlangung keine größeren Schwierigkeiten entgegensetzten,
als etwa der Erlangung der Luft zum Atmen; aber andrerseits mussten diese Schwierigkeiten unter ein gewisses Maß sinken, damit man das
Eisen überhaupt zu derjenigen Fülle von Werkzeugen verarbeiten
konnte, die es wertvoll machte.
Oder auch: man hat behauptet, die Werke eines fruchtbaren Malers würden,
bei gleicher Kunstvollendung, weniger kostbar sein als die des minder produktiven;
das ist erst oberhalb einer bestimmten Quantitätsgrenze richtig. Denn es bedarf gerade einer gewissen Fülle von Werken eines Malers,
damit er überhaupt erst einmal denjenigen Ruhm erwerbe, der den Preis
seiner Bilder hochhebt.
So hat ferner in einigen Papierwährungsländern gerade die
Seltenheit des Goldes es dahin gebracht, dass das niedere Volk überhaupt
nicht mehr Gold nehmen mag, wenn es ihm zufällig geboten wird. ja,
gerade den Edelmetallen gegenüber, deren Eignung zur Geldsubstanz
man auf ihre Seltenheit zu gründen pflegt, darf die Theorie nicht
übersehen, dass diese Seltenheitsbedeutung erst Oberhalb einer
ziemlich erheblichen Häufigkeit einsetzen kann, ohne welche diese
Metalle dem praktischen Geldbedürfnis gar nicht dienen und also den
Wert, den sie als Geldstoffe besitzen, gar nicht erlangen könnten.
Vielleicht lässt nur die praktische Habsucht, die über jedes
gegebene Quantum von Gütern hinausbegehrt, und der deshalb jeder (<
21) Wert zu knapp erscheint, es verkennen, dass nicht Seltenheit,
sondern ein gewisses Mittleres zwischen Seltenheit und Nichtseltenheit
in den meisten Fällen die Bedingung des Wertes bildet.
Das Seltenheitsmoment ist, wie eine leichte Überlegung zeigt, in
die Bedeutung der Unterschiedsempfindlichkeit einzurangieren; das Häufigkeitsmoment
in die Bedeutung der Gewöhnung.
Wie nun das Leben allenthalben durch die Proportion dieser beiden Tatsachen: dass
wir ebenso Unterschied und Wechsel seiner Inhalte, wie Gewöhnung
an jeden derselben bedürfen - bestimmt wird, so stellt sich diese
allgemeine Notwendigkeit hier in der speziellen Form dar, dass der
Wert der Dinge einerseits einer Seltenheit, also eines Sichabhebens, einer
besonderen Aufmerksamkeit bedarf, andrerseits aber einer gewissen Breite,
Häufigkeit, Dauer, damit die Dinge überhaupt die Schwelle des
Wertes überschreiten.
Ich will an einem Beispiel, das den ökonomischen Werten ganz fern
liegt und gerade deshalb die prinzipielle Seite auch dieser zu verdeutlichen
geeignet ist, die allgemeine Bedeutung der Distanzierung für die als
objektiv vorgestellte Wertung darstellen: an der ästhetischen.
Was wir jetzt die Freude an der Schönheit der Dinge nennen, ist
relativ spät entwickelt. Denn wie viel unmittelbar sinnliches Genießen
ihr einzelner Fall auch jetzt noch aufweise, so beruht doch das Spezifische
ihrer gerade in dem Bewusstsein, die Sache zu würdigen und zu
genießen und nicht nur einen Zustand sinnlichen oder übersinnlichen
Angeregtseins, den sie uns etwa bereite. jeder kultivierte Mann wird prinzipiell
mit großer Sicherheit zwischen der ästhetischen und der sinnlichen
Freude an Frauenschönheit unterscheiden, so wenig er vielleicht der
einzelnen Erscheinung gegenüber diese Komponenten seines Gesamtgefühles
mag gegeneinander abgrenzen können.
In der einen Beziehung geben wir uns dem Objekt, in der anderen gibt
sich der Gegenstand uns hin. Mag der ästhetische Wert, wie jeder andere,
der Beschaffenheit der Dinge selbst fremd und eine Projektion des Gefühles
in sie hinein sein, so ist es ihm doch eigentümlich, dass diese
Projektion eine vollkommene ist, d. h. dass der Gefühlsinhalt
sozusagen völlig in den Gegenstand hineingeht und als eine dem Subjekt
mit eigener Norm gegenüberstehende Bedeutsamkeit erscheint, als etwas,
was der Gegenstand ist.
Wie mag es nun historisch-psychologisch zu dieser objektiven, ästhetischen
Freude an den Dingen gekommen sein, da doch der primitive Genuss ihrer,
von dem jeder höhere ausgegangen sein muss, sich sicher nur an
ihre subjektiv - unmittelbare Genießbarkeit und Nützlichkeit
geknüpft hat?
Vielleicht gibt uns eine ganz einfache Beobachtung den Schlüssel
dazu. Wenn ein Objekt irgendwelcher Art uns große Freude oder (<
22) Förderung bereitet hat, so haben wir bei jedem späteren Anblick
dieses Objekts ein Freudegefühl, und zwar auch dann, wenn jetzt von
einem Benutzen oder Genießen desselben nicht mehr die Rede ist.
Diese echoartig anklingende Freude trägt einen ganz eigenen psychologischen
Charakter, der dadurch bestimmt ist, dass wir jetzt nichts mehr von
dem Gegenstande wollen; an die Stelle der konkreten Beziehung, die uns
vorher mit ihm verband, tritt jetzt das bloße Anschauen seiner als
die Ursache der angenehmen Empfindung; wir lassen ihn jetzt in seinem Sein
unberührt, so dass sich unser Gefühl nur an seine Erscheinung,
nicht aber an das knüpft, was von ihm in irgendeinem Sinne konsumierbar
ist.
Kurz, während uns der Gegenstand früher als Mittel für
unsere praktischen oder eudämonistischen Zwecke wertvoll war, ist
es jetzt sein bloßes Anschauungsbild, das uns Freude macht, indem
wir ihm dabei reservierter, entfernter, ohne ihn zu berühren, gegenüberstehen.
Hierin scheinen mir schon die entscheidenden Züge des Ästhetischen
präformiert zu sein, wie sich sogleich unverkennbar zeigt, wenn man
diese Umsetzung der Empfindungen von dem Individualpsychologischen in die
Gattungsentwicklung hineinverfolgt.
Man hat die Schönheit schon längst aus der Nützlichkeit
ableiten wollen, ist aber in der Regel, weil man beides zu nahe aneinander
ließ, in einer banausischen Vergröberung des Schönen stecken
geblieben.
Diese lässt sich vermeiden, wenn man die äußerlichen
Zweckmäßigkeiten und sinnlich-eudämonistischen Unmittelbarkeiten
nur weit genug in die Geschichte der Gattung zurückschiebt, derart, da sich an das Bild dieser Dinge innerhalb unseres Organismus ein instinkt-
oder reflexartiges Lustgefühl geknüpft hat, das nun in dem Einzelnen,
auf den diese physisch-psychische Verbindung vererbt ist, wirksam wird,
auch ohne dass eine Nützlichkeit des Gegenstandes für ihn
selbst ihm bewusst wäre oder bestünde.
Auf die Kontroverse über die Vererbung derartig erworbener Verbindungen
brauche ich nicht einzugehen, da es für unseren Zusammenhang genügt, dass
die Erscheinungen so verlaufen, als ob erworbene Eigenschaften
erblich wären.
So wäre schön für uns zunächst einmal dasjenige,
was sich als der Gattung nützlich erwiesen hat, und dessen Wahrnehmung
uns deshalb Lust bereitet, ohne dass wir als Individuen ein konkretes
Interesse an diesem Objekt hätten - was natürlich weder Uniformität
noch Fesselung des individuellen Geschmacks an ein Durchschnitts- oder
Gattungsniveau bedeutet. jene Nachklänge der generellen Nützlichkeit
werden von den ganzen Mannigfaltigkeiten der individuellen Seelen aufgenommen
und zu völlig unpräjudizierten Besonderheiten weitergebildet
- so dass man vielleicht sagen könnte, jene Lösung des Lustgefühles
(< 23) von der Realität seiner ursprünglichen
Veranlassung wäre schließlich zu einer Form unseres Bewusstseins geworden, unabhängig von den ersten Inhalten, die ihre Bildung
veranlassten,
und bereit, jegliche andere in sich aufzunehmen, die die seelische Konstellation
in sie hineinwachsen lässt.
In Fällen, wo wir zu einer realistischen Lust noch Veranlassung
haben, ist unser Gefühl dem Dinge gegenüber nicht das spezifisch
ästhetische, sondern ein konkretes, das erst durch eine gewisse Distanzierung,
Abstraktion, Sublimierung die Metamorphose zu jenem erfährt.
Es ereignet sich hier nur das sehr Häufige, dass, nachdem
einmal eine bestimmte Verbindung gestiftet ist, das verbindende Element
in Wegfall kommt, weil seine Dienste nicht länger erforderlich sind.
Die Verbindung zwischen gewissen nützlichen Objekten und Lustgefühlen
ist in der Gattung durch einen vererbbaren oder sonst irgendwie tradierten
Mechanismus so fest geworden, dass nun schon der bloße Anblick
dieser Objekte, auch ohne dass wir ihre Nützlichkeit genössen,
für uns zur Lust wird.
Daraus erklärt sich das, was Kant die
ästhetische Interesselosigkeitnennt, die Gleichgültigkeit gegen
die reale Existenz des Gegenstandes, wenn nur seine »Form«,
d. h. seine Sichtbarkeit gegeben ist; daher jene Verklärung und Überirdischkeit
des Schönen - diese ist durch die zeitliche Ferne der realen Motive
bewirkt, aus denen wir jetzt ästhetisch empfinden; daher die Vorstellung,
das Schöne sei etwas Typisches, Überindividuelles, Allgemeingültiges
- denn die gattungsmäßige Entwicklung hat alles Spezifische,
bloß Individuelle der einzelnen Motive und Erfahrungen längst
aus diesen inneren Bewegungen hinweggeläutert; daher die häufige
Unmöglichkeit, das ästhetische Urteil verstandesmäßig
zu begründen, und der Gegensatz, in den es sich manchmal gerade zu
dem setzt, was uns als Individuen nützlich oder angenehm ist.
Diese ganze Entwicklung der Dinge nun von ihrem Nützlichkeitswert
zu ihrem Schönheitswert ist ein Objektivationsprozeß. Indem ich das Ding schön nenne, ist seine Qualität und Bedeutung
in ganz anderer Weise von den Dispositionen und Bedürfnissen des Subjekts
unabhängig, als wenn es bloß nützlich ist.
Solange die Dinge nur dies sind, sind sie fungibel, d. h. jedes andere,
das denselben Erfolg hat, kann jedes ersetzen. Sobald sie schön sind,
bekommen sie individuelles Fürsichsein, so dass der Wert, den
eines für uns hat ' durchaus nicht durch ein anderes zu ersetzen ist,
das etwa in seiner Art ebenso schön ist.
Wir brauchen die Genesis des Ästhetischen nicht aus diesen dürftigen
Andeutungen in die Fülle ihrer Ausgestaltungen zu verfolgen, um zu
erkennen: die Objektivierung des Wertes entsteht in dem Verhältnis
der Distanz, die sich zwischen dem subjektiv-unmittelbaren Ursprung der
Wertung des (< 24) Objekts und unserem momentanen Empfinden seiner bildet.
je weiter die Nützlichkeit für die Gattung, die zuerst an den
Gegenstand ein Interesse und einen Wert knüpfen ließ, zeitlich
zurückliegt und als solche vergessen ist, desto reiner ist die ästhetische
Freude an der bloßen Form und Anschauung des Objekts, d. h. desto
mehr steht es uns mit eigener Würde gegenüber, desto mehr geben
wir ihm eine Bedeutung, die nicht in seinem zufälligen subjektiven
Genossenwerden aufgeht, desto mehr macht die Beziehung, in der wir die
Dinge nur als Mittel für uns werten, dem Gefühle ihres selbständigen
Wertes Platz.
Ich habe dieses Beispiel gewählt, weil die objektivierende Wirkung
dessen, was ich die Distanzierung nenne, an einem zeitlichen Abstand besonders
anschaulich wird. Der Vorgang ist natürlich ein intensiver und qualitativer, so dass die quantitative Bezeichnung durch eine Distanz eine bloß symbolische
ist.
Es kann deshalb der gleiche Effekt durch eine Reihe anderer Momente
hervorgerufen werden, wie es sich tatsächlich schon gezeigt hat: durch
die Seltenheit des Objekts, durch die Schwierigkeit der Erlangung, durch
die Notwendigkeit des Verzichtes.
Mag nun in diesen, für die Wirtschaft wesentlichen Fällen
die Bedeutsamkeit der Dinge immer eine Bedeutsamkeit für uns und deshalb
von unserer Anerkennung abhängig bleiben - die entscheidende Wendung
ist doch, dass sie uns nach diesen Entwicklungen wie Macht zu Macht
gegenüberstehen, eine Welt von Substanzen und Kräften, die durch
ihre Eigenschaften bestimmen, ob und inwieweit sie unsere Begehrungen befriedigen,
und die Kampf und Mühsal von uns fordern, ehe sie sich uns ergeben.
Erst wenn die Frage des Verzichtes auftaucht - des Verzichtes auf eine
Empfindung, auf die es doch schließlich ankommt - ist Veranlassung,
das Bewusstsein auf den Gegenstand derselben zu richten.
Der Zustand, den die Vorstellung des Paradieses stilisiert, und in dem
Subjekt und Objekt, Begehrung und Erfüllung noch nicht auseinandergewachsen
sind - ein Zustand nicht etwa einer historisch abgegrenzten Epoche, sondern
ein allenthalben und in sehr mannigfachen Graden auftretender -, ist freilich
zur Auflösung bestimmt, aber eben damit auch wieder zur Versöhnung:
der Sinn jener Distanzierung ist, dass sie überwunden werde.
Die Sehnsucht, Bemühung, Aufopferung, die sich zwischen uns und
die Dinge schieben, sind es doch, die sie uns zuführen sollen. Distanzierung
und Annäherung sind auch im Praktischen Wechselbegriffe, jedes das
andere voraussetzend und beide die Seiten der Beziehung zu den Dingen bildend,
die wir, subjektiv, unser Begehren, objektiv, ihren Wert nennen. Den genossenen
Gegenstand freilich müssen wir von uns (< 25) entfernen, um ihn
wieder zu begehren; dem fernen gegenüber aber ist dies Begehren die
erste Stufe der Annäherung, die erste ideelle Beziehung zu ihm.
Diese Doppelbedeutung des Begehrens -. dass es nur bei einer Distanz
gegen die Dinge entstehen kann, die es eben zu überwinden strebt, dass es aber doch irgendein Nahesein zwischen den Dingen und uns schon
voraussetzt, damit die vorhandene Distanz überhaupt empfunden werde
- hat Plato in dem schönen Worte ausgesprochen, dass die Liebe
ein mittlerer Zustand zwischen Haben und Nichthaben sei.
Die Notwendigkeit des Opfers, die Erfahrung, dass das Begehren
nicht umsonst gestillt wird, ist nur die Verschärfung oder Potenzierung
dieses Verhältnisses: sie bringt uns die Entfernung zwischen unserem
gegenwärtigen Ich und dem Genuss der Dinge zum eindringlichsten Bewusstsein; aber eben dadurch,
dass sie uns auf den Weg zu ihrer
Überwindung führt.
Diese innere Entwicklung zu dem gleichzeitigen Wachstum von Distanz
und Annäherung tritt deutlich auch als historischer Differenzierungsprozeß
auf. Die Kultur bewirkt eine Vergrößerung des Interessenkreises,
d. h., dass die Peripherie, in der die Gegenstände des Interesses
sich befinden, immer weiter von dem Zentrum, d. h. dem Ich, abrückt.
Diese Entfernung ist aber nur durch eine gleichzeitige Annäherung
möglich. Wenn für den modernen Menschen Objekte, Personen und
Vorgänge, die hundert oder tausend Meilen von ihm entfernt sind, vitale
Bedeutung besitzen, so müssen sie ihm zunächst näher gebracht
sein als dem Naturmenschen, für den dergleichen überhaupt nicht
existiert; daher stehen sie für diesen überhaupt noch jenseits
der positiven Bestimmungen: Nähe und Entfernung.
Beides pflegt sich erst in Wechselwirkung aus jenem Indifferenzzustand
heraus zu entwickeln. Der moderne Mensch muss ganz anders arbeiten, ganz andere Bemühungsintensitäten
hingeben als der Naturmensch, d. h. der Abstand zwischen ihm und den Gegenständen
seines Wollens ist außerordentlich viel weiter, viel härtere
Bedingungen stehen zwischen beiden; aber dafür ist das Quantum dessen,
was er sich ideell, durch sein Begehren, und real, durch seine Arbeitsopfer,
nahe bringt, ein unendlich viel größeres.
Der Kulturprozess - eben der, der die subjektiven Zustände
des Triebes und Genießens in die Wertung der Objekte überführt
- treibt die Elemente unseres Doppelverhältnisses von Nähe und
Entfernung den Dingen gegenüber immer schärfer auseinander.
Die subjektiven Vorgänge des Triebes und des Genießens objektivieren
sich im Werte, d. h. aus den objektiven Verhältnissen erwachsen uns
Hemmnisse, Entbehrungen, Forderungen irgendwelcher »Preise«,
durch die überhaupt erst die Ursache oder der Sachgehalt (< 26)
von Trieb und Genuss von uns abrückt und damit in ein und demselben
Akt uns zum eigentlichen »Objekt« und zum Wert wird.
So ist die begrifflich-radikale Frage nach Subjektivität oder Objektivität
des Wertes überhaupt falsch gestellt. Insbesondere wird ihre Entscheidung im Sinne der Subjektivität
höchst missverständlich darauf gegründet, dass kein Gegenstand es zu durchgängiger Allgemeinheit des Wertmaßes
bringen kann, sondern dieses von Ort zu Ort, von Person zu Person, ja von
Stunde zu Stunde wechselt.
Hier liegt die Verwechslung zwischen Subjektivität und Individualität
des Wertes vor. Dass ich zu genießen begehre oder genieße,
ist freilich insofern etwas bloß Subjektives, als darin an und für
sich keinerlei Bewusstseins oder Interessenakzent für den Gegenstand
als solchen enthalten ist.
Nun aber tritt als ein ganz neuer Prozess, der der Wertung ein:
der Willens- und Gefühlsinhalt erhält die Form des Objekts. Dieses steht nun dem Subjekt mit einem Maße von Selbständigkeit
gegenüber, sich ihm gewährend oder versagend, an seinen Gewinn
Forderungen knüpfend, durch die ursprüngliche Willkür seiner
Wahl in eine gesetzliche Ordnung gehoben, in der es durchaus notwendige
Schicksale und Bedingtheiten erfährt.
Dass die Inhalte, die diese Objektivitätsform annehmen, nicht
für alle Subjekte dieselben sind, ist hierfür ganz irrelevant.
Angenommen, die ganze Menschheit vollzöge die genau gleiche Wertung,
so würde dieser damit keinerlei Maß von »Objektivität«
über dasjenige hinaus zuwachsen, das sie auch schon in einem ganz
individuellen Falle besitzt; denn indem ein Inhalt überhaupt gewertet
wird, statt bloß als Triebbefriedigung, als Genuss zu funktionieren,
steht er in einer objektiven Distanz von uns, die durch die sachlichen
Bestimmtheiten von Hemmnissen und notwendigen Kämpfen, von Gewinn
und Verlust, von Abwägungen und Preisen festgelegt ist.
Der Grund, aus dem immer wieder die schiefe Frage nach Objektivität
oder Subjektivität des Wertes gestellt wird, ist der: dass wir
in dem ausgebildeten empirischen Zustande eine unabsehliche Zahl von Objekten
vorfinden, die aus rein vorstellungsmäßigen Ursachen zu solchen
geworden sind.
Steht aber erst einmal ein fertiges Objekt in unserem Bewusstsein,
so scheint freilich der ihm zuwachsende Wert ausschließlich auf der
Seite des Subjektes zu liegen; der erste Aspekt, von dem ich ausging, die
Einstellung der Inhalte in die Reihen des Seins und des Wertes, scheint
mit ihrer Aufteilung in Objektivität und Subjektivität einfach
synonym zu sein.
Allein man bedenkt dabei nicht, dass das Objekt des Willens als
ein solches etwas anderes ist als das Objekt des Vorstellens.
Mögen beide noch so sehr an der gleichen Stelle der Raum-, Zeit-
und Qualitätsreihen stehen: der begehrte Gegenstand steht uns ganz
anders gegenüber, (< 27) bedeutet uns etwas ganz anderes als
der vorgestellte. Ich erinnere an die Analogie der Liebe. Der Mensch, den wir lieben, ist gar nicht dasselbe Gebilde wie derjenige,
den wir erkenntnismäßig vorstellen.
Damit meine ich nicht Verschiebungen oder Fälschungen, die etwa
der Affekt in das Erkenntnisbild bringt. Denn dies verbleibt doch immer auf dem Gebiet der Vorstellung und innerhalb
der intellektuellen Kategorien, wie sich auch ihr Inhalt modifiziere.
Es ist aber eine vom Grund her andere Art, in der der geliebte Mensch
für uns Objekt ist, als der intellektuell vorgestellte, er bedeutet,
trotz aller logischen Identität für uns etwas anderes, ungefähr,
wie der Marmor der Venus von Milo für den Kristallographen etwas anderes
bedeutet als für den Ästhetiker.
So kann ein Seinselement, gewissen Bestimmtheiten nach als »eines
und dasselbe« rekognosziert, uns auf die ganz verschiedenen Weisen:
des Vorstellens und des Begehrens, zum Objekt werden.
Innerhalb jeder dieser Kategorien hat die Gegenüberstellung von
Subjekt und Objekt andere Veranlassungen und andere Wirkungen, so dass es nur zu Verwirrungen führt, wenn man die praktische Beziehung zwischen
dem Menschen und seinen Objekten vor diejenige Art der Alternative zwischen
Subjektivität und Objektivität stellt, die nur auf dem Gebiet
der intellektuellen Vorstellung gelten kann.
Denn wenn der Wert eines Gegenstandes auch nicht in demselben Sinne
objektiv ist wie seine Farbe oder seine Schwere, so ist er darum noch keineswegs
in dem dieser Objektivität entsprechenden Sinne subjektiv; eine solche
Subjektivität kommt vielmehr etwa einer Färbung zu, die durch
Sinnestäuschung entspringt, oder irgendeiner Qualität des Dinges,
die ein fehlerhafter Schluss ihm beilegt, oder einem Sein, dessen
Realität uns ein Aberglaube suggeriert.
Das praktische Verhältnis zu den Dingen dagegen erzeugt eine ganz
andere Art von Objektivität: dadurch, dass die Umstände
der Wirklichkeit den Inhalt des Begehrens und Genießens von diesem
subjektiven Geschehen selbst abdrängen und damit für sie die
eigentümliche Kategorie erzeugen, die wir ihren Wert nennen.
Innerhalb der Wirtschaft nun verläuft dieser Prozess so, dass der Inhalt des Opfers oder Verzichtes, der sich zwischen den Menschen und
den Gegenstand seines Begehrens stellt, zugleich der Gegenstand des Begehrens
eines anderen ist: der erste muss auf einen Besitz oder Genuss verzichten, den der andere begehrt, um diesen zum Verzicht auf das von
ihm Besessene, aber von jenem Begehrte zu bewegen.
Ich werde zeigen, dass auch die Wirtschaft des isolierten Eigenproduzenten
sich auf dieselbe Formel reduzieren lässt. Es verschlingen sich also zwei Wertbildungen ineinander, es muss ein Wert eingesetzt werden, um einen Wert zu gewinnen. Dadurch verläuft
die (< 28) Erscheinung so, als ob die Dinge sich ihren Wert gegenseitig
bestimmten.
Denn indem sie gegeneinander ausgetauscht werden, gewinnt jeder die
praktische Verwirklichung und das Maß seines Wertes an dem anderen.
Dies ist die entschiedenste Folge und Ausdruck der Distanzierung der
Gegenstände vom Subjekt. Solange sie diesem unmittelbar nahe sind,
solange nicht Differenziertheit der Begehrungen, Seltenheit des Vorkommens,
Schwierigkeiten und Widerstände der Erlangung sie von dem Subjekte
fortschieben, sind sie ihm sozusagen Begehrung und Genuss, aber noch
nicht Gegenstand von beidem.
Der angedeutete Prozess, mit dem sie dies werden, vollendet sich
dadurch, dass der distanzierende und zugleich die Distanz überwindende
Gegenstand eigens zu diesem Zwecke hergestellt wird.
Damit wird die reinste wirtschaftliche Objektivität, die Lösung
des Gegenstandes aus der subjektiven Beziehung zur Persönlichkeit
gewonnen; und indem diese Herstellung für einen anderen geschieht,
der die entsprechende für jenen vornimmt, treten die Gegenstände
in gegenseitige objektive Relation.
Die Form, die der Wert im Tausch annimmt, reiht ihn in jene beschriebene
Kategorie jenseits des strengen Sinnes von Subjektivität und Objektivität
ein; im Tausch wird der Wert übersubjektiv, überindividuell,
ohne doch eine sachliche Qualität und Wirklichkeit an dem Dinge selbst
zu werden - er tritt als die, gleichsam über die immanente Sachlichkeit
des Dinges hinausreichende Forderung desselben auf, nur gegen einen entsprechenden
Gegenwert fortgegeben, nur für einen solchen erworben zu werden.
Das Ich, wenngleich die allgemeine Quelle der Werte überhaupt,
tritt so weit von seinen Geschöpfen zurück, dass sie nun
ihre Bedeutungen aneinander, ohne jedesmaliges Zurückbeziehen auf
das Ich, messen können.
Dieses rein sachliche Verhältnis der Werte untereinander, das sich
im Tausche vollzieht und von ihm getragen wird, hat aber seinen Zweck ersichtlich
in dem schließlichen subjektiven Genuss derselben, d. h. darin, dass eine größere Anzahl und Intensität derselben
uns nahe gebracht wird, als es ohne diese Hingabe und objektive Ausgleichung
des Tauschverkehrs möglich wäre.
Wie man von dem göttlichen Prinzip gesagt hat, dass es, nachdem
es die Elemente der Welt mit ihren Kräften versehen habe, zurückgetreten
sei und sie dem gegenseitigen Spiele dieser Kräfte überlassen
habe, so dass wir nun von einer objektiven, ihren eigenen Relationen
und Gesetzen folgenden Welt sprechen können; wie aber die göttliche
Macht dieses Aus-sich-heraussetzen des Weltprozesses als das geeignetste
Mittel erwählt hat, ihre Zwecke mit der Welt am vollständigsten
zu erreichen: so bekleiden wir innerhalb der Wirtschaft die Dinge mit einem
Wertquantum wie mit einer eigenen (< 29) Qualität ihrer und überlassen
sie dann den Austauschbewegungen, einem durch jene Quanten objektiv bestimmten
Mechanismus, einer Gegenseitigkeit unpersönlicher Wertwirkungen -
aus der sie vermehrt und intensiver genießbar in ihren Endzweck,
der ihr Ausgangspunkt war: das Fühlen der Subjekte, zurückkehren.
Hiermit ist die Richtung der
Wertbildung begründet und begonnen, in der sich die Wirtschaft vollzieht, und
deren Konsequenzen den Sinn des Geldes tragen. Ihrer Ausführung haben wir uns
nun zuzuwenden. (< 30)
-> Teil 2
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