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Towards
Cybersociety and "Vireal" Social Relations Bibliographische Zitation:
Hans Geser / Evelina Bühler Zürich, Oktober 2006 2 Der wachsender Nachfragemarkt für artifizielle Arrangements der
Partnersuche 3 Niederschwellige Zugänglichkeit und geringe Transaktionskosten 5 Erweiterung des Alternativenfeldes 6 Die Standardisierung der Exklusionskriterien 7 Die zweite Stufe der „Subjektivierung“ der
Partnerwahl 8 Das Fehlen eines strukturierenden „situativen
Rahmens“ 9 Der diskursive (statt intuitive) Prozess des Kennenlernens _________________________ 1. Einleitung Seit ihren
Anfängen werden neuen computergestützten Kommunikations-medien
rege für die Suche nach allerhand neuen Kontakten – vom frivolen sexuellen One-Night-Stand bis zu ernsthaftesten Lebens- und
Heiratsgefährten – genutzt. Nachdem bereits das französische Minitel und die im Jahre 1988 lancierte alt.domain kostenfreie Möglichkeiten für informelle
Kontaktinitiierungen eröffnet hatten, ist auf der Basis des WordWideWeb dann ein an Vielfalt kaum überblickbares
Angebot an Vermittlungsplattformen von lokaler bis globaler Reichweite
entstanden, zu denen seit der Gründung von Match.com
(1996) zunehmend auch potente kommerzielle Anbieter gehören. Weil die
Partnersuche zu jenen wenigen Web-Dienstleistungen gehört, für die die
meisten Internetnutzer zumindest moderate Beiträge zu zahlen bereit sind,
konnte eine von der generellen dotcom-Krise relativ
unberührte Webdating-Branche entstehen, die in den
USA im Jahre 2004 ca. $ 470 Mio (im Vergleich zu 40
Mio im Jahre 2001) erwirtschaften konnte (Madden/Lenhart 2005). Im Deutschsprachigen Raum werden
bis zu 2700 Dating-Sites gezählt, bei einem
Marktvolumen von schätzungsweise 55 bis 75 Mio. Euro für 2006. Auf dem
amerikanischen Markt sind seit 2005 Stagnations-, ja sogar
Schrumpfungseffekte zu verzeichnen, die gemäss dem „weAttract
Whitepaper“ [1] in der wachsenden Marktsättigung, dem abklingenden
Neuheitseffekt, der zunehmenden Nischenbildung (Spezialplattformen für
bestimmte Bevölkerungssegmente) sowie einem wachsenden Vertrauensverlust in
die Industrie (Match.com wurde wegen gefälschter
Profile angeklagt) ihre Ursache haben. Aus einer ländervergleichenden Studie
der Nielsen/NetRatings geht hervor, dass im
Stichmonat Juli 2005 in Deutschland nicht weniger als 6.7 Mio
Individuen (d.h. ca. 20% aller Internetnutzer) Partnerbörsen aufgesucht haben
während in Frankreich im selben Monat 3,4 Millionen (18,7%) und in
Grossbritannien 3,2 Millionen (12,4%) derartige Plattformen nutzten.
Erhebliche Prozentanteile (in Deutschland gar über 50%) halten dabei nach
einer dauerhaften Partnerbeziehung Ausschau, und die meisten sind bereit, für
den Zugang zu solchen Börsen monatlich wenigstens ein paar Euro zu entrichten
(Nielsen/Netrating 2005). Derartige
Zahlen weisen auf eine erstaunliche gesellschaftliche Akzeptanz dieses neuen
Partnerwahlmediums hin, die mit dem Schmuddelimage mancher konventioneller
Zeitschrifteninserate ebenso wie mit der eher elitären Prägung hergebrachter
„Eheanbahnungsinstitute“ dramatisch kontrastiert. So hat sich in einer
repräsentativen Umfrage der Düsseldorfer Innofact
AG im Herbst 2003 gezeigt, dass 66 Prozent der Bevölkerung im Internet
günstige Chancen sehen, den passenden Partner kennen zu lernen. Bei einer
Folgebefragung vom Dezember 2003, an der über 1000 Internetnutzer teilnahmen,
gaben bereits mehr als 12 Prozent der Befragten an, ihren derzeitigen
Lebenspartner im Netz kennen gelernt zu haben. [2] Damit scheinen die Partnerbörsen in manchen
europäischen Ländern eher stärker etabliert und erfolgreicher als in den USA,
wo gemäss einer Umfrage des PEW & American Life
Projects nur 37% der Partnersuchenden Online-Plattformen benutzen, von denen
wiederum nur 43% ein Rendezvous realisieren und nur 17% eine längerfristige
Liebesbeziehung finden (Madden/Lenhart 2005).
Dementsprechend beschränkt der Anteil der Ehepaare, die sich im Internet
gefunden haben, auf ca. 3% (Maden/Lenhart 2005): also nicht zu vergleichen
mit den 38%, die einander am Arbeitsplatz oder in der Schule begegnet sind,, oder den 34%, die im Familien- oder Freundeskreis
Bekanntschaft geschlossen haben. [3] Bemerkenswert
ist, wie leicht breiteste Bevölkerungssegmente der meisten westlichen Länder
offensichtlich jenes Minimum an interpersonellem Vertrauen aufbringen, das
für eine angstfreie Kontaktierung beliebiger Unbekannter (und ganz besonders:
für die Bereitschaft, sich mit ihnen zum Rendezvous zu treffen) die
notwendige Voraussetzung bildet. Allerdings ist das erforderliche
Grundvertrauen, dass beliebige Unbekannte in den meisten Fällen ehrlich sind,
eher bei den höheren als bei den niedrigeren Schichten verbreitet – was
wiederum bewirkt (Madden/Lenhart 2005), dass sich
in den Dating- Börsen relativ urbane und gebildete
(und damit homogen-seriöse) Individuen zusammenfinden, die einander in ihren
positiven Erwartungen wechselseitig bestätigen. Eine international
vergleichende Studie würde aber wohl ergeben, dass der Gebrauch von
Online-Partnerbörsen stark mit dem durchschnittlichen Niveau des
interpersonellen Vertrauens (eine in neueren Surveys
sehr beliebte Variable) korreliert. Verschiedene
empirische Untersuchungen zeigen, dass immerhin ca. 20-40% der Nutzer in
ihren Selbstbeschreibungen bewusst unwahre persönliche Informationen
verbreiten, dass sich derartige Betrügereien aber meist auf leicht
falsifizierbare Aspekte (wie Alter, Körpergewicht u.a.)
beschränken (Knox, Daniels, Sturdivant & Zusman 2001; Brym/Lenton 2001;
Nielsen Netratings 2005). Generell
scheint die praktische Nutzung der Partnerbörsen eher mit positiven als
negativen Erfahrungen einherzugehen (Madden/Lenhart
2005): mit der Folge, dass sich anfängliche Skepsis oft verflüchtigt und 90%
(!) der erfahrenen Börsennutzer ihren Bekannten empfehlen, ebenfalls diesen
Weg zu beschreiten (Brym/Lenton 2001 Tatsächlich
scheint der dem ersten Rendezvous vorausgehende kommunikative Austausch
häufig eine hinreichende Informationsbasis und Erwartungssicherheit zu
erzeugen, damit keine totale Enttäuschung entsteht. Damit können auch sehr
verletzliche Personen eine günstige Grundlage für Begegnungen schaffen, die
vorher in konventionellen Dates sehr negative
Erfahrungen machen mussten:
So ist das
kumulative Wachstum der Nutzerzahlen der Dating-Plattformen
ist nicht so sehr auf die – eher bescheidenen – Werbekampagnen der kommer-ziellen Plattformen, sondern auf informelle
Mund-zu-Mund-Propaganda inner-halb der das Internet
nutzenden Bevölkerung zurückzuführen. [4] 2. Der wachsender Nachfragemarkt
für artifizielle Arrangements der Partnersuche Es scheint
für unsere heutigen Gesellschaften charakteristisch: dass praktisch keine
explizit auf Partnerwahl ausgerichteten sozialen Arrangements ausgebildet werden,
sondern dass sich diese Prozesse gewissermassen „nebenbei“ (und
dementsprechend unkontrollierbar und unberechenbar) innerhalb von
Institutionen oder Interaktionsfeldern mit anderen Hauptfunktionen (z. B. in
Schulen, Betriebsstätten freiwilligen Vereinigungen, Freizeitanlässen u.a.) vollziehen. Zweifellos haben beispielsweise Schule
und Arbeitsplatz ihren Platz als generative Substrat für
Partnerschaftsbindungen wahren oder sogar steigern können: weil die
Ausbildungszeiten generell länger geworden sind und überall ausgeglichenere Geschlechterproportionen als noch vor 40
Jahren bestehen. Aus vielerlei
Gründen reichen solch konventionelle „Angebote“ aber nicht mehr aus, um den
heutigen Nachfragebedürfnisse quantitativ und qualitativ Rechnung zu tragen. Erstens
hat sich das durchschnittliche Heiratsalter derart verschoben, dass die
Suche nach dem Lebenspartner oft erst nach der Ausbildungszeit aktuell wird
(und die Schule damit ihre Bedeutung zur Stiftung altershomogamer
Beziehungen verliert). Zweitens sind in vielen Betriebsstätten
striktere Umgangsregeln (z. b. zum Schutz gegen „sexuelle Belästigung“)
eingeführt werden, die die Kontaktaufnahme zwischen Männern und Frauen
erschweren. Drittens entstehen durch Trennungen und Scheidungen in
grossem Umfang „sekundäre Singles“, denen aufgrund ihres mittleren oder
höheren Lebensalters die üblichen Einrichtungen und Veranstaltungen (z. B.
Schule, Discos, Parties u.a.) fehlen, die für
Jüngere reichliche Gelegenheit zur Partnersuche bieten (vgl. Brym/Lenton 2001). Da solche Phasen zwangsläufig aus der
Beendigung von Beziehungen entstehen, gelten Singles nicht mehr als
stigmatisierte Einzelgänger, sondern als völlig normale, beziehungsfähige
Personen. Untersuchungen zeigen, dass sich die Nutzer von Online Partnerbörsen
bezüglich ihrer sozialen Integration kaum von Nichtnutzern unterscheiden: sie
treffen sich in ihrer Freizeit gleich häufig mit Freunden und nehmen ebenso
stark am Vereinsleben teil (Brym/Lenton 2001). Hinzu kommt,
dass viele von ihnen infolge ihrer starken Belastung durch Beruf und/oder
Familie (z. B. alleinerziehende Mütter) für die Partnersuche nur wenig freie
Valenzen besitzen, und dass manche aufgrund ihrer bisherigen Biographie
anspruchsvoller und selektiver geworden sind, als sie in ihrer Jugend waren. [5]
Als Folge
entsteht ein Bedarf nach artifiziellen und möglichst niederschwelligen
Formen sozialer Kontaktbildung, die mit der Heterogenität der Lebenslagen
möglichst kompatibel sind: also zum Beispiel damit, dass potentielle Partner
weit weg voneinander wohnen, neben Berufs- und Familienpflichten kaum Zeit
für soziale Freizeitaktivitäten aufbringen oder ganz bestimmte anspruchsvolle
Präferenzen ausgebildet haben. Als „ineffizient“ werden konventionelle Felder
der Partnersuche vor allem deshalb empfunden, weil wechselseitige Unkenntnis
darüber besteht, wer überhaupt subjektiv motiviert und objektiv dazu
disponiert ist, eine exklusive Partnerbeziehung einzugehen. Single
Treffs, Single-Dinners, Single Weinproben, Single-Reisen usw. haben deshalb
den immensen Vorteil, dass über derart grundsätzliche Voraussetzungen (dass
jeder für eine Partnerschaft zumindest „offen“ ist) zum vornherein
Erwartungssicherheit besteht. [6] (Wer dann aber abgewiesen wird, hat allerdings
auch nicht den Trost, dies der generellen Unverfügbarkeit der Angesprochenen
zuschreiben zu können; vielmehr muss er deren mangelnde Gegenliebe dafür
verantwortlich machen). Online Dating
erweist sich als unschlagbar effizient in dem doppelten Sinne, als die
Kontaktnahme zu beliebigen Zeiten vom Heimcomputer aus (ohne Partizipation an
sozialen Events) zugänglich ist, und die Fülle an Alternativen es erlaubt,
sehr präzise Selektionskriterien zur Geltung zu bringen. Dies erklärt, warum
sich Angehörige sehr unterschiedlicher Altersgruppen auf den Dating-Plattformen bewegen und warum die meisten von
ihnen (nach Hitsch gar etwa 75%) nach einer
stabilen Partnerbeziehung Ausschau halten (Hitsch
2005). 3. Niederschwellige
Zugänglichkeit und geringe Transaktionskosten Dies hat
vielerlei dramatische Konsequenzen: Erstens kann man sich
üblicherweise zur selben Zeit nur einer einzigen Beziehung widmen, denn wer
mehrere Beziehungen „an Laufen hat“, wird sich bald durch den Zwang
hektischen Aktivitäten (z. B. der räumlichen Fortbewegung) und zu straffer
Zeitorganisation in seiner Lebensführung beeinträchtigt sehen. Zweitens
können diese Kosten in vielen Fällen (beispielsweise bei entlegener Wohnlage
oder körperlicher Behinderung) derart hoch werden, dass selbst intensive
Partnerwünsche an den Hürden der Kontaktaufnahme scheitern. Und drittens
müssen bei jedem Wechsel der Beziehung erhebliche Schwierigkeiten und
Zeitverzögerungen hingenommen werden, So bleiben wohl manche unglücklich
zusammenlebende Ehepartner nur deshalb zusammen, weil sie einander keine
ausreichenden Freiräume zum Kennen lernen neuer Partner zugestehen, oder weil
sie das Alleinsein nach der Trennung scheuen: da sie eben Schwierigkeiten
sehen, bald (bzw. überhaupt) eine neue Beziehung zu finden. [7] Elektronische
Partnerbörsen sind vor allem in dem Sinne innovativ, dass sie einen fast
voraussetzungslos offenen, von örtlichen und zeitlichen Restriktionen und
manchen sozialen Verhaltenszwängen relativ befreiten Zugang zur Partnersuche
bieten. Abgesehen von der – meist eher bescheidenen – pauschalen
Abonnementsgebühr bestehen die einzigen Kosten, die mit der Kontaktierung
einer Person verbunden sind, im Verfassen des Mailtextes – der überdies in
identischer oder leicht abgewandelter Form an beliebig viele Empfänger
verschickt werden kann. Deshalb wird die primäre Initiierung von zahlreichen
Beziehungen sehr stark begünstigt. Es kostet nichts, selbst Personen
anzuschreiben, die mit grösster Wahrscheinlichkeit den Kontakt nicht wollen
und deshalb keine Antwort senden. Bei den meisten Mitteilungen in
Partnerbörsen handelt es sich deshalb um einseitige Anschriften, die keine
Erwiderung finden (in der kanadischen Studie von Brym/Lenton
über 78%). [8] Diese niederschwellige
Zugänglichkeit hat zur Folge, dass auch Nutzer mit sehr unsicherer
Motivationslage und geringem Vertrauen in die neue Technologie auf
Singlebörsen gehen: so dass ein äusserst gemischtes Publikum entsteht,
das – methodologisch gesprochen - gute Voraussetzungen für statistische
Vergleichsuntersuchungen bietet. Ein immenser
Vorteil aller Online-Interaktionen besteht in der Leichtigkeit des „role switching“, d. h. in der
Möglichkeit, in Sekundenschnelle von einem Kontakt zu einem anderen
überzuwechseln oder gar gleichzeitig mehrere Antwortmails in Arbeit zu haben,
und an mehreren Chats zu partizipieren,. Dadurch wächst die Chance, über
relativ zahlreiche mögliche Partner zumindest einige grundlegende Eindrücke
und Informationen zu sammeln, um die meisten dieser versuchsweisen
Kontakte dann „aus guten Gründen“ nicht weiterzuverfolgen. Ebenso hat die
Rolle des Online-Interaktionspartners die Eigenschaft, mit praktisch allen
Rollenverhältnissen in der Offline-Welt vereinbar
zu sein. Einander entfremdete Ehepartner können aus der eigenen Wohnung
heraus neue Kontakte knüpfen, selbst wenn sie auf dem Land oder in der Einöde
wohnen, und allenfalls wird selbst in manchen stabilen Partnerschaften ein
bisschen mit dem Risiko gespielt. Bisher liegen keine Forschungsergebnisse
darüber vor, inwiefern Partnerbörsen zur Destabilisierung bestehender
Beziehungen beitragen, indem sie es einerseits ermöglichen, innerhalb des
äusseren Rahmens bestehender Beziehungen neue Beziehungen zu initiieren, und
indem sie andererseits das Risiko der Trennung tragbarer machen (weil man
antizipiert, schnell wieder einen neuen Partner zu finden). 4. Erleichterte Exit-Optionen Ähnlich wie
SMS eignen sich auch Email und andere schriftliche Online-Kommunikationen
besser als das Telefon (oder gar Face-to-face
Begegnungen) dazu, einen Kontakt jederzeit abzubrechen oder eine sich bereits
anbahnende Beziehung sofort zu beenden. Dies deshalb, weil der Sender keine
unmittelbaren sichtbaren Reaktionen des unglücklichen Empfängers in Kauf nehmen
muss, aus Angst vor denen er vielleicht zögert, aufrichtig und „schonungslos“
zu sein. Umgekehrt betrachtet sind die zugefügten Wunden auch nicht so
traumatisch, weil derjenige, der den Korb erhälT, sich
erstens selber oft sagen kann, er
habe bisher gar nicht viel (an Zeit Kosten, Emotionen u.a.)
in die Beziehung investiert, und zweitens
ganz objektiv ja leicht die
Möglichkeit hat, sich alternativen Kontakten zuzuwenden, d. h. zur Lösung des
Problems aktiv zu werden, anstatt in Einsamkeit und Selbstmitleid zu
versinken. (Merkle & Richardson, 2000). Bisher haben
die hohen psychologischen Kosten einer Zurückweisung vor allem zur Folge
gehabt, dass niemand Beziehungen mit einer geringen Chance der Reziprozität
angefangen hat: z. B. sind hübsche Frauen oft erstaunlich einsam geblieben,
weil kein Mann das hohe Risiko, zurückgewiesen zu werden, eingehen wollte:
Das Online Dating verringert die Verzerrungen, die durch solch
taktische Überlegungen entstehen: so dass die ausgesandten Kontakte viel
enger mit der perzipierten Attraktivität (und
damit: dem Wunsch, Kontakt zu knüpfen) korrelieren. Vielleicht gibt man unter
diesen Bedingungen leichter auch negative, allenfalls sogar diskreditierende
Informationen über sich preis: weil das Risiko, dass der Partner deswegen den
Kontakt beendet, besser getragen werden kann. [9] Generell muss
beim digitalen Auswahlprozess mit dem Vorherrschen einer stark kognitiven
Orientierung gerechnet werden: es geht darum, durch Sammeln möglichst
vollständiger Informationen zu beurteilen, ob der Partner mit entspricht –
und nicht etwa, ihn soweit zu beeinflussen oder umzuerziehen, damit er meinen
Ansprüchen genügt. Möglicherweise werden selbst bei kleineren temporären
Störungen, Enttäuschungen und Missstimmungen rasch abgebrochen, statt dass
Konflikte ausgehalten und verarbeitet werden, so dass es keine Chance mehr
für die Entstehung von Beziehungen gibt, die zur Entwicklung sehr viel Zeit
und das Durchleben gemeinsamer Konflikte benötigen („Liebe auf den vierten
Blick“). 5. Erweiterung des
Alternativenfeldes Als Vorteil des Online Dating
wird am häufigsten angegeben, dass man dadurch Personen kennenlernen könne,
die man im realen Leben niemals antreffen würde (Brym/Lenton
2001). Auch wer nicht an die Qualität irgendwelcher Online-Selektionsverfahren
glaubt, hält es immerhin für evident, dass der Pool von Alternativen
erweitert wird, die real zur Auswahl stehen. Diese Erweiterung ist
offensichtlich vor allem für jene relevant, die aufgrund ihrer Wohnsituation
und Lebensweise ein nur kleines Kontaktfeld besitzen. Tatsächlich waren es in
der Studie von Brym/Lenton 2001 vor allem die aus
kleinen Städten und Dörfern stammenden Nutzer, die diesem Aspekt die grösste
Bedeutung beigemessen haben. Gemäss dem statistischen Gesetz der grossen
Zahlen können sich auch Individuen mit relativ stark abweichenden Merkmalen,
Weltanschauungen und Interessen gute Chancen ausrechnen, einen ihnen
entsprechenden Partner zu finden – so dass man derartige Abweichungen
vielleicht auch offener zugibt als in kleineren Milieus, wo man einen viel
grösseren Druck verspürt, konventionell gängigen Normalvorstellungen zu entsprechen
(vgl. Paap/Raybeck 2005). Angesichts der Fülle
potentieller Partner sind umso drastischere
Mechanismen der Komplexitätsreduktion notwendig, um diejenigen
herauszufiltern, die eine nähere Beachtung verdienen. Die dafür verwendeten
Verfahren variieren auf einem Kontinuum, das sich zwischen den beiden
folgenden Polen erstreckt. 1) Institutionelle Selektion
(„Push Modell“ nach Burrell et. al. 2004). 2) Individuelle Selektion
(„Pull Modell“ nach Burrell et. al. 2004)
Sozialpsychologische
Studien zeigen, dass Individuen bei einer geringeren Auswahl an verschiedenen
Alternativen (z. B. Konfitüren im Supermarkt) eher bereit sind, überhaupt
eine Wahl zu treffen, und dass sie mit dieser Wahl zufriedener sind (vgl. Iyenga and Lepper 2000). Die
Gründe bestehen wohl darin, dass die Aufgabe, unter zahlreichen einander
ähnlichen Alternativen die richtige zu wählen, sehr viel mentale Anstrengung
erfordert. Bei sehr wichtigen Entscheidungen wie der Partnerwahl kommt noch
die Angst dazu, dass sich die Wahl im Nachhinein als suboptimal (oder gar
völlig verfehlt) darstellen würde. Diese
Koexistenz von Pull- und Push-Plattformen bietet günstige Möglichkeiten zur
empirischen Erforschung der Frage, wer unter welchen Bedingungen welche
Partnerwahlmethode präferiert, und welche Verfahren
in welchen Fällen besser geeignet sind, zufriedenstellende und stabile
Partnerschaften zu generieren. 6. Die Standardisierung der Exklusionskriterien Partnerwahlprozesse
erfordern äusserst drastische Verfahren der Filterung, um die Zahl in Frage
kommender Personen rasch auf ein Mass, das mit den begrenzten kognitiven und evaluativen Kapazitäten des Suchenden vereinbar ist, zu
reduzieren. In jedem Fall besteht ihr Dilemma darin, dass sie sich auf ex
ante festgelegte Kriterien („Stereotypen“ und „Vorurteile“) abstützen müssen
und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu „falsch negativen“ Ergebnissen führen,
die als solche nicht erkannt werden können, weil man mangels Kontaktaufnahme
ja gar nie wissen wird, welche der ausgeschlossenen Personen vielleicht doch
in Frage gekommen wären. In der realen Welt sorgen die Zufälligkeiten des
räumlichen Zusammentreffens und die Spontaneitäten sinnlicher Wahrnehmung
dazu, dass derartige Suchkriterien manchmal ausser Kraft gesetzt werden: so
dass beispielsweise immer wieder die aus Dramen und Romanen bekannten heterogamen „Mesaillancen“
entstehen, die mit den homogamen Präferenzen der
Hauptdarsteller (und erst recht ihrer Verwandten) in einem schrillen
Missklang stehen. Auch auf
elektronischen Partnerbörsen kann man die Suche zumindest insofern dem Zufall
überlassen, als man spontan auf ansprechende Photos oder Inserattexte
reagiert. Viel näher liegt es allerdings, , den
Suchprozess mindestens am Anfang von expliziten ex ante- Kriterien
steuern zu lassen, indem man mittels der Suchmaske :Personen mit gewünschten
Merkmalskonfigurationen selegiert.
Wer
beispielsweise ein Höchstalter von 35 oder eine Mindestkörpergrösse von 1.65
wählt, schliesst irreversibel jede Chance aus, älteren oder kleineren
Personen zu begegnen – unabhängig davon, wie attraktiv diese ihm aufgrund all
seiner anderen Präferenzkriterien erscheinen würden. Dieses erhöhte Gewicht
objektivierbarer Selektionskriterien ist vor allem dort von Bedeutung, wo sich
die Partnerwahl nach traditionellem Muster an klar definierbaren Herkunfts-
und Statusmerkmalen (z. B. Familienabstammung, ethnisch-religiöse
Zugehörigkeit, Beruf, Vermögensverhältnisse usw.) orientiert.
Tatsächlich
könnten Singlebörsen dazu verhelfen, dass wieder mehr Ehen aus jenen
nichtromantischen Gründen entstehen, wie sie zu praktisch allen vormodernen
Zeitperioden üblich waren. Sehr viel stärker als früher sind auch
zahlenmässig kleine und geographisch verstreut lebende ethnisch-religiöse
Minoritäten in der Lage, eine strikte Endogamie aufrechtzuerhalten, anstatt
sich mit der umliegenden Bevölkerung der vermischen. Dadurch könnte sich die
bekannte empirische Regularität abschwächen, dass
die Exogamierate von Minoritäten negativ mit ihrer
lokalen Populationsgrösse korreliert (vgl. Lieberson/Waters
1988; Wong 1989; Kalmijn
1993). So verhilft das Internet indischen Kasten, die traditionellen Homogamieregeln selbst unter Bedingungen hoher globaler
Migration und Dispersion strikt einzuhalten, indem die Eltern
Onlineplattformen nutzen, um für ihre Kinder weltweit nach passenden
Ehepartnern zu suchen (vgl. Priyanka 2004).
Auch in der westlichen Welt scheinen Online Plattformen vielerlei Tendenzen
zur Homogamie zu unterstützen, die sich allerdings
eher auf private biographische Merkmale als auf Kriterien kollektiver
Gruppenzugehörigkeit beziehen:
Umgekehrt
aber können Partnerbörsen auch vielerlei subjektive Präferenzen für Heterogamie unterstützen, die in der Realwelt, wo sich
andauernd Partner aus denselben Berufsrichtungen, Betriebsstätten und
Bildungsinstitutionen miteinander verbinden, zu wenig Entfaltungschancen
besitzen. Weil das
digitale Medium eine ungefilterte Umsetzung internalisierter Normen und
Rollenvorstellungen in das Partnersuchverhalten erlaubt, ist auch damit zu
rechnen, dass beispielsweise auch die unterschiedlichen Präferenzstrukturen
beider Geschlechter ungebrochen zum Ausdruck kommen. Dies zeigt sich z. B.
darin, dass die Initiierung eines Kontakts mit sehr viel grösserer Häufigkeit
von den Männern als von den Frauen ausgeht (in der umfangreichen Studie von Fiore/Donath im Verhältnis von 73:27 Prozent), und dass
umgekehrt die Frauen häufiger als die Männer die Freiheit nehmen , auf eine
entsprechende Anfrage keine Antwort zu geben (Brym/Lenton
2001; Fiore 2004: 41f.). So liegt der Quotient
zwischen ausgesandten und erhaltenen Mitteilungen bei den Männern über, bei
Frauen unter dem Wert von 1.0 (Brym/Lenton 2001).
Ebenso
verhalten sich Frauen gegenüber manchen Statusmerkmalen von Männern (Bildung,
Einkommen und ethnische Zugehörigkeit) sehr selektiv, während Männer sich
bezüglich solcher objektiver Charakteristika offener verhalten (Hitsch et. al. 2005). Während ein hoher Bildungs- und
Berufsstatus bei Männern die Attraktivität steigert, wirkt er sich bei Frauen
leicht negativ aus (Hitsch et. al. 2005).
Generell
erscheint eine Analyse der verwendeten Exklusionsstrategien
aus zwei Gründen beson-ders fruchtbar. Erstens
vermitteln sie Einblicke in die Kriterien der Homogamie
und Heterogamie, die in verschiedenen
demographischen und kulturellen Milieus vorherrschend sind. Und zweitens
lassen sich daraus Schlüsse ziehen, wie sich die Kriterien der Partnerwahl
und Eheschliessung unter dem Einfluss digitaler Vermittlungsplattformen
verändern. 7. Die zweite Stufe der „Subjektivierung“ der Partnerwahl In unserer
westlichen Gesellschaft ist es den Individuen schon lange erlaubt, ihre
Liebes- und Ehepartner in aller Freiheit ohne Einflussnahme ihrer Eltern und
Verwandten und ohne Rücksichtnahme auf standesmässige
oder religiös-ethnische Endogamieregeln zu wählen. Manche dieser Freiheiten
sind bisher aber de facto für die Partnerwahl nicht sehr folgenreich
geworden, weil die meisten Menschen ihren Partner immer noch in jenen
sozialen Milieus finden, in denen sie sich bevorzugt aufhalten – und diese
Milieus (z. B. Wohnregion, Nachbarschaft,, Schule oder Arbeitsplatz) sind
nach wie vor durch vielfältige Zufälligkeiten der Geburt und
ökologisch-strukturelle Hintergrundfaktoren bestimmt (vgl. z. B. Wirth 2000).
So wird die faktische Partnerwahl wird in der traditionellen Offline-Welt auch heute noch nur zum Teil durch
subjektive Präferenzen, zum andern grossen Teil aber durch strukturelle und
physische Hindernisse („search frictions“)
determiniert. Beispielsweise ist die Homogamie
bezüglich Bildungsniveau faktisch viel höher als sie gemäss den subjektiven
Präferenzen der Heiratspartner sein sollte: einfach weil sich so viele Paare
in der gemeinsam besuchten Schule kennen lernen (Hirsch et. al. 2005).
Dementsprechend
kann sich bis heute trotz des Verschwindens familiär-verwandtschaftlicher
Netzwerke ungestört eine endogene Selbstreproduktion der Elite vollziehen,
weil die Angehörigen hoher Schichten dafür sorgen, dass ihre Kinder in
standesgemässen Institutionen und Vereinigungen aufeinander treffen und dort
planmässig meist homogame Beziehungen knüpfen.
Durch die generelle Verlängerung der durchschnittlichen Ausbildungszeit hat
sich diese strukturell bedingte Selektivität gar noch erhöht, denn es zeigt
sich, dass sich der Trend zu homogamen Beziehungen mit
zunehmender Schuldauer verstärkt (vgl. Blossfeld et. al. 1998; Bernardi 2003). Ebenso wird die Wahrscheinlichkeit
von interethnischen Ehen wird in erster Linie nicht durch subjektive
Einstellungen Menschen fremder Herkunft, sondern durch die ethnische Mischung
der Wohnregion bestimmt (vgl. Muttarak 2004).
Generell zeigt sich, dass konventionelle „Heiratsmärkte“ grosse Mühe haben,
mit der Internationalisierung und Globalisierung vieler anderer Märkte
Schritt zu halten. Stattdessen scheinen sie nach
wie vor dem „law of distance interaction“
(Mayhew/Levinger 1976) zu folgen und sich in einem
fast unglaublichen Ausmass immer noch in lokal segmentierte Teilmärkte
differenzieren (vgl. Muttarak 2004). Vielleicht
besteht die bedeutsamste gesellschaftliche Wirkung des Internet darin,
Individuen aus der dominierenden Prägekraft solcher pseudo-askriptiver
Sozialbindungen herauszulösen und sie damit in die Lage zu versetzen, ihre de
jure schon lang bestehenden Freiheiten auch de facto wahrzunehmen,
indem sie sich in einem von einengenden Sozialstrukturen befreiten – und
damit von ihnen völlig autonom gestaltbaren – Interaktionsfeld bewegen. Weil
sich die Teilnahmeaktivität im geschützten privaten Raum vollzieht, wo
keinerlei soziale Normen und Sozialkontrollen wirksam sind, wird sie in
erster Linie durch subjektive intrapersonelle
Motivationen, Interessen, Stimmungen und Zielsetzungen bestimmt. Mit andern
Worten: das Online-Medium bietet optimale Voraussetzungen, damit sich
subjektiv-psychologische Dispositionen unvermittelt und ungefiltert in
faktisches Verhalten umsetzen können – so dass dieses Verhalten als direkter
Spiegel intraindividueller psychologischer
Präferenzen und internalisierter kultureller Normen gewertet werden kann. In einem historisch bisher nicht erreichbarem Masse wird es
möglich, sich bei der Partnersuche von selbstbestimmten Selektionskriterien
anstatt von situativen Gegebenheiten und nicht
beeinflussbaren Zufälligkeiten leiten zu lassen.
Dies könnte
bedeuten, dass die bisher relevanten sozialen Felder und Institutionen,
innerhalb denen sich interpersonelle Beziehungen gebildet haben, einen Teil
ihrer generativen Kraft verlieren: so dass Schule oder der Arbeitsplatz,
Familienanlässe oder Parties, Discos oder Ferienreisegruppen weniger als früher
paarbildend wirken. Zum Beispiel kann das Internet Immigranten dazu
verhelfen, sich gegenüber der Bevölkerung des Einwanderungslandes
systematisch zu isolieren, indem sie in die Netzwerke ihrer herkömmlichen
Verwandtschaft und Freundeskreise integriert bleiben und sich auch ihren
Ehepartner in der früheren Heimat suchen. Ebenso mag es Migranten
ermutigen, ökologisch verstreut anstatt in kollektiven Verdichtungen (z. B.
urbanen Ghettos) zu leben, weil sie unabhängig von ihrem Standort in der Lage
sind, sich mit Ihresgleichen zu verbinden. [11] Für die
Theorie der Partnerwahl bedeutet dies vor allem, dass „angebotsorientierte“
Erklärungsansätze, die die Determinationskraft objektiver sozialer
Mitgliedschaften und Partizipationen (z. B. in Verwandtschaftsgruppen,
Schulen, Vereinen, Betrieben u. a.) in den Vordergrund stellen (vgl. z. B.
Fischer 1977; Maroden 1990; Kalmjin/Flap 2001) an
Relevanz verlieren. Erhöhte Bedeutung erhalten hingegen die
„Nachfragetheorien“, die davon ausgehen, dass sich in den empirisch
vorgefundenen Partnerbeziehungen vor allem persönliche Selektionskriterien
(bis hin zu streng ökonomischen Nutzenkalkülen) widerspiegeln. (vgl. z. B.
Buss & Barnes 1986; South 1991; Becker 1974). Deshalb bietet das Studium
von online zustandekommenden
Partnerbeziehungen interessante neue Möglichkeiten, um die psychologischen
Variablen, welche die Partnerwahl beeinflussen, in relativ unverfälschter
Form zu eruieren. Ebenso eröffnen sie stark verbesserte Chancen für die
Überprüfung von Marktmodellen der Partnerwahl, die davon ausgehen, dass die
Akteure über vollkommene Information verfügen und ohne physische Friktionen
in der Lage sind, ihre Präferenzen zu artikulieren (vgl. Fiore/Donath
2004). Allerdings muss dies alles keineswegs bedeuten, dass nun rein
subjektiv geprägte, idiosynkratische Vorlieben oder
am Eigennutz orientierte utilitaristische Kalküle die Führung übernehmen.
Vielmehr könnte es auch geschehen, dass individuell verinnerlichte
Traditionsmuster in den Vordergrund treten, die beispielsweise den Trend zu
standes- und kastenmässiger und ethnisch-religiöser
Homogamie verstärken. Auch aktuelle modische
Präferenzen (z. B. die in jüngerer Zeit stark erhöhte Ablehnung von Rauchern)
können sich ungehindert Geltung verschaffen - genauso wie zeitgeistig
geprägte Präferenzen für interethnische Exogamie
(Model/Fisher 2002). Möglich wird auch das Ausleben neuer (z. B.
homoerotischer oder sado-masochistischer) sexueller
Vorlieben, die bisher völlig auf die Ebene subjektiver Wünsche gebannt
geblieben waren, weil die realweltliche soziale Umwelt, die immer von den
Erwartungen Anderer durchsetzt ist, keine Chancen zu ihrer Artikulation und
Realisierung bot (Arviddson 2005).Generell dürften
sich in erhöhtem Masse Paare bilden, die wechselseitig dem Idealbild des
„passenden Partners“ nahe kommen, so dass es sehr entscheidend wird, welche
Vorstellungen vom „Traumpartner“ man sich vorgängig erwirbt. 8. Das Fehlen eines
strukturierenden „situativen Rahmens“ Konventionelles
Offline Dating ist
dadurch charakterisiert, dass sich die Kontaktaufnahme zu einer Person
meistens in einem strukturierenden situativen
Rahmen vollzieht, der die Möglichkeiten, eine Beziehung zu knüpfen, auf
vielerlei Weise spezifiziert und restringiert (Fiore 2004). „Strukturierung“
bedeutet immer dreierlei: Erstens wird der Handlungsspielraum in zeitlicher,
räumlicher oder sozialer Hinsicht eingeschränkt, so dass ich mich
beispielsweise Mühe nehmen muss, um mit einer Reisebekanntschaft vor der
Rückkehr nach Hause eine hinreichende Verbindung aufzubauen, mit der
sympathischen Teampartnerin am Arbeitsplatz in einen privaten Austausch zu
treten oder mit einem attraktiven Partygast über den obligaten Small Talk
hinaus einige persönliche Worte zu wechseln. Zweitens werden „Bühne“ und „Kulisse“ für gemeinsame
Handlungsvollzüge geschaffen, die durch relativ spezifische, gesicherte
Erwartungshaltungen gekennzeichnet sind. So stellen Diskotheken ebenso wie
„Ferien auf Ibiza“ den Rahmen bereit, in denen sich die Teilnehmer
wechselseitig eine relativ grosse Offenheit für sexuelle Kontakte
zuschreiben, und ein „Abend zu zweit“ folgt meist einem Skript voraussehbarer
Handlungssequenzen, die ich vom gemeinsamen Nachtessen über den Kinobesuch
bis zur nachmitternächtlichen intimen Annäherung in einem übervölkerten
musikbeschallten Nachtclub erstrecken. Und drittens
wird mein konkretes Verhalten gegenüber dem anvisierten Partner durch die
Anwesenheit Dritter beeinflusst – besonders natürlich dann, wenn es sich
dabei um eng vertraute Personen (z. B. sogar den angetrauten Ehepartner)
handelt. Die meisten konventionellen Dating-Aktivitäten
beinhalten das Risiko, für Dritte sichtbar zu sein: vor allem im kleinen
Dorf, wo man sich nicht zu einem Rendez-vous
treffen kann, ohne von andern Bekannten dabei beobachtet zu werden, oder wo
die Nachbarn sofort bemerken, wenn ein fremdes Auto vor der Türe steht oder
wenn man in neuer Begleitung das Haus verlässt.
Beim Online Dating fehlt ein solcher situativer
Rahmen, so dass einerseits vielerlei Anstrengungen um die Aussegregation
eines diadischen Intimbereichs dahinfallen. Weder
muss ich muss mich wegen drohender Trennung mit der Kontaktaufnahme beeilen,
noch muss ich für die Abschirmung gegenüber störenden Dritten sorgen.
Andererseits fehlen aber auch die komplexitätsreduzierenden Wirkungen einer
gemeinsamen Bühnenkulisse, die ohne explizite Kommunikation wechselseitige
Erwartungssicherheit erzeugen. Dementsprechend gibt es zu jedem Zeitpunkt ein
viel breiteres Spektrum möglicher Botschaften, die ich an jemanden richten
kann, weil keine Rücksicht auf mitanwesende Dritte oder situative
Rahmenbedingungen genommen werden muss.
Damit wachsen
jedem, der zu Hause vor dem PC sitzt, weiteste Möglichkeiten anonymen
Handelns zu, die früher höchstens in grossurbanen Kontexten realisierbar
waren. Vor allem muss man keine verräterischen sichtbaren Handlungen (wie z.
B. Aufsuchen eines Ortes, Blumen kaufen, Tische in Restaurants reservieren u.a.) vollziehen; vielmehr kann man sich auf inexpressive Tätigkeiten (wie z. B. das Eintippen in den
Computer) beschränken, die sich dank ihrer Unauffälligkeit durchaus auch in
Gegenwart Dritter (z. B. am Arbeitsplatz oder im Internet-Café) ausführen
lassen. Ähnlich wie beim Blättern im Versandhauskatalog befinde ich mich beim
Surfen in Dating-Plattformen bei mir zu Hause, und
werde mich bei Auswahlprozess deshalb vor allem von Einflüssen aus meiner
unmittelbaren Nahumwelt leiten lassen: wie würde der potentielle neue Partner
in meine Wohnung passen, und wie würde er sich mit meinen häufig zu Besuch
kommenden Verwandten und Bekannten vertragen? Wie ganz anders lerne ich im
Vergleich dazu meine Ferienliebe kennen, die nur während der
realitätsenthobenen paar Wochen am sonnigen Strand unter Palmen
überlebensfähig ist - oder meine Partybekanntschaft, die sich einer
ausgelassenen mitternächtlichen Stimmung und einem hohen Alkoholpegel
verdankt. Online Dating erweist sich deshalb als besonders wichtig in
Situationen, wo die absolute Abschirmung gegenüber Dritten für beide
Beteiligten sehr wichtig ist (z. B. für Frauen in repressiven traditionellen
Gesellschaften, wo die Frauen im Lichte der Öffentlichkeit keine
Männerkontakte aufnehmen dürfen). Das Fehlen an Fremdwahrnehmung und sozialer
Kontrolle erleichtert überdies Kommunikationen, die im weiteren sozialen
Kreis allenfalls diskreditierende Wirkungen hätten. Sicher wird dies vor
allem von Individuen mit homoerotischen oder „abartigen“ sexuellen Neigungen
als Erleichterung empfunden. Der Mangel an exogener Strukturbildung
bedeutet grundsätzlich, dass umso mehr endogene
Strukturbildung geleistet werden muss: durch die Interaktionspartner selbst,
die mit ihrer Interaktionsgeschichte eine komplexitätsreduzierende
Strukturbildung in Gang setzen und durch „self-disclosure“
dafür sorgen, dass wechselseitige Erwartungssicherheiten entstehen. Dating Plattformen dienen also im wesentlichen
dazu, isolierte, aus allen übrigen sozialen Zusammenhängen aussegregierte diadische
Beziehungen zu generieren. Anstatt bestehende soziale Netzwerke (denen beide
Partner angehören) zusätzlich zu verdichten, dienen sie dazu, eine einzelne
Verbindung zwischen zwei bisher getrennten Netzen herzustellen. Nachdem man
sich im Netz kennen und lieben gelernt hat, stellt sich dann die schwierige
Aufgabe, den neuen Partner ins jeweils eigene Verwandten und
Bekanntennetzwerk, das er bisher nicht gekannt hat, einzuführen. [12] Verschiedene
Kräfte wirken allerdings auch in der digitalen Welt dahin, dass sich die
Nutzer bei ihrer Selbstdarstellung an sehr konventionellen Mustern
orientieren, anstatt ihre individuellen Idiosynkrasien zu betonen. Denn
erstens sind viele überfordert mit der Aufgabe, sich sehr individuell
darzustellen, weil sie es ungewohnt sind, über ihre eigenen
Charaktereigenschaften, Präferenzen u, a. zu reflektieren; und zweitens
verhalten sich die meisten User „strategisch“ in dem Sinne, dass sie eine
ihrer Ansicht nach optimal „ertragreiche“ Selbstdarstellung wählen. Dabei
kann natürlich auch die ehrliche Bereitschaft mitspielen, mit einem
zukünftigen Partner neue Wege der persönlichen Entwicklung zu beschreiten,
anstatt an den bisherigen Gewohnheiten und Routinen haften zu bleiben (Arvidsson 2005). Interessanterweise
stellt man beim Online Dating im Vergleich zu
Zeitungsinseraten fest, dass gewisse konventionelle Erwartungsmuster an Bedeutung
drastisch verlieren: Weder tendieren die Männer dazu, ihren beruflichen und
finanziellen Erfolg hervorzustreichen, noch sind die Frauen bestrebt, ihre
äusseren Reize in den Vordergrund zu stellen (Arvidsson
2005). Vielmehr beugen sich beide Geschlechter der neuen Norm, sich als
zukunftsoffene, dynamische, expansive Persönlichkeiten mit vielseitigen
Aktivitäten, Motivationen und einem reichen Potential an Erlebnis-
Erfahrungs- und Entwicklungsmöglichkeiten darzustellen. Dementsprechend wird
auch die zukünftige Partnerschaft als ein Weg (bzw. eine Wegstrecke)
gemeinsamen Erlebens konzipiert: als ein Abenteuer, das viele neuartige,
persönlich bereichernde Aktivitätschancen bietet.
9. Der diskursive (statt
intuitive) Prozess des Kennenlernens In
konventionellen face-to-face- Begegnungen haben die
beiden Partner keine andere Wahl, als in höchstem Masse intuitiv aufeinander
reagieren: indem sie einander wechselseitig in ihrer ganzen “Gestalt”
wahrnehmen und auf eine entsprechend diffuse, integrale Weise gleichzeitig
kognitiv und affektiv zueinander „Stellung beziehen“.
Diese
synthetische „Gestaltwahrnehmung“ beinhaltet gleichzeitig: die biologisch
vorgegebene Körperlichkeit und die (z. B. durch Kleidung, Schmuck,
Frisur) intentional erzeugte „persönliche Erscheinung“; die Gestik
und Mimik, in der sich ebenfalls intendierte und
spontan-unkontrollierbare Äusserungen miteinander verbinden; und schliesslich
die vokalen Emissionen, die sich wiederum in paralinguistische
und im engeren Sinne verbale Kundgaben differenzieren. Auf alle diese
simultan (bzw. innerhalb kurzer Zeitspannen) wahrnehmbaren Stimuli erzwingen
beim gegenüber eine intuitive Gesamtreaktion, die sich praktisch ohne
absichtsvolle, kontrollierbare Steuerung bewusster Reflexionen (Abwägungen,
Vergleiche, Entscheidungen u. a vollzieht. Die berühmte „Liebe auf den ersten
Blick“ gehört ebenso dazu wie ebenso dezidierte Antipathiereaktionen, die zur
sofortigen Beendigung aller Kontakte führen. Fundamental zum Verständnis der
Online-Kommunikation ist die demgegenüber die Tatsache, dass im Vergleich zur
persönlichen Begegnung nur stark verengte Wahrnehmungsmöglichkeiten und
Kommunikationskanäle zur Verfügung stehen, die sich im Normalfall auf
standardisierte Formulareintragungen, knappe Schrifttexte und Bilder
beschränken. Das Wegfallen der Gesichtsmimik, Körpergestik, Berührung und
vokalen Intonation bedeutet, dass diel vielfältigen nonverbalen
Begleitkommunikationen nicht zur Verfügung stehen, die sich gegenüber der
Verbalkommunikation durch höhere Geschwindigkeit und Spontaneität sowie durch
subtilere, fein abgestufte Ausdruckswerte profilieren. (vgl. Kiesler et. al.
1984; Sproull/Kiesler 1986). Vor allem werden die
von den Partnern auf der nonverbalen Ebene körperlicher Gestik und Mimik
unkontrolliert und unbewusst ausgesendeten Signale herausgefiltert, so dass
sich das Interaktionsgeschehen praktisch vollständig auf die Ebene expliziter
verbaler und piktographischer Kommunikation – die
einer stärken intentionalen Kontrolle zugänglich ist - konzentriert.
Allerdings
werden auch hier in einem oft unterschätzten Ausmass unkontrollierbare und
dem Absender nicht bewusste Begleitkommunikationen mittransportiert, die sich
in der Themenwahl, Wortwahl, Grammatik und anderen meta-
oder paralinguistischen Signalen manifestieren und
einem geübten Rezipienten durchaus erlauben, Rückschlüsse auf nicht
ausgesprochene Eigenheiten oder Motivationen des Absenders zu ziehen. Der
Mangel an mimisch-gestischen Stimuli erweist sich vor allem als Nachteil,
wenn es darum geht, integrale Stimmungen und Gefühlszustände (anstatt nur
spezifische Informationen) zu vermitteln. So haben Experimente gezeigt, dass
Online Partner im Vergleich zu face-to-face
Partnern weniger gut in der Lage sind, einander ihre Sympathie mitzuteilen
(bzw. selber zu erkennen, welche Sympathie sie im anderen erwecken.
Die daraus
leicht resultierende Folgerung, dass Online Interaktionen deshalb generell
als unpersönlicher und unbefriedigender empfunden würden, lässt sich daraus
allerdings nicht ohne weiteres ziehen. (Tidwell/Walther,
2002) Gemäss der der „Social Information Processing Theory“ (SIP) wird
unter face-to-face Bedingungen zwar sehr rasch ein
gewisses Vertrautheitsniveau erreicht, das nachher aber bald stagnieren oder
sich sogar wieder abschwächen kann. In Online Interaktionen wächst Vertrauen
langsamer, kann aber –wenn genügend Zeit vorhanden ist – ohne weiteres
dasselbe Niveau wie bei primärer Interaktion erreichen. Deshalb vollzieht
sich Kennen lernen beim Online Dating als ein sehr
viel längerer Prozess, in dessen Verlauf die Partner phasenweise neue
Merkmale über einander kommunizieren und in Erfahrung bringen. Diese
zeitliche Ausdehnung des Prozesses bietet ferner viele Möglichkeiten, um mit
Dritten über die Vorzüge und nachteile potentieller Partner zu sprechen und
sich bei der Entscheidung von ihnen beeinflussen zu lassen. Während das
konventionelle Kennenlernen von den sinnlich wahrnehmbaren
Körpereigenschaften und Verhaltensweisen zu den verborgeneren
Merkmalen der Persönlichkeit und ihrer Lebensweise voranschreitet, findet
beim Online Dating in der Regel ein umgekehrtes
Kennenlernen „von innen nach aussen“ statt: mit der Folge, dass die Partner
einen grossen Spielraum haben, um selber über Zeitpunkt, Form und Inhalt
ihrer Preisgaben zu entscheiden und in der Zeit, bevor man sich jemals
getroffen hat, eine strategisch gezielte Form der Selbstdarstellung zu
etablieren (Merkle/Richardson 2000). Allein der
Mangel an körperlichen Wahrnehmungen und nonverbalen Stimuli zwingt die
Kommunikationspartner dazu, im Prozess der wechselseitigen „Beschnupperung“
und Annäherung umso stärker die verbale Ebene zu
benutzen. Das hat zur Folge, dass sie rascher mehr persönliche Informationen
von sich preisgeben und damit leicht bereits vor der ersten physischen
Begegnung ein hohes Niveau wechselseitiger Vertrautheit erreichen (Bargh et. al. 2002; Tidwell and
Walther (2002; Joinson, 2001),
Konservative
Gemüter sehen mit Befriedigung, dass sich wieder eine Hinwendung zu
traditionellen Formen des „Hofierens“ (oder immerhin zu relativ komplizierten
neuartigen "Balzritualen") vollzieht:
Während
Zeitungskontaktinserate aufgrund ihrer grossen Tradition oft
konventionell-ritualistische Züge tragen (und damit die Idiosynkrasien der
Suchenden verdecken), bestehen bei Online-Inseraten sehr viel weniger
Konventionen (Baack 1999). Weil die
standardisierten demographischen Merkmale (wie Alter, Bildung u.a.) in den Eintrittsformularen separat erfasst werden,
können sich die Individuen in ihren Selbstdarstellungen voll auf ihre
persönlichen, idiosynkratischen Eigenheiten
konzentrieren (Paap/Raybeck 2005). Diese Freiheit
der Form bedeutet, dass den Individuen alles, was sie darin schreiben oder
weglassen, als persönliche Entscheidung zugerechnet wird und deshalb
unweigerlich auch Ausdruckswert über ihre Persönlichkeit besitzt. Diese
Freiheit wird dadurch potenziert, dass man beliebig ausführliche
Selbstbeschreibungen anfertigen kann, während der hohe Zeilentarif beim
Zeitungsinserat zur strikten Selbstbeschränkung zwingt. Während die Kürze der
Zeitungsinserate dazu einlädt, standardisierte, konformistische
Geschlechtsrollenstereotypen zu artikulieren, besteht hier mehr Spielraum, um
von derartigen Clichés abweichenden, persönlich
gefärbte Selbstdarstellungen und Erwartungen Ausdruck zu geben (Paap/Raybeck 2005). Dank der
asynchronen Kommunikationsweise werden manche dazu motiviert, Stunden auf die
Anfertigung kunstvoller verbaler Selbstdarstellungen zu verwenden: eine
Aktivität, die sich im Spannungsfeld zwischen ehrlicher Selbstreflexion und
taktischem „Impression Management“ vollzieht
10. Schlussbemerkungen Je
umfangreicher die Alternativen, desto potentere Verfahren der
Komplexitätsreduktion müssen angewendet werden, um die Zahl anfänglicher Optionen
auf die unveränderlich niedrige Endzahl (genau eins) zu reduzieren. Dies wird
im wesentlichen dadurch erreicht, dass sich das
gesamte Auswahlverfahren in einen primären Exklusionsprozess
und einen daraus folgenden Inklusionsprozess differenziert. Der Exklusionsprozess hat den Zweck, alle nicht in
Frage kommenden Personen definitiv zu eliminieren. Charakteristischerweise
wird er in hohem Masse durch überindividuelle Kriterien gesteuert –
unabhängig davon, ob es sich dabei um wissenschaftliche Diagnoseverfahren
oder um in einer Population verankerte Stereotypen und Vorurteile (z. B.
konventionelle Homogamievorstellungen) handelt.
Seine Risiken bestehen in „falsch negativen“ Exklusionen,
die man nie mehr als solche erkennen kann, weil man beim Unterlassen einer
Beziehungsaufnahme ja keiner Chancen hat, allfällige falsifizierende
Informationen zu gewinnen. Der nachfolgende Inklusionsprozess hat
umgekehrt das Ziel, im Feld der kontaktierten Personen positiv „den“ optimal
passenden Partner zu eruieren. Hier können dann subjektiv-idiosynkratische
Präferenzkriterien zur Geltung gelangen – mit dem umgekehrten Risiko „falsch
positiver“ Selektionen, die man mit Sicherheit – wenn auch vielleicht erst
unter hohen ,materiellen und psychischen Kosten –
als solche erkennt. Insofern
angesichts der abzuarbeitenden Alternativenfülle beide Prozesse stärker in
Anspruch genommen werden müssen, kann folgern, dass sich das Online Dating gleichzeitig durch ein höheres Gewicht kollektiver
und individueller (bzw. objektivierter und subjektivierter)
Selektionskriterien von der konventionellen realweltlichen Partnersuche
unterscheidet. Beide gewinnen ihre erhöhte Bedeutung auf Kosten jener
Zufälligkeiten räumlicher Begegnung und Irrationalitäten spontaner
körperlicher Wahrnehmung, die im Vergleich zur konventionellen Realwelt
weniger Steuerungskraft entfalten. Wenn es
zutrifft, dass netzgenerierte Kontakte sowohl den mit kollektiven kulturellen
Normen wie auch mit den subjektiven Präferenzen in besserer Übereinstimmung
stehen, wäre damit zu rechnen, dass sie in harmonischeren und stabileren
Partnerbeziehungen als realweltlich zustandegekommene
Bekanntschaften terminieren. Nur sehr vorläufige Hinweise in diese Richtung
liefert eine Surveystudie vom Januar 2004, in der
800 Ehepaare, die sich auf der Plattform „Match.com
kennengelernt haben, mit einer gleich grossen Kontrollgruppe verglichen
worden sind. Aus den Ergebnissen geht beispielsweise hervor, dass
Online-Paare mit grösserer Häufigkeit · bereits relativ kurze Zeit nach der ersten Kontaktaufnahme
geheiratet haben; · ihre Ehe als „glücklich“ und „harmonisch“ bezeichnen
und deshalb auch optimistisch in die Zukunft blicken (Baker 2004). So erscheinen
Dating –Plattformen als ianusgesichtige
mesosoziale Einrichtungen, die “nach unten” die Lebenssituation
und biographische Schicksal unzähliger Einzelner verändern, und „nach oben“
auf relevante Aspekte der gesellschaftlichen Struktur (z. B. auf die
Segregation oder Durchmischung von Bevölkerungssegmenten und evtl. auch auf
die demographische Entwicklung) Einfluss nehmen. Dringend
erscheinen weitere Forschungsanstrengungen erforderlich, die diesen mikro-
und makrosoziologischen Implikationen gleichgewichtig Rechnung tragen. Arvidsson, Adam 2005 Quality Singles: Internet Dating as Immaterial Labour, Cultures of Consumption, and ESRC-AHRC Research Programme,
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32:87-107. Fussnoten [1] http://weattract.com/images/weAttract_whitepaper.pdf [2] Gemäss dem Befund der TNS-Emnid
Umfrage vom Februar 2003, die eine erheblich grössere Stich-probe
umfasst, beträgt dieser Prozentanteil (innerhalb der Population, die das
Internet nutzt) ca. 8%. [3] Wenn man den Umsatz pro Kopf der Bevölkerung
berücksichtig ist da USA führend. [4] Dies impliziert, dass die Teilnahmequote
innerhalb bestimmter stark vernetzter Populationen rasch lawinenartig
anwachsen kann, während in anderen Milieus, wo keine solchen Katalysatoren
wirksam sind, Partnerbörsen unbekannt und unbeliebt bleiben können. Damit
liesse sich erklären, warum sich die Teilnehmer an einer Börse oft aus (z. B.
in ethnisch und geographisch) relativ homogenen Kreisen rekrutieren (z. B.
die Teilnehmer(innen) von Partnerwinner.ch, die
sich zu einem grossen Teil aus der Schweizer Bevölkerung der
Grossagglomeration Zürich rekrutieren. [5] Deshalb kann der Befund der Pew Studie, dass partnersuchende Singles zu über 50% der
Meinung sind, es sei generell „schwierig, einen Partner zu finden“. (Madden/Lennart 2005). [6] Allerdings muss jeder Teilnehmer eine klare,
stabile Selbstdefinition mitbringen, sich im Zustand „Single“ zu befinden und
deshalb offen für Partnersuche zu sein. Problematisch sind deshalb
Partizipanten mit unklarer Selbstdefinition: z. B. jene, die sich am Ende
einer noch nicht aufgelösten oder am Beginn einer noch nicht verbindlich
erklärten Beziehung befinden, [7] In funktionalistischer Perspektive liesse sich
argumentieren, dass das gesellschaftliche Interesse an der Perpetuierung
bestehender Partnerschaften (insbesondere Familien) vielleicht der Grund ist,
warum bisher so wenig strukturierte Möglichkeiten der Partnerwahl entstanden
sind. [8] Vor allem die Männer (die bei Rendez-Vous ja häufig für beide bezahlen) schätzen die
geringen finanziellen Kosten, die bei der Online-Kontaktaufnahme entstehen (Brym/Lenton 2001). [9] Jedenfalls sind auch die Risiken, die durch
Wahrhaftigkeit entstehen, ebenfalls leichter zu tragen – eine mögliche
Erklärung dafür, warum im Selbstpräsentationsprofil relativ wenig Unwahrheiten verbreitet werden. [10] Wie bei allen Anwendungsweisen
des Internet wachsen auch bei den Partnerbörsen die neuen
Handlungsmöglichkeiten disproportional jenen Individuen zu, die wissen, was
sie suchen, und die deshalb in hohem Masse entscheidungsfähig sind. [11] Allerdings gibt es Grund zur Annahme, dass
Faktoren räumlicher Proximität auch in der Welt
digitaler Partnersuche eine erhebliche Bedeutung beibehalten. Zwar
erleichtern Singlebörsen die Partnersuche auch für Menschen, die weit weg von
der Stadt in dünnbesiedelten Räumen wohnen; aber diese haben im Vergleich zu
Stadtbewohnern grössere Mühe, genügend in ihrer Nähe wohnende Partner zu
finden, mit denen man sich ohne grossen Aufwand zu einem, Rendez-Vous
treffen kann. So stellt man fest, dass Partnerbörsen von der Grosstadt- und Agglomerations-bevölkerung überdurchschnittlich häufig
genutzt werden (Brym/Lenton 2001), und es ist zu
erwarten, dass sie mehr Erfolg darin haben, Online-Kontakte in realweltliche
Beziehungen überzuführen. [12] Damit unterscheiden sich Online dating Systeme von sozialen Netzwerkplattformen (z. B. friendster.com), deren Zweck explizit darin besteht, die
„Freunde meiner Freunde und Freundesfreunde“ (meist ohne erotische Absichten)
zusammenzuführen (Fiore 2004: 26). Last update: 08. Okt 14
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