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Towards Cybersociety and "Vireal" Social Relations


Bibliographische Zitation:
Geser Hans: Auf dem Weg zur "Cyberdemocracy". Auswirkungen der Computernetze auf die öffentliche politische Kommunikation. In: Sociology in Switzerland: Towards Cybersociety and Vireal Social Relations. Online Publikationen. Zuerich, July 1996.
http://socio.ch/intcom/t_hgeser00.htm


 

 

Auf dem Weg zur "Cyberdemocracy"?

Auswirkungen der Computernetze auf die öffentliche politische Kommunikation

Hans Geser

Universität Zürich, Juli 1996

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Inhaltsverzeichnis

1 Methodologische Vorbemerkungen zu den Schwierigkeiten und Grenzen soziologischer Medienanalyse

2 Konstitutive Funktionsprinzipien einer elektronischen "Netzöffentlichkeit" 

2.1 Computernetze als Konstitutionsbasis einer dezentralisiert-interaktiven politischen Öffentlichkeit 
2.2 Inklusivität 
2.3 Die Abstrahierung und Anonymisierung der kommunikativen Subjekte 
2.4 Institutionelle Marginalität 
2.5 Fragmentierung der Öffentlichkeit durch Katalyse von Heterogenität und Dissens 
2.6 Strukturelle "Permeabilität" als integratives Korrektiv zur semantischen Fragmentierung 
2.7 Eine Öffentlichkeit mit Gedächtnis

3 Einige Konsequenzen und Folgeprobleme für den Prozess politischer Demokratie 

3.1 Erleichterte Möglichkeiten kollektiver Mobilisierung und extensiver Handlungskoordinationen 
3.2 Erweiterte Möglichkeiten plebiszitärer Demokratie 
3.3 Engere vertikale Verknüpfung zwischen Regierenden und Regierten 
3.4 Erosion intermediärer Kommunikationsinstanzen 
3.5 Die neue Rolle der Massenmedien

4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Literatur 

 


1. Teil

Methodologische Vorbemerkungen zu den Schwierigkeiten und Grenzen soziologischer Medienanalyse

Kommunikationsmedien sind - per definitionen - funktional hoch generalisierte technische Einrichtungen, die unter verschiedenartigsten Situationsbedingungen für den Transport vielfältigster Informationsinhalte von beliebigen Sendern an beliebige Adressaten zur Verfügung stehen. 
Diese Indifferenz gegenüber der Spezifität ihrer Nutzung macht es äusserst schwierig, nur schon die empirisch vorfindbaren Gebrauchsweisen und Wirkungen von Medien in eine Synopsis zu bringen, geschweige denn darüber hinaus auch noch ihre potentiellen Funktionen und Applikationsmöglichkeiten zu explorieren und über deren zukünftige Ausschöpfung gesicherte Voraussagen zu machen. 

Bei der Erfindung der Schrift konnte man sicher nicht wissen, dass sie einmal zur Grundlegung von Offenbarungsreligionen, zur individuellen Selbstreflexion im Tagebuch oder zur revolutionären Massenmobilisierung (via Flugblätter) Verwendung finden würde. Heinrich Hertz hat für die von ihm entdeckten elektromagnetischen Wellen ausdrücklich nur spielerische Anwendungsmöglichkeiten gesehen und in keiner Weise ihren konstitutiven Einfluss auf Öffentlichkeit und Politik antizipiert, der uns heute beispielsweise fragen lässt, ob moderne soziale Bewegungen überhaupt nur noch in der Symbiose mit dem Fernsehen lebensfähig seien (vgl. Imhof 1996) oder ob in der politischen Arena ein Wechsel von Parteimedien zu Medienparteien zu diagnostizieren sei (vgl. z.B. Plasser 1985: 9ff.) 

Die wissenschaftliche Analyse eines Kommunikationsmediums würde deshalb bedeuten: die umfassende Mitobjektivierung aller individuellen und gesellschaftlichen Bezüge, in denen sich seine Funktionalität in irgendeiner (sei es bedingenden, mitprägenden oder gar konstitutiven) Weise realisiert. 
Für die momentan heranwachsenden globalen Computernetze erscheint diese Aufgabe besonders aussichtslos, 
1) weil sie in eine maximal differenzierte und dynamisierte Gesellschaft hineingeboren werden, in der vielfältigste psychologische, soziale und kulturelle Rahmenbedingungen über die Reichweite ihrer Verfügbarkeit und die Selektivität ihrer Nutzung mitentscheiden. 
2) weil es sich um äusserst universalisierte multimediale Kommunikationsmedien handelt, deren funktionaler Entfaltungsraum infolge der raschen Entwicklungen auf Software- und Hardware-Ebene überdies monatlich expandiert. 

Dank dieser Vielseitigkeit können computergestützte Kommunikationsnetze der Verbreitung philosophischer Weisheiten ebenso dienen wie der Propagation primitivster emotionaler Ausbrüche ("flames"), und sie können das produktive wissenschaftliche Gespräch ebenso fördern wie den Austausch pornographischer Bilder oder die terroristische Konspiration. 

Von keiner anderen Kommunikationstechnologie wäre es so abwegig, im Sinne McLuhans zu behaupten, dass "das Medium die Botschaft" sei: d.h. also dass in ihrer technologischen Konstituiertheit spezifische Formen und Begrenzungen der Funktionalität bereits fest eingegossen seien.   Manches spricht vielmehr dafür, dass wir in den digitalen Computernetzen in embryonaler Form ein "Supermedium" vor uns haben, das zumindest potentiell in der Lage ist, alle bisherigen Kommunikationsmedien in sich zu vereinigen und durch zusätzliche, bisher nicht verfügbare Funktionsleistungen zu komplettieren.   Denn die Bedeutung der Digitalisierung besteht darin, dass sämtliche Informationen in einfachstmögliche Elementarbausteine (bits) zerlegt werden: unabhängig davon, ob es sich auf der Makroebene um Sprache, Schrift, Töne, Bilder, Videosequenzen, Zeichnungen (oder evtl. gar taktile und olfaktorische) Kommunikationsformen handelt (vgl. Negroponte 1995). 
Dadurch sind die Grundlagen erzeugt, 
1) um bisher in separierten Medienwelten transportierte Kommunikationen (z.B. Privatkorrespondenz[1], Gruppendiskurse, Buchveröffentlichungen und offizielle staatliche Verlautbarungen) innerhalb desselben Mediums zu prozessieren (und deren die wechselseitige Permeabilität sicherzustellen); 

2) um allen Teilnehmern in identischer Weise die Fähigkeit zu vermitteln, in selbstgewählter Weise und ohne zeitlich-räumliche Beschränkungen in beliebigen Kommunikationsrollen (d.h. als Rezipienten, Emittenten, Diskussionspartner, usw.) zu agieren; 

3) um schliesslich eine intersubjektiv konstituierte Form virtueller Realität ("Cyberspace") zu erzeugen, die durch ihren multimedialen Erlebnisreichtum und ihre Offenheit für interaktive Manipulationen mit der realen Wirklichkeit ein gutes Stück weit erfolgreich konkurriert (vgl. z.B. Turkle 1995: passim).

Dementsprechend wird es unerlässlich, bei der Analyse des Internet zumindest die drei folgenden Ebenen klar zu unterscheiden: 
1) Seine aktuelle empirische Realität, die beispielsweise dadurch bestimmt ist, dass sich das Medium noch in einer durch vielerlei Spielereien und Improvisationen gekennzeichneten Embryonalphase befindet und einen noch  einseitig zusammengesetzten Nutzerkreis besitzt, innerhalb dem vor allem jüngere amerikanische Männer mit Universitätsbildung den Ton angeben. 
2) Seine aktuelle funktionale Potentialität, die alle möglichen Verwendungszwecke mitumfasst, wie sie auf der Basis der gegebenen technischen Voraussetzungen auf Hardware- und Softwareebene bereits heute objektiv realisierbar wären. 
3) Seine zukünftige funktionale Potentialität, wie sie sich aus der Antizipation neuer technischer Entwicklungen (z.B. höherer Übertragungskapazitäten) und der zu erwartenden Ausbreitung und Verdichtung der Computernetze ergibt.

Sozialwissenschaftler müssen sich klar darüber werden, dass sie mit ihrem Rüstzeug empirischer Methodik und theoriegeleiteter Dateninterpretation nur für die erste (weitaus uninteressanteste) dieser drei Aufgaben geeignet sind. Bereits die zweite Aufgabe benötigt weit über durchschnittliche Wissenschaftlerqualifikationen hinausgehende Fähigkeiten kreativer Phantasie: um sich bisher noch unrealisierte Anwendungsformen vorzustellen zu können und funktional auf gegebene soziale Realitäten und Bedürfnislagen oder kulturelle Werthaltungen und Zweckorientierungen zu beziehen. Die dritte Aufgabe der Zukunftsprospektion muss wohl weitgehend der Phantasie von Science Fiction Autoren überantwortet werden. Denn hier sieht sich der Soziologe selbst in seiner - eher intellektuellen als professionellen - Rolle des Gesellschaftsprognostikers (sei es des warnenden Propheten oder des verheissenden Visionärs) grundsätzlich überfordert, weil es angesichts möglicher technischer Innovationen fraglich ist, welche der momentan sichtbaren Entwicklungen in die Zukunft extrapoliert werden können. 

Deshalb bleibt nur die viel bescheidenere tentative Aufgabe, innerhalb eng begrenzter Funktionsfelder in der aktuellen empirischen Realität der Computermedien nach Indizien für ihre Entwicklungsmöglichkeiten in der kurz- und mittelfristigen Zukunft zu fahnden - und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, die eher den Charakter alternativer Szenarien als wahrscheinlicher Voraussagen besitzen.  So wird im folgenden unterstellt, dass die politische Öffentlichkeit unserer Gesellschaft bereits in den nächsten Jahren völlig neue Entfaltungschancen gewinnen wird, die 
- deduktiv aus objektiven technischen Eigenschaften der neuen Netzmedien erschlossen werden können und 
- induktiv in mannigfachen anekdotischen Einzelbeispielen und empirischen Entwicklungstendenzen bereits heute in groben Umrissen fassbar sind. 

 


2. Teil

Konstitutive Funktionsprinzipien einer elektronischen "Netzöffentlichkeit"

2.1 Computernetze als Konstitutionsbasis einer dezentralisiert-interaktiven politischen Öffentlichkeit

Ein erster Zugang zu den funktionalen Kapazitäten des Internet ergibt sich aus der Feststellung, dass es gewisse technologische Asymmetrien in der bisherigen Medienentwicklung beseitigt, die der Entfaltung einer demokratischen Öffentlichkeit bisher hinderlich entgegen gestanden haben. 

       Typologie der Kommunikationsmodi:
 

 

von einem

von vielen

zu einem

Telefon 

Applaus (Abstimmung, Petition) 

zu vielen

Druckpresse, Radio, Fernsehen 

(Rundbriefe) 

Jeder oberflächliche Blick in die Mediengeschichte zeigt, dass sich die obgenannten vier Modi der Kommunikation technologisch in höchst unterschiedlichem Masse entwickelt haben. Im Vordergrund standen eindeutig "one-to-many" - Technologien, die seit dem Aufkommen des Buchdrucks in Führung gegangen sind, um dann im 19. Jahrhundert durch die Massenpresse und in unserem Säkulum durch Radio und Fernsehen nochmals eine immense Steigerung zu erfahren.  Im Bereich dezentral-interaktiver Kommunikation ist eigentlich nur das Telephon als wesentliche Neuerung aufgetreten. Dieses aber hat nur wenig zur Erleichterung von sozialen Kollektivierungsprozessen beigetragen, weil es aufgrund seiner objektiven technischen Eigenschaften praktisch ausschliesslich für diadische Dialoge Verwendung findet. Genau umgekehrt hat es dadurch, dass es diadische Kommunikationsbeziehungen strukturell isoliert, wahrscheinlich vielerlei Kollektivierungsprozesse behindert und damit zur Entpolitisierung  beigetragen.  
Die Technologien, die den Kontakt zwischen vielen Sendern und einem Rezipienten ermöglichen, sind demgegenüber auf einem viel primitiveren Niveau haften geblieben. Wie in Urzeiten vollzieht sich die Aufwärtskommunikation in Institutionen beispielsweise dadurch, dass einzelne Mitglieder einem Redner applaudieren oder in Abstimmungen "Ja" oder "Nein" einlegen. In all diesen Fällen ist die ihnen transportierte Informationsmenge äusserst gering (bei Abstimmungen nur ein Bit); und ihre Artikulation meist dadurch behindert, dass sie sich in einem völlig anderen Medium als demjenigen, in dem von oben nach unten gesendet wird, vollziehen. 

Ebenso urtümlich und schwerfällig sind die horizontal-multilateralen Kommunikationstechnologien geblieben, die zahlreiche Sender und zahlreiche Empfänger miteinander verbinden. (Damit beispielsweise in einer Gruppe von 100 Teilnehmern jeder jedem etwas mitteilen kann, müssen 10'000 Rundbriefe versendet werden). 

Diese Entwicklung steht also schon seit Anfang an in einem unauflösbaren Spannungsverhältnis zum aufklärerischen Idealmodell einer politischen Öffentlichkeit, die sich bekanntlich durch die Gesamtheit der gebildeten Bürger konstituiert, welche ungeachtet ihrer zugeschriebenen Herkunftsmerkmale (Ethnie, Religion, Stand) als Gleiche unter Gleichen in einen herrschaftsfreien öffentlichen Diskurs miteinander treten, um einen vernünftigen Konsens zu realisieren (vgl. z.B. Habermas 1962; 1990: passim).  Denn einerseits befindet sich der Schwerpunkt wahrhaft interaktiver Kommunikation weitestgehend im Bereich kleiner face-to-face-Gruppen, die auch dann, wenn sie für jedermann frei zugänglich sind (wie z.B. Kaffeehäuser oder Gemeindeversammlungen) immer noch geschlossene Kreise darstellen, deren innere Vorgänge einer weiteren Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. Und andererseits handelt es sich bei öffentlichen Kommunikationen überwiegend um Einwegemissionen (Publikationen, Fernsehsendungen usw.), die die Empfänger in die einseitige Rolle schierer Rezipienten drängen und deshalb auch kaum geeignet sind, den Emittenten gehaltvolle Informationen über die Wirkungen ihrer Botschaften zu vermitteln. 

Vor allem die Vertreter der Frankfurter Schule, aber auch viele andere Kritiker haben darauf hingewiesen, in welchem Ausmass das Aufkommen organisierter Parteien und Grossverbände sowie die Zentralisierungsprozesse in Presse, Radio und Fernsehen dazu geführt haben, dass die Partizipationschancen immer ungleicher verteilt sind und dass an die Stelle des offenen Raisonnements immer mehr die in propagandistischer Absicht "veröffentlichte Meinung" tritt, die den normalen Bürger nur noch als passiven, hin und wieder zur "Akklamation" aufgerufenen Rezipienten ins Kalkül einbezieht: 

"Mit der Kommerzialisierung und der Verdichtung des Kommunikationsnetzes, mit dem wachsenden Kapitalaufwand für und dem steigenden Organisationsgrad von publizistischen Einrichtungen wurden die Kommunikationswege stärker kanalisiert und die Zugangschancen zur öffentlichen Kommunikation immer stärkerem Selektionsdruck ausgesetzt. Damit entstand eine neue Kategorie von Einfluss, nämlich eine Medienmacht, die, manipulativ eingesetzt, dem Prinzip der Publizität seine Unschuld raubte. Die durch Massenmedien zugleich vorstrukturierte und beherrschte Öffentlichkeit wuchs sich zu einer vermachteten Armee aus, in der mit Themen und Beiträgen nicht nur um Einfluss, sondern um eine in ihren strategischen Intentionen möglichst verborgene Steuerung verhaltenswirksamer Kommunikationsflüsse gerungen wird" (Habermas 1990: 28).

Dementsprechend zeigt sich auch, dass die meisten sozialen Bewegungen nicht etwa in spontanen Assoziierungen betroffener Einzelbürger, sondern in gezielten Aktionen zentralistischer Mobilisierung (z.B. durch präexistierende Verbände oder "social entrepreneurs") ihren Ursprung haben (Oberschall 1973; McCarthy/Zald 1984). Namen wie Murdoch, Kirch, Berlusconi, Ted Turner etc. signalisieren den gerade heute sich stark beschleunigenden globalen Konzentrationsprozess privater Medienmacht, der mit der strikt nationalen Reichweite demokratischer politischer Öffentlichkeit in ein wachsendes Diskrepanzverhältnis tritt (vgl. Keane, 1991: 52ff.).  Analog dazu hat die rasch voranschreitende Pressekonzentration im Lokalbereich  zur Folge, dass selbst grössere Städte (wie z.B. Luzern) immer häufiger nur noch eine einzige Zeitung besitzen.[2 Diese beispiellose Zentralisierung medialer Kontrollmacht steht im paradoxen Gegensatz zum wachsenden gebildeter und politisch interessierter Bevölkerungsschichten, die motiviert und befähigt sind, sich in aktiv-kommunikativer Weise an der öffentlichen Meinungsbildung mitzubeteiligen.[3]  So muss Habermas zugestehen, dass sogar unter diesem zunehmend "vermachteten" Medienregime seit den 1960er-Jahren eine erstaunlich aktive politische Partizipationskultur herangewachsen ist, die in vielerlei virulenten sozialen Bewegungen ihren Ausdruck fand: 

"Kurzum, meine Diagnose einer geradlinigen Entwicklung vom politisch aktiven zum privatistischen, 'vom kulturräsonnierenden zum kulturkonsumierenden Publikum' greift zu kurz. Die Resistenzfähigkeit und vor allem das kritische Potential eines in seinen kulturellen Gewohnheiten aus Klassenschranken hervorgetretenen, pluralistischen, nach innen weit differenzierten Massenpublikums habe ich seinerzeit zu pessimistisch beurteilt" (Habermas 1990: 30).

Habermas glaubt also, dass auf kultureller und sozialpsychologischer Ebene sich innerhalb unserer Konsumgesellschaft wachsende politische Aktivitätspotentiale gebildet haben - und würde deshalb wohl leicht zugeben, dass Technologien, die diesen Artikulationsbedürfnissen entgegenkommen, heute auf eine beträchtliche Nachfrage stossen. 

Im Lichte dieser Analyse liegt die vielleicht fundamentalste funktionale Bedeutung der Computernetzwerke darin, dass sie - zum erstenmal in der Mediengeschichte - alle vier kommunikativen Modi auf dieselbe technologische Basis stellen und in einen übergreifenden Gesamtzusammenhang integrieren (vgl. z.B. Quarterman 1993). 
Dasselbe Medium, das die Parteizentrale zur radialen Diffusion von Wahlpropaganda, Abstimmungsparolen oder programmatischen Weisungen nutzt, dient den Basismitgliedern dazu, den Delegierten oder Parlamentsvertretern ihre Meinung zu bekunden oder durch einfachen Mausclick ihre eigenen Alternativvorschläge an Hunderte andere Mitglieder zu diffundieren. So wird das Internet voraussichtlich das zentrale, unverzichtbare Kommunikationsmedium für all jene Kollektive, für die es schon immer wichtig war, vertikale Abwärtskommunikation mit vertikaler Aufwärtskommunikation und horizontaler Kommunikation auf hohem Niveau zu verbinden: also beispielsweise für politische Parteien, Verbände, soziale Bewegungen und alle übrigen freiwilligen Vereinigungen, die einerseits intern demokratisch sein möchten ohne andererseits ihre zentralisierte Entscheidungs- und Aktionsfähigkeit zu verlieren. Während unter dem Einfluss der radialen Massenmedien einseitig Elemente der Führung, Ideologie und Propaganda in den Vordergrund getreten sind, werden in der neuen äquilibrierteren Kommunikationsstruktur eher Elemente der diskursiven Meinungsbildung und der plebiszitären Abstimmung in den Vordergrund treten. 
  Andererseits relativieren die Computernetze aber die Relevanz all dieser intermediären Gruppierungen und Organisationen, weil sie es erstmals ermöglichen, auch im makroskopischen Raum der "politischen Öffentlichkeit" kommunikative Austauschprozesse stattfinden zu lassen, die bisher - wenn überhaupt - nur im begrenzteren Rahmen mesosozialer Kollektive realisierbar waren. 
 

Erst mit den Computernetzen wird die Vorstellung einer gleichzeitig maximal öffentlichen und maximal interaktiven Kommunikationssphäre zu einer greifbaren Realität.  Erst hier kann ein reziproker Austausch von Informationen, Meinungen u.a. stattfinden, der einerseits den Partizipanten maximale Chancen freier Selbstartikulation belässt, und ihnen andererseits die Chance gibt, ihre Aussagen in eine Arena globaler Öffentlichkeit einfliessen zu machen.   Erst jetzt wird es möglich, selbst in privatesten Lebensumständen, an entlegendsten geographischen Standorten und zu unkonventionellsten Tages- und Nachtzeiten nicht auf den Zugang zu öffentlicher Kommunikation zu verzichten und selbst für die spontanste subjektive Äusserung eine potentiell weltweite Resonanz zu finden.   Wenn die konventionellen Massenmedien mit ihrer radialen Kommunikationsstruktur zu einer Stärkung autoritär-hierarchischer Institutionen beigetragen haben, werden die Computernetze jenen dezentralisierten und informellen Interaktionssystemen technische Unterstützung verleihen, die im Selbstverständnis unserer demokratischen Gesellschaft zwar schon lange als unverzichtbar gelten, im bisherigen öffentlichen Raum aber nur geringe Entfaltungs- und Einflusschancen gefunden haben. 

 


2.2 Inklusivität

Die klassische Öffentlichkeit hat sich in der Aufklärung zuerst in sehr exklusiven Zirkeln (Salons, Lesegesellschaften, Bildungssozietäten, ja sogar freimaurerischen Geheimbünden) konstituiert (Habermas 1990: 14). Mit dem Pressewesen und den elektronischen Sendemedien Radio und Fernsehen hat sich im 19. und 20. Jahrhundert zwar eine unüberbietbar inklusive Öffentlichkeit entwickelt: aber mit den untragbar hohen Kosten, dass die meisten Partizipanten auf eine ausschliesslich rezeptive Teilnahmerolle zurückgebunden wurden. 

So haben die konventionellen Medien eine ausserordentlich tiefe Kluft zwischen 
- einer "offiziösen", durch professionelle Journalisten und bürokratische Organisationen verbindlich gestalteten Öffentlichkeit und 
- einer rein privaten, in die Kleinfamilie und andere Informalgruppen zurückgedrängte Kommunikationssphäre erzeugt, 
die bisher miteinander (wenn überhaupt) nur durch äusserst rudimentär ausgebildete Vermittlungsmechanismen in Verbindung gestanden haben: 

"Der Kommunikationszusammenhang eines räsonnierenden Publikums von Privatleuten ist zerrissen; die aus ihm einst hervorgehende öffentliche Meinung ist teils in informelle Meinungen von Privatleuten ohne Publikum dekomponiert, teils zu formellen Meinungen der publizistisch wirksamen Institutionen konzentriert" (Habermas 1990: 356).

Die elektronischen Kommunikationsnetze können als eine Brücke zwischen diesen beiden Sphären verstanden werden, indem sie es allen Individuen ermöglichen, ihre Artikulationen ohne besonderen Aufwand in die Öffentlichkeit zu tragen, ohne ihnen dadurch die Verbindlichkeit von Zeitungsfrontnachrichten oder "TV-Prime Time News" zu verleihen. 
Die Vorstellung, dass das Internet jemals ein wahrhaft inklusives, alle Segmente der Menschheit einbegreifendes Medium werden könne, mag angesichts der noch äusserst einseitigen Nutzerklientele allerdings noch überaus unrealistisch klingen. Das Schwergewicht liegt momentan noch eindeutig bei jüngeren (vorwiegend weissen) amerikanischen Männern aus akademischen Bildungsschichten, denen es gelungen ist, im Netz einen ganz passablen Verhaltenscode ("Netiquette") zu verankern und beispielsweise auch die ästhetischen Standards von "Websites" oder die Diskussionskultur der zahllosen "Newsgroups" unübersehbar zu prägen.[4
Wer des Englischen nicht mächtig ist, die eher rigiden Verhaltensregeln im Usenet nicht respektiert und/oder über keinen Zugang zu den nach wie vor kostspieligen technischen Infrastrukturen verfügt, sieht sich von grossen Teilen der neuen Netzöffentlichkeit prinzipiell ausgeschlossen. Derartige - natürlich diskriminierend wirkende - Minimalvoraussetzungen dürften in Zukunft aber in dem Masse abgeschwächt werden, als die Preise für die erforderlichen technischen Apparaturen sinken und der Schwerpunkt des kommunikativen Austausches sich von der angelsächsischen Sphäre auf die regionalen und nationalen Sprachkulturen verschiebt. Im Zuge dieser - gut voraussehbaren - Entwicklungen dürften die immensen inklusiven Kapazitäten der neuen Medien immer mehr in den Vordergrund treten. 

So bieten Computernetze die erstens gleichzeitig billigste, schnellste und zuverlässigste Art, Daten in beliebiger Menge über beliebige geographische Distanz zu übertragen (Bonchek 1995. Diese Vorteile mögen in der Dritten Welt eher noch stärker als in hochentwickelten westlichen Ländern zu Buche schlagen, weil häufig besonders grosse Distanzen zu überbrücken sind und weil die einheimischen Post und Telephondienste meist nicht befriedigend funktionieren.  Zweitens ist es bedeutsam, dass die Teilnahme an Computerkommunikation mit praktisch beliebigen situativen Bedingungen und Rollenverhältnissen eines Individuums vereinbar ist, weil sie zu jedem beliebigen Zeitpunkt und an jedem beliebigen Ort erfolgen kann. Dies ist vor allem für all jene Personenkreise vorteilhaft, die - wie z.B. Invalide, Klinikpatienten, Gefängnisinsassen oder Bewohner abgelegener Gebirgsregionen - infolge physischer Behinderungen oder ungünstiger Standorte von vielerlei anderen Kommunikationsmöglichkeiten ausgeschlossen sind.   Drittens kommt hinzu, dass die im Internet agierende Diskussionszirkel einen grundsätzlich öffentlichen Status besitzen und deshalb auch für "Aussenstehende" zugänglich sind, die beispielsweise nicht über eine formelle Vereinsmitgliedschaft oder einen sonstigen Zugehörigkeitsausweis verfügen.[5 An die Stelle derart zugeschriebener oder durch autoritative institutionelle Akte verliehener Statusmerkmale und Mitgliedschaften tritt die Eintragung in die "mailing list", die von jedem einzelnen vollzogen wird und zu jedem Zeitpunkt begründungslos zurückgezogen werden kann. Daraus wiederum folgt, dass virtuelle Gruppen grundsätzlich mit einer sehr volatilen, hinsichtlich Umfang, Zusammensetzung und Aktivitätsweisen unberechenbar fluktuierenden Anhängerschaft rechnen müssen, die eine nicht voraussehbare Vielfalt unterschiedlicher Standpunkte und Meinungen artikulieren. 

Dank dieses niederschwelligen Zugangs liegt der Schwerpunkt des Internet eindeutig in der Sphäre subinstitutioneller Basiskommunikation , wo bisher informelle face-to-face Gruppen (wie z.B. Stammtischrunden Salonzirkel) vorherrschend waren. Die Bedeutung dieser elementarsten Kommunikationsebene besteht darin, dass sich hier die Verknüpfung und der osmotische Austausch zwischen der individuellen Ebene persönlicher Einstellungen und der intersubjektiven Ebene sozialer Meinungsbildung vollzieht.  Einerseits finden die Individuen in diesen elementaren Interaktionskontexten eine besonders niederschwellige Gelegenheit, ihre subjektiven Werthaltungen, Situationsbeurteilungen, Vorschläge u.a. in soziale Kommunikationsprozesse einfliessen zu lassen, die vielleicht wiederum die Basis für formellere und institutionsnähere Kommunikationsvorgänge (z.B. in den Massenmedien) bilden. Andererseits bildeten diese informellen Interaktionsfelder bisher umgekehrt auch immer Instanzen der Sozialisation und sozialen Kontrolle, die auf diese selben subjektiven Einstellungen im konstituierenden oder modifizierenden Sinne Einfluss nahmen.[6

Mit den elektronischen Diskussionsgruppen im "Usenet" ist nun eine zusätzliche Ebene informeller öffentlicher Kommunikation entstanden, die der Stammtischrunde einerseits sehr viel näher steht als den konventionellen Massenmedien, ohne andererseits deren soziale Kontrollwirkung mitzuimplizieren.  In mancher Hinsicht kann man gar sagen, dass hier das Niveau hergebrachten face-to-face Gruppen durch eine noch basalere Kommunikationsebene unterboten wird, weil sie dem unmittelbaren Artikulationsbedürfnis der Individuen überhaupt keine Hemmungen entgegensetzt und damit dazu prädestiniert ist, die höchste Komplexität, Mannigfaltigkeit und Variabilität von Themenstellungen und Meinungsäusserungen zu generieren.  So wird sich ein Teilnehmer am Usenet weniger gehemmt fühlen, auch höchst unpopuläre, exotische, unmoralische oder sonst wie abwegige Positionen zum Ausdruck zu bringen, weil es im Gegensatz zu face-to-face Gesprächen nicht damit rechnen muss, sich missbilligenden Blicke oder Bemerkungen anwesender Kollegen zuzuziehen oder gar auf Dauer ihre freundschaftliche Zuwendung zu verlieren.  Je grösser und je heterogener die Teilnehmerschaft an einer "newsgroup", desto mehr darf ich damit rechnen, auch für höchst seltsame Themen und Meinungen irgendwo in der Welt auf Resonanz und Zustimmung zu stossen - und je grösser die Zahl der verfügbaren Gruppen, desto besser die Chance, dass ich mich auch als Extremist, als Chaot oder Sozialutopist irgendwo in passender Gesellschaft fühle. 

So führen interaktive Computernetze erfahrungsgemäss eher dazu, dass Individuen ihre initialen Divergenzen und Idiosynkrasien noch verstärken, während die konventionellen Formen informeller Kommunikation eher konvergierende und homogenisierend wirken, weil die Partner bestrebt sind, wechselseitig nicht als allzu abweichend und dissensual zu erscheinen.[7 Bezeichnenderweise tummeln sich im Internet besonders viele Gruppen mit überaus extremistischer und exotischer Ausrichtung, die - wie z.B. rassistische Neo-Nazis, militante antifeministische Männergruppen und andere "hate groups") in einer besonders grossen Distanz zur dominierenden Wertekultur stehen (Schneider 1995; Sowa 1995b). Sie profitieren alle von der Möglichkeit, sich ohne das Risiko von Zensur und Sanktionen frei artikulieren zu können, da es für die Teilnahme - im Gegensatz etwa zum Verfasser von Leserbriefen - nicht erforderlich ist, seine wahre Identität preiszugeben und sich der Selektivität irgendwelcher Herausgeber und Redakteure zu unterziehen.  Bei manchen von ihnen mag es sich um den embryonalen Keim einer neuen sozialen Bewegungsgruppe handeln, die in Zukunft vielleicht expansiv an die Öffentlichkeit tritt und Zugang zu konventionelleren Medienkanälen gewinnt. 
Infolgedessen besteht die hauptsächliche Funktion des Usenet darin, komplementär zu den konventionellen Massenmedien die Aufmerksamkeit auf verschiedenste zusätzliche Themenstellungen und Meinungen zu erweitern, die momentan inaktuell sind und/oder aufgrund ihrer Ausgefallenheit in Presse, Radio und Fernsehen keinerlei Beachtung finden. 
So hat sich in der "talk-politics european-union" Ende April 1996 eine skurrile Kontroverse darüber entfaltet, ob die Briten im Falle einer Volksabstimmung wohl eher die Mitgliedschaft zur EU befürworten oder als 51. Staat den USA beitreten würden. Als Hauptargument gegen die amerikanische Option wurde nicht etwa die kulturelle und geographische Nähe zu Kontinentaleuropa ins Feld geführt, sondern der unerträgliche Zustand, dass amerikanische Anwälte ihre Honorare in Abhängigkeit von der Streitsumme berechnen (!!). Im selben Zeitraum konnte man sich in derselben Gruppe auch über die das nach wie vor ungelöste - aber in der öffentlichen Diskussion völlig inexistente - Zypernproblem informieren, und sich von der Vorstellung, Esperanto zur lingua franca Westeuropas zu erheben, anregen lassen.  Wer die Diskussionen in solchen virtuellen Diskussionsgruppen verfolgt, muss sich zwar mit äusserster Toleranz gegen Sprachdilettantismus, unkontrollierte Wutreaktionen, Lügenhaftigkeit und alle anderen empirisch vorkommenden kommunikativen Untugenden wappnen, wird aber andererseits auch immer wieder mit überraschend neuen Informationen, Sichtweisen oder Problemlösungsvorschlägen belohnt, die das Informationsangebot des CNN oder der New York Times als einseitig (und von zufälligen Tagesereignissen abhängig) erscheinen lassen.  Professionellen Journalisten mag empfohlen werden, hin und wieder in dieses chaotische Meer polyperspektivischer Kommunikationen einzutauchen, um erfrischt und mit etwas erweitertem Horizont zu ihrer institutionell verengten Tätigkeit zurückzukehren. 
Der niederschwellige Zugang zu politischen Äusserungen hat vor allem zur Folge, dass bisher eher schwer zugängliche Formen der Artikulation an Häufigkeit zunehmen und jede einzelne Artikulation dadurch an Gewicht und Bedeutung verliert.  So stellen beispielsweise politische Aktivistengruppen standardisierte Formulare und Texte für Petitionen und Beschwerden bereit, die nach Einsetzen des Namens und der E-Mail Adresse mit einem einzigen Mausclick an ihren Bestimmungsort befördert werden können. 
Als Folge davon werden insbesondere Staatspräsidenten und die Generaldirektoren grosser Weltkonzerne bei öffentlich missliebigem Verhalten heute regelmässig mit Tausenden von routinisierten Klagemeldungen eingedeckt, denen angesichts des geringen erforderlichen Engagements der Absender wohl zu Recht kein grosses Gewicht beigemessen wird. 
Denn möglicherweise stammen sie zum grösseren Teil von sonst politisch eher inaktiven, öffentlichkeitsscheuen und/oder zur eigenständigen Formulierung ihrer Meinung unfähigen Personen, die hier zum erstenmal eine völlig risikolose Möglichkeit sehen, sich an politischen Kampagnen oder sozialen Bewegungen zu "beteiligen". 
Andererseits ist anzunehmen, dass die Partizipanten sich ganz überwiegend aufgrund ihrer Übereinstimmung mit den Zielen einer Kampagne zur Teilnahme entscheiden, da weder materielle noch soziale "Nebenbelohnungen" verfügbar sind, die für die Teilnahme an kollektiven Aktionen sonst so häufig den Ausschlag geben (Bonchek 1995: 7ff.).[8
Die Übereinstimmung zwischen individueller Teilnahmemotivation und kollektiven Zielsetzungen wird überdies dadurch gefördert, dass angesichts des breit gefächerten Angebotes fast jedermann eine ihm oder ihr optimal zusagende Gruppierung findet. 
Dissentierende Teilnehmer werden wohl - um die Terminologie Albert Hirschmans zu verwenden - in den meisten Fällen die Option "Abwanderung" (exit) statt die Alternative "Widerspruch" (voice) wählen, weil es so ausserordentlich leicht ist, die Gruppe zu wechseln oder selbst eine neue Gruppierung zu "gründen" (vgl. Hirschman 1974: passim). Dies wiederum würde bedeuten, dass virtuelle Gruppen ein relativ hohes Mass an innerer Konsensualität bewahren, weil sich der grösste Teil des Dissenses zwischen ihnen aktualisiert.[9

Als Folge ihrer Inklusivität nimmt die neue elektronischen Öffentlichkeit einen extrem heterogenen Charakter an, weil sich nicht nur menschliche Personen unterschiedlichster sozio-kultureller Provenienz, sondern auch vielerlei supraindividuelle Akteure (Vereinigungen, Unternehmen, Institutionen, Behörden u.a.) gleichwertig daran mitbeteiligen. Dadurch ist es ausgeschlossen, dass sich die neue Öffentlichkeit - wie im idealistischen Verständnis von Habermas - als ein Kreis reiner "Privatpersonen" konstituiert, die einen von allen Zentren institutioneller Macht losgelösten - und damit aussschliesslich der kritischen Vernunft verpflichteten - Diskurs untereinander führen. Vielmehr entsteht ein extrem "polymorphes" Kommunikationsfeld, in dem es wahrscheinlich wird, dass private Interessenstandpunkte mit den Sichtweisen organisierter Kollektive und offizieller Behördeinstanzen in Berührung treten. Dies korrespondiert mit einer Gesellschaft, die im Gegensatz zur frühbürgerlichen Ära nicht mehr eine saubere Trennung zwischen "Staat" und "Gesellschaft" aufweist, sondern eine komplexe Gemengelage, die  durch eine wachsende Interpenetration zwischen öffentlicher und privater Sphäre und  ein disproportionales Anwachsen eines intermediären Bereiches der "Paraöffentlichkeit" (Privatunternehmungen, privatrechtliche Verbände u.a.) gekennzeichnet ist. 

 


2.3 Die Abstrahierung und Anonymisierung der kommunikativen Subjekte

Damit sich die Kommunikationspartner in der Öffentlichkeit als Gleiche begegnen können, ist es notwendig, ihre höchst unterschiedlichen Statusmerkmale im Kommunikationskontext zu neutralisieren. Dies ist so lange schwierig, ja undenkbar, als die Teilnehmer bereits aufgrund ihrer äusseren Erscheinung als Angehörige bestimmter Wandelsgruppen oder Statuskategorien (z.B. als Adlige, Bauern, Städter, Akademiker u.a.) erkennbar sind. 

"Wie sehr sich Tischgesellschaften, Salons und Kaffeehäuser in Umfang und Zusammensetzung ihres Publikums, im Stil des Umgangs, im Klima des Räsonnements und in der thematischen Orientierung unterscheiden mögen, sie organisieren doch allemal eine der Tendenz nach permanente Diskussion unter Privatleuten. Zunächst ist eine Art des gesellschaftlichen Verkehrs gefordert, der nicht etwa die Gleichheit des Status voraussetzt, sondern von diesem überhaupt absieht. Die Parität, auf deren Basis allein die Autorität des Arguments gegen die der sozialen Hierarchie sich behaupten und am Ende auch durchsetzen kann, meint im Selbstverständnis der Zeit die Parität des 'bloss Menschlichen'" (Habermas 1990: 97).

Aus diesem Grund hat sich in der feudalen Gesellschaftsordnung keine Öffentlichkeit im modernen Sinne ausbilden können, weil die Individuen die Insignien ihrer sozialen Herkunftsgruppe immer sichtbar mit sich herumtrugen und in jeder sozialen Situation als Exponenten ihres Standes erkennbar waren. 
Seit der frühbürgerlichen Zeit bietet sich den Angehörigen immer breiteren Bevölkerungsschichten die Möglichkeit, ihre wahre soziale Identität hinter einer standardisierten Einheitskleidung zu verbergen und in der Öffentlichkeit gewissermassen "inkognito" zu agieren. Dadurch erst bietet sich die Chance, öffentliche Kommunikationsstrukturen ungeachtet der Ungleichheit ihrer Teilnehmer als strikt egalitäre Sozialsysteme auszudifferenzieren: d.h. die Angehörigen unterschiedlichster Statusmerkmale in Sozialsysteme einzubinden, in denen Raum dafür geschaffen ist, dass sich niemand unter Druck gesetzt fühlt und dass nur die Kraft der Argumente zählt.

Das Usenet mit seiner strikten Ausfilterung aller persönlichen und sozialen Attribute ist nur eine logische Fortsetzung dieses langfristigen Trends.  Erst die Umstellung von face-to-face Kommunikation auf elektronischen Meinungsaustausch bietet die Basis, um auch die nicht durch Kleidung verdeckbaren Status- und Persönlichkeitsmerkmale, wie sie mit dem Geschlecht, dem Alter, der Hautfarbe oder physischen Körperbau verbunden sind, wirksam zu neutralisieren. 
Egalisierend wirkt zudem, dass die Teilnehmer gar nicht in der Lage sind, ihre persönlichen Eigenschaften im Kommunikationsprozess zur Geltung zu bringen: also z.B. durch ihr Charisma, ihren Sprechtonus, ihre Mimik oder Gestik auf andere einzuwirken oder durch Ausspielen ihrer Reputation andere am Widersprechen zu hindern (vgl. z.B. Kiesler/Siegel/McGuire 1988; Hiltz/Turoff 1993: 9 u.a.). 
Natürlich wachsen die Vorteile dieser Ausdifferenzierung vorrangig den Inhabern niedriger Statusränge und den Trägern unvorteilhaft bewerteter personaler Merkmale (z.B. den Behinderten, den Hässlichen oder anderweitig sichtbar Stigmatisierten) zu, während Kommunikationspartner mit günstigen Eigenschaften eine schmerzliche Einbusse ihrer bisher gewohnten "Kommunikationsmacht" erfahren.  Wie die feministische Forschung gezeigt hat, führen innerhalb von face-to-face Gruppen vielerlei subtile Mechanismen dazu, dass Frauen gegenüber Männern benachteiligt sind. Beispielsweise stellt man fest, dass Frauen von Männern häufiger unterbrochen werden als umgekehrt, dass Männer häufiger und länger das Wort ergreifen und auf weibliche Voten oft überhaupt nicht reagieren (vgl. Fraser 1992: 119). Dies könnte bedeuten, dass Frauen von der Ausfilterung personengebundener zugeschriebener Merkmale besonders stark profitieren: insbesondere wenn sie von der Chance Gebrauch machen, ohne Geschlechtsangabe (oder gar unter männlichem Pseudonym) zu interagieren (vgl. Turkle 1995: 177ff).  Die Globalität der Vernetzung bringt es überdies mit sich, dass auch das Herkunftsmerkmal der ethnischen Zugehörigkeit und der formellen Staatsbürgerschaft in einem Masse in den Hintergrund tritt, wie dies nicht nur zur Zeit Immanuel Kants, sondern noch vor 10 Jahren völlig undenkbar geschienen hätte.  Genau damit wird auch die "Herrschaftsfreiheit" der Diskurse perfektioniert: weil es höchst wahrscheinlich wird, dass die elektronischen Kommunikationspartner in keinem anderen ihrer Lebensbereiche in irgendwelchen Einfluss- und Abhängigkeitsverhältnissen zueinander stehen - und damit nicht befürchten müssen, für ihr Verhalten im Diskurs sanktioniert zu werden oder dadurch irgendwelche indirekten Nachteile zu erfahren.  Weil Sender und Empfänger im elektronischen Netz nicht physisch anwesend sind und keine mit ihrer Körperlichkeit verknüpften nonverbalen Stimuli austauschen können, ist es nicht nur möglich, sondern sogar zwingend, die ganze Aufmerksamkeit auf die kommunikativen Inhalte zu konzentrieren.  Erst jetzt wird die - im Interesse rationaler Verständigung schon idealiter schon immer erhobene - Forderung absolut, Kommunikationsbeiträge ausschliesslich unter dem Aspekt ihres immanenten Wortsinns zu verstehen und zu evaluieren, anstatt sich dabei - und sei es nur unbewusst - von den persönlichen oder sozialen Eigenschaften ihres Absenders beeinflussen zu lassen. 

Botschaften und Dokumente im Internet sind grundsätzlich im dreifachen Sinne "kontextfrei", weil nicht zweifelsfrei eruiert werden kann 
a) wer an ihrer Generierung in welchem Umfang beteiligt war; 
b) in welcher konkreten Situation sich die Verfasser und Autoren bei ihrer Abfassung befunden haben; 
c) von welchem Sinndeutungshorizont die Autoren sich haben leiten lassen. 

Bei vielen Netzkommunikationen ist es grundsätzlich unklar, ob ihr Absender als Privatperson seine persönlichen Meinung zum Ausdruck bringt oder ob er als Exponent (bzw. mandatierter Repräsentant) einer Gruppe, Vereinigung, Institution oder Behörde einen überpersönlichen Kollektivstandpunkt artikuliert. Manchmal steht nicht einmal zweifelsfrei fest, ob die Äusserung überhaupt einem kommunikationsfähigen Subjekt zugerechnet werden kann und nicht vielmehr von einem artifiziellen Softwareagenten ("chatterbot") stammt, der mit der Absicht, vielleicht den "Turing Test" [10]zu bestehen, ins Netz eingeschmuggelt wurde (vgl. z.B. Turkle 1995: 77ff.).  Zu den Kosten und Risiken einer derart weitgehenden Anonymisierung gehört, dass die Kommunikation sich auf semantisch immanent eindeutige Wörter, Sätze, Texte oder intertextuelle Strukturen beschränken muss, weil es nicht mehr möglich ist, Mehrdeutigkeiten durch Rekurs auf die personalen oder sozialen Merkmale ihres Autors zu reduzieren. Dementsprechend hängt das Verständnis der Aussagen (und a fortiori: die Interpretation von Zeichnungen, Bildern, Video-Sequenzen etc.) völlig davon ab, dass sie "selbsterklärend" (self-explaning) sind: sei es, dass die verwendeten Zeichen, Begriffe und Sätze im Kontext der Meldung (bzw. des Diskussionsstrangs, dem sie angehört) selber hinreichend definiert werden, sei es, dass sie eine bereits vorgängig klar präzisierte, stabile und universell konsensuale Bedeutung besitzen (Kerr/Hiltz 1982).  Dies wiederum bedeutet, dass Netzkommunikation grundsätzlich wohl immer vorwiegend verbale Kommunikation bleiben wird, ja dass der Trend sogar zu komplexeren Textgebilden gehen wird, die es erlauben, den Sinn verwendeter Wörter immanent-hermeneutisch (d.h. aus ihrer Stellung im sprachlichen Gesamtzusammenhang) zu erschliessen.[11
Trotz wachsender technischer Möglichkeiten der Multimedialität profiliert sich die Netzkommunikation durch ihre extreme Wortlastigkeit nicht nur gegenüber dem Fernsehen, sondern auch gegenüber der modernen Zeitungs- und Zeitschriftenpresse, in denen meist ein gewisses Gleichgewicht zwischen Wort und Bild aufrechterhalten wird. Wie in der Schriftkultur der Aufklärung entstehen auch hier gesteigerte Chancen kommunikativer Rationalität, denn im Gegensatz zu face-to-face Zusammenkünften fällt der Druck weg, gerade jetzt auf genau dieses Votum zu reagieren und sich dabei antizipativ auf die vermutliche Reaktion der Mitanwesenden einzustellen. Vielmehr sieht sich jeder Teilnehmer auf sich selber verwiesen mit der Frage, wann er wem was mitteilen möchte, und er kann sich genügend Zeit für die Formulierung einer Antwort nehmen, die nicht nur aktuellen Gedankenblitzen und Affektwallungen, sondern sehr viel umfassenderen Erwägungen Rechnung trägt. Damit haben Usenet-Messages in gesteigertem Ausmass den Charakter intentionaler Handlungen, die jedem Sender vollumfänglich verantwortlich zuzurechnen sind - in sehr viel stärkerem Masse als viele Äusserungen an Zusammenkünften, die - teilweise zu recht - als unwillkürliche - z.B. emotional bedingte - Spontanhandlungen (ab)gewertet werden. Sehr viel weitgehender als Mitanwesende sehen sich Netzteilnehmer in der Situation, ihre kommunikative Darbietung bewusst zu inszenieren - und jeder muss hinnehmen, dass alle anderen ihm eine derartige (unter Umständen zum Zwecke der Täuschung veranstaltete) Inszenierung unterstellen (vgl. Turkle 1995: 177ff.). 

Die Abhängigkeit von definitiv fixierten und konsensualen Wortbedeutungen bedeutet, dass Computer-Netzwerke kaum dazu geeignet sind, die Sinnbedeutung verwendeter Zeichen im Kommunikationsprozess selber endogen zu präzisieren oder evolutiv weiterzuentwickeln. Wenn in einem Netzdokument beispielsweise von "Freiheit" oder "Demokratie" die Rede ist, wenn an "Solidarität" appelliert oder zur "Wahrung des Rechts" aufgerufen wird, muss der Text wohl den meisten Rezipienten zwangsläufig als unverständliches Geschwätz erscheinen, weil derart vieldeutige Begriffe nur im Kontext konkreter Personen, Situationen und Intentionen eine substantiierbare Bedeutung erhalten. Deshalb dürften elektronische Kommunikationen wohl immer eher "sinnreproduzierend " als "sinnkonstituierend " bleiben und damit einen "sekundären" Status gegenüber jenen weniger technisierten "Primärkommunikationen" (insbesondere face-to-face Kontakten) behalten, in denen sich genau diese sinnerzeugenden Leistungen vollziehen.  Elektronische Kommunikation entfaltet sich deshalb am besten innerhalb bereits gefestigter Gruppierungen, in denen dank dichter vorgängiger Primärinteraktion hoch spezifizierte, standardisierte Verständigungscodes entstanden sind, die es den Teilnehmern ermöglichen, sich durch sehr knapp gehaltene Meldungen erfolgssicher zu verständigen. 

"One of the mistakes made by many organizations in their zeal to get on the Net is to assume 'if you build it, they will come'. Instead, the most successful uses of the Internet are those where a community of interest exists before a Website is ever brought online. The Web can play its natural role as a facilitator for discussion and a vehicle for the dissemination of information" (Holdren 1995: 51).

Paradoxerweise findet sich gelingende Computer-Kommunikation deshalb oft häufig innerhalb von lokal begrenzter, durch vielfältige kulturelle Vorverständigungen zusammengeschweisster Diskursgemeinschaften (z.B. innerhalb kommunaler Free-Nets) statt, wo ihre faszinierende Kapazität zur Überbrückung beliebig weiter geographischer Distanzen überhaupt nicht zur Geltung gelangt. Ebenso besitzt das Internet eine immanente Affinität zu fundamentalistischen Gruppen , weil diese ihren Konsens aus einer gemeinsamen wörtlichen Interpretation bestimmter Texte beziehen (und deshalb nur wenig auf zusätzliche sinnkonstituierende Aktivitäten, die ausserhalb des Netzes stattfinden müsste) angewiesen sind. 
 
Während informelle Persönlichkeitsmerkmale und nonverbale Stimuli unzweifelhaft an Bedeutung verlieren, hängen die Chancen, im Internet wahrgenommen zu werden, umgekehrt ausserordentlich stark von relativ formalen Reputationskriterien ab: z.B. von der Statusposition des Senders oder der Autoritätsposition der emittierenden Instanz. 
Der Grund dafür liegt darin, dass die autonom "navigierenden" Nutzer überaus orientierungsbedürftig und deshalb nur allzu leicht bereit sind, sich bei der Wahl ihrer Adressen von derartigen Selektionshilfen beeinflussen zu lassen. Je grösser und unübersichtlicher die Zahl der Emittenten, desto dringender stellt sich für die Rezipienten das Problem der "Komplexitätsreduktion": sie können ihre Aufmerksamkeit nur ganz wenigen Dokumenten zuwenden und werden genötigt sein, sehr simple (d.h. hoch standardisierte) Selektionskriterien zu verwenden. 
So wächst die Aufmerksamkeit in erster Linie jenen formalen Instanzen (Regierungen, Grossunternehmen u.a.) zu, die allen bekannt sind, als relevant angesehen werden (und für viele auch als vertrauenswürdig gelten). In zweiter Linie richtet sich das Augenmerk auf jene Instanzen, denen es gelungen ist, sich über andere, weniger rezipientenorientierte Medien als das Internet (z.B. via Fernsehen) Sichtbarkeit und Respekt zu verschaffen. 
Vielleicht wird das Internet gar als eine Art Prisma wirken, das bereits bestehende Prestige- und Autoritätsdifferentiale amplifiziert: indem die Website der äusserst angesehenen und vertrauenswürdigen "New York Times" bei den meisten Nutzern in die Liste der "Bookmarks" aufgenommen wird (und täglich abgerufen wird), während die Angebote weniger reputabler Medienorgane kaum Beachtung finden. 

Es erscheint kaum denkbar, dass beispielsweise Popstars oder Präsidentschaftskandidaten in der Lage wären, sich innerhalb des Internets diese primäre öffentliche Reputation zu verschaffen, die zur erfolgreichen Selbstdarstellung in diesem selben Medium erforderlich ist. Denn wie sollten sie von irgend jemandem bemerkt werden, wenn ihnen jede Möglichkeit fehlt, sich ihrer Klientele unfreiwillig aufzudrängen, wie dies beispielsweise mittels aufdringlicher Strassenplakate oder TV-Spots gelingt?  So mögen auch politische Parteien zukünftig das Paradox erfahren, dass sie sogar mehr Mittel als bisher in konventionelle Medienkampagnen investieren müssen, damit ihre Kandidaten jene öffentliche Sichtbarkeit und Reputation erhalten, die für eine (daran anschliessende) "Vermarktung" auf dem Internet die Voraussetzung bildet. 

 


2.4 Institutionelle Marginalität

Als Gegenstruktur zu den - immer zur Exklusion und Geheimhaltung neigenden - oligarchischen Eliten und formalen Institutionen - ist jede Form von "Öffentlichkeit" auf jene informellen gesellschaftlichen Entfaltungsräume verwiesen, die der Kontrolle politischer und wirtschaftlicher Machtzentren unzugänglich sind und sich den Prinzipien hierarchischer Bürokratisierung entziehen. Ihre besten Promotoren sind politisch randständige, andererseits aber dank ihres Bildungsniveaus gut artikulationsfähige soziale Schichten, die in der maximalen öffentlichen Verbreitung ihrer Ideen die Chance sehen, ihre institutionelle Randständigkeit zu kompensieren und/oder mit Unterstützung dieser Öffentlichkeit in die Zentren gesellschaftlicher Macht vorzudringen (Habermas 1962; 1990: passim). Natürlich ist diese Marginalität dann besonders unverzichtbar, wenn es möglich bleiben soll, die Öffentlichkeit als ein Forum schonungsloser Gesellschaftskritik funktionsfähig zu erhalten oder in ihrem Rahmen gar strukturierte Gegenpositionen zur dominierenden politisch-gesellschaftlichen Ordnung zu kultivieren. Diese Möglichkeit wird in dem Masse bedroht, als zur Konstituierung öffentlicher Kommunikation sehr aufwendige technisch-organisatorische Apparate (z.B. Fernsehanstalten, Satellitenanlagen, Farbtiefdruckmaschinen usw.) erforderlich sind, die nur bei weitgehender Aufgabe dieser institutionellen Marginalität verfügbar werden.[12] In diesen Fällen bleibt den auf Unabhängigkeit bedachten öffentlichen Kommunikatoren, nur der Weg, entweder innerhalb der Medieninstitutionen relativ wenig kontrollierte Nischen (z.B. im Rahmen einer garantierten "Redaktionsfreiheit") zu besetzen, oder aber innerhalb von ebenfalls bürokratisch konstituierten Gegenstrukturen (z.B. Gewerkschaften oder sozialistischen Parteien) zu agieren. 

Die neuen Computernetzwerke scheinen geeignet, zumindest einen Teil der öffentlichen Kommunikation wieder aus solchen grosstechnischen und gross-organisatorischen Abhängigkeiten zu befreien. Ja mehr als das: sie scheinen sogar dazu prädestiniert, zu einem vorrangig von marginalen Individuen und Gruppen benutzten Kommunikationsmedium zu avancieren: etwa von denjenigen, deren Leserbriefe bisher nicht abgedruckt wurden oder deren Papers in wissenschaftlichen Zeitschriften keinen Eingang fanden. 
Im Lichte der gängigen (nicht nur marxistisch inspirierten) Gesellschaftstheorien kann die Soziologie nur mit Verblüffung zur Kenntnis nehmen, in welchem Umfang das Internet seine bisherige Entwicklung ausserhalb der dominierenden Institutionen unserer Gesellschaft vollzogen hat. Es stellt in der Geschichte der Menschheit vielleicht das umfangreichste "non-profit-Unternehmen" dar, das weder von ökonomischer noch von staatlicher Seite her generiert, alimentiert und gesteuert wird, sondern sich - dank eines gigantischen Aufwands an unbezahlter Freiwilligenarbeit - in einem unnormiert-informellen Raum zwischen diesen etablierten Institutionen entfaltet.[13 Zwar gilt für das Internet genauso wie für alle neu auftretenden Kommunikationsmedien, dass es in den anfänglichen Phasen überwiegend von den institutionell gut integrierten Bevölkerungssegmenten in Anspruch genommen wird, die über die - immer noch relativ teure - technische Infrastruktur dazu verfügen (Bonchek 1995: 19; Pitkow/Recker 1994).[14 Angesichts der rasch voranschreitenden Verbilligung dieser technischen Apparaturen ist aber damit zu rechnen, dass derartige Beschränkungen schon bald dahinfallen: so dass ihre besondere funktionale Affinität für marginale, von etablierteren Kommunikationskanälen ausgeschlossene gesellschaftliche Gruppen immer deutlicher ans Licht treten kann.  Besondere Vorteile der kollektiven Organisation ergeben sich vor allem für Gruppen mit geographisch weit verstreuten Mitgliedern, die ausschliesslich dank Computernetzen in der Lage sind, sich wechselseitig kennenzulernen und ihre Meinungen und Aktivitäten zu koordinieren.  So haben beispielsweise die auf 160 Campus Universitäten verteilten chinesischen Studenten in den USA bereits seit 1989 eine gleichermassen extensive wie intensive Kommunikationsstruktur aufgebaut, die es ihnen erlaubt hat, auf Regierungsebene als wirksame Lobbygruppe in Erscheinung zu treten (Li 1990; Bonchek 1995: 11).  Angesichts der weltweiten Zunahme der Flüchtlingsströme ist abzusehen, dass Computernetze für weltweit versprengte Ethnien das Medium sein werden, mit dessen Hilfe sie versuchen, ihre gemeinsame Identität zu wahren oder sich eventuell gar zu einem - quer zu territorialen Gebietsherrschaften verlaufenden - "virtuellen Staat" zusammenzuschliessen.[15
Ein bevorzugtes Ziel computerunterstützter Aktivierung bilden bezeichnenderweise weltweit operierende Grosskonzerne, deren Kunden beispielsweise aufgefordert werden, die Produkte der Unternehmung zu boykottieren oder in global koordinierten Aktionen das Augenmerk der Weltöffentlichkeit auf missliebige Tätigkeiten oder Unterlassungen der Organisation zu fokussieren. Ebenso mag es den Belegschaften solcher Konzerne besser als bisher gelingen, die Reichweite ihrer gewerkschaftlichen Organisation mit dem globalen Operationsfeld ihres Arbeitgebers zur Deckung zu bringen.[16 Der niederschwellige, an keine institutionellen Voraussetzungen geknüpfte Zugang zu öffentlicher Kommunikation impliziert ferner, dass sich jetzt auch in sehr kleinformatigen lokalen Räumen eine lebendig-pluralistische politische Öffentlichkeit entwickeln kann, die bisher typischerweise von einer Monopolzeitung dominiert wurden oder in denen "öffentliche" Kommunikation bisher auf völlig informelle Strukturen (Stammtischrunden, Parteiversammlungen u.a.) verwiesen war (vgl. Geser 1996).  Da keine Papierdruck- und Versandkosten anfallen, können beliebige Einzelpersonen und örtliche Gruppierungen (Vereine, Parteien, Nachbarschaftskollektive u.a.) ihre je eigenen Informationsangebote und Werbepublikationen generieren; und Neuzugezogene, die meist sehr lange keinen Zugang zu den informell-partikularistischen Kommunikationsnetzen finden, können unmittelbar nach ihrer Ankunft am örtlichen Freenet oder BBS vollwertig partizipieren. 

So erscheint die Voraussage berechtigt, dass sich die politische Öffentlichkeit der Zukunft weniger einseitig als im Presse- und Fernsehzeitalter auf die nationale Ebene fokussieren wird, weil die Funktionsvorteile des neuen Mediums disproportional stark einerseits den transnationalen und andererseits den lokalen Kommunikationsebenen zuwachsen, die bisher beide durch hohe technisch-organisatorische Zugangsschwellen an ihrer Entfaltung gehindert worden sind. 

 


2.5 Fragmentierung der Öffentlichkeit durch Katalyse von Heterogenität und Dissens

Die grosse Wertschätzung der Aufklärung für die Öffentlichkeit entstand aus der selbstverständlichen Annahme, dass der allerseits zugängliche, freie egalitäre Diskurs ohne weiteres Zutun in einer konvergenten "öffentlichen Meinung" resultieren würde, in der sich eine der nichtöffentlichen Kommunikation des Adels und der staatlichen Behörden überlegene allgemeine Vernunft manifestieren würde.  Nur dieser Glaube an die selbsttätige Konvergenzwirkung öffentlicher Kommunikation erlaubte es, die 'öffentliche Meinung' als eine (!) zentrale politische Kraft zu hypostasieren, der sich selbst die Herrscher zu beugen hätten.  Nur auf dieser Grundlage ist die Position John Lockes verständlich, der in der öffentlichen Meinung neben Gott und Staat die dritte Rechtsquelle sah; oder die Position Neckers, der die öffentliche Meinung zum obersten Kriterium des politischen Handelns erhob. 
Im physiokratischen Verständnis widerspiegelte sich in diesem Konsens die Geltung überzeitlicher objektiver Gesetzmässigkeiten (der Natur und Gesellschaft), die der Willkür monarchischer Dekretierungen Grenzen setzen: 

"L'opinion publique ist das aufgeklärte Ergebnis der gemeinsamen und öffentlichen Reflexion auf die Grundlagen der gesellschaftlichen Ordnung; sie resumiert deren natürliche Gesetze; sie herrscht nicht, aber ihrer Einsicht wird der aufgeklärte Herrscher folgen müssen" (Habermas 1990: 169).

Im Gefolge der Physiokraten waren sich die meisten grossen Geister des 18. Jahrhunderts (Rousseau, Kant, Locke u.a.) einig in ihrem Bestreben, der von oben aufoktroyierten Aufklärung durch fortschrittliche absolutistische Monarchen eine von unten sich spontan erzeugende "Selbstaufklärung der Öffentlichkeit" gegenüberzustellen.  Ähnlich wie der Markt in der Wirtschaft ohne intentionales Zutun der Teilnehmer eine effiziente und harmonische Tauschordnung erzeugt, sorgt auch im öffentlichen Diskurs eine 'invisible hand' dafür, dass aus dem Diskurs selbst wenig aufgeklärter Einzelbürger eine sie allesamt übersteigende universelle Vernünftigkeit emergiert, die auf das Rationalitätsniveau der Teilnehmer wiederum positiv zurückwirken kann. Dieser Konsensoptimismus hing evidenterweise eng damit zusammen, dass als Teilnehmer am öffentlichen Diskurs damals nur eine relativ homogene Schicht besitzender und gebildeter Bürger männlichen Geschlechts in Frage kamen, die in der gemeinsamen Frontstellung gegenüber den Reglementierungen des absolutistischen Staates überdies sehr leicht zu konsensualen Auffassungen gelangen konnten. In einem derart restringierten Rahmen konnte insbesondere auch nicht erkannt werden, dass über die Grenzen zwischen öffentlicher und privater Sphäre höchst divergierende Ansichten bestehen[17] (Fraser 1992). 
Als Alexis de Tocqueville und John Stuart Mill über das "Joch der öffentlichen Meinung" klagten, haben sie zwar den Glauben an die immanente Vernünftigkeit öffentlicher Kommunikation abgelegt, ohne deswegen aber an der monolithisch-konsensualen Natur des sich darin konstituierenden "consensus majoritatis" zu zweifeln.  Spätestens seit dem Aufkommen der Arbeiterbewegung nach der Mitte des 19. Jahrhunderts wird aber evident, dass in einer klassenmässig zerklüfteten Gesellschaft mit einer isomorph fragmentierten "öffentlichen Meinung" gerechnet werden muss, ja dass öffentliche Kommunikation die Konsequenz haben kann, strukturell angelegte Interessensgegensätze in gefährlicher Weise zu amplifizieren. Konsenschancen gibt es von jetzt an höchstens noch innerhalb bestimmter sozialer oder kultureller "Milieus" (z.B. im Katholizismus oder in der Sozialdemokratie); aber auch hier nur deshalb, weil oligarchische Eliten und bürokratische Organisationsstrukturen andauernd für die autoritative Herstellung konsensualer (oder besser: "konsenspflichtiger") Meinungspositionen (auf der Basis ideologisierter Weltanschauungen) sorgen. 

Je komplexer die Gesellschaft, desto eher kann eine einigermassen einheitliche (und damit: im politischen System relevante) öffentliche Meinung nur noch durch disziplinierte, von professionellen journalistischen Eliten gelenkte Massenmedien erzeugt und aufrechterhalten werden. So besteht die grundlegende funktionale Ambivalenz der Massenmedien darin, dass sie die Öffentlichkeit einerseits einer elitär-bürokratischen Steuerung unterwerfen, (und meisten Bürger(innen) dadurch in eine rein rezeptive Rolle drängen), andererseits aber gerade durch diese professionelle Selektivität eine politische relevante "öffentliche Meinung" erzeugen, die im Sinne der Aufklärung als politisches Führungs- und Kontrollorgan staatlichen Handelns fungiert. Höchst problematisch ist allerdings, dass es sich bei diesen professionellen Erzeugern, Lenkern und Repräsentanten der öffentlichen Meinung um selbsternannte Eliten handelt, die im Unterschied zu politischen Repräsentanten nicht wähl- und abwählbar sind und nicht im expliziten Auftrag irgendwelcher Bevölkerungsgruppen (Parteien, Verbände usw.) agieren. 

Trotz der restriktiven Öffentlichkeit zentralistisch kontrollierter Massenmedien hat sich in den letzten Jahrzehnten eine ausserordentlich "multikulturelle" Öffentlichkeit ausgebildet, in der Feministinnen, Homosexuelle, Obdachlose, Migrantengruppen, religiöse Fundamentalisten usw. ihre eigenen manchmal voneinander astronomisch weit entfernten Diskurse führen (vgl. z.B. Fraser 1992: 118ff.). Allerdings blieb dieser Differenzierungsprozess durch mannigfache ökonomische Restriktionen relativ begrenzt, welche gerade in der aktuellen Epoche des deregulierten privaten Fernsehens mannigfache Minderheitsbedürfnisse im Interesse maximaler Zuschauerquoten immer weniger Berücksichtigung finden.   Das Internet beschleunigt diese funktionale Differenzierung der Öffentlichkeit in eine unbegrenzte Zahl teilweise äusserst kleiner Teilöffentlichkeiten, indem jedermann in die Lage versetzt wird, selber Themen einzubringen und in jedem Spezialdiskurs seine eigenen Akzente zu setzen.  Die Konsenschancen sind in der neuen elektronischen Weltöffentlichkeit schon deshalb gering, weil es sich um eine globale Öffentlichkeit handelt, deren Exponenten nicht mehr wie in der klassischen nationalen Öffentlichkeit in der gemeinsamen Frontstellung gegen ein bestimmtes politisches Regime eine Basis leicht erreichbarer Übereinstimmungen finden. Insbesondere kann auch nicht mit einem Konsens darüber gerechnet werden, was überhaupt als "öffentlich", bzw. als "privat" zu gelten habe: also zum Beispiel, ob auch Gewaltanwendung in der Familie oder das Sexualleben von Politikern dem Zugriff öffentlicher Thematisierung ausgeliefert werden sollen (Fraser 1992). 
In der masslosen Kakophonie der Stimmen dürfte unüberbietbar deutlich werden, dass keinem Segment der Bevölkerung die Berechtigung zukommt, sich - nach dem Modell des klassischen Bürgertums - als das massgebliche Publikum darzustellen, das eine für alle gleichermassen verbindliche "öffentliche Meinung" konstituiert.  Falls es trotzdem zur Herausbildung einer "dominanten öffentlichen Meinung" kommt, wird sich diese immer gegen eine Vielfalt dissidenter "subaltern Counterpublics" (Fraser 1992: 123) behaupten müssen, die innerhalb der "Netzöffentlichkeit" mit genau demselben Grad an Explizitheit und Visibilität operieren. 

Nach allen verfügbaren Forschungsbefunden ist computergestützte Kommunikation überdies auch aus immanenten technischen Gründen sehr viel besser dazu geeignet, Heterogenität statt Homogenität zu produzieren. So ist sie äusserst hilfreich, wenn es darum geht, im Brainstorming möglichst viele Lösungsvorschläge für ein gegebenes Problem zu sammeln oder sich über die Vielfalt von Denkweisen, Meinungen, Bewertungen Interessen oder Forderungen einen Überblick zu verschaffen. Sehr viel weniger nützlich ist sie hingegen, wenn das Ziel darin liegt, Überzeugungsarbeit zu leisten oder im Hinblick auf eine Entscheidung Einmütigkeit zu generieren (vgl. Kerr/Hiltz 1982; Sproull/Kiesler 1993). 
Die Gründe dafür sind vielfältiger Natur und lassen sich leicht aus den obengenannten Befunden deduzieren: 
1) Überzeugungsarbeit ist schwierig, weil die Teilnehmer nicht in der Lage sind, ihr persönliches Charisma oder andere Führungseigenschaften ins Spiel zu bringen (Kiesler/Siegel/McGuire 1988: 660); 
2) Weil informelle Sozialkontrollen und Einflüsse fehlen, haben die Teilnehmer keine Hemmungen, völlig offen ihren eigenen Standpunkt zu artikulieren oder sich sogar in radikalisierter Weise zu polarisieren (Hiltz/Turoff 1993: 95ff; Sproull/Kiesler 1993); 
3) Der niederschwellige Zugang verlockt manche Individuen zur Teilnahme, die beispielsweise zu wenig motiviert oder befähigt wären, an Versammlungen das Wort zu ergreifen oder brieflich Stellung zu beziehen. 

Vor allem aber hat die radikale Trennung zwischen Sender und Botschaft zur Folge, dass - insbesondere im Vergleich zu Gruppenversammlungen - weniger konsensbildende Mechanismen wirksam werden. Weil die Absender nicht sichtbar sind, sehen sich alle Beteiligten sehr viel weitgehender als in allen anderen Kommunikationsmedien genötigt, die Aufmerksamkeit ausschliesslich der objektiv vorliegenden, von der Person des Senders völlig losgelösten Botschaft zuzuwenden, und deren Sinn ausschliesslich aus der immanenten Deutung des Textes (bzw. durch dessen Relationierung mit vorangehenden Äusserungen derselben Person) zu erschliessen. Dadurch lässt sich einerseits relativ mühelos ein Grad der Versachlichung erreichen, der beispielsweise in face-to-face Situationen, wo Menschen mit ihrer integralen Persönlichkeit anwesend sind und aufeinander einwirken, selbst unter Aufbietung grösster psychischer Anstrengung kaum erreichbar ist (vgl. Hitz/Turoff 1993: 106). Andererseits aber verhindert dieses fundamentalistische Haften am Buchstaben, dass Divergenzen zwischen verschiedenen Texten interpretativ abgemildert oder beseitigt werden können Beispielsweise kann ein Emittent mit seiner Botschaft nicht die illokutionäre Nebeninformation mitliefern, er habe das Gesagte 'vielleicht' nicht ganz so wörtlich gemeint. 
Indem es schliesslich die Eigenselektivität der Nutzer nicht nur ermöglicht, sondern geradezu erzwingt , erweist sich das Internet als ein Medium, das die Differenzierung zwischen den Individuen fördert und dadurch interindividuelle Kommunikation und Kollektivierung erschwert. Für die Führungseliten von Parteien, Verbänden und anderen Vereinigungen beispielsweise wird es schwieriger werden, das Wort "wir" zu verwenden - und damit einen kollektiven Konsens zu unterstellen, der bloss auf der Abwesenheit von manifestem Dissens oder auf der nicht falsifizierten Annahme einer zustimmenden "schweigenden Mehrheit" beruht. Denn wenn alle sich mühelos zu Wort melden können, wird es viel wahrscheinlicher, dass faktisch bestehender Dissens auch offensichtlich wird und bisher kultivierte Konsensannahmen sich als unhaltbar erweisen.[18] Dies könnte bewirken, dass kollektiv verbindliche Entscheidungen immer häufiger nicht mehr einmütig, sondern nur noch mehrheitlich getroffen werden können: weil zweifelsfrei erkennbar ist, dass abweichende Minoritätsmeinungen bestehen.  Mehr als bisher werden sich deshalb nur noch Kollektive mit geringen internen Konsensbedarf als überlebensfähig erweisen: z.B. jene, die ihren Minderheiten klar definierte Autonomieräume zugestehen und/oder ihre Konsensanforderungen auf hoch generalisierte (beispielsweise eher prozedural als inhaltlich definierte) Normen und Verhaltenserwartungen beschränken. 

Die bisherige, durch Presse und elektronische Massenmedien konstituierte Öffentlichkeit war insofern ein Mechanismus gesellschaftlicher Homogenisierung und Integration, als sie dem Zentrifugalismus der arbeitsteiligen Berufswelt und der gruppenspezifischen Subkulturen Fokalpunkte kollektiver Aufmerksamkeit und gemeinsamen Erlebens gegenübergestellt hat, die - als funktionales Äquivalent für frühere "gemeinsame Traditionen" - unserer komplexen Gesellschaft einen - wenigstens ephemeren - Aspekt "mechanischer Solidarität" verliehen haben. So ist bisher durch die konvergente Selektivität von Presseagenturen und Fernsehredaktionen sichergestellt, dass täglich nur ganz wenige Ereignisse den verbindlichen Status von "News" erhalten, die in den entsprechenden Tagesschausendungen ausführlich erwähnt werden und dadurch für Milliarden Menschen einen gemeinsamen Bestandteil ihrer Erlebniswelt und informellen Kommunikation konstituieren. Demgegenüber setzt die Benutzung des Internets sehr viel divergentere Such- und Aneignungsprozesse von Informationen in Gang, die von subjektiven Präferenzen sowie vielerlei Zufälligkeiten beeinflusst werden. Damit schafft die Internet-Nutzung selber jene Voraussetzungen dafür, dass sich die Nutzer schliesslich vielleicht nur noch innerhalb jener spezifischen virtuellen "Newsgroups" bewegen, wo sie ex ante auf gemeinsame Kenntnisse und Themeninteressen zählen können - weil es immer unwahrscheinlicher wird, dass man mit irgendwelchen anderen (z.B. physisch gerade anwesenden) Menschen gemeinsame Anknüpfungspunkte findet.  So mag sich die virtuelle Öffentlichkeit autokatalytisch in eine ständig wachsende Zahl von unbedeutenden "weak publics" (im Sinne von Nancy Fraser 1992) fragmentieren, denen in ihrem begrenzten Kreise allerdings ein Beitrag zur kollektiven Meinungsbildung gelingt, ohne dass sie auch die Chance hätten, aktiv auf politische Entscheidungsprozesse einzuwirken.[19

 


2.6 Strukturelle "Permeabilität" als integratives Korrektiv zur semantischen Fragmentierung

Ist die neue elektronische Öffentlichkeit einerseits auf der Ebene ihrer semantischen Inhalte unübertrefflich heterogen und dissensual, so werden diese zentrifugalen Kräfte andererseits zum Teil durch umso ausgeprägtere Integrationskapazitäten auf struktureller Ebene wettgemacht, die sich aus der - technisch bedingten - Permeabilität und partiellen Interpenetration der ausdifferenzierten Teilöffentlichkeiten ergeben. 

Das bisherige System politischer Öffentlichkeit war aus immanent-technischen Gründen sowohl in vertikaler wie in horizontaler Hinsicht sehr stark fragmentiert: 

1) Vertikal: 
Was auf den untersten Ebenen interpersoneller Kommunikation (am Stammtisch, im Kaffeehaus, an einer öffentlichen Abendveranstaltung oder in Telephongesprächen) ausgetauscht wurde, blieb in seiner Wirkung meist auf den Kreis der unmittelbaren Teilnehmer begrenzt. Nur durch spezielle Anstrengungen (Protokollführung, Tonbandaufnahmen u.a.) war es möglich, das in solchen Kreisen Gesprochene dauerhaft zu speichern und in ein von den Beteiligten unabhängiges Speichermedium zu überführen, um den Transfer in ein umfassenderes (bzw. "öffentlicheres") Sozialsystem möglich zu machen. 
Die vertikale Koppelung zwischen den verschiedenen Kommunikationsebene blieb dadurch eine Aufgabe, deren Lösung andauernde Anstrengungen (z.B. journalistischer Art) notwendig machte und nur allzu häufig der unnormiert-zufälligen Eigenaktivität einzelner Individuen überlassen wurde - wenn ihr nicht gar strikte Verbotsnormen (z.B. Telephongespräche mitzuschneiden) entgegenstanden.  Anders formuliert: die strukturelle Ausdifferenzierung einer subinstitutionellen (bzw. antiinstitutionellen) Öffentlichkeit ging bisher Hand in Hand mit ihrer zunehmenden strukturellen Segregation gegenüber der Sphäre formaler Institutionen, wenn nicht anspruchsvolle Intermediärorgane ausgebildet wurden, um diese zunehmende Kluft zumindest partiell (oder zeitweise) zu überbrücken.[20

2) Horizontal: 
Im traditionellen politischen Kommunikationsraum pflegen sich nebeneinander vielerlei lokale, regionale und nationale Öffentlichkeiten zu entwickeln, die je auf ihr eigenes politisches Zentrum bezogen sind, bzw. in den Grenzen ihrer je eigenen Sprachkultur gefangen bleiben. Auch hier sind die "Verbindungsscharniere" unsystematisch ausgebildet und an spezielle transformative Zusatzanstrengungen gebunden. In solch segmentierten System bleibt es immer möglich, ja höchst wahrscheinlich, dass simultan in verschiedensten informellen Kreisen dieselben Fragen thematisiert und dieselben Argumente vorgetragen werden - ohne dass es im mindesten gelingt, diese Parallelitäten auch nur zu erkennen, bzw. gar aus den Ergebnissen der verschiedenen Diskurse wechselseitig Nutzen zu ziehen. 

Im Gegensatz dazu konstituiert sich in den Computernetzen eine Öffentlichkeit, die zwar sowohl in vertikaler wie horizontaler Hinsicht noch ungleich differenzierter sein kann, dennoch aber zumindest die potentiell eine einzige umfassende Gesamtöffentlichkeit bildet, in der alle Teilöffentlichkeiten permanent miteinander verwoben sind oder einander wenigsten partiell interpenetrieren. Sie besitzen nämlich den unschätzbaren Vorzug, dass die im informellen Raum konstituierten spontanen Äusserungen mit minimalstem Aufwand in formell- institutionelle Kommunikationen transportiert werden können, ohne dass sie in ein neues Medium transkodiert werden müssen (vgl. Geser 1996a So ist es mit wenigen Mausclicks möglich, einen bilateral oder in einer virtuellen Diskussionsgruppe erarbeiteten Text als Petition an den Staatspräsidenten zu versenden oder als formelles Papier in die nationale Parteizentrale zu schicken.  Dieselbe vertikale Durchlässigkeit macht es umgekehrt möglich, in lokale Newsgroups Dokumente und Stellungnahmen überlokaler Behörden und Organisationen hineinzutragen, um auf örtlicher Ebene beispielsweise eine Diskussion über die kommunalpolitische Programmatik nationaler Parteien anzuregen oder um die lokalen Fürsorgeprobleme im Lichte nationaler Sozialpolitik zu thematisieren.  Damit fällt insbesondere die Schranke zwischen "informeller" und "formeller" Kommunikation weitgehend dahin, die für die bisherige Öffentlichkeit derart kennzeichnend war.  So stellt man bei der Konsultation von Usenet-Diskussionen häufig fest, dass mitten im informellsten und subjektivsten Kommunikationsaustausch plötzlich ein komplexes formelles Dokument oder eine höchst ausgefeilte, in zahlreiche Argumentationspunkte gegliederte Stellungnahme eingeschoben wird, um die sich dann - manchmal - ein durchaus differenzierter Informations- und Meinungsaustausch kristallisiert. Demgegenüber ist es in face-to-face Gruppen kaum möglich, die Teilnehmer zur Kenntnisnahme komplexer schriftlicher Dokumente zu veranlassen - und noch viel weniger, sie ad hoc zur Ausformulierung ähnlich komplexer Stellungnahmen zu motivieren. Vielmehr bleibt der Kommunikationsprozess hier auf einen niedrigen Komplexitätsniveau haften, weil sich die Aufmerksamkeit der Anwesenden immer auf die gerade vorhin gehörten mündlichen Äusserungen konzentriert. 

Neben dieser vertikalen Permeabilität gibt es auch eine horizontale Durchlässigkeit in dem Sinne, dass die im Rahmen eines bestimmten Kreises erfolgten Kommunikationen und Publikationen sehr leicht in grössere Gruppen eingespiesen oder anderen, ebenso isolierten Diskussionszirkeln zugänglich gemacht werden können. In hohem Masse vollziehen sich derartige Koppelungen über die sog. "Links", die als Elemente sozialer Strukturbildung im Cyberspace fungieren. Derartige "Verweisungs-zusammenhänge" bilden Pfade, denen entlang Nutzer nach eigenem Wunsch zu weiteren Informationen vordringen können: d.h. ihre Funktion besteht darin, bestimmte Strategien individueller Informationsaneignung vorzuschlagen und nahezulegen, ohne sie allerdings im mindesten zu determinieren.[21 Weil die Nutzer um diese Permeabilität wissen, sind viele Netzkommunikationen durch eine Ambiguität gekennzeichnet, die in Mehrdeutigkeiten ihrer Adressierung ihre Ursache hat. So sind die meisten Websites im Internet dadurch charakterisiert, dass sie zwar primär im Blick auf eine äusserst beschränkte (z.B. lokale) Empfängerschaft formuliert werden, gleichzeitig aber auch mit einem Seitenblick auf die viel weitere Weltöffentlichkeit, die grundsätzlich auch denselben ungehinderten Zugang zu diesen selben Kommunikationen besitzt. 
Die meisten Homepages der Städte und Gemeinden beispielsweise haben die doppelte Funktion, einerseits ihrer eigenen Bevölkerung nützliche Informationen anzubieten, andererseits aber auch sich selber in der Welt in attraktiver Weise darzustellen (z.B. um sich als Ziel für Touristen, als Wohngemeinde für gutbetuchte Bürger oder als Standort für neue Industrie- und Dienstleistungsbetriebe beliebt zu machen). Dies kann beispielsweise dazu führen, dass auch spezifisch an die Einwohnerschaft gerichtete Informationen keineswegs im Stil der lokalen Volkssprache abgefasst sind, sondern im Medium einer universalen "Hochsprache", die möglichst weltweit verständlich ist.  Analoge Formen "obliquer" Kommunikation beherrschen das Usenet, wo die meisten Respondenten sich explizit und spezifisch an den Autor einer bestimmten vorangehenden Botschaft wenden, dabei aber immer im Auge haben (müssen), dass ihre Botschaft nicht nur von ihm, sondern auch von unbestimmt vielen anderen gelesen werden wird. Konkret bedeutet dies beispielsweise, dass von partikulären Erörterungen immer wieder auf eine Ebene universellerer Verständigung zurückfinden, an der möglichst viele andere (inkl. jene, die die primäre Message, auf die sich die Antwort bezieht, nicht kennen), teilhaben können. 
Mit anderen Worten: es herrscht eine öffentliche Form bilateraler Kommunikation, die an die Beteiligten teilweise höchst widersprüchliche Anforderungen stellt. Es wird eine Form kommunikativer Mehrdeutigkeit zum Prinzip erhoben, die auch in früheren Zeiten zumindest implizit schon gegeben war: beispielsweise in den berühmten Briefwechseln des 18. Jahrhunderts (z.B. zwischen Goethe und Schiller), die ohne den Hintergedanken, dass sie später veröffentlicht würden, kaum den sie auszeichnenden beeindruckenden Umfang und Gedankenreichtum angenommen hätten: 

"Fremde Briefe werden nicht nur ausgeliehen, abgeschrieben; manche Briefwechsel sind von vornherein, wie in Deutschland die Beispiele Gellerts, Gleims und Goethes zeigen, zum Druck vorgesehen. Eine damals geläufige Redewendung bestätigt den auch dem gelungenen Briefe, er sei zum Drucke schön" (Habermas 1990: 114).

So mögen sich die Computernetze relativ "risikolos" in beliebigem Ausmass in kleinste und äusserst selbstbezogene "Diskursinseln" fragmentieren: weil ungeachtet des Grades an Differenziertheit immer die Potentialität erhalten bleibt, alles in ihm Gespeicherte anderen Adressatengruppen oder Kommunikationsebenen zugänglich zu machen. 
Technisch wäre es für die Tausenden von Gruppen gar kein Problem, sich fallweise zu einem gigantischen Chor zusammenzufinden, um über das Netz gemeinsame politische Forderungen (z.B. nach Unterlassung von Zensurmassnahmen) zu transportieren; denn zwischen den Gruppen besteht eine wechselseitige Durchlässigkeit, die (in dem Grade, wie "spamming" oder "cross posting" überhandnimmt) in kürzester Zeit dramatisch anwachsen kann. So konnte man sich beispielsweise Anfang März 1996 kaum ins Netz einloggen, ohne in kurzer Zeit mit der weltweiten blue-ribbon - Protestkampagne konfrontiert zu werden, die gegen die Zensurbestimmungen im neuen Telekommunikationsgesetz der US-Regierung (CDA) gerichtet war. 

 


2.7 Eine Öffentlichkeit mit Gedächtnis

Die bisherigen Kommunikationsmedien haben der Öffentlichkeit den Charakter eines äusserst gegenwartsbezogenen und gedächtnislosen Sozialsystems verliehen. Dies gilt in extremster Weise für das Fernsehen, wo z.B. politische Nachrichten von den Rezipienten bereits nach Minuten nur noch höchst lückenhaft erinnert werden. Kaum weniger trifft es aber auch für die Zeitungen zu, die trotz jahrzehntelanger physischer Haltbarkeit meist bereits beim Erscheinen der jeweils nächsten Ausgabe jedes Interesse verlieren. 
Überaus gegenwartsbezogen sind aber auch alle face-to-face Kommunikationen, weil im kollektiven mündlichen Diskurs die Aufmerksamkeit aller Teilnehmer immer von den soeben gesprochenen Worten absorbiert wird, während frühere Voten unscharf im Bewusstsein verschwimmen. 

Durch diesen - durchaus technisch bedingten - Gegenwartsbezug setzt sich die konventionelle Öffentlichkeit in ein extremes Kontrastverhältnis 
1) zur Welt formeller bürokratischer Institutionen , wo Vergangenes in Form schriftlicher Akten zeitunabhängig greifbar bleibt; 
2) zur Sphäre informeller volks- und gruppenspezifischer Traditionen, die durch regelmässige Sozialisation und Diffusion am Leben gehalten werden. 

Gegenüber beiden Welten profiliert sie sich einerseits durch einzigartige Fähigkeiten zum Themenwechsel und zur dynamischen Innovativität, andererseits aber durch ihre Unfähigkeit, über die Zeit hinweg konsistent zu sein und durch selektive Aneignung von vergangenen Ereignissen und Erfahrungen irgendeine Evolution zu "reiferen" Stadien (bzw. differenzierten Systemzuständen) zu vollziehen. Eine auf Computerkommunikation gestützte Öffentlichkeit wird wohl ebenfalls Merkmale höchster Dynamik und Innovativität aufweisen, sie aber zusätzlich mit der Fähigkeit ausstatten, sich ihrer eigenen Vergangenheit zu erinnern und die akkumulierten Informationsbestände für die Erzeugung von zeitlicher Konsistenz und die Inganghaltung einer eigenen Systemevolution zu nutzen. Dies deshalb, weil alle in Diskursen erfolgten Äusserungen im Prinzip ungeachtet ihres Zeitpunktes auf derselben medialen Ebene präzis und ohne besonderen Aufwand beliebig lange zugänglich bleiben: so dass Altes von Neuem bloss überlagert wird, ohne von ihm in den Hintergrund gedrängt oder gar endgültig eliminiert zu werden. Genau dies führt allerdings dazu, dass sich das System uferlos immer weiter ausdifferenziert, weil Neues immer bloss zum Alten hinzugefügt wird und mit ihm dauerhaft koexistiert. Als Folge davon ist es schwierig, sich eine zu höheren Niveaus der kommunikativen Rationalität führende "Makroevolution" des Gesamtsystems vorzustellen. Vielmehr dominieren mannigfaltige "Mikroevolutionen", wie sie beispielsweise in den immer zahlreicheren "Newsgroups" vollzogen werden. Immerhin wird in derartigen Gruppen ein über Wochen, ja oft Monate andauernder Diskurs über ein präzis definiertes Einzelthema (Bosnien-Krieg, Menschenrechte in China, Wandel in Kuba u.a.) geführt, der sich zumindest teilweise endogen (d.h. unabhängig vom schwankenden Tagesaktualitätsgrad in den konventionellen Massenmedien) stabilisiert.[22
Indem sie ihren Nutzern Informationsbestände aus verschiedensten Zeiträumen in genau derselben Weise verfügbar machen (ohne dass Exkursionen in schwer zugängliche Archive nötig sind), können Computernetze der politischen Öffentlichkeit eine bisher unbekannte zeitliche Tiefendimension verleihen und dadurch eine traditionsbildend konservierende Wirkung entfalten. Dies wird beispielsweise im "Presidential Memory Project" der amerikanischen NTPM[23] deutlich, das den Zweck hat, alle Dokumente über Präsident Clinton (seine Laufbahn, seine Wahlkampagne, seine Amtsführung usw.) zu aggregieren und während seiner gesamten Amtszeit abrufbar zu halten. Dadurch bekommen alle Internet-Nutzer die Möglichkeit, das aktuelle Verhalten des Präsidenten mit seinen vergangenen Absichtserklärungen und Verhaltensweisen in Beziehung zu setzen, auf Konsistenz, Wandel, Abweichung usw. hin zu überprüfen.  Die offensichtliche Absicht derartiger "monitoring systems" besteht darin, amtierende Politiker zu einer erhöhten "Selbsttreue" und zeitlichen Konsistenz ihrer Ansichten und Verhaltensweisen zu verpflichten bzw. sie im Falle von Abweichungen unter einen schärferen Begründungszwang zu setzen. Falls sich derartige Bewertungskriterien durchsetzen, könnten Politiker leicht an der Praktizierung anderer geschätzter Tugenden gehindert werden: etwa der Bereitschaft, sich ungeachtet der Vergangenheit immer wieder neu an aktuelle Problemlagen, politische Stimmungslagen im Lande etc. zu adaptieren (vgl. 3.3). 

 


3. Teil:

Einige Konsequenzen und Folgeprobleme für den Prozess politischer Demokratie

3.1 Erleichterte Möglichkeiten kollektiver Mobilisierung und extensiver Handlungskoordinationen

Bisherige politische Kampagnen waren relativ stark an die Mitwirkung eines umfangreichen Hilfspersonals gebunden. Beispielsweise war es erforderlich, zu Fuss Flugblätter auszutragen, umständliche Adresslisten nachzuführen oder auf manuelle Weise Briefumschläge zu beschriften, abzufüllen und zuzukleben. 
Insbesondere in grösseren Staaten blieb der Zugang zu umfassenden und erfolgreichen politischen Kampagnen deshalb auf Akteure mit relativ guter materieller und organisatorischer Ausstattung (z.B. etablierte Verbände) beschränkt. Korrelativ dazu hat sich in der soziologischen Theorie der sog. "resource mobilization approach" durchgesetzt, der es für selbstverständlich hält, dass soziale Bewegungen normalerweise durch potente Führungsinstanzen initiiert und alimentiert werden, anstatt "von unten her" zu wachsen (vgl. z.B. McCarthy/Zald 1977). 

Bei elektronischen Kampagnen fallen die meisten dieser administrativen Tätigkeiten weg, so dass es auch kleinen Gruppen, ja sogar einzelnen Personen möglich wird, nicht nur als verantwortliche Träger, sondern auch als effektiv Ausführende einer politischen Kampagne zu fungieren. 
Sie brauchen keine weitläufigere Organisation mehr aufzubauen (und schaffen dadurch allerdings auch keine Chance mehr für Frauen, junge Leute u.a., sich wenigstens indirekt oder nur "symbolisch" an politischer Aktivität mitzubeteiligen). 
Als illustrativer Vorgriff auf künftige Entwicklungen mag das vom politisch unprofilierten Richard Hartmann initiierte virtuelle "Political Action Committee" gewertet werden, mit dessen Hilfe es 1994 überraschenderweise gelang, die Wiederwahl des House Speakers Tom Foley ins Repräsentantenhaus zu verhindern (Henderson 1995). Hartman's Unternehmen beweist, dass gewöhnliche Bürger ohne bedeutsame Beziehungen, ohne politische Erfahrungen und ohne viel materielle Mittel in der Lage sind, ohne Gebrauch konventioneller Massenmedien auf Wahlkampagnen wirksamen Einfluss zu nehmen (Henderson 1995). Dadurch wächst für die politischen Repräsentanten die Ungewissheit, ob und aus welcher Richtung sich Kritik und Widerstand gegen sie formiert und welche kollektiven Kräfte sich für die Unterstützung oder Bekämpfung bestimmter Gesetzesvorlagen formieren. 
Anders als in einer "korporatistischen", durch eine übersichtliche Zahl etablierter Grossverbände dominierten politischen Szene lassen sich solche Risiken nicht mehr durch bewährte Strategien (Kooption, vorgängige Absprachen, Verhandlungen u.a.) reduzieren, weil mit dem Auftreten vielfältigster Ad- hoc -Gruppen informellster Art gerechnet werden muss, die zu unerwarteten Zeitpunkten und in unvorhersehbarer Zielrichtung aktiv werden. Neu ist vor allem, dass auch Interessengruppen mit äusserst dünn gesäter, unübersichtlich über die ganze Nation oder Erdkugel verteilten Anhängern die Fähigkeit erhalten, eine Identität zu gewinnen, sich ihres Umfangs innezuwerden und ein hohes Niveau an kollektiver Aktions- (und rascher) Reaktionsfähigkeit zu entfalten. Personen, die vorher als exotische Einzelgänger in der politischen Arena fungierten, tun dies jetzt als Exponenten einer organisierten Gruppe, (d.h. ausgestattet mit einer gewissen kollektiven Legitimation). So haben beispielsweise die amerikanischen "Home schoolers" (=Eltern, die ihre Kinder zu Hause unterrichten) die Kongressabgeordneten im Februar 1995 ein paar Tage lange mit elektronischen Botschaften überschwemmt, um die Einführung einer staatlichen Lizenzierungspflicht für Hauslehrer zu verhindern (Henderson 1995). 

Autoritären politischen Regimes in der dritten Welt erwächst heute eine neue Gefahr dadurch, dass exilierte Regimegegner ungeachtet ihrer geographischen Dispersion in der Lage sind, sich zu vernetzen und durch koordinierte Kollektivaktionen von aussen her Druck auf ihr Land auszuüben. So wurde eine der bisher erfolgreichsten politischen "Cybercampaigns" von der "Free Burma Coalition" initiiert, die im September 1995 vom exilburmesischen Studenten Zarni in Wisconsin ins Leben gerufen wurde. Obwohl sich im Umkreis von 300 Meilen kein zweiter Burmese befand, ist es Zarni bereits am 27. Oktober 1995 gelungen, an Dutzenden von amerikanischen Universitäten einen koordinierten "Burma Action Day" durchzuführen und bis zum Frühjahr 1996 die Gründung von 70 bis 90 lokalen Aktionsgruppen zu stimulieren. In ihrem Bestreben, die Burmesische Militärdiktatur "SLOC" von aussen her unter Druck zu setzen, hat die Bewegung bereits einige signifikante - wenn auch eher indirekte - Erfolge zu verzeichnen. So hat sie zahlreiche Universitätsverwaltungen dazu gebracht, ihre Verträge mit der Pepsi Cola Corp. (die mit dem Burmesischen Regime kooperiert) aufzukündigen; und zahlreiche Universitätsstädte (z.B. Berkeley San Francisco, Ann Arbor u.a.) konnten veranlasst werden, mit multinationalen Firmen, die in Burma investieren, keine Geschäftsbeziehungen mehr zu pflegen (Zenko 1996). Infolge der äusserst repressiven politischen Bedingungen innerhalb des Landes hat sich die öffentliche politische Diskussion über Burma generell weitgehend ins globale Internet verlagert. Als Informationsquelle von höchster Bedeutung hat sich dabei die "Newsgroup" profiliert, innerhalb der täglich eine umfangreiche, von Exilburmesen in aller Welt mitgestaltete Zeitung ("BurmaNet News") erscheint. Zumindest teilweise wird sie durch Informationen alimentiert, die ebenfalls über Computernetze aus Burma geliefert werden: Nachrichten, die über die zensurierte Briefpost oder das belauschte Telephon schwerlich an die Aussenwelt gelangen würden. 

Ein Schwerpunkt der Computerkommunikation liegt in der Vermittlung äusserst spezifischer technischer und taktischer Informationen, wie sie zur Konkretisierung politischer Aktionen notwendig sind, bisher aber oft nur mühevoll zu beschaffen waren. So lassen sich beispielsweise aus den Websites der Regierung und des Parlaments die Adressen verschiedener Persönlichkeiten, Behörden und Anstalten entnehmen, an die Botschaften bestimmter Art adressiert werden können. 
Ebenso können politische Aktionsgruppen weltweit publik machen, 
- wer in der Entscheidungszentrale eines Weltkonzerns für das umweltschädigende Verhalten nationaler Unternehmenstöchter die Verantwortung trägt; 
- welche Vorgehensweisen wirksam sind, um Regierungsstellen zur Herausgabe bestimmter Informationen oder zur Gesprächsbereitschaft mit kritischen Oppositionsgruppen zu bewegen; 
- welche Formalitäten zu beachten sind, wenn gegen Mietaufschläge oder Misshandlungen in der Untersuchungshaft Verwaltungsbeschwerden oder gerichtliche Schritte eingeleitet werden sollen. 

So unauffällig, ja trivial derartige kognitive Hilfestellungen sind, so mögen sie sich doch zu einer erheblichen Gesamtwirkung kumulieren, indem sie vielen Bürgern, die dem formellen Behördenapparat bisher hilflos gegenübergestanden haben, Anweisungen zur erfolgssicheren Wahrnehmung ihrer Rechte vermitteln. Faszinierend ist vor allem die enge vertikale Koppelung zwischen lokalen und globalen Ebenen politischer Öffentlichkeit, die sich aus der raumunabhängigen Diffundierbarkeit taktisch-lebenspraktischer Informationen und Verhaltensanweisungen ergibt. Die bisherige Devise "Global denken, - Lokal handeln" entsprach einem Zustand sehr lockerer vertikaler Koordination, wo weltweite Kommunikationsprozesse - und insbesondere auch internationale Zusammenkünfte wie z.B. UNO-Konferenzen - bloss der Erarbeitung von Wertorientierungen und allgemeinen Zielsetzungen dienten, während die ganze Konkretisierungsarbeit und operative Umsetzung den regionalen und lokalen Aktionsgruppen überlassen blieb (vgl. z.B. Dimitrijevic 1989)
Heute könnte es eher heissen: "Global konzipieren, diskutieren, projektieren, koordinieren - und lokal handeln"; denn die internationale Kooperation kann mühelos täglich und stündlich vor sich gehen und sich deshalb auf konkreteste Einzelheiten der politischen Argumentation und Aktionsplanung sowie auf den Austausch rein technischer und taktischer Informationen erstrecken: etwa auf Rezepte zum Bau wirksamer Molotow-Cocktails oder auf empfehlenswerte Verhaltensregeln gegenüber Polizei und Justiz. 

In den bekannten Termini von Jürgen Habermas liesse sich behaupten, dass die Trennlinien zwischen informeller "Lebenswelt" und formellem "System" durch Computerkommunikation durchlässiger und manipulierbarer gestaltet werden, indem zumindest die auf kognitiven Defizienzen beruhenden Aspekte von Herrschaft und Entfremdung abgemildert werden. Umso dringender stellt sich die Frage nach jenen Machtverhältnissen, die ungeachtet dieser informationellen Komponenten weiterbestehen. Konkreter gesprochen: habe ich überhaupt eine Chance, dass meine frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde auch gebührende Beachtung oder der an die richtige Stelle adressierte Antrag eine zügige Behandlung findet?  Mit wachsender Verbreitung formaler Handlungskompetenzen könnte die Flut politisch-administrativer Bürgeraktivitäten leicht einen Umfang erreichen, der von den zuständigen Verwaltungsstellen und Gerichten nicht mehr bewältigt werden kann: mit der Folge, dass diese zu deren Erledigung routinisiertere Verfahrensweisen verwenden oder sich durch Abbau formeller Rechtsmittel und Rekursmöglichkeiten vor Überlastung schützen. 

 


3.2 Erweiterte Möglichkeiten plebiszitärer Demokratie

Idealiter fordert das Konzept direkter Demokratie, alle Mitglieder eines organisierten Gemeinwesens gleichberechtigt an allen Aspekten kollektiver Entscheidungsfindung teilnehmen zu lassen. Die Realisierbarkeit dieser Forderung blieb bisher aus technisch-organisatorischen Gründen in vierfacher Hinsicht beschränkt. 
1) Aus Kosten- und Zeitgründen war es notwendig, die Zahl von Abstimmungen auf wenige "wesentliche" Fragen zu beschränken. 

2) Die Kapazitäten zentraler Informationsverarbeitung waren derart gering, dass den teilnehmenden Bürgern nur Artikulationen mit äusserst begrenztem Informationsgehalt (typischerweise: Ja-Nein-Alternativen, also 1 bit) zugestanden werden konnten. 

3) Die Chancen der horizontalen Kommunikation und Koordination unter den Bürgern waren der massen begrenzt, dass meist sowohl die Selektion und Formulierung der Entscheidungsvorlagen ("agenda-setting") wie auch die der Abstimmung vorangehenden Kommunikationsprozesse sehr stark in den Händen der Machtzentren verblieben sind. 

Die Computernetze tragen in sich die Potentialität, all diese Schranken zumindest partiell zu überwinden. So wird der Vorgang des Abstimmens zu einer höchst unaufwendigen Aktivität, die von den Teilnehmern ohne Formalität im Wohnzimmer oder am Arbeitsplatz vollzogen werden kann und keine mit Auszählen und Weitermelden beschäftigten Abstimmungsbüros nötig macht. Ebenso unaufwendig ist es umgekehrt für die Behörden, den Bürger kurzfristig vielerlei Fragen vorzulegen und ihnen das erforderliche Informationsmaterial zuzustellen. Des weiteren ist es nun auch ohne weiteres möglich, den Abstimmenden viel weitergehende Artikulationsmöglichkeiten als schiere Ja-Nein-Alternativen an die Hand zu geben: z.B. von ihnen die Rangierung mehrerer Optionen zu verlangen oder gar die Selektion einer bestimmten Quantität (z.B. um wie viel Prozent soll der Steuerfuss steigen? Wie viel Prozent Ausländer sollen in der Schweiz höchstens leben?). Auch wäre die Einführung gewichteter Stimmabgaben denkbar, mit denen die Bürger ihre Intensität, mit der sie eine Vorlage unterstützen oder verwerfen, zum Ausdruck bringen können.[24 Schliesslich ist zu beachten, dass es im Unterschied zu bisherigen, auf konventionelleren Technologien basierenden Konzepten der "Teledemokratie"[25] jetzt möglich wird, auch die der Entscheidung vorangehenden Diskussionen und Beratungen im selben Medium wie die Entscheidungsakte selber stattfinden zu lassen: in einem Medium, das allseitige und egalitäre Chancen sowohl vertikaler wie horizontaler Kommunikation offen hält, wie sie selbst an öffentlichen Versammlungen niemals derart weitgehend realisierbar sind. Selbst wenn an einem "virtual town hall meeting" nicht mehr Teilnehmer als an einer lokalen Dorfversammlung partizipieren, ist es zumindest in der Hinsicht demokratischer, als keiner, der sich meldet, die anderen dadurch an ihrer Meinungskundgabe hindert. 
Natürlich öffnet sich durch die Möglichkeit, über alles und jedes täglich beraten, und kollektive Entscheidungen treffen zu können, der Weg zu bedenklichen Formen totalitärer Demokratie, in der Alexis de Tocqueville's Befürchtungen über eine unumschränkte (und inappellable) Diktatur der majoritären öffentlichen Meinung auf bestürzende Weise Wirklichkeit werden. So wird es in Zukunft darum gehen, der Reichweite direkter plebiszitärer Mitsprache im Interesse konkurrierender oder übergeordneter Werte (Rechtssicherheit, Entscheidungsrationalität u.a.) Zügel anzulegen - oder die Bürger selber in die Lage zu versetzen, freiwillig auf die Ausübung direkter Partizipationsrechte zu verzichten. 
Ein attraktives Illustrationsbeispiel für die zweite Alternative bietet sich in dem vom Niederländer Marcel Bullinga entwickelten Konzept der selbstgewählten Stimmendelegation, das den Stimmbürgern die Option an die Hand gibt, jederzeit selber über einen direkt-demokratischen oder einen repräsentativ-demokratischen Partizipationsmodus zu entscheiden. So sind die Abstimmenden in jeder anstehenden Sachvorlage frei, die ihnen zur Verfügung stehende Stimme entweder selber abzugeben oder irgendeiner von ihnen für kompetent angesehenen Vereinigung anzuvertrauen: z.B. bei Umweltanliegen einem Umweltverband, bei ethischen Fragen ihrer Kirche, bei arbeitsrechtlichen Fragen einer Gewerkschaft usw. Anstatt dass also das nationale Parlament als monopolistische Vertretungsinstanz aller Bürger in allen Fragen fungiert, gibt es jetzt einen "freien Markt um politische Repräsentation", an dem sich verschiedenste Institutionen, Verbände, Assoziationen, Ad-hoc Gruppierungen, charismatische Führerpersönlichkeiten usw. mitbeteiligen können. Dieses Modell beweist, dass Teledemokratie nicht zwingend zu einer Verlagerung auf direkte, plebiszitäre Demokratie führen muss. 
Genau im Gegenteil kann die zunehmende Fülle von Abstimmungsvorlagen dazu führen, dass sich die meisten Bürger bei den meisten Gelegenheiten als 'überfordert' erklären, sehr wohl aber immer noch von der Chance Gebrauch machen, über die Bezeichnung einer ihr Vertrauen geniessenden Vertretungsbehörde indirekt auf die politischen Prozesse einzuwirken:

"Decision-maker/Teledemocracy" uses a general trusted third party model, in which citizens can choose any organization they like to hand over their vote to. In this respect, the model broadens the concept of representative democracy - without throwing away though the benefits of parliamentary democracy" (Bullinga 1996). 

 


3.3 Engere vertikale Verknüpfung zwischen Regierenden und Regierten

In politischen Systemen ohne direkte Volksmitsprache bemisst sich der Grad an politischer Demokratie vor allem daran, wie viele Bürger wie weitgehend in der Lage sind, die Entscheidungstätigkeit der regierenden Instanzen wahrzunehmen und zu beurteilen und auf sie zumindest informell Einfluss zu nehmen. Aus zahlreichen historischen Illustrationsfällen wird deutlich, dass politische Autoritätsstrukturen in kritischer Weise von einer Begrenzung ihrer öffentlichen Sichtbarkeit abhängig sind. Beispielsweise hat das Britische Parlament bis tief ins 18. Jahrhundert eisern auf der absoluten Geheimhaltung seiner Verhandlungen insistiert, um seine Autonome gegenüber unkontrollierbarer plebiszitärer Kritik und Einflussnahme zu bewahren (Habermas 1990: 126); und der Entschluss Neckers, die Bilanz des Staatshaushalts zum erstenmal öffentlich bekannt zu machen, wurde allgemein als ein dramatischer Bruch mit konstitutiven Prinzipien absolutistischer Herrschaft empfunden (Habermas 1990: 136).[26
Die formell unbestrittene Forderung, dass parlamentarische Vorgänge im hellen Licht der Öffentlichkeit stattfinden müssen, hatte bisher nur einen geringen materialen Gehalt, weil es für den einzelnen Bürger überaus mühsam und kostspielig war, sich beispielsweise die Texte der in der Legislative anstehenden Gesetzesvorlagen zu beschaffen oder sich über das Abstimmungsverhalten "seiner" Parlamentsvertreter auf dem Laufenden zu halten. De facto blieb es bisher vorwiegend den spezialisierten Funktionären grosser Verbände und Institutionen (sowie anderen Lobbyisten) vorbehalten, sich derartige Kenntnisse zu erwerben und sie für Einflusschancen auf den Gesetzgebungsprozess zu nutzen. 

Das Internet bietet nun erstmals die Möglichkeit, Gesetzesvorlagen, Beratungsprozesse und individuelle Verhaltensweisen der Legislatoren in vollem Umfang allen Interessierten ohne Aufwand zugänglich zu machen und dadurch die kognitiven Voraussetzungen herzustellen, die für eine rationale Ausübung der politischen Rechte (z.B. für Wahlentscheidungen oder die Teilnahme an Petitionen und Protestbewegungen) unerlässlich sind. Ein erster Durchbruch in dieser Richtung wurde im Staat Kalifornien vollzogen, der vom Gesetz her seit 1993 verpflichtet ist, alle legislativen Vorlagen im Internet zu diffundieren[27]. Auf Anregung des Kongresssprechers Newt Gingrich wurde 1995 auf nationaler Ebene eine analoge Diensteinrichtung ("Thomas") initiiert: 

"Any individuals can now reach the Library of Congress's Thomas program on the Internet and download the legislative language of any bill before Congress within seconds of its being filed. New Speaker Newt Gingrich believes Thomas will weaken Washington lobbyists and make it tougher to pass bills that benefit narrow interests. 'There is no longer an advantage to being an insider, he said, because everyone's an insider who's willing to get the data. Before Thomas was up and running, unless you could walk over to Capitol Hill (or pay someone to do it), it would take days to go the text of bills pending in Congress by mail. Unless you had solid contacts on Capitol Hill, forget about quickly obtaining copies of committee reports..." (Henderson 1995). 

Daneben haben sich vielfältige privat initiierte Dienstleistungen (z.B. "vote-smart") ausgebildet, die den Zweck haben, die Bürger über die persönlichen Merkmale, Aktivitäten und politischen Entscheidungstätigkeiten der Parlamentarier zu informieren. Als eine der umfangreichsten privaten Bürgerinitiativen verfolgt "vote-smart" das Ziel, das Verhalten der Parlamentsabgeordneten einer verstärkten Kontrolle durch die Bevölkerung zu unterziehen. Angezielt wird der "gläserne Abgeordnete", über dessen politischen Werdegang man ebenso lückenlos Auskunft weiss wie über seine Verbindungen zur Wirtschaft und zu Verbänden, seine Unterstützungsquellen im Wahlkampf sowie sein faktisches Abstimmungsverhalten im Parlament. Im Vordergrund steht dabei insbesondere das Kriterium, in welchem Masse das faktische politische Verhalten eines Abgeordneten mit seinen im Wahlkampf geäusserten Absichtserklärungen koinzidiert.  Dies kann vor allem bedeuten, dass einmal gewählte Parlamentarier zunehmend um ihre Wiederwahl fürchten müssen, weil sie nun andauernd im Rampenlicht stehen und bei ihrer Wiederkandidatur unweigerlich eine lückenlose Durchleuchtung ihrer bisherigen "performance" erfahren. Wahlversprechungen jeder Art gewinnen zusätzliche Verbindlichkeit, weil sie im Netz andauernd zugreifbar bleiben und die Grundlage für Beurteilungen der "Konsistenz" und "Selbsttreue" bilden. 
Derartige Unternehmungen gefährden natürlich das klassische Rollenmodell des Repräsentanten als "unabhängigen Treuhänder des Gemeinwohls", der nach seinem Gewissen ständig neu und in völliger Souveränität über seine politischen Stellungnahmen entscheidet.  An seine Stelle tritt das Modell des Repräsentanten spezifischer Interessen, der bereits bei seiner Wahlkampagne als Exponent bestimmter Werte und Ziele verbindlich zu erkennen gegeben hat und von seiner "Klientele" beauftragt ist, genau diese Zielsetzungen mit aller Konsequenz zu realisieren (z.B. Haltung zur Abtreibung, zur Budgetreduktion, zur wirtschaftlichen Deregulierung etc.).  Diese Problematik wird insbesondere auch im "Vote Tally" - Projekt der National Taxpayers Union deutlich, das jedem Abonnenten von Compuserve, das Verhalten aller Kongressabgeordneten unter dem Gesichtspunkt zu beurteilen, inwiefern sie sich für die Begrenzung oder Reduktion der Staatsausgaben eingesetzt oder umgekehrt zur Expansion des Staatsbudgets) beigetragen haben. Zusätzlich hilft "Bill Tally" zu beurteilen, inwiefern bestimmte Kongressvorlagen die voraussichtliche Wirkung haben, die Staatsausgaben zu erhöhen oder zu verringern. 
Derartige Informationsangebote tragen also dazu bei, dass Abgeordnete intensiver und zuverlässiger aufgrund ganz spezifischer Gesichtspunkte ihres Entscheidungshandelns beurteilt werden. Die Vermutung liegt nahe, dass amtierende Repräsentanten sich diese Gesichtspunkte allzu leicht zu eigen machen und ihr Verhalten darauf ausrichten, in derartigen Internet-Tests "erfolgreich" zu bestehen. Dadurch entsteht die Gefahr, dass die Abgeordneten in ihrem eigenen Selbstverständnis sich sehr enge, operationale Kriterien des "Erfolgs" oder "Misserfolgs" zu eigen machen, anstatt das umfassende (nicht quantifizierbare) "Gemeinwohl" zu fördern. Ähnlich wie Manager, die an der Aktionärsversammlung nach den Vierteljahresergebnissen der Erfolgsrechnung beurteilt werden, können so auch Abgeordnete versucht sein, z.B. durch Befolgung einer rigiden Sparmentalität eine günstige "Internet-Reputation" zu erwerben (bzw. dem Stigma zu entgehen, zur Expansion des öffentlichen Budgets beizutragen, vgl. Henderson 1995).  Besonders eindrucksvoll ist auch das von der NPTN ("National Public Telecomputing network") und anderen Non-Profit-Organisationen getragene Projekt HERMES, das dafür sorgt, dass Texte von Gerichtsurteilen des Supreme Court innerhalb von 15 bis 20 Minuten nach ihrer Freigebung durch das Gericht weltweit für alle Internet-Nutzer zugänglich werden.  Gerade hier erhebt sich aber besonders drängend die Frage, inwiefern eine ungehinderte und unverzügliche Zugänglichkeit solcher Texte mit dem traditionellen Gebot der Unabhängigkeit der Judikative vereinbar ist. Denn es scheint evident, dass eine allzu schnelle und weite Verbreitung von Urteilen und Urteilsbegründungen deren "Politisierung" begünstigt; d.h. es liegt nahe, oberste Urteile ähnlich wie Kongressvorlagen als politische Artikulationen zu behandeln und darauf politisch (z.B. mit Forderungen nach Änderung der Legislation) zu reagieren. Jedenfalls werden sich viel stärker als früher auch Nichtjuristen bemüssigt, berechtigt und ermutigt sehen, solche Texte zu lesen und aus ihrer "Laienperspektive" (d.h. eher politisch-interessengeleitet als professionell-juristisch) darauf zu reagieren. Ebenso ist damit zu rechnen, dass die Richter derartige Reaktionen zunehmend einbeziehen und ihre Begründungen vielleicht antizipativ derart gestalten, dass sie den jetzt unvermeidlich gewordenen "Popularitätstest" bestehen. 

Schliesslich fällt auf, dass politische Amtsinhaber und aspirierende Kandidaten das Internet in rasch zunehmendem Masse als Medium für ihre Selbstdarstellung benutzen. Seitdem sich Edward Kennedy (erfolgreich) und der New Yorker Bürgermeister Mario Cuomo (weniger erfolgreich) 1992 als Internet-Pioniere profiliert und mit ihren vorbildlichen Selbstpräsentationen Massstäbe gesetzt haben, scheint die persönliche Webpage für die meisten amerikanischen Politiker bereits im 1996er-Wahlkampf zum unerlässlichen Standard zu werden (Carl 1995).[28  Der unbestreitbare Vorteil liegt darin, dass zum bescheidenen Preis von ca. 30'000 Dollars (etwa der Summe eines 30-Sekunden-Commercials im regionalen Fernsehen) beliebig viel Information und Propaganda emittiert werden kann und es gleichzeitig möglich ist, einen Kanal für Rückmeldungen und eine Arena für offene Bürger-Diskussion zu eröffnen (Holdren 1995: 50f.).[29 Nur über Computernetze sind also auch finanziell wenig bemittelte Kandidaten in der Lage, sich in beliebiger Ausführlichkeit ihren Wählern landesweit darzustellen. Dadurch erhöht sich die Chance, dass auch Angehörige niedriger sozialer Schichten wieder vermehrt zu Kandidaturen auf staatlicher und nationaler Ebene Zugang gewinnen, ohne sich von zahlungskräftigen Sponsoren abhängig zu machen (Holdren 1995).  Ebenso verringert sich ihre Abhängigkeit von materiellen Ressourcen und organisatorischen Unterstützungsleistungen der Partei; sie werden in die Lage versetzt, sich primär als Einzelpersonen darzustellen und dadurch eine parteiunabhängige Popularitätsbasis zu gewinnen.[30]
Hinzu kommt wahrscheinlich, dass "Netzkandidaten" 
- eine insgesamt grössere Mengen von Wählerpost erhalten werden: darunter auch von Personen, die nie per Brief oder Fax an sie gelangt wären; 
- unmittelbar nach ihren Selbstdarstellungen im Fernsehen aus den zugesandten Reaktionen ersehen können, ob und wie sie in der Bevölkerung "angekommen" sind - und bei Bedarf kurzfristig Konsequenzen daraus ziehen; 
- eine Nachfrage nach einer neuen Kategorie von "Medienprofessionellen" artikulieren werden, die fähig sind, sie bei ihrer Selbstdarstellung im Internet beraten zu lassen.[31

Im Vergleich zur rein presse- und fernsehzentrierten Wahlpropaganda der Vergangenheit werden die Chancen öffentlicher Einflussnahme auf eine schwer voraussehbare Weise neu verteilt: weil jene Kandidaten besonders prämiert werden, die im Umgang mit ihrer Wählerschaft viel Kreativität und Lernfähigkeit entwickeln und zumindest den Anschein erwecken, "persönlich" und "verständnisvoll" auf jede zugesandte E-mail zu reagieren. 

 


3.4 Erosion intermediärer Kommunikationsinstanzen

Zu den unbestreitbaren Vorzügen aller konventionellen Massenmedien (Presse, Radio und Fernsehen) gehört es, dass die Inhaber formeller Spitzenpositionen (in Regierung, Parteien, Militär, Kirche u.a.) mit ihrer Hilfe in der Lage sind, ihre Botschaften unvermittelt jedem Mitglied an der Basis zur Kenntnis zu bringen. 
Bereits dies bedeutete einen Funktionsverlust für intermediäre Instanzen (z.B. für Funktionäre auf regionaler und lokaler Ebene), weil die Abwärtskommunikation nun nicht mehr von ihrer Transmissionstätigkeit abhängig war. Immerhin wurden diese Organe aber noch als Agenten der Aufwärtskommunikation benötigt: weil die Basismitglieder noch über keine direkten Sendekanäle zur Spitze verfügten. 
Dieses technologische Defizit bildete bisher eine günstige Grundlage für Kongressdelegierte, Sektionsvorsitzende und andere organisationsinterne Artikulationseliten, die dank ihrer überlegenen Artikulationsfähigkeit und privilegierten Beziehungen zur Spitze in der Lage waren, sich innerhalb eines Segments der Mitgliederschaft unentbehrlich (und damit: einflussreich) zu machen. 

Die neuen Computernetzwerke scheinen nun geeignet, auch diese zweite Funktion intermediärer Eliten als Agenten der Aufwärtskommunikation wirksam zu untergraben, weil allen Nutzern die Möglichkeit offen steht, sich entweder als Einzelne oder als Teilnehmer an ad-hoc konstituierten "virtual pressure groups" gegenüber dem Zentrum zu artikulieren. 
Insbesondere besteht kein Anlass mehr, Repräsentanten territorialer Subeinheiten (z.B. regionaler Unterverbände oder lokaler Sektionen) in den organisationsinternen Kommunikationsprozess einzubeziehen[32]. So verlieren segmentäre, nach geographischen Kriterien ausdifferenzierte Subeinheiten (z.B. Lokalsektionen, Regionalverbände u.a.) an Gewicht, während sich das Spektrum funktionaler und weltanschaulich-ideologischer Fraktionen erweitert. Damit wird die Integration der Gesamtverbände auf eine neue harte Probe gestellt. Denn während die in den territorialen Subeinheiten erarbeiteten Standpunkte (dank der inneren Heterogenität dieser Subeinheiten) häufig bereits Kompromisscharakter tragen, pflegen interessen- oder und ideologischspezifisch ausdifferenzierte Subgruppen eher einseitig-polarisierende Positionen zu vertreten: mit der Folge, dass härtere und tiefgreifendere Konflikte auf die umfassende Systemebene getragen werden. 

Generell wird durch Zuschaltung einer Netzöffentlichkeit die technische Ausgangsbasis für eine überaus unnormierte (und entsprechend unberechenbare) "Zentrum-Peripherie-Interaktion" geschaffen, die im Sinne Max Webers als "cäsaristisch" bezeichnet werden mag (vgl. Weber 1972: 554; 853ff.).  Autoritäre Führer könnten das Internet leicht als Medium entdecken, das ihnen ermöglicht, sich ohne Umwege über Parlamente und andere repräsentative Körperschaften eine unmittelbare Plebiszitärlegitimation zu verschaffen. Und da eine derartige "elektronische Öffentlichkeit" aus oben (vgl. 2.5) genannten Gründen immer eine sehr grosse Vielfalt widersprechender Meinungen und Forderungen (d.h. einen "Hobbesianischen" Charakter) aufweisen wird, kann ein solcher Führer leicht darauf verweisen, dass es nur dank hoher Zentralisation der Entscheidungsmacht möglich sei, überhaupt verbindliche Entscheidungen zu fällen und den inneren Zusammenhalt der Gesellschaft (bzw. der Partei oder irgendeines anderen Verbandes) zu bewahren.  Dem steht allerdings entgegen, dass elektronische Diskussionsgruppen in der Regel von einer relativ geringen Zahl selbsternannter "Netzaktivisten" dominiert werden, die keine Repräsentativität für die Gesamtbevölkerung in Anspruch nehmen können. Höchstens für Kandidaten in kleineren Gemeinden kann eine solche "net community" quantitativ ausreichen, um ihm die zur Wahl erforderliche Zahl Stimmen zu sichern. In grösseren Gemeinwesen umfasst sie einen derart geringen Prozentanteil der Wählerschaft, dass es für den Kandidaten kaum rational erscheint, bisher für flächendeckende Werbefeldzüge eingesetzte Ressourcen auf eine "Netzkampagne" umzudirigieren.  Je mehr sich Politiker mit derartigen "net communities" umgeben, desto stärker dürften sie sich wahrscheinlich in ihrem Denken und Handeln einseitig auf jene Segmente der Bevölkerung ausrichten, die an derartigen Netzen besonders intensiv partizipieren. Unter den gegebenen Nutzungsverhältnissen würde dies bedeuten, dass vorwiegend jüngere (weisse) Männer mit höherem Bildungsniveau sich auf diesem neuen Wege mehr Gehör und politischen Einfluss verschaffen könnten. Dieser neue Effekt der Machtoligarchisierung könnte sich innerhalb der nächsten Jahrzehnte in dem Masse verstärken, als Angehörige jene jüngeren Alterskohorten in höchste politische Führungsämter nachrücken, die es seit ihrer Studienzeit gewohnt sind, einen grossen Teil ihrer Kommunikation in Computernetzen zu vollziehen. 

 


3.5 Die neue Rolle der Massenmedien

Die Erfahrung lehrt, dass ältere Kommunikationsmedien beim Auftreten neuer keineswegs verschwinden, sondern allenfalls in eine spezialisiertere Nische abgedrängt werden, oft aber auch einen erneuten Aufschwung erhalten, indem sie mit den neuen Medien in ein symbiotisches Komplementärverhältnis treten.  So hat die Schrift nicht unbedingt zur Reduktion des mündlichen Austausches geführt, weil viele subtile Kommunikationen nicht für schriftliche Explikation geeignet sind, und weil die Texte selber vielfältigen Anlass zu Gesprächen bieten. Auch scheint das Telephon kaum persönliche Begegnungen zu vermindern, da es vielfach ja gerade als Instrument benutzt wird, um solche Verabredungen zu treffen. Und das Fernsehen hat nicht den Untergang der Presse bewirkt sondern einerseits die Vorteile physischer Zeitungsblätter sichtbar gemacht, die man mit sich tragen zur selbstgewählten Zeit nach Belieben durchstöbern und unbeschränkt lange aufbewahren kann und andererseits gar zur Genese neuer erfolgreicher Druckerzeugnisse (z.B. Programmzeitschriften) beigetragen. 
In ähnlicher Weise zeigen empirische Studien, dass sich sowohl die Häufigkeit von persönlichen Begegnungen und Telephongesprächen wie auch der Konsum von Büchern und Zeitschriften mit wachsender Nutzung von Computernetzen keineswegs verringert, sondern im Gegenteil häufig noch erhöht (vgl. z.B. Hiltz 1984: 170ff.). 
Ganz offensichtlich werden die bisherigen Massenmedien auch im Zeitalter der Computernetze zumindest solange relativ unangefochten bleiben, als es noch nicht möglich ist, Computer ähnlich bequem wie Zeitungen überallhin mitzuführen oder sie ähnlich beiläufig und konsumptiv-entspannend wie Fernsehgeräte zu benutzen (Negroponte 1995: passim
Immerhin aber werden sie in ihrer Gesamtheit die neuen Computermedien in doppelter Weise berührt: indem sie einerseits auf eine weniger einflussreiche, spezialisiertere Funktionsstellung zurückverwiesen werden dürften und andererseits gezwungen sein werden, ihre Aufgabe komplementär zum Internet neu zu definieren. 

Dementsprechend wird auch der Beruf des Journalisten einem doppelten Wandel unterliegen. Auf der einen Seite wird er einen Teil seiner bisherigen Kontrollmacht über die Selektion und editorische Aufbereitung von Informationen verlieren. Denn von jetzt an muss er sowohl in der Berichterstattung wie bei seinen Meinungsäusserungen und Wertungen mit vielerlei anderen publizistisch tätigen Personen und Instanzen in Kompetition treten, die in selbstgewählter Weise an der Internet-Kommunikation partizipieren. Stärker als bisher werden seine Rezeptionschancen in der Öffentlichkeit deshalb davon abhängen, dass er sich beispielsweise durch eine besondere Vertrauenswürdigkeit, stilistische Brillanz oder professionelle Geschicklichkeit gegenüber der wachsenden Zahl (meist dilettantischerer) Netzreporter profiliert.  Auf der anderen Seite müssen sich Journalisten und Redaktoren vorrangig jenen Funktionen der öffentlichen Kommunikation zuwenden, die im Internet nicht gut erfüllt werden können. So vermögen sie wahrscheinlich leicht Nutzen daraus zu ziehen, dass Touristen im Cyberspace mit wachsender Fülle und Unübersichtlichkeit des Netzangebots immer dringender auf "virtuelle Reiseleiter" angewiesen sind, die ihnen auf ihrer Reise behilflich sind, besonders sinnvolle Routen einzuschlagen und besonders lohnende Aufenthaltsorte zu finden. 
In Zukunft werden also Zeitungsleser in ihrem Leibblatt erfahren wollen, in welchen Newsgroups momentan besonders hochstehende und fruchtbare Diskussionen geführt werden, oder wo man im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen die fundiertesten Informationen über Kandidaten, Parteien, Programmplattformen und ähnliches findet. 
So wird es immer den "monologischen" Medien anheimgestellt sein, den Einzelnen durch selektive Fokussierung von Themen ("agenda setting") sowie durch engagierte Wertungen den Individuen jene Orientierungen anzubieten, die für eine gezielte und effiziente Nutzung der Computernetze unverzichtbar sind.  Anstatt sich als Propagandist einer bestimmten Partei, Moral, Weltanschauung (oder auch nur in eigener Sache) aufzuspielen, wird vom zukünftigen Journalisten wohl häufig jene selbstlosere öffentliche Dienstleistungsrolle abverlangt werden, die in den Niederlanden als "Referendarist" bezeichnet wird. Seine Hauptfunktion besteht darin, als neutraler, auf alle Seiten ungebundener "Treuhänder der Öffentlichkeit" tätig zu sein, der öffentliche Diskurse initiiert, katalysiert und moderiert, ohne dabei seine eigenen subjektiven Standpunkte privilegiert zur Geltung zu bringen. Als "information broker" kommt ihm beispielsweise im Falle politischer Entscheidungsfragen die Aufgabe zu, relevante Hintergrundinformationen zu sammeln, ein Inventarium von Pro- und Kontra-Argumenten zusammenzustellen, "Links" zu einschlägigen anderen Informationsquellen (Regierungsstellen, Verbände, Datenbanken u.a.) anzubieten, Fragestellungen für Konsultativbefragungen zu formulieren und die Ergebnisse von Newsgroup-Diskussionen in objektiver Weise zu resumieren (Bullinga 1995). 

Ein weiteres Komplementärverhältnis zwischen konventionellen und neuen Medien zeichnet sich bereits heute darin ab, dass Zeitungen und Zeitschriften ebenso wie Radio- und Fernsehanstalten Online-Plattformen eröffnen, um aus den zusätzlichen Verbreitungschancen und insbesondere aus den interaktiven Möglichkeiten der Computernetze für sich selbst Nutzen zu ziehen.  Seit jeher verfügen Presse, Radio und Fernsehen nur über eine sehr geringe autonome Lernfähigkeit, weil nicht vorgesehen ist, dass die Rezipienten Rückmeldungen erstatten, die den Medienmacher Orientierung für die Verbesserung ihrer Produkte vermitteln könnten. Im reinen Marktmodell wird eine hohe Verkaufszahl (bzw. Einschaltquote) vielmehr als ein hinreichendes Indiz dafür gehalten, dass das Produkt den Bedürfnissen der Rezipienten optimal entspricht. Ist die Rezeption umgekehrt gering, sind die Medienmacher ratlos, weil Nichtkonsumenten kaum jemals Gründe für ihr Abstinenzverhalten nennen (vgl. Schudson 1992: 153). Als Folge davon sind die konventionellen Massenmedien in ihrer Adaptionsfähigkeit an wechselnde Umwelten sowie in ihrer historischen Evolutionsfähigkeit sehr stark behindert. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass nach dem simplen "trial and error"- Prinzip immer wieder neue Zeitungen, Zeitschriften Fernsehprogramme u.a. initiiert werden, die erst ex post (und erklecklichen Kapitalverlusten) "merken", dass sie keinerlei Überlebenschancen besitzen. 
In Termini von Albert O. Hirschmanns (1974) liesse sich formulieren, dass konventionelle Medienrezipienten auf Unzufriedenheit fast ausschliesslich mit "Abwanderung" (exit) reagieren. Demgegenüber sind Benutzer von Computernetzen viel leichter geneigt, ihrer Unzufriedenheit durch "Widerspruch" (voice) expliziten Ausdruck zu verleihen und damit den Emittenten instruktive Informationen darüber zukommen zu lassen, was an den Sendungen verbessert werden sollte (bzw. könnte). So könnte der subsidiäre Gebrauch von Computerkommunikation dazu beitragen, dass jedes Einzelmedium besser in der Lage ist, seine Publikationsangebote sich rasch und in differenzierter Weise an sich wandelnde Publikationsnachfragen adaptieren, und dass das Publikationssystem als Ganzes in jedem Augenblick die in der Gesellschaft dominierenden Wertorientierungen, Informationsbedürfnisse und Geschmacksrichtungen relativ getreulich widerspiegelt. 

 


4. Teil

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Die weltweiten Computernetze bilden zweifellos eine infrastrukturelle Grundlage, um dem hoch institutionalisierten und sich weltweit zentralisierenden System konventioneller Massenmedien ein informelleres und dezentralisierteres Korrektiv entgegenzusetzen. 
Ihre wohl tiefgreifendste Wirkung besteht darin, allen mit der entsprechenden (immer billigeren und ubiquitäreren) Technologie ausgerüsteten Nutzern einen niederschwelligen Zugang zu einem globalen Informations- und Kommunikationssystem zu verschaffen, in denen sie sich in selbstgewählter Weise nicht nur als Rezipienten, sondern auch als Kommunikationspartner und als Publizisten betätigen können.  Gleichzeitig entstehen neue Potentiale kommunikativer Rationalität, die im hohen Gewicht schriftlicher Verbalkommunikation, in der Befreiung von unmittelbaren Situations- und Affektbedingungen, in der Ausfilterung verzerrender nonverbaler Stimuli (z.B. physischer Persönlichkeitsmerkmale) und in der zeitunabhängigen Akzessibilität aller Kommunikationen ihre Grundlage haben. Deshalb erscheint die Schlussfolgerung gestattet, dass die seit der Aufklärung vorgetragenen utopistischen Forderungen nach einer "rationalen kommunikativen Öffentlichkeit" zum erstenmal in der Geschichte gewisse Verwirklichungschancen gewinnen, und dass die Tätigkeit der gewählten Behörden endlich jene Transparenz erhält, die im Konzept des demokratischen Rechtsstaat schon immer mitgedacht, aus technisch-organisatorischen Gründen aber bisher nicht realisierbar war. 
Allerdings ist bereits heute sichtbar, dass es sich bei dieser gleichzeitig inklusiven und dezentral-kommunikativen Öffentlichkeit um ein zerklüftetes Feld fragmentierter und widerstreitender "Teilöffentlichkeiten" handeln wird, die wenig Neigung und Fähigkeit besitzen, eine massierte und konvergente (und damit: politisch relevante) "öffentliche Meinung" aus sich heraus zu generieren.  Gerade dadurch mögen die Computernetze indirekt wiederum zur Verstärkung zentralistisch-institutioneller Integrationskräfte beitragen: indem im Zuge ihrer Entfaltung ein immer dringenderes Bedürfnis nach übergreifenden Autoritäts- und Führungsinstanzen entsteht, die fähig sind, im Dickicht der Netze Orientierung zu vermitteln, innerhalb der unverlässlicher und unauthentifizierter Informationen vertrauenswürdige Mitteilungen zu verbreiten und der zentrifugalen Vielfältigkeit und Beliebigkeit der Netzkommunikation eine verbindliche Fokussierung auf zentrale, gemeinsam interessierende Themenschwerpunkte entgegenzusetzen, wie sie für die Konstitution einer politisch relevanten "öffentlichen Meinung" unverzichtbar ist. 

Vieles spricht dennoch dafür, dass mit der Ausbreitung der Computernetze in den nächsten Jahren ein frischer freiheitlicher Wind zu blasen beginnt, der all jenen Elitenkreisen und Berufsgruppen unbehaglich sein mag, die ihre Einflussposition den konventionellen Radialmedien verdanken. Sehr viel mehr Bürger und Bürgerinnen als bisher werden an der Erhaltung einer möglichst weitgehenden Freiheit der Meinungsäusserung ein aktives Interesse nehmen, weil sie selber substantiell davon Gebrauch machen: sehr viel stärker als heute, wo sie allenfalls hin und wieder einen kurzen Leserbrief abgedruckt kriegen - und auch da noch von der Gnade irgendeines Chefredakteurs oder Zeitungsinhabers abhängig sind.  Andererseits wird es aber auch unerlässlich, die vielfältigen Folgeprobleme einer derart "entfesselten Öffentlichkeit" zu bedenken und im Blick auf andere geschätzte Rechtsgüter die grundsätzlichen Grenzen der Presse- und Meinungsfreiheit zu erkennen. 
Die bisherige oligarchische Kontrolle der öffentlichen Medien durch Grosskonzerne und professionelle Journalisten hat zweifellos günstige Bedingungen für die umfassende Implementierung gewisser ethischer Verhaltensnormen geschaffen, wie sie insbesondere für den Schutz gegen persönliche Verleumdungen oder für die Aufklärung von Verbrechen bedeutsam sind[33]. Ebenso haben sich öffentliche Zensurmassnahmen deshalb als unnötig erwiesen, weil die Medienunternehmungen aus Eigeninteresse eine "quasi-staatliche" Selbstzensur wahrnehmen, um ihre gesellschaftliche Reputation nicht zu gefährden (vgl. Keane 1991). 
In einer derartigen Szenerie konnten die aufklärerischen Forderungen nach einer von gesetzlicher und sozialer Kontrolle völlig befreiten Presseöffentlichkeit gefahrlos in pauschaler, verabsolutierter Weise formuliert werden, weil ihre umfassende Realisierung aus rein technischen Gründen nicht zur Debatte stand. Genauso konnten risikolos unbegrenzte radikale Forderungen nach direkter Demokratie erhoben werden, weil allein die technisch-organisatorische Schwerfälligkeit plebiszitärer Abstimmungsprozeduren hinreichend garantierte, dass der Schwerpunkt politischer Entscheidungsfindung auf Parlaments- und Regierungsebene verblieb.  In dem Masse aber, wie die Realisierung grenzenloser Öffentlichkeit und Demokratie unvermittelt in die Nähe des Vorstellbaren rückt, werden die Bestrebungen anwachsen, diesen Potentialen 
a) im Interesse der Erhaltung etablierter Machtverhältnisse und 
b) in Rücksicht auf konkurrierende gleichrangige Werte und Rechtsgüter (Schutz der Privatsphäre, Minderheitenschutz u.a.) 
gehörige Grenzen zu setzen. 

Wenn Medienmogule wie Berlusconi, Murdoch oder Kirch heute für die "Deregulierung" der Mediengesetze kämpfen, so tun sie das wohl mit der Zuversicht, dass ein paar "global players" diese neuen Freiheiten unter sich aufteilen könnten. Genau diese Perspektive wird durch die neuen Computernetze in höchstem Masse in Frage gestellt, weil es Tausenden, ja Millionen einzelner Individuen die Möglichkeit an die Hand gibt, praktisch ohne eigene Infrastruktur als Emittenten multimedialer Publikationserzeugnisse tätig zu werden. Wenn diese Einsicht um sich greift, wird sich der liberale Impetus dieser Grossunternehmer wahrscheinlich spürbar abkühlen oder sogar dem umgekehrten Streben Platz machen, sich in Allianz mit dem Staat gegen diese unkontrollierte Medienproliferation zu schützen.  Und: wenn die Internet-Nutzer heute mit grosser Mehrheit gegen staatliche Kontrollen mobil machen, tun sie dies möglicherweise auch unter der stillschweigenden Voraussetzung, dass es sich bei den meisten Nutzern heute um relativ kleine und homogene Schichten (insbesondere hoch gebildete jüngere Männer weisser Hautfarbe) handelt, die sich gut auf eine konsensuale "Netiquette" einigen können und sich in ihrem kommunikativen Verhalten selber überwiegend tolerant verhalten. Auch hier dürften in Zukunft eher gemässigtere und ambivalentere Einstellungen um sich greifen - z.B. wenn diese Freiheiten immer mehr von radikalen Sekten oder extremistischen politischen Ideologen missbraucht werden, die auf der Datenautobahn keine derartigen "Verkehrsregeln" respektieren. 

Dank der Computernetze wird man in den nächsten Jahren und Jahrzehnten erfahren, inwiefern auch eine wahrhaft offene, allen Interessenten zugängliche Öffentlichkeit mit der Stabilität von Gesellschaft und Politik vereinbar ist, oder ob eine derart deregulierte, ja anarchische Kommunikationssphäre sich durch unlösbare innere Konflikte vielleicht selber zerstört. 

"Visionaires and crackpots, maniacs and saints, monks and libertines, capitalists and communists and participatory democrats cannot build their visions and set alluring examples without crossing each other's paths. Precisely because of its pluralism, and its lack of a guiding centre, a tongue-wagging and shine-waving, full democratic civil society could never reach a condition of homeostasis. It would be dogged permanently by poor co-ordination, disagreement, niggardliness and open conflict among its constituents." (Keane, 1991: 148).

So scheint sich die kompromisslose Befürwortung frei-unzensurierter Netzkommunikation selbst in den angelsächsischen Ländern auf relativ libertäre Flügel innerhalb des politisch-ideologischen Spektrums zu beschränken: auf jene - vor allem in den freiheitlichen Jugendbewegungen der amerikanischen Westküste verankerte - "Jefferson-Fraktion", die weder bei evangelikalen Christen noch bei den Hütern eines "politisch korrekten" Journalismus ungeteilten Anklang findet.  Bereits heute zeichnet sich ab, dass das neue Medium im angelsächsischen Raum - auch, ja gerade in politischer Hinsicht - seine grössten Entfaltungschancen findet - grösser als beispielsweise in Frankreich, wo der allgemeinen Öffentlichkeit (im Verhältnis zum zentralistisch gelenkten politisch-administrativen Apparat und zur informellen Elitenkommunikation) von jeher ein geringerer Stellenwert zugestanden wird [34]. In noch viel weitergehendem Masse dürfte das Internet in der übrigen Welt mehrheitlich als ein besonders subversives, "zersetzendes" Exportprodukt westlicher Zivilisation gewertet werden, weil es wie kein anderes dazu beiträgt, bisher unbefragte Konsensgrundlagen zu unterminieren. 
So wird man feststellen können, dass verschiedene Völker dieser Erde je nach ihrer politischen Wertekultur höchst unterschiedlich von den neuen Kommunikationsmedien Gebrauch machen werden - mit der Folge, dass sie auch de facto (d.h. in ihren konkreten Diskurs- und Entscheidungsprozessen) weiter als jemals voneinander divergieren. 

Inhalt


Literatur

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Fussnoten

  1. Tatsächlich kann man heute sagen, dass im Internet nicht nur die alleröffentlichsten, sondern auch die allerprivatesten Kommunikationen zirkulieren. Dies gilt zumindest seit dem Jahre 1991, wo ein genialer Softwareamateur namens Phil Zimmermann das Verschlüsselungsprogramm PGB "pretty good privacy" als freeware zugänglich gemacht hat, das den E-Mail Botschaften die Eigenschaft verleiht, im Gegensatz zu Telephongesprächen und Briefpost von keiner staatlichen Überwachungsbehörde und keinen selbstgewählten Kriminellen belauschbar oder einsehbar zu sein. (zurück

  2. Auffälligerweise wird nicht im geringsten versucht, solche Monopol medien in eine öffentliche Kontrolle einzubinden, die ihrer eminenten öffentlichen und politischen Bedeutung einigermassen entspricht. Viel mehr hängt es immer stärker vom Wohlwollen zufälliger Mehrheitsaktionäre (und allenfalls gewisser mitbestimmender Chefredaktoren) ab, inwiefern noch ein gewisser Meinungspluralismus besteht. Tatsächlich ist damit zu rechnen, dass die lokalen Öffentlichkeiten unter dem Einfluss der neuen Computermedien eine besonders starke befreiende Wirkung erfahren. Dies vor allem auch deshalb, weil im Lokalbereich häufig noch eine auf Notabeln, Vereine, Kirche und andere Instanzen Rücksicht nehmende "Hofberichter stattung" überlebt hat, die auf nationalem Niveau (wo Medienkonkurrenz unausweichlich ist) schon lange der Vergangenheit angehört. (zurück) 

  3. Dieser Wandel ist in der amerikanischen Öffentlichkeit vor allem in der Wahlkampagne des Jahres 1992 sehr spürbar geworden: "The traditional debate formats that had flurished from 1960 to 1988 were supplanted by audiance participation programs, where the voters asked the questions. The pundits sqealed when Jerry Brown announced an 800 number, but 600'000 Americans called in for information. Talk show hosts from Dom Imus to Larry King to Howard Stern hosted presidential candidates, drawing record audiances as callers jammed their telephone lines" (Holdren 1995: 50). (zurück) 

  4. Damit scheinen sich ausgerechnet in der neuen "Netzöffentlichkeit" seltsamerweise wieder jene Eindeutigkeit der Teilnehmerzusammensetzung (männlich und hoch gebildet) wieder eingestellt zu haben, die bereits zur Zeit der Aufklärung (und im 19. Jahrhundert) vorherrschend waren. So beispielsweise in amerikanischen Gewerkschaften, wo die Frauen und die ungebildeten Gruppen ihren in den letzten Jahrzehnten stark angewachsenen Einfluss teilweise wieder verloren haben (vgl. Lee 1995: 65). Im Gegensatz zur Aufklärung ist aber immerhin kein eigener Besitz erforderlich, um - als unabhängiges Subjekt - an der elektronischen Öffentlichkeit zu partizipieren - ja es ist nicht einmal nötig, dass sich die technische Infrastruktur (PC, Modem, Drucker u.a.), auf dem ihre Kommunikationsrolle beruht, in seinem/ihrem Privatbesitz befindet. (zurück) 

  5. So kommt es, dass z.B. die SPD Deutschlands zur Teilnahme an ihrem "ersten virtuellen Ortsverein" (gegründet im August 95) keinen formelle Parteimitgliedschaft verlangt). Man darf gespannt sein, ob die Parteileitung dennoch der Forderung dieser neuen Gruppierung stattgibt, wie ein konventioneller Ortsverein ein Stimm- und Antragsrecht für Bundesparteitage zu erlangen. (zurück) 

  6. So werden beispielsweise die Teilnehmer einer Stammtischrunde im Interesse harmonischer Geselligkeit meist nur jene Fragen thematisieren und nur jene persönlichen Meinungen ins Gespräch einfliessen lassen, von denen sie erwarten, dass sie bei den übrigen Mitgliedern Anklang finden. (zurück) 

  7. Zur divergenzfördernden Wirkung computervermittelter Kommunikationssysteme vgl. z.B. Kerr/Hiltz 1982; Sproull/Kiesler 1993; Hiltz/Turoff 1993: 118ff.) (zurück) 

  8. Bekanntlich wird in der von Mancur Olsen (auf der Basis des methodischen Individualismus) formulierten Theorie des kollektiven Handelns behauptet, dass viele, die mit den Zielen einer Gruppe übereinstimmen, dennoch passiv bleiben und sich als "free riders" auf das Engagements anderer verlassen, weil sie denken, dass ihre Beteiligung einerseits hohe Kosten verursacht, andererseits aber zur Erreichung des kollektiven Ziels wenig beiträgt (Olson 1985). Im Lichte dieser Argumentation würden zweckorientierte Teilnahmemotivationen am ehesten dort zum Zuge kommen, wo - wie im vorliegenden Fall- die persönlichen Kosten der Teilnahme als minimal (oder gar null) veranschlagt werden (vgl. Bonchek 1995: passim). (zurück) 

  9. Daraus folgt wiederum, dass virtuelle Diskussionsgruppen ein relativ geringes Potential an Lern- und Entwicklungsfähigkeit besitzen, weil emigrierende (im Gegensatz zu widersprechenden) Mitglieder meist nicht explizit sagen, womit sie unzufrieden sind - so dass die verbleibenden Teilnehmer selbst bei bestem Willen nicht in der Lage sind, daraus Folgerungen zu ziehen. (zurück) 

  10. Dieser vom Mathematiker und Computerpionier Alan Mathison Turing (1912-54) vorgeschlagene Test soll die "Menschenähnlichkeit" eines Computers erproben; er gilt als bestanden, wenn ein menschlicher Interaktionspartner auch nach beliebig langer Konversation und Befragung nicht unterscheiden kann, ob er mit einer menschlichen Person oder einem Computer interagiert. (zurück) 

  11. Damit erklärt sich wahrscheinlich auch die weitverbreitete Gewohnheit, den gemeinsamen Wissens vorrat einer Newsgroup in einem Inventarvon "Frequantly asked questions" (FAQ) zu explizieren. Da durch sollen neu Hinzukommende ("newbies") in die Lage versetzt werden, sich die in der Gruppe als kommunikative Prämissen fungierenden Themensetzungen, Begriffsdefinitionen u.a. möglichst rasch anzueignen, um vollwertig und reibungslos an der Gruppendiskussion zu partizipieren. (zurück) 

  12. Die konventionellen Medien sind wegen ihrer strukturellen Isomorphie zu den zentralisierten und formalisierten Institutionen immer in Gefahr, von diesen beeinflusst, kontrolliert oder sonstwie unrechtmässig in Beschlag genommen zu werden. Nichts liegt für eine Presseagentur oder eine TV-Redaktion näher, als offizielle Verlautbarungen nachzu drucken oder Interviews mit politischen Führern in die Welt hinauszutragen. Dadurch machen sie sich objektiv zu kostenlosen Erfüllungsgehilfen (bzw. Amplifikatoren) dieser formalen Machtapparate, auch wenn sie von diesen in keiner Weise dazu genötigt werden. Demgegenüber wirkt das Internet wohltuend egalisierend in dem Sinne, dass auf der Ebene von "Websites" selbst die mächtigsten Herrscher mit den marginalsten Gruppen oder Einzelpersonen gleichrangig um die Aufmerksamkeit der "Nutzer" konkurrieren müssen - und oft genug erleben, dass ihre idealisierten Propagandabotschaften wenig Beachtung finden. Ein instruktives Beispiel dafür bietet seit längerem der Bosnienkrieg, wo sich neben der offiziellen Regierungs- und konventionellen Medienkommunikation eine sehr umfangreiche Internetkommunikation ausgebildet hat, an der sich Partizipanten mit kaum überbietbaren Statusunterschieden (von Präsident Tudjman bis zu marginalen Menschenrechtsgruppen und bosnischen Exilstudenten) mitbeteiligen (vgl. Zgodzinski 1995: 58). (zurück) 

  13. Es konstituiert sich also wesentlich auf der Grundlage jener nicht mehr von formalen Organisationen kontrollierten "discretionary resources", die als Folge von Einkommenssteigerungen, Arbeitszeitverkürzungen und Arbeitsfreistellungen ständig an Umfang gewinnen und auch die Basis für die zunehmende Entfaltung sozialer Bewegungen bilden (vgl. McCarthy/Zald 1977; 1987). (zurück) 

  14. Der sehr hohe Männeranteil (fast 80%) erklärt sich wohl teilweise dadurch, dass Frauen weniger dem explorativ-spielerischen Umgang mit Technologien zuneigen, wie er in der Einführungsphase (wo vieles noch nicht zuverlässig funktioniert) zwangsläufig im Vordergrund steht (vgl. Eckert et. al. 1991: 52). (zurück) 

  15. Die Vermutung liegt nahe, dass vor allem die muslimischen Völker von solchen Optionen Gebrauch machen könnten, weil der Islam im Gegensatz zum territorialen Recht westlicher Staaten ein "personales Recht" statuiert, das für die Gläubigen völlig unabhängig von ihrem geographischen Aufenthaltsort Geltung besitzt. Die Vorstellung, dass sich der zukünftige Territorialstaat auf eine Konkurrenz mit anderen (z.B. nicht-territorialen) politischen Jurisdiktionen gefasst machen müsse, wird auch von manchen (hyper-)liberalen Ökonomen vertreten, die dem freien Güter-, Personen-, Kapital- und Ideenmarkt einen "freien Markt für Politik" zur Seite stellen möchten. (zurück) 

  16. Die Prognose, dass der traditionelle "Internationalismus" der Arbeiterklasse dank dem Internet in voller Blüte wiederauferstehen würde (vgl. Lee 1995) muss angesichts des zentrifugalen Einflusses nicht-technischer (vor allem: kultureller) Faktoren bezweifelt werden. (zurück) 

  17. In diesem Sinne weist zum Beispiel Nancy Fraser darauf hin, dass der Einbezug der Frauen von einer Ausdehnung der Öffentlichkeitssphäre begleitet war, weil Frauen eher als Männer dazu disponiert sind, die Reichweite öffentlicher Diskussion auch auf bisher für privat gehaltene (insbesondere binnenfamiliäre) zu expandieren (vgl. Fraser 1992: 121ff.). (zurück) 

  18. Empirische Untersuchen zeigen, dass elektronische Kommunikationswege insbesondere die Hemmungen beseitigen, die Führungskräfte über negative Vorkommnisse (z.B. über Misserfolge der Organisation) zu informieren (vgl. Sproull/Kiesler 1988). Dies gibt den Führungspersonen verbesserte Chancen, rasch und realitätsnah über relevante Ereignisse und Entwicklungen ins Bild gesetzt zu werden, erschwert es ihnen aber andererseits, für ihre Entscheidungen hinreichende Akzeptanz zu finden. (zurück) 

  19. Dies schliesst allerdings nicht aus, dass "social entrepreneurs" zumindest für die Genese virtueller Aktions- und Bewegungsgruppen erhebliche Bedeutung haben. Ein inzwischen schon fast klassisches Beispiel dafür bildet Jim Warren, dessen Führungstätigkeit im Internet wesentlich zum Erlass des Gesetzes AB1624 beigetragen hat, das den Staat Kalifornien zur kostenlosen Publikationen aller anstehenden Gesetzesvorlagen und legislativen Debatten im öffentlichen Computernetz verpflichtet (vgl. Bonchek 1995: 14). Die Voraussetzung dafür besteht wahrscheinlich darin, dass die angestrebten Zielsetzungen bereits ex ante klar definiert und allgemein konsensfähig sind, da es schwierig ist, im Computernetz zusätzliche Klärungen und Konsensualisierungen zu generieren. In jedem Falle bleibt die Autoritätsstellung der Führungsperson in virtuellen Gruppen andauernd prekär, weil alle Basismitglieder andauernd über dieselbe Möglichkeit wie er verfügen, radial Botschaften an alle übrigen Mitglieder zu versenden. (zurück) 

  20. Aus analogen Gründen blieben beispielsweise die Systeme lokaler Öffentlichkeit gegenüber den nationalen Öffentlichkeitsstrukturen relativ isoliert, weil die lokalen Pressemedien in weiteren geographischen Räumen kaum wahrgenommen wurden. (zurück) 

  21. In diesem abgeschwächten Sinne bildet die Gesamtheit solcher Verzweigungen eine Struktur, deren Analyse Rückschlüsse auf die dem Anbieter der Webpage eigenen Intentionen, Relevanzen, Referenzen, Allianzen u.a. ermöglicht. Wenn beispielsweise auf der Webpage der deutschen SPD zwar auf parallele Internetangebote der CDU und der Grünen (nicht aber der FDP) verwiesen wird, oder wenn eine dem Schutz des Regenwalds verpflichtete Aktionsgruppe auf Gruppen, die gegen französische Atomtests streiten, verweist, werden Querverbindungen sichtbar, in denen reale Aspekte perzipierter ideologischer Nähe, wechselseitigen Respekts oder praktischer Kooperationsbereitschaft ihren Ausdruck finden. (zurück) 

  22. Ein Beispiel dafür bilden die anlässlich der Explosion von Oklahoma gebildeten News groups, von denen wenigstens drei noch viele Monate nach dem Ereignis weiterbestanden, um den Fortgang der Ermittlungen und gerichtlichen Verfahren zu thematisieren (Zgodzinski 1995: 60). (zurück) 

  23. National Public telecomputing Network. (zurück) 

  24. So z.B. im Niederländischen Teledemokratieprojekt Marcel Bullingas: "'Passion -option': the voter can place a double weight on the current topic if he wants his opinion have extra emphasis this time. This option may only be used in 50% of the cases" (Bullinga) 1995). Natürlich wird die Einführung seriöser teledemokratischer Abstimmungen in kritischer Weise von zuverlässigen Authentifikationsverfahren abhängen, die beispielsweise dafür sorgen, dass derselbe Bürger nicht mehrmals seine Stimme in die Waagschale wirft (Bullinga 1995). (zurück) 

  25. Bisherige technologische Reformvorschläge haben sich weitgehend am "liberalindividualistischen" Demokratiemodell orientiert, das im angelsächsischen Raum tiefe Wurzeln besitzt. Es geht davon aus, dass die Individuen mit bereits fertig strukturierten Werten, Identitäten, Interessen und Präferenzen ins politische System eintreten: so dass dort nur noch dafür Sorge getragen werden muss, dass sie diese Standpunkte auch zum Ausdruck bringen können. Auf dieser Grundlage basiert beispielsweise auch das von Ross Perot vorgeschlagene Modell der "Teledemokratie", das hinreichend durch konventionelle Technologien wie Briefpost, Fax oder Telephon realisiert werden kann, weil es nur darum geht, individuelle Meinungskundgaben ins politische Zentrum zu transportieren. Das "zivilrepublikanische" (bzw. deliberative) Demokratiemodell - das im Gefolge der Aufklärung bei spielsweise von Hannah Arendt und Jürgen Habermas vertreten wird - beruht auf Vorstellung, dass diese Werte, Identität und Interessen selber das Produkt sozialer Interaktionsprozesse sind: und dass deshalb Sorge dafür getragen werden müsse, dass sich bereits ihre Herausbildung unter demokratischen Bedingungen (d.h. im herrschaftsfreien Diskurs egalitärer vernunftsuchender Subjekte) vollziehen kann (vgl. Fraser 1992: 130; Kriesi ). Das vielleicht Faszinierendste an den Computernetzen besteht darin, dass sie für dieses zweite, bisher meist als völlig utopisch abqualifizierte Modell diskursiver Demokratie plötzlich Realisierungschancen bieten. (zurück) 

  26. Selbst in den Vereinigten Staaten hielt man es - trotz Thomas Jefferson's Forderung nach unbeschränkter Sichtbarkeit allen staatlichen Handelns - bis zur Schwelle des 19. Jahrhunderts für notwendig, die Autonomie des Parlaments durch Restriktionen der Berichterstattung abzusichern. So war es bis ins Jahr 1800 Zeitungsreporten verboten, sich in den Gebäuden des amerikanischen Kongresses aufzuhalten; und erst nach 1820 haben amerikanische Zeitungen damit begonnen, reguläre Korrespondenten in Washington zu stationieren (Schudson 1992: 154). (zurück) 

  27. Informationen über die Aktivitäten der kalifornischen Legislative können unter der folgenden Adresse abgerufen werden: http://www.assembly.ca.gov/. (zurück) 

  28. Auch wenn über die Wirksamkeit politischer Internet-Kampagnen auf Wahlergebnisse naheliegen derweise noch keine fundierten empirischen Ergebnisse vorliegen, lassen einige jüngere Einzelfälle doch den Schluss zu, dass sie zumindest im Falle relativ knapper Mehrheitsverhältnisse den Ausschlag geben könnten. So scheint die überraschende Nichtwiederwahl Foleys (als Sprecher des Repräsentantenhauses) nicht unwesentlich darauf zurückzuführen, dass es den Gegnern von Schusswaffenkontrollen gelungen ist, im Netzwerk eine relativ umfangreiche Basismobilisierung gegen ihn zu erwirken (Sowa 1995a). Daraus liesse sich immerhin der Schluss ziehen, dass persönliche Abgriffe im Internet durch Gegenangriffe im selben Medium gekontert werden müssten: was leicht alle Politiker dazu nötigen könnte, dieser neuen Arena politischer Auseinandersetzung erhebliche Aufmerksamkeit und Ressourcen zuzuwenden. (zurück) 

  29. Auch wenn nur sehr bescheidene Anteile der Wählerschaft dieses Forum überhaupt wahrnehmen - geschweige denn aktiv daran partizipieren - kann der rasch absinkende Aufmerksamkeitswert von TV-Propaganda dazu beitragen, dass sich der Stellenwert von Internet-Kommunikationen künftig zumindest relativ erhöht. (zurück) 

  30. Im Vergleich dazu stehen solche persönliche Präsentationen in den USA in sehr viel besserer Übereinstimmung mit der politischen Kultur, weil parlamentarische Repräsentanten primär nicht als Parteidelegierte gesehen werden, sondern als "Treuhänder des Gemeinwohls", die sich als Einzelne vor dem Elektorat zu bewähren haben. (zurück) 

  31. Im Gegensatz zu den konventionellen Werbestrategen wird es sich eher um Kommunikationsberater handeln, weil ihre vorrangige Aufgabe darin besteht, einen produktiven wechselseitigen Kommunikationsfluss zwischen Kandidat und Wählerschaft zu garantieren. (zurück) 

  32. So zum Beispiel in den Gewerkschaften, wo dank der Globalisierung der Kommunikation möglicher weise nicht nur lokale und regionale, sondern sogar nationale Verbandsspitzen kommunikativ an Bedeutung verlieren (vgl. Lee 1995: 65). (zurück) 

  33. Als Illustrationsbeispiel sei hier die Entführung des Hamburger Milliardärs Jan Philip Reemtsma (im Frühjahr 1996) erwähnt, wo sich eine enge Kooperation zwischen Polizei und Pressemedien herausgebildet hat mit dem Zweck, das Leben des Entführten nicht zu gefährden. (zurück) 

  34. In Deutschland hingegen sind die Entfaltungschancen relativ günstig, weil sich als Folge der polyzentrisch-föderalistischen Struktur schon immer das Problem gestellt hat, politische Öffentlichkeit als raumübergreifende Kommunikation (zwischen Berlin, Hamburg, München, Frankfurt u.a.) zu realisieren. (zurück)

 

Last update: 01. Feb 15


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Soziologisches Institut

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