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Social Movements,

Pressure Groups and Political Parties


Bibliographische Zitierung: Ehrler, Stephan Was ist „neu“ an der Neuen Rechten? In: Sociology in Switzerland: Social Movements, Pressure Groups and Political Parties. Zürich, Jan 2008, http://socio.ch/movpar/t_ehrler2.htm


 

Was ist „neu“ an der Neuen Rechten?

Stephan Ehrler

Zürich, Jan 2008

Inhaltsverzeichnis                                                                                  pdf-Version

1. Einleitung

1.1. Fragestellung
1.2.
Aufbau der Arbeit

2. Die elektorale Entwicklung der extremen Rechten seit 1945

2.1. Begriffsbestimmung und Morphologie
2.2.
Klassifikation der Parteien der Alten und der Neuen Rechten
2.3.
Ideologischer Wandel: Die Nouvelle Droite
2.4.
Die New Right in den USA
2.5.
Der populistische Appell der Parteien der Neuen Rechten

3. Wandel der Konfliktstrukturen

4. Die Neuartigkeit der Neuen (populistischen) Rechten im Vergleich zur Alten (faschistischen) Rechten

4.1. Ideologische Unterschiede
4.2.
Haltung bezüglich der Demokratie
4.3.
Unterschiede in Auftreten und Organisation
4.4.
Unterschiede bezüglich der sozialen Zusammensetzung der Wähler

5. Zusammenfassung und Ausblick

Bibliographie
 


1. Einleitung

Seit Mitte der 1980er Jahre ist es in zahlreichen westeuropäischen Ländern zur Etablierung einer neuartigen Parteienfamilie gekommen, welche bis heute sowohl Politik, Gesellschaft und Wissenschaft stark beschäftigt. Als Parteien mit unverfänglichen Namen wie der Front National in Frankreich, die Freiheitliche Partei in Österreich, die Lega Nord in Italien, der Vlaams Blok in Belgien oder die schweizerische Autopartei in den 1980er Jahren auf den Plan traten und die ersten spektakulären und erdrutschartigen elektoralen Erfolge erzielten, war der einstimmige Kanon der Politikexperten, dies als flüchtige und temporäre Protesterscheinung abzukanzeln. Der implizierte Protest von Rechts wurde dabei als temporärer und spezifischer Vertrauensverlust in den Konservatismus interpretiert, welcher bereits in den 1960er Jahren vor allem in Deutschland zu einem Wiedererstarken von rechtsextremem Gedankengut geführt hat. [1] Heute präsentiert sich jedoch ein weitaus differenzierteres und diffuseres Bild. Anstelle eines Verschwindens, wie dies in den 1960er Jahren der Fall war, und einer Normalisierung des Parteienwettbewerbs, wie dies zu Beginn der 1980er Jahre noch prognostiziert wurde, haben sich diese neuen Parteien der Rechten mit unterschiedlichem Erfolg hartnäckig im politischen System festsetzen können. Entgegen der Voraussage hat sich dieser neue Parteientypus auch auf Länder ausdehnen können, welche historisch keine explizit faschistische Tradition aufweisen. Als neu werden diese Parteien der Rechten, im Vergleich zu ihren Vorgängern, deshalb bezeichnet, da sich ihr Auftritt, ihr Programm und letztendlich auch ihre Ideologie massgeblich von derjenigen der Alten (faschistischen) Rechten der 1960er Jahre unterscheidet. Heute ist das Phänomen der Neuen Rechten mittlerweile in nahezu allen Ländern Europas präsent und wird wohl auch in naher Zukunft einen wesentlichen Machtfaktor in diesen darstellen. Im Gleichschritt mit den elektoralen Erfolgen der Neuen (populistischen) Rechten, ist es diesen Parteien teilweise ebenfalls gelungen, ihre Ideen und Vorstellungen zu salonfähigen Konzeptionen der politischen Problemlösung zu machen.

Inhalt

1.1 Fragestellung

Die Fragestellung im Hinblick auf diese Hausarbeit im Rahmen der Lizentiatsprüfung lautet wie folgt: „Was ist ‚neu’ an der Neuen Rechten?“ Um diese Frage vernünftig beantworten zu können, muss ein Rückgriff auf zwei Ebenen gemacht werden, die als Nachfrage- und Angebotsseite bezeichnet werden können. Diese beiden Ebenen sind letztendlich stark miteinander verknüpft und können nicht losgelöst voneinander betrachtet werden. In Bezug auf die Nachfrageseite wird davon ausgegangen, dass sich durch die Modernisierungsprozesse der letzten Jahrzehnte neue Wählerallianzen herausgebildet haben, die zunehmend divergierende Wertehaltungen auf mehreren der ökonomischen, kulturellen und politischen Ebenen aufweisen. Auf der Angebotsseite haben sich seit den 1970er Jahren neue Parteien der Rechten entwickelt, die zu Beginn nicht klar kategorisiert werden konnten, da sie auf der einen Seite keine faschistische Ideologie vertraten, auf der anderen Seite jedoch demokratische Prozesse, wohlfahrtsstaatliche Institutionen und die kulturelle Moderne anprangerten.

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1.2 Aufbau der Arbeit

Um den Wandel und die Neuartigkeit der Parteien der Neuen Rechten darzustellen, bedarf es der Verknüpfung mehrerer Ebenen. Im ersten Kapitel soll deshalb zuerst auf die elektorale Entwicklung der Parteien, die gemeinhin als rechts stehend eingestuft werden, eingegangen werden. Im gleichen Kapitel soll dabei die Unterscheidung zwischen der Alten und der Neuen Rechten vollzogen werden und eine Klassifizierung beider Gruppen anhand von bestehenden Parteien vorgenommen werden. Gleichzeitig wird in diesem Kapitel auch der Begriff der Neuen (populistischen) Rechten eingeführt, um diese Parteien von anderen Ausprägungen mit dem gleichen Namen klar abgrenzen zu können, da letztendlich der Begriff der Neuen Rechten als nicht immer ideal und praktikabel betrachtet werden kann. Im nächsten Kapitel soll auf allgemeine Wandlungstendenzen eingegangen werden, die sich seit den 1980er Jahren abgezeichnet und wohl zu einer Modifikation der Konfliktstrukturen beigetragen haben. Die Ausführungen, welche vorderhand nicht unbedingt in den Kontext zu passen scheinen, verfolgen das Ziel, die Nachfrageseite der Neuen (populistischen) Rechten zu veranschaulichen. Nicht zuletzt aufgrund der Modifikation der Konfliktlinien, welche neue politische, kulturelle und ökonomische Divergenzen herausgebildet haben, wird impliziert, dass diese neuartige Konfliktstruktur auch entscheidend zur Novität dieser Parteien beigetragen hat. Eines der strukturbildenden Merkmale der Parteien der Neuen Rechten ist ihr ausgesprochen populistischer Diskurs, der sich auf drei Ebenen (politisch, kulturell und ökonomisch) manifestiert. Im dritten Kapitel soll dementsprechend zuerst das Populismus-Konzept näher erläutert werden. Danach sollen die Unterschiede zwischen der Alten (faschistischen) und der Neuen (populistischen) Rechten verglichen werden, indem die beiden Ebenen von Angebots- und Nachfrageseite her synthetisiert werden.

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2. Die elektorale Entwicklung der extremen Rechten seit 1945

Nach dem 2. Weltkrieg verschwanden rechtsextreme Parteien für eine lange Zeit in der politischen Versenkung. Entnazifizierung, gesellschaftliche Ächtung, wehrhafte Demokratie und das Stigma des grossen Verlierers schwächten die einstigen Massenbewegungen erheblich. Bis in die 1970er Jahre wurden Parteien des rechten Rands als (neo-)faschistisch bezeichnet, nicht zuletzt auch deshalb, weil die einzigen nennenswerten Vertreter, wie der MSI (Movimento Sociale Italiano) in Italien, die NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) oder die National Front in Grossbritannien keinen Hehl aus ihrer faschistischen Gesinnung und Rückwärtsgewandtheit machten (Ignazi 2003: 2). In den frühen 1980er Jahren setzte aber ein grundlegender und erheblicher Wandel ein, welcher bis heute Wissenschaftler, Politiker und Medienschaffende in einen Erklärungsnotstand bringt. Innerhalb weniger Jahre explodierten nicht nur die Zahl dieser Parteien, sondern auch deren Wahlerfolge. Diese drastischsten Entwicklungen haben dabei sicherlich Österreich, Frankreich, Italien, Belgien und die Schweiz durchlaufen. [2] Die Konsistenz dieser Parteien ist bei näherer Betrachtung jedoch keinesfalls gegeben. Auf der einen Seite handelt es sich um traditionelle konservative Parteien, die sich ideologisch in den 1980er Jahren neu orientiert und definiert haben. Auf der anderen Seite sind gänzlich unbekannte Parteien aus dem Nichts emporgestiegen. Gemeinsam ist diesen Parteien jedoch, dass sie mit Sicherheit nicht mit faschistischen Vorgängern vergleichbar sind, obwohl sie aus demokratietheoretischer Sicht auch nicht unbedenklich sind. Bernd Leggewie war der erste, der den Begriff der Neuen Rechten im deutschen Sprachraum prägte und eine Partei –die Republikaner- mit diesem Begriff in Verbindung gebracht hat (Stöss 1995). Die Begrifflichkeit ist dabei eine äusserst problematische, was im nächsten Kapitel aufgezeigt werden soll.

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2.1 Begriffsbestimmung und Morphologie

So multipel und wandlungsfähig, wie sich die Parteien der Neuen Rechten im gesamteuropäischen Raum präsentieren, so verschieden und gegensätzlich sind teilweise auch die wissenschaftlichen Interpretationen, die sich mit diesem Phänomen soziologisch und politikwissenschaftlich auseinandergesetzt haben. Die Problematik nimmt bereits bei der konkreten Namensgebung dieser Parteienfamilie ihren Anfang und bleibt bis heute ungelöst. Allein der Begriff der Neuen Rechten besitzt drei unterschiedliche Bedeutungen:

  1. Als Neue Rechte wird beispielsweise seit den frühen 1970er Jahren eine rechtsextreme Intellektuellenbewegung umschrieben, welche gemäss Stöss (1995): „(…) den traditionellen bürgerlichen Konservatismus des rechtsradikalen Lagers (gemeint war die NPD) verurteilten und neue Wege für eine mehr in die Zukunft gerichtete nationalistische Politik aufzuzeigen versuchten.“

  2. Unter der Neuen Rechten (New Right) kann aber auch eine konservative US-amerikanische Bewegung verstanden werden, welche in den 1960er Jahren entstand und seit den 1980er Jahren die US-amerikanische Politik, vor allem die Republikanische Partei, stark zu prägen versteht. [3]

  3. Unter dem Begriff der Neuen Rechten werden Parteien subsumiert, welche sich einerseits deutlich von den Alten (faschistischen) Parteien der Rechten abgrenzen und andererseits durch ihren Populismus und ihr xenophobes Programm eine eigene Parteienfamilie bilden.

Wie diese Ausführungen verdeutlichen, ist der Begriff der Neuen Rechten zur Bezeichnung dieser Parteienfamilie relativ diffus und nicht unbedingt zweckmässig gewählt, da er zuweilen auch eine explizit andere Bedeutung annehmen kann. Neben der Neuen Rechten werden auch eine Vielzahl von anderen Begriffskonzeptionen verwendet, um diese Parteienfamilie zu charakterisieren, welche von extreme Right (Hainsworth 2000; Ignazi 2003), New Radical Right (Kitschelt &McGann 1995), far-right Parties (Veuglers 1999) über neue populistische Rechte (Kriesi 2007) bis hin zum neuen Rechtspopulismus (Betz 2003; Decker 2004) reichen. Der Phantasie sind offensichtlich keine Grenzen gesetzt, obwohl jedoch mit Abstrichen immer die gleichen Parteien gemeint sind, auch wenn im Zusammenhang mit den argumentativen Spitzfindigkeiten, mit denen diese Kategorien hergeleitet werden, durchaus auch ein anderes Ergebnis hätte erwartet werden dürfen. Anlehnend an die sich im deutschsprachigen Raum in den letzten Jahren durchsetzende Terminologie, sollen diese Parteien in dieser Hausarbeit als Neue (populistische) Rechte bezeichnet werden. Der Zusatz „Populismus“ soll dabei andeuten, dass mit dem Begriff die „Neue Rechte“ die Parteien gemeint sind, damit im Verlauf dieser Arbeit keine zusätzlichen Abgrenzungsschwierigkeiten zu anderen Begriffsdeutungen entstehen. Der Begriff wird auch deshalb für diese Arbeit gewählt, weil er einerseits andeutet, dass sich diese Parteien von den Alten (faschistischen) Parteien unterscheiden und andererseits das wichtige Strukturmerkmal des Populismus berücksichtigt wird, welches zu einem späteren Zeitpunkt theoretisch noch näher erörtert werden soll. Diese Typologisierung hat weiter den Vorteil, dass durch den Zusatz des Populismus eine klare Abgrenzung gegenüber den intellektuellen Dissidenten gemacht werden kann, die ebenfalls als die Neue Rechte tituliert werden und vor allem in Deutschland eine wesentliche Reformkraft des Rechtsextremismus darstellen. Es bestehen zweifellos zwischen den Parteien der Neuen (populistischen) Rechten und den Intellektuellen der Neuen Rechten Anknüpfungspunkte, Überschneidungen und teilweise sehr enge Verbindungen, letztendlich können diese Parteien nicht vollständig mit der Ideologie der Neuen Rechten gleichgesetzt werden, wie dies von Stöss (1995) und Pfahl-Traughber (o.J.) hervorgehoben wird.

Prägend für diese Neue (populistische) Rechte ist die Zuordnung zu bestimmten Richtungsmerkmalen auf der Links-Rechts-Achse, die einerseits ihre ideologische Ausrichtung bestimmt und andererseits Rückschlüsse auf ihre Wählerbasis, ihren Politikstil, ihre Themenorientierung und ihre Organisationsstruktur zulässt. Bezeichnenderweise müssen diese Faktoren vor allem aus einer Angebots- und Nachfragefunktion abgeleitet werden, da nur eine günstige Kombination dieser beiden Ebenen gemäss Decker (2004) eine vorteilhafte Gelegenheitsstruktur für rechtspopulistische Parteien eröffnet.

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2.2 Klassifikation der Parteien der Alten und der Neuen Rechten

Wie Ignazi (2003: 31ff.) herausstreicht, greift die Verortung auf der Links-Rechts-Achse [4] zu kurz, da sich sowohl die Alte wie auch die Neue Rechte am äussersten Rand dieses räumlichen Kontinuums positionieren. Ignazi (2003) unterscheidet dabei zwischen den traditionellen und den post-industriellen Parteien der extremen Rechten. Die traditionellen Parteien können folglich mit den Alten (faschistischen) Parteien der Rechten gleichgesetzt werden und dementsprechend eng verbunden mit dem ursprünglichen Gedankengut des Faschismus, welcher sich aus den sozialen Konflikten der 1920er und 1930er Jahre entwickelt hat. Gemäss dem Autor können das italienische MSI (jedoch nur bis in die späten 1980er Jahre), die British National Party, die deutsche NPD und die niederländische CP’86, welche eine aktuelle Version der Alten (faschistischen) Rechten darstellen, diesem Parteientypus zugeordnet werden. [5] Diese Einteilung deckt sich mit derjenigen von Hainsworth (2000: 5), die jedoch zusätzlich auch die Deutsche DVU dieser Gruppe zuordnet. Diese Parteien besitzen ein starkes faschistisches Vermächtnis, welches sich darin äussert, dass verschiedene Ecksteine faschistischer Ideologien übernommen werden, beispielsweise in Bezug auf die Verwendung faschistischer Symbole und Ausdrucksweisen, die Betonung eines dritten Wegs jenseits von Kapitalismus und Sozialismus und nicht zuletzt auch ein revisionistisches Element, welches die historische Schuld der faschistischen Regime zu relativieren oder sogar zu leugnen versucht.

FPÖ, Lega Nord, Front National (BEL und FRA), Schweizer Demokraten, Ny Demokrati (SWE), Fortschrittspartei (DK und NOR), Republikaner, Vlaams Belang, Schweizerische Volkspartei, Centrumsdemokraten (NED), usw. können zu den Neuen (populistischen) Parteien der Rechten gezählt werden (Hainsworth 2000; Ignazi 2003; Decker 2004 und Kitschelt 2007). Diese Parteien werden deshalb zu der Neuen (populistischen) Rechten gezählt, weil sie einerseits keine expliziten Bezüge zum Faschismus aufweisen und sich sogar von diesem vehement distanzieren [6], andererseits aber in gewisser Weise Attitüden und Werte aufweisen und propagieren, welche diametral den Grundwerten des politischen Anstands gegenüberstehen. In diesem Sinne können diese Parteien als systemfeindlich eingestuft werden, indem sie durch Xenophobie, Ausgrenzung und Nationalismus entgleisen und dabei einen populistischen Diskurs verfolgen, welcher Pluralismus, Egalitarismus und den konstitutionellen Rechtsstaat in Abrede stellen. Kitschelt (2007: 1178) bricht dies auf eine einfache Dichotomie hinunter, indem er auf folgende charakteristischen Merkmale hinweist:

„Radical right parties either reject democracy (regardless of their stance of xenophobia and racism), or they embrace democracy, but make xenophobic mobilisation against immigrants and insistence on a dominant national cultural paradigm obligatory for all residents the central planks of their process.“

Gemäss Decker (2004) lassen sich die Neuen (populistischen) Parteien der Rechten in wiederum drei Kategorien unterteilen. Diese Kategorien, welche einen spezifischen Konflikt darstellen, müssen aber nicht so verstanden werden, dass sie sich ausschliessen, sie bilden lediglich einen Themenschwerpunkt, der besonders stark von den Parteien der Neuen (populistischen) Rechten auszuschöpfen versucht wird. Je nach Schwerpunkt kann sich dabei gemäss Decker (2004) auch der Extremismusgrad dieser Parteien steigern. Am extremsten sind dabei diejenigen Parteien der Neuen (populistischen) Rechten, welche vornehmlich den kulturellen Konflikt aufs politische Tapet heben (Decker 2004: 177ff.). Die drei Konflikte sind die folgenden:

  1. ökonomischer Konflikt: Die Neue (populistische) Rechte bezieht zumeist eine unmissverständliche Stellung gegen den Wohlfahrtsstaat, gegen Überregulierung und zu hohe und neue Steuern. Der ökonomische Konflikt war nicht zuletzt auch der entscheidende Auslöser, weshalb in den 1970er Jahren die ersten Parteien der Neuen (populistischen) Rechten in Skandinavien entstanden sind (die norwegische und die dänische Fortschrittspartei).

  2. kultureller Konflikt: Gemäss Decker (2004: 177ff.) hat der kulturelle Konflikt den wirtschaftlichen Konflikt als Hauptbetätigungsfeld der Neuen (populistischen) Rechten abgelöst. Mit dem kulturellen Konflikt inhärent verwoben ist dabei grundsätzlich auch immer noch der wirtschaftliche Konflikt. Im Zuge der Globalisierung und den damit zusammenhängenden aussereuropäischen Migrationsbewegungen hat sich daraus eine Kritik am Multikulturalismus entwickelt, welche grösstenteils auf den Ideen und Vorstellungen der Nouvelle Droite basiert (siehe Kapitel 2.3.). Zu den prominentesten Vertretern des kulturellen Konflikts gehören unter anderem der Vlaams Belang, der Front National und die Schweizerische Volkspartei, welcher aber von Decker (2004) vor allem eine taktisch-elektorale und nicht eine ideologische Fremdenfeindlichkeit beschieden wird.

  3. politischer Konflikt: Der politische Konflikt zeichnet sich vor allem durch die Kritik an den staatlichen Institutionen aus. In dieser Hinsicht kämpft beispielsweise die FPÖ gegen den Parteienstaat, während die Lega Nord eine sezessionistische Politik verfolgt.

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2.3 Ideologischer Wandel: Die Nouvelle Droite

Bereits in den späten 1960er Jahren forderten rechtsextreme Intellektuelle eine politische Neuorientierung und eine ideologische Modernisierung, die in Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland parallel, aber nicht koordiniert stattfanden. [7] In Frankreich entstand 1969 als Antwort auf den Pariser Mai 68 ein rechtsextremer Intellektuellenzirkel, zu dem sich Journalisten, Publizisten und Wissenschaftler zusammenschlossen und der heute historisch unter dem Begriff der Nouvelle Droite (in BRD wurde sie dementsprechend als Neue Rechte bezeichnet) subsumiert wird (Pfahl-Traughber o.J.). [8] Erklärtes Ziel bestand darin, die rechtsextreme Bewegung durch eine grundlegende Reformation und Lösung vom faschistischen Erbe zu erneuern und ihr damit an gesellschaftlicher Kredibilität zu verhelfen (Altermatt/Skenderovic 1995: 32ff.). Die Reformbestrebungen waren vor allem im strategischen und ideologischen Bereich zu verorten, während faschistische Grundpositionen beibehalten wurden. Ein klares Feindbild blieben die egalitären Ideologien (Christentum, Liberalismus und Marxismus) und die Menschenrechte, denen eine zersetzende Wirkung im Hinblick auf die nationale Gemeinschaft vorgeworfen wurde (Pfahl-Traughber o.J). Eine wesentliche Kehrtwendung vollzog die Nouvelle Droite aber in Bezug auf den Faschismus [9] des dritten Reichs, dem sie systemimmanente Fehler zuschrieb. Stattdessen wurde der Versuch unternommen, eine rechtsextreme Alternative zur liberalen Demokratie zu konstruieren, welche eine moderne Antwort auf die gesellschaftliche Modernisierung geben sollte (Ignazi 2003). [10]

Das Hauptaugenmerk und wahrscheinlich die ‚nachhaltigste’ Leistung im theoretisch philosophischen Diskurs der Nouvelle Droite basiert auf der Betonung der kulturellen Differenz der Menschen und ihrer internalisierten Kultur (Altermatt/Skenderovic 1995: 32). Die Hervorhebung der Überlegenheit der europäischen Kultur mündet nicht mehr, wie bei der Alten (faschistischen) Rechten, in einem biologisch determinierten Rassismus, sondern besteht in der expliziten Betonung ethnischer und kultureller Unterschiede der Menschen. Heute wird diese Sichtweise unter dem Begriff des Ethnopluralismus subsumiert, in welchem jedem Volk das gleiche Recht und der gleiche Anspruch auf seine nationale und kulturelle Identität zugesprochen werden. Die Problematik besteht darin, dass sich unterschiedliche nationale Identitäten aufgrund von divergierenden religiösen und kulturellen Voraussetzungen herausgebildet haben, welche sich, der Argumentation folgend, nur unschwer mit einer auf einer anderen Kultur basierenden Volksgemeinschaft assimilieren und vereinbaren lassen. Eine multiethnische und multikulturelle Gesellschaft ist demnach im Sinne eines spannungsfreien und prosperierenden Zusammenlebens unmöglich und von vornherein zum Scheitern verurteilt. Dieses Recht auf Differenz wird bis heute auch von der Neuen (populistischen) Rechten verwendet, um sich deutlich von ausländerfeindlichen und faschistischen Positionen abgrenzen zu können. Besonders im Zusammenhang mit der Islamisierungs- und Ausländerkriminalitätsdebatte sind diese ethnopluralistischen Sichtweisen und Argumentationsketten bis weit in den politischen Mainstream vorgedrungen und werden zuweilen auf ziemlich saloppe Art und Weise auch von staatstragenden Mitteparteien übernommen (Betz 2003: 254).

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2.4 Die New Right in den USA

In den USA formierten sich in den 1970er Jahren politische Bewegungen, die ihre Aufgabe nicht im intellektuellen Diskurs verorteten, sondern einen direkten Einfluss auf die Politik nehmen wollten. Diese Gruppen werden in den USA unter dem Begriff der New Right subsumiert und haben sich bis heute als spezifisches US-amerikanisches Phänomen erwiesen. Sie sollen deswegen an dieser Stelle nur kurz erläutert werden. Zwei Ausprägungen werden diesen Bewegungen zugerechnet: einerseits eine betont neokonservative, die sich vor allem in Think Thanks und Eliten-Netzwerken [
11] zusammenschloss und das Ziel verfolgte, in den USA eine neoliberale Wirtschaftspolitik durchzusetzen. Ronald Reagans Wahlprogramm anlässlich seiner Präsidentschaftskandidatur 1981, das die soziale Wohlfahrt, die Überregulierung und auch Affirmative Action Programme anprangerte, war dabei die idealtypische Verkörperung der Ideen der New Right. Neben der neokonservativen Ausprägung bildete sich andererseits auch eine christliche Spielart der New Right heraus. Unter den sinnigen Namen wie Christian Coalition, Moral Majority oder America First setzten fundamentalistische Fernsehprediger und religiös-motivierte Politiker zu ihrem Kreuzzug gegen die babylonischen Verhältnisse der US-amerikanischen Gesellschaft an. Besonders stark konnten diese evangelikalen Gruppierungen und Anhänger ihre Spuren innerhalb der Republikanischen Partei hinterlassen, in welcher sie heute einen gewichtigen Machtfaktor darstellen.

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2.5 Der populistische Appell der Parteien der Neuen Rechten

Den Ausführungen von Decker (2004) folgend, ist der Populismus der gemeinsame Nenner der Parteien der Neuen Rechten. Populismus per se stellt jedoch in sich keine eigentliche Ideologie dar, sondern beschreibt einen Politikstil, der von rechts wie auch von links instrumentalisiert und auf den politischen Diskurs angewendet werden kann.

Gemäss der Definition von Mudde (2004: 543), ist Populismus: „(…) an ideology that considers society ultimately separated into two homogeneous and antagonistic groups, the pure people versus the corrupt elite, and which argues that politics should be an expression of the volonté général (general will) of the people.“ Populismus stellt gemäss Geden (2007: 8) letztendlich eine mit Mythen überfrachtete Basiserzählung dar, in welcher sich die populistischen Akteure zu dem von ihnen umworbenen Volk in Beziehung setzen, um dieses gegen das Establishment in Position zu bringen.

Dem Populismus inhärent ist dabei die ständige Referenz auf das Volk [12], welches in irgendeiner Form durch Ausländer, Eliten, Intellektuelle, europäische Steuervögte, Feministinnen, Gutmenschen oder durch die classe politique übervorteilt wird. Die Neue (populistische) Rechte schlägt sich dabei auf die Seite des Volkes und bezieht vordergründig die Interessen dieses mit ein und bezeichnet sich deshalb, obwohl dies keineswegs der Realität entspricht, auch als alleinige Vertreterin des Volkes sowie deren übergeordneter Interessen. Dabei generiert sich der Volksbegriff nicht aus einer klar abgrenzbaren Bevölkerung, sondern definiert sich dadurch, dass bestimmte Gruppen aus dem Volksbegriff herausgelöst und von diesem klar getrennt werden. „Volk“ bezieht sich demnach auf eine homogene Einheit, welche sich zuweilen aus den einfachen und anständigen Bürgern zusammensetzt. Da der Begriff des Volkes selbstredend an definitorische Probleme stösst, wendet der Populismus der Neuen Rechten eine Rhetorik an, welche übersteigert betont, wer eben gerade nicht dazugehört und ein, das Volk zersetzender Fremdkörper, darstellt.

Die Neue (populistische) Rechte –so behaupten ihre Vertreter zumindest- vertritt dabei die ‚einfachen Leute’ und knüpft auch indirekt an deren Alltagswissen an, indem sie sich nicht in intellektuelle Diskurse flüchtet, sondern mit ‚gesundem Menschenverstand’ argumentiert. In dieser Diskursstrategie werden letztendlich viele Ressentiments und Klischees aufgenommen und zu kultivieren versucht. Diese Kultivierung geht mit einer spezifischen Form der Kommunikation einher, welche die Komplexität von Sachverhalten stark reduziert und derart inszeniert, dass daraus Tabubrüche, Gewaltmetaphern und Verschwörungstheorien entstehen. Um ein derartiges Programm zu vertreten, ist selbstredend eine charismatische Führungsfigur von Nöten, welche einerseits die Parteien und ihre gewählten Vertreter, die für die Zersetzung verantwortlich gemacht werden, kritisiert. Andererseits besteht eine permanente Forderung nach direktdemokratischer Legitimation, da die bereits erwähnte classe politique nicht die Interessen des Volks vertritt, sondern lediglich die Partikular- und Selbstinteressen der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Eliten. Die Obsession mit der Volksdemokratie soll einerseits die Legitimität des verkrusteten und verfilzten politischen Systems wiederherstellen und andererseits auch einen unvermittelten Diskurs zwischen Wähler und Gewählten wieder ermöglichen.

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3. Wandel der Konfliktstrukturen

Zum besseren Verständnis, weshalb gerade in den letzten zwanzig Jahren die Neuen (populistischen) Parteien der Rechten entstehen konnten, muss Rückgriff auf die möglichen Veränderungen der Konfliktlinienstruktur in Europa genommen werden. An der historischen Entwicklung Europas hin zu einem System von Nationalstaaten waren insgesamt vier traditionelle Konfliktlinien prägend (Zentrum-Peripherie, Staat-Kirche, Stadt-Land und Bourgeoisie-Arbeiterklasse). Diese Konstellation hatte ihre Gültigkeit bis in die 1970er Jahre und war vor allem durch den wegweisenden Beitrag von Seymour Lipset und Stein Rokkan geprägt, welche 1967 eine richtungweisende These des eingefroren Parteiensystem veröffentlichten, in welchem sie die Ansicht vertraten, dass das gegenwärtige Parteiensystem die Konfliktstrukturen der 1920er Jahre widerspiegelt und sich somit seit diesem Zeitpunkt nur marginal angepasst und verändert hat.
Die Sichtweise von Lipset und Rokkan (1967) griff jedoch, wie sich später herausstellen sollte, zu kurz, da sich seit dem 2. Weltkrieg eine Abschwächung einzelner traditioneller Konfliktlinien vollzogen hat. Diese Abschwächung kann gemäss Kriesi (2007: 249) auf zwei Ursachen zurückgeführt werden:

  1. Als Folge der Säkularisierung schwächte sich die religiöse Konfliktlinie ab und

  2. förderten die allgemeine Erhöhung des Lebensstandards und die Herausbildung einer neuen Mittelklasse gleichzeitig auch die Entschärfung des Klassenkonflikts.

Mit der Abschwächung der traditionellen Konfliktlinien hat sich auch das Bild der traditionell dominanten Parteien verändert, welche sich im Zuge dieser Entwicklung von ihren angestammten Milieus gelöst und sich neuen sozialen und kulturellen Gruppen geöffnet haben. Dieser neue Typus von Partei, welcher Kirchheimer (1966) erstmals in Bezug auf die deutschen Volksparteien [13] konstatierte, wurde unter dem Begriff der catch all Party subsumiert, die sich von den zuvor massgeblichen Ideologien und den korrespondierenden Milieus gelöst haben, um möglichst viele und klassenübergreifend Wähler mobilisieren zu können. Der Wille zur politischen Hegemonie löste dementsprechend die ideologische Rigidität ab.

Im Zuge des sozialen Wandels hat nicht nur eine Abschwächung der traditionellen Konfliktlinien stattgefunden, sondern gleichzeitig auch zur Bildung neuer Konfliktlinien geführt. In diesem Wandel haben sich zwei so genannte critical junctures herausgebildet, welche an dieser Stelle kurz erläutert werden sollen. Eine erste critical juncture wurde 1977 von Ronald Inglehart (1977) erörtert, welcher infolge der kulturellen Revolution in den späten 1960er Jahren eine silent revolution prognostizierte. Im Zuge der allgemeinen Zunahme des Wohlstands in den Nachkriegsjahren, der Etablierung des Wohlfahrtstaates und der Transformation der Industrieländer in Dienstleistungsgesellschaften vollzog sich gemäss Inglehart (1977) ein so genannter postmaterialistischer Wertewandel. Dieser einsetzende Wertewandel führte dazu, dass neue Konflikte innerhalb der neuen Mittelklasse entstanden und heute ihren Ausdruck in der politischen Konstellation finden. Diese neue Mittelklasse ist gemäss Kriesi (2007: 252) jedoch nicht eine homogene soziale Klasse, sondern zerfällt ihrerseits wiederum in verschiedene Untergruppen, die sich jeweils an unterschiedlichen Werten, Arbeitslogiken und Visionen einer zukünftigen Gesellschaft orientieren.

Bis heute wird ersichtlich, dass die neu entstandene Mittelklasse zu verschiedenen Problemen geführt hat, vor allem im Hinblick auf die Integration dieser aufstrebenden Gruppen in ein kohärentes Parteiprogramm. Auf der Linken ergibt sich eine Spaltung, welche darauf zurückgeführt werden kann, dass die Werte und Ziele der Alten (sozialdemokratischen) Linken (sozialistische Arbeiterbewegung) nicht unbedingt in allen politischen Fragen mit den Werten der Neuen (libertären) Linken (Neue Sozialen Bewegungen) kongruent sind. Die Entstehung der Neuen Sozialen Bewegungen und ihre spätere Entwicklung zu eigenständigen Parteien, wie zum Beispiel die Grünen, verdeutlichen offensichtlich, dass die Alte Linke nur bedingt diese neuen Wähler in ihre Wählerallianzen integrieren konnte.

In diesem Prozess ergaben sich auch zur Rechten gemäss Kriesi (2007: 254) Integrationsprobleme, die sich darin manifestieren, dass zwar der wirtschaftliche Liberalismus unbestritten ist, sich gleichzeitig aber auf kultureller Ebene Spaltungen in eine liberale Rechte (bürgerliche und politische Freiheitsrechte, sowie kultureller Universalismus) und in eine autoritäre/konservative Strömung (Verteidigung traditioneller Werte) abgezeichnet haben. Durch diesen Wandel ist die kulturelle Achse im zweidimensionalen politischen Raum (vgl. Figur 1) besonders stark modifiziert worden. Nicht mehr die Religion (laizistisch versus religös) definiert, wo sich die Parteien positionieren, sondern vielmehr ihre Haltung in Bezug auf libertäre und autoritäre Werthaltungen (Kriesi 2007: 254).

Neben diesem ersten Transformationsprozess wird das Ganze durch eine weitere critical juncture überlagert (Kriesi 1995; Kriesi et al. 2006). Dieser Transformationsprozess ist sehr eng mit der Globalisierung und einer schleichenden Denationalisierung konnotiert und hat gemäss den aufgeführten Autoren möglicherweise dazu geführt, dass sich eine weitere Konfliktlinie eröffnet hat, welche Gewinner und Verlierer dieser Entwicklungen direkt gegenüberstellt und dies in Bezug auf drei Konkurrenzfaktoren: wirtschaftlich (Stichwort Internationalisierung der wirtschaftlichen Märkte), kulturell (Stichwort aussereuropäische Immigration) und politisch (Stichwort Europäisierung in Bezug auf die Bildung von supra- und internationaler Akteure). Dieser Prozess hat unweigerlich Auswirkungen auf die sozialen Klassen, welche teilweise massiv von der Globalisierung profitieren können, während andere durch diese Entwicklung in ihren Lebensaussichten massiv eingeschränkt werden und einen sozialen Abstieg fürchten müssen. Mögliche Profiteure dieser Entwicklung sind dabei die neuen Mittelklassen, während die Arbeiterklasse und die alte Mittelklasse [14] eher zu den Verlierern gezählt werden können, da diese den traditionellen nationalstaatlichen Schutz durch Protektionismus des Binnenmarktes verlieren und dementsprechend in den letzten Jahren durch die Globalisierung besonders stark unter Druck geraten sind (Kriesi 2007: 255ff.).

Die überaus wichtige Frage stellt sich in diesem Zusammenhang, wie sich diesbezüglich der Konflikt politisch artikuliert und manifestiert. Allgemein darf davon ausgegangen werden, dass die Gewinner eher Öffnungsprozesse unterstützen, während auf der anderen Seite sich die Verlierer dieser Öffnung widersetzen und für eine Schliessung plädieren (Kitschelt& McGann 1995; Kriesi 2007). Hinsichtlich der wirtschaftlichen Dimension (Staat versus Markt) darf angenommen werden, dass sich der Konflikt unterschiedlich manifestiert, indem Kräfte für Protektionismus optieren, während andere Akteure für die Verstärkung der nationalen Wettbewerbsfähigkeit eintreten, die eine Öffnung erfordert. Hinsichtlich der kulturellen Dimension kann eine ähnliche Entwicklung nachgezeichnet werden, indem sich auf der einen Seite Teile der Bevölkerung verstärkt gegen die kulturelle Öffnung stemmen, während andere diese als Bereicherung ansehen. Dabei umfasst dieser Konflikt nicht nur libertäre Werte, sondern beinhaltet zudem auch eine politische Dimension, die sich besonders latent in der Haltung zur europäischen Integration äussert.

Diese kontradiktorischen Positionen zeigen erneut auf, mit welchen Schwierigkeiten vor allem die traditionellen Parteien konfrontiert werden. Auf der Linken dominiert das Dilemma zwischen einer Marktintegration und der Bewahrung der sozialpolitischen Errungenschaften, die durch Flexibilisierung und internationale Konkurrenzfähigkeit zwangsläufig aufgeweicht und modifiziert werden müssten. Auf der Rechten stösst zwar die wirtschaftliche Liberalisierung auf Wohlwollen, auf der anderen Seite entsteht dagegen ein veritabler Zielkonflikt in Bezug auf die Bewahrung der nationalen Identität, die vor allem die kulturelle Ebene sehr stark tangiert (Kriesi 2007).

Gemäss dieser Theorie im Rahmen der Veränderung des politischen Konfliktmusters wird offensichtlich, dass gerade in solchen Konstellationen politische Akteure auf den Plan treten können, welche diese politische Gelegenheitsstruktur zu nutzen vermögen, da die neuen Konflikte durch die traditionellen Parteien nicht, oder wie gezeigt wurde, nur noch ungenügend und partiell abgedeckt werden können.

Positionierung der Parteien der Alten und der Neuen Rechten

Den bisherigen theoretischen Ausführungen entsprechend, situieren sich die Parteien der Neuen (populistischen) Rechten in einem spezifisch abgrenzbaren Raum. Gemäss Kitschelt & McGann (1995) positionieren sie sich in Figur 1 im Quadranten links unten. Sie vertreten dabei eine kapitalistische Marktlogik in Kombination mit autoritären Appellen.

Figur 1: Die Neukonfiguration des politischen Raums gemäss Kitschelt (1994).

 

 

Figur übernommen aus: http://www.politik.uni-mainz.de/kai.arzheimer/fpoe/repfpoefdp.html  (Stand 22.01.2008).

Punkt R symbolisiert dabei gemäss den Autoren den so genannten ‚master case’, der es diesen Parteien ermöglicht, eine klassenübergreifende Wählerallianz herauszubilden. Punkt P ist eine weitere idealtypische Ausprägung (vor allem für Parteien, welche den politischen Konflikt artikulieren), welche die Neue (populistische) Rechte annehmen kann. Dies setzt jedoch voraus, dass das politische System durch Patronage, Korporatismus und ideologische Annäherung der grossen Volksparteien geprägt ist (siehe hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.2.). In diesem Fall sind die Appelle der Neuen (populistischen) Parteien der Rechten vor allem gegen das politische System gerichtet und nicht prinzipiell gegen libertäre Werte. [15]

Punkt F bildet gemäss den Autoren die idealtypische Situierung der Alten (faschistischen) Rechten im neuen politischen Umfeld. Sie vertritt dabei äusserst autoritäre Appelle kombiniert mit einer Ablehnung der kapitalistischen Marktlogik und plädiert dementsprechend für eine redistributive Politik. Gemäss den Autoren appelliert Position F jedoch:

„(…) only to a minute constituency of people socially marginalized because of their youth, their lack of marketable skills, and other deficiencies that undermine their ability to compete in the marketplace. (…) position F is typically propagated not by politically parties aspiring to a mass following but by small sects for whom their internal communal life and their violent external pursuit, for example, against foreigners, are more important than winning votes.”

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4. Die Neuartigkeit der Neuen (populistischen) Rechten im Vergleich zur Alten (faschistischen) Rechten

Wie bereits in der Einleitung festgehalten wurde, tut sich die Forschung, welche den Erfolg der Parteien der Neuen (populistischen) Rechten zu deuten versucht, bis heute schwer, sich einerseits auf eine einheitliche Begrifflichkeit für diese Parteien und Bewegungen festzulegen und andererseits die Parteien der Neuen (populistischen) Rechten gegenüber der Alten (faschistischen) Rechten klar abzugrenzen. Diese Abgrenzungsprobleme rühren nicht zuletzt auch daher, dass die Neue (populistische) Rechte ein sehr vielschichtiges und jeweils länderspezifisches Phänomen darstellt. Zwischen Alten und Neuen Rechten kann nicht per se eine Demarkationslinie gezogen werden, da zwischen ihnen zumeist eine veritable Grauzone existiert und extremistische und (neo-)faschistische Gruppierungen teilweise loser oder noch seltener fester Bestandteil dieser Parteien sind. Vielfach wurden Parteien und Bewegungen der Neuen (populistischen) Rechten gerade auch von ‚geläuterten’ Exponenten  [16], welche früher selbst Teil der Alten Rechten waren, aus der Taufe gehoben. Wie auch anhand der Intellektuellen der Neuen Rechten gezeigt werden konnte, sind diese Übergänge teilweise sehr fliessend und verworren. Häufig kann gerade auch die Situation beobachtet werden, dass Personen mit einem eindeutigen (neo-)faschistischen Hintergrund plötzlich auf Wahllisten der Neuen (populistischen) Rechten auftauchen. [17] In den folgenden Unterkapiteln soll deshalb der Versuch unternommen werden, die Hauptunterschiede zwischen der Neuen (populistischen) und der Alten (faschistischen) Rechten hervorzuheben.

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4.1 Ideologische Unterschiede

Faschistische Parteien und Massenbewegungen opponierten gemäss Kitschelt& McGann (1995) in den 1920er und 1930er Jahren gegen Liberalismus, Sozialismus und Konservatismus. Vertreten wurde eine kommunitaristische Vision eines Staates, welcher hierarchisch geordnet war und eine Gemeinschaft bildete. Kennzeichnend für die gesellschaftliche Vision war eine klare Distinktion zwischen Freund und Feind, die jedoch nicht notwendigerweise auf rassistischen und biologischen Motiven basieren musste. Der Faschismus verfolgte dabei eine radikale Neukonstruktion der Gesellschaft, welche auf autoritären Prinzipien basieren sollte. Der kommunitaristische und autoritäre Geist des Faschismus implizierte eine anti-kapitalistische Grundhaltung, welche nicht wie im Marxismus das Privateigentum ablehnte, sondern die genuin liberale Grundhaltung in Bezug auf den Marktmechanismus kritisierte, welcher die freie Wahl oder die Diversität der persönlichen Geschmäcker und Meinungen legitimierte. Der Faschismus hegte deshalb eine Substituierung des Marktmechanismus durch einen staatlich-autoritären Korporatismus, mit welchem die Konflikte zwischen den sozialen Klassen befriedigt und letztendlich das idealtypische Bild einer brüderlichen Gemeinschaft verwirklicht werden sollten.

In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Neue (populistische) Rechte in mancher Hinsicht zur Alten (faschistischen) Doktrin. Wie in Kapitel 2.2 aufgezeigt wurde, weist die Neue (populistische) Rechte im Vergleich zur Alten Rechten ein völlig divergierendes Verhältnis zum Staat und Markt auf. Der Staat erfüllt in der Logik der Neuen (populistischen) Rechten eine zwiespältige Funktion. Einerseits wird ihm jegliches Recht auf Bevormundung der Individuen im Sinne einer kollektiven Zwangssolidarität abgesprochen, andererseits soll der Staat aber auch eine Schutzfunktion übernehmen, indem er die ‚kleinen’ Leute vor den Partikular- und Selbstinteressen der Verbände und Bürokratie abschirmt (Decker 2004: 29ff.). Eine ähnliche Doppeldeutigkeit manifestiert sich auch in der eigentlichen Rolle des Staates. Redistribution, Ausbau des Wohlfahrtsstaates und der sozialen Sicherungssysteme werden von den Vertretern der Neuen (populistischen) Parteien abgelehnt und mit Vehemenz bekämpft, da diese den Bürger von seiner individuellen Verantwortung entmündigen. Idealbild der Neuen (populistischen) Rechten ist nicht zuletzt ein Minimalstaat, welcher auf die notwendigen Mindestforderungen beschränkt bleibt und sich sicherlich nicht durch korporatistische Arrangements auszeichnet. Kitschelt& McGann (1995) gehen sogar soweit, indem sie implizieren, dass ein neoliberales Wirtschaftsprogramm notwendig sei, damit die Parteien der Neuen (populistischen) Rechten überhaupt einen elektoralen Erfolg erzielen können. [18] Neben dieser Fürsprache für mehr Verantwortung wird gleichzeitig aber auch Gewinn- und Konsumstreben abgelehnt. Manifest wird dieser Konflikt vor allem dann, wenn sich Schutz und Markt gegenüberstehen. Diesbezüglich merkt Decker (2004: 31) an: „Je mehr der ökonomische Populismus in die erstgenannte, liberale Richtung tendiert, um so stärker wird er genötigt seiner ursprünglichen Motivation der Kapitalismuskritik in kulturelle Hinsicht zu genügen. Zu diesem Zwecke werden alte und neue Bindungen beschworen, etwa die Zugehörigkeit zu einer Nation oder Glaubensgemeinschaft.“ In dieser Beziehung vollbringen die Neuen (populistischen) Parteien der Rechten einen Spagat, indem sie soziale Wohlfahrt explizit mit Herkunft und sozialen Devianzen verquicken. Letztendlich sind es die Verantwortungslosen, die Trägen und Asylanten, welche das System systematisch unterminieren und aushöhlen. Der Wohlfahrtschauvinismus ist gerade in diesen Staaten markant ausgeprägt, in denen das Leistungsniveau hoch ist (zum Beispiel in Ländern wie Schweden, Norwegen, Dänemark und der Schweiz) und gemäss Decker (2004: 219f.) stark kommunitäre Züge trägt. In diesen Staaten werden die wohlfahrtsstaatlichen Einrichtungen nicht als anonyme Einrichtungen, sondern als gemeinschaftliches Prinzip verstanden.

Die Alte sowie die Neue Rechte sind vordergründig beide sehr autoritär. Die Art und Legimitationsgrundlage des Autoritarismus unterscheiden sich jedoch auf frappante Weise. Im Faschismus wird die marktkapitalistische Logik aufgrund seiner zersetzenden Wirkung auf die Gemeinschaft abgelehnt. In der Neuen (populistischen) Rechten wird eher aus einer neokonservativen Vorstellung heraus die reine Lehre der Marktlogik verteidigt und gegen deren Unterminierung durch den Egalitarismus angekämpft. Die Zersetzungskraft rührt daher, dass die paternalistischen Strukturen durch die Modernisierung aufgelöst werden. In diesem Sinne werden die Individualisierung und Feminisierung der Arbeit angeprangert. Der Defekt liegt demnach nicht im kapitalistischen System, wie es die Alte Rechte behauptet, sondern in der Redistribution, welche dem Individualismus und dem Hedonismus Vorschub leistet.

Wie dies vorangehend bereits betont wurde, kann Faschismus per se nicht unbedingt mit einem biologischen Rassismus gleichgesetzt werden. In Italien war der Faschismus unter Mussolini eher militaristisch-nationalistisch und entwickelte erst zu einem späteren Zeitpunkt einen biologistisch-rassistischen Überbau. Im starken Kontrast dazu steht die Neue (populistische) Rechte. Wie dies an anderer Stelle bereits näher ausgeführt wurde (Kapitel 2.3 und 2.5), dominieren deren Parteien den Diskurs im Hinblick auf die Ausbildung von xenophobischen Ressentiments. Gemäss Kitschelt& McGann (1995) kann diese Fixierung auf nationale Identitätsfragen auf zwei Entwicklungen zurückgeführt werden: die erste ist direkt mit den ökonomischen Arbeitsverhältnissen verwoben, da durch die Globalisierung und die damit zusammenhängende Öffnung der Märkte diverse wirtschaftliche Sektoren unter starken internationalen Wettbewerbsdruck geraten sind. Im Zuge dieser Entwicklung besteht die Angst vieler Arbeitnehmer und Selbständiger darin, dass sie durch den verstärkten Wettbewerb und das Wegfallen nationalstaatlicher Protektion ökonomisch ins Abseits geraten und aufgrund dessen sozial zurückgestuft werden. Der andere Aspekt begründet sich durch die rapide ausgeweitete Mobilität, welche die westlichen Länder in multikulturelle Gesellschaften verwandelt hat. Während die Alte Rechte noch mit einem menschenverachtenden biologischen Rassismus argumentierte, der sich in einem rassischen Überlegenheitsanspruch manifestiert, problematisiert die Neue (populistische) Rechte die kulturelle Vielfalt aus einer ‚ethnologischen’ Sichtweise. Die Vielfalt der Kulturen wird vor allem dann zu einem wesentlichen Problem, wenn es sich bei den Zugewanderten um Menschen handelt, welche einen divergierenden kulturellen und religiösen Hintergrund aufweisen und sich kurzfristig nur bedingt assimilieren lassen.

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4.2 Haltung bezüglich der Demokratie

Ein weiterer wesentlicher Punkt, welcher die Neue (populistische) Rechte von der Alten (faschistischen) Rechten unterscheidet, ist die Haltung gegenüber der Demokratie. Wie dies in Kapitel 4.1 aufgezeigt wurde, sind Faschismus und Demokratie unvereinbar und bilden ein Oxymoron. Die faschistische Gemeinschaft ist hierarchisch strukturiert und lässt keinen Platz für Pluralismus, divergierende Meinungen und demokratische Mitbestimmung offen. Die Neue (populistische) Rechte hegt im Gegensatz zur Alten eine zutiefst ambivalente Haltung gegenüber der Demokratie. Auf der einen Seite fordert sie direktdemokratische Entscheidungen und Dezisionismus, auf der anderen lehnt sie Pluralismus und Deliberation ab. Die Neue (populistische) Rechte ist somit eine genuin zeitgenössische Erscheinung und prangert Entwicklungen an, welche sich erst in den letzten Jahren entwickelt haben. Die heutige Politik ist durch eine allgegenwärtige Komplexitätszunahme geprägt, die auf die steigende Zahl der Akteure und die Europäisierung zurückgeführt werden kann. Parlamente haben in diesem Prozess einen bedeutungsvollen Machtverlust erlitten und wurden in ihrer Entscheidungsgewalt partiell durch informale Kommissionen, supranationale Institutionen, Verfassungsgerichte und technokratische Gremien zurückgestuft. Gleichzeitig hat sich auch die Rolle der Parteien massgeblich verändert. Sie fungieren immer weniger als Vermittlungsinstanz zwischen Bürger und Regierung und büssen dementsprechend stetig an volksdemokratischer Repräsentationsmacht ein. Zurückgeführt wird dies von Mair (2002) auf zwei Ursachen: einerseits nimmt die Parteiidentifikation der Bürger markant ab, was darauf zurückgeführt werden kann, dass der prägende ideologische Dualismus nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion weggefallen ist. Die Programme der traditionellen Parteien haben sich in der Folge angeglichen und sind für den Bürger nicht mehr oder nur in spezifischen und medial aufgeladenen Sachfragen distinguierbar. Andererseits haben sich die Parteien gemäss dem Autor gleichzeitig auch dem Staat angenähert und ihre Kontrolle über öffentliche Ämter noch weiter ausbauen können. In diesem Sinne zeichnet sich ein Prozess dergestalt ab, dass die konstitutionelle zugunsten der volksdemokratischen Säule aufgewertet und ausgebaut wird, um den repräsentativen Machtverlust der Parteien partiell ausgleichen zu können (Mair 2002).

Einher geht diese Entwicklung mit einer Anonymisierung (Informalisierung der Politik) und gleichzeitig einer zunehmenden Mediatisierung. Die Macht der Medien manifestiert sich darin, dass sie das politische Geschehen einer permanenten Kontrolle unterwerfen und die latente Führungslosigkeit der dominierenden Parteien offenbaren, was diese für die Parteien der Neuen (populistischen) Rechten angreifbar macht. Die von der Neuen (populistischen) Rechten propagierte Antwort auf diese Entwicklungen besteht in der Dezision und der Volksdemokratie. Undurchsichtige Aushandlungsprozesse und das Schnüren von politischen Kompromisspaketen sollen dabei unmissverständlich zurückgedrängt werden. Die Kompromisssuche, die den gesellschaftlichen Pluralismus kennzeichnet, soll durch eine direktdemokratische Entscheidungsgewalt des Volkes, einem so genannten volonté général, substituiert werden.

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4.3 Unterschiede in Auftreten und Organisation

Faschistische Parteien verstanden sich vor allem in den Zwischenkriegsjahren als Massenbewegungen, die neben einer charismatischen Führerfigur auch paramilitärische Einheiten als integrale Bestandteile ihrer Organisation aufwiesen. Charakteristisch für die faschistischen Bewegungen und Parteien war nicht zuletzt auch die Orchestrierung der Masse als Einheit. Gemäss Kitschelt& McGann (1995: 32) sind paramilitärische Massenorganisationen ein Ausdruck für eine autoritäre, kommunitaristische, antikapitalistische und antiindividualistische Ideologie. Die Neue (populistische) Rechte weist gemäss Decker (2004) jedoch zwei konstituierende Elemente auf, welche zumindest in einem Punkt in starkem Widerspruch zur faschistischen Massenbewegung stehen. Die Hauptmerkmale sind dabei einerseits ihr Bewegungscharakter [19] und andererseits die herausgehobene und quasi-religiöse Verehrung (ähnlich wie im Faschismus) eines Führers, die sie vom herkömmlichen Typus der demokratischen Mitgliederpartei unterscheidet. Der Bewegungscharakter dieser Parteien kann vor allem auch auf ihr historisch tradiertes Selbstverständnis im Hinblick auf den Populismus zurückgeführt werden. Populismus manifestierte sich aus historischer Sicht vor allem in Bewegungen, welche vom politischen Prozess ausgeschlossen wurden und dementsprechend an der gesellschaftlichen Graswurzel entstanden sind. Weshalb sich die Neue (populistische) Rechte zu einem überwiegenden Teil in Parteien formiert hat, hängt gemäss Decker (2004) von ihren gesellschaftlichen Veränderungszielen ab, die sehr umfassend sind und sich nur dann umsetzen lassen, wenn die direkte Machtteilhabe angestrebt wird.

Trotz der parteiförmigen Gestalt weisen die Neuen (populistischen) Parteien der Rechten inhärent immer noch einen Bewegungscharakter auf. In ihrer Kritik am Parteienstaat und an der classe politique manifestiert sich ihre tiefe Abneigung gegenüber Parteien, welche zuweilen den Volkswillen und die Teilhabe des Volkes durch Pluralismus und Deliberation verwässern. Diese Abneigung gegenüber der parteiförmigen Institutionalisierung und letztendlich auch gegenüber der Parteiendemokratie setzt sich auch in der innerparteilichen Organisation selbst fort. Wie bereits erwähnt, weisen sowohl die Alte wie auch die Neue Rechte eine charismatische Führerfigur auf, die zuweilen einen absoluten Herrschaftsanspruch geltend machen kann, da diese Person zumeist in Eigenregie die Partei gegründet oder diese massgeblich auf einen neuen Kurs getrimmt hat. [20] Eine Abkehr oder Verwässerung der reinen Lehre wurde im Faschismus mit gewaltsamen Druck und Unterwerfung zu verhindern versucht. Die Neue (populistische) Rechte agiert in diesem Fall deutlich zivilisierter und konzilianter, jedoch nicht unbedingt demokratischer. Missliebige Meinungen und Personen werden dabei möglichst aus der Diskussion und Partei ausgeschlossen. Gerade diese extreme Fokussierung auf einen Führer, der zugleich auch der Chefstratege in Personalunion ist, macht die Parteien der Neuen (populistischen) Rechten zu äusserst fragilen Gebilden. Der parteiinterne ‚Wohlfühlfaktor’ kann längerfristig nur dann aufrechterhalten werden, wenn der Führer durch seine Autorität ideologische Differenzen zu überbrücken und auf Dauer die Anhängerschaft zu mobilisieren vermag. [21] Sind diese Bedingungen nicht mehr gegeben, führt dies ziemlich sicher, aber nicht zwangsläufig, zur politischen Entzauberung dieser Parteien.

Mit dem Faschismus wird letztendlich nicht nur ein devoter Führungskult geteilt, sondern auch die Agitation. Der Agitator sieht sich dabei selbst, wie dies bereits in Kapitel 2.5 ausgeführt wurde, als quasi-personifiziertes Sprachrohr des Volkes an und setzt sich dementsprechend auch für die Anliegen des ‚einfachen Bürgers’ ein. Dabei driftet die Rhetorik vielfach in Gewaltmetaphern, Verschwörungstheorien, Feindbildern, Provokationen und Angstmacherei ab. Die martialische Rhetorik widerspiegelt sich auch im Symbolismus der Wahlpropaganda, die Freund/Feind Schemata aufnehmen und auf ziemlich deutliche und drastische Art und Weise darstellen. Letztendlich haben die Parteien der Neuen (populistischen) Rechten in einigen Staaten sogar den Wahlkampf ‚modernisiert’, indem sie Personalisierung und professionell Kampagneführung vorweg genommen haben. [22] Diese Entwicklungen im Wahlkampf haben nicht zuletzt auch zu einer Polarisierung der Politik beigetragen.

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4.4 Unterschiede bezüglich der sozialen Zusammensetzung der Wähler

Der Faschismus der Zwischenkriegsjahre rekrutierte seine Wählerschaft aus einer breiten Wählerallianz, welche sich über alle sozialen Klassen erstreckte. Wie Kitschelt& McGann (1995: 33) anmerken, waren insbesondere diejenigen sozialen Segmente der Gesellschaft relativ immun gegenüber dem Faschismus, welche historisch starke Bindungen zu den sozialistischen Gewerkschaften und katholischen Parteien aufwiesen. Besonders anfällig waren gemäss den Autoren politisch ungebundene Segmente der Gesellschaft, wie Arbeiter ohne Gewerkschaftshintergrund, protestantische Bauern, mittelständische Gewerbetreibende, Angestellte, aber auch Intellektuelle und Angehörige der Bourgeoisie.

Ähnlich wie der Faschismus der Zwischenkriegsjahre weist die Neue (populistische) Rechte eine klassenübergreifende und heterogene Koalition von Wählern auf, die jedoch bedeutende Unterschiede offenbart. Viele vergleichende Studien (Betz 1994; Kitschelt& McGann 1995; Lubbers et al. 2002; Kriesi et al. 2005) haben aufzeigen können, dass die Neuen (populistischen) Parteien der Rechten schwerpunktmässig von Angehörigen der Arbeiter- (ungelernte Arbeiter und Facharbeiter halten sich etwa die Waage) und der alten Mittelklasse gewählt und unterstützt werden. Der Befund in Bezug auf die alte Mittelklasse überrascht nicht, da Adorno et al. bereits 1950 diese als den ‚gesellschaftliche Ort’ des Faschismus bezeichnete, die entsprechend zahlreich Individuen hervorbringt, welche aufgrund ihrer Disposition zur Unterwerfung Schwächerer, zur Unterordnung unter Autoritäten, zu Ethnozentrismus und zu Antisemitismus neigen würden. Auf der anderen Seite wird in den empirischen Studien deutlich, dass gerade Menschen mit einer eher hohen Schulbildung, Frauen (besonders werktätige) und hohe gesellschaftliche und berufliche Statusgruppen im Elektorat der Parteien der Neuen (populistischen) Rechten teilweise markant untervertreten sind.

Der Überhang bestimmter sozialer Klassen kann darauf zurückgeführt werden, dass diese von den Modernisierungsprozessen besonders stark tangiert werden. Die Unterstützung dieser Klassen [23] generiert sich letztendlich nicht aus einem diffusen Protestgefühl, wie dies vor allem medial kolportiert wird, sondern aus der neuen Konfliktstruktur, die in Kapitel 3 hergeleitet wurde. Zuweilen werden diese Personengruppen, die eine besonders starke Affinität zu den Parteien der Neuen (populistischen) Rechten aufweisen, auch unter dem Begriff der „Modernisierungsverlierer“ subsumiert. Gemäss Minkenberg (2000: 182) zeichnen sich diese Modernisierungsverlierer durch folgende Merkmale aus:

„These are primarily not victims of a social pauperization, like the working class in the late-nineteenth century or today’s unemployed, but ‚losers’ in a process of a differentiation of life chances. In post-modern society, where Education, language skills etc. are increasingly important, their social and cultural capital is shrinking and they are intent on defending it against encroachments on their traditional entitlements. In this sense, they can be characterized as ‘welfare chauvinists’. (…) Instead of a diffuse unease with post-modernity which might befall many of us, supporters of the new radical right are characterized by a mix of this unease, rigid thinking, authoritarian attitudes and traditional values-all of which reinforce each other.”

Dieses Zitat lässt die ungewöhnliche Wählerallianz der Parteien der Neuen (populistischen) Rechten in einem neuen Licht erscheinen. Wie Minkenberg (2000) anfügt, ist die Misere der Modernisierungsverlierer nicht an ihre tatsächliche soziale Lage gebunden, sondern vor allem mit subjektiv empfundenen Verlustängsten verknüpft. Diese Verlustängste sind keinesfalls nur in einem materielle Kontext zu sehen, wie Decker (2004) betont, sondern manifestieren sich vor allem in der soziokulturellen Entwurzelung, die als Folge der gesellschaftlichen Individualisierungsprozesse angesehen werden kann. Im Zuge der Individualisierungsprozesse ist es gemäss Decker (2004: 242) den Neuen (populistischen) Parteien der Rechten gelungen, diese Lücken mit stabilisierenden Orientierungsangeboten in der ökonomischen, kulturellen und politischen Sphäre zu schliessen.

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5. Zusammenfassung und Ausblick

Im Zentrum dieser Hausarbeit stand die Fragestellung nach der Neuartigkeit der Neuen Rechten. Die Frage ist letztendlich äusserst komplex und umfasst, wie hoffentlich verdeutlicht werden konnte, mehrere Entwicklungen, die nur in einem übergeordneten Kontext zu beantworten sind. Das erklärte Ziel dieser Arbeit bestand darin, zwei Seiten aufzuzeigen: zum einen die Nachfrageseite, welche durch den postmaterialistischen Wertewandel, die Globalisierung und die Europäisierung neue ökonomische, kulturelle und politische Konflikte hervorgebracht hat. Dabei haben sich die Interessen der Wählenden auf mehreren Ebenen modifiziert und zu neuen Gegensätzen geführt, die den Parteien der Neuen (populistischen) Rechten eine formidable Gelegenheitsstruktur eröffneten.

Zum anderen hat sich die Angebotsseite der Parteien der Neuen (populistischen) Rechten ebenfalls markant verändert. Nichtetablierte Parteien können im Prinzip nur dann einen Vorteil aus ihrer unbefleckten Vergangenheit ziehen, wenn sie von den Wählenden wahrgenommen werden und diesen eine programmatisch attraktive Alternative unterbreiten können. Die Parteien der Neuen (populistischen) Rechten haben sich, ähnlich wie die Parteien, die aus den Neuen Sozialen Bewegungen hervorgegangen sind, geschickt und unmissverständlich emanzipiert und vom ideologischen Ballast der Alten Rechten befreit. Im kulturellen Konflikt kann heute Dank der Vorarbeit der Nouvelle Droite rassistisch argumentiert werden, ohne dabei in die (neo-) faschistische Ecke gedrängt zu werden. Die Beliebigkeit der ideologischen Fundierung setzt sich auch auf der ökonomischen und politischen Ebene fort, auf denen teilweise unvereinbare Gegensätzlichkeiten durch Populismus kombiniert und verknüpft werden.

Dementsprechend handelt es sich bei den Vertretern der Neuen (populistischen) Rechten um eine komplett neue Parteienfamilie, die neben ihrer neuartigen populistischen Ideologie auch neue Wählerallianzen, einen neuen Wahlkampf, neue Organisationsstrukturen, ein neues Verständnis von Demokratie und auch einen neuen fernsehgerechten Führerkult etablieren konnte. Letztlich liegt die Neuartigkeit der Parteien der Neuen (populistischen) Rechten auch darin, dass sie die Konflikte der post-industriellen Gesellschaft vielfach als erste aufgenommen und thematisiert haben und quasi die Ambivalenz der zeitgenössischen Konflikte verkörpern.

Ein Ausblick auf die Entwicklung der Parteien der Neuen (populistischen) Rechten ist schwierig und nicht ganz unproblematisch. Bereits in den 1980er und später in den 1990er Jahren wurde ihr Niedergang häufig und einem Stossgebet gleichkommend prognostiziert. Tatsächlich haben viele Parteien der Neuen (populistischen) Rechten gerade aufgrund ihrer Abhängigkeit von einer charismatischen Führerfigur und ihrer ideologischen Zweideutigkeit markant an Terrain verloren oder sich in die politische Bedeutungslosigkeit verabschiedet. Den bedeutendsten Einbruch erlitt sicherlich die FPÖ, die an ihrer Regierungsbeteiligung zerbrach und von ihrem Chefideologen Jörg Haider letztendlich selbst ins Verderben gerissen wurde. Ähnliche Anzeichen lassen sich auch in Frankreich feststellen, wo der Front National durch den Populismus bürgerlicher Politiker zunehmend in die Schranken verwiesen wird. Lediglich die Schweizerische Volkspartei bleibt weiterhin eine erfolgreiche Konstante und ist heute unbestritten die wählerstärkste Kraft im Land. Gerade die SVP wird nach ihrem selbst auferlegten Gang in die Opposition beweisen müssen, ob sie dem Nimbus des Gewinners und alleinigen Vertreters des „Volkes“ weiterhin gerecht werden kann.

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Fussnoten

[1] Der NPD gelang es zwischen 1966 und 1968 in der Bundesrepublik Deutschland trotz wehrhafter Demokratie in mehrere Länderparlamente einzuziehen.

[2] Die Parteien der Neuen (populistischen) Rechten haben in diesen Ländern besonders beachtliche Wahlerfolge feiern können. Die FPÖ wurde im Jahr 2000 Teil der Regierung, im Jahr 2002 schaffte es Jean-Marie Le Pen in die Stichwahlen der Präsidentschaftswahlen, in Italien wurden die Alleanza Nazionale (Nachfolgerin der MSI) und die Lega Nord zu einem integralen und entscheidenden Bestandteil der Regierung unter Ministerpräsident Silvio Berlusconi und in Belgien stieg der Vlaams Belang in einigen Städten zu einer dominanten politischen Macht auf. In der Schweiz konnte die SVP in den Wahlen 2007 erneut zulegen und vertritt heute gut ein Drittel der aktiven Wählerschaft. Diese Parteien, wie später noch ausgeführt werden soll, vertreten eine Parteienfamilie, die jedoch letztendlich wiederum sehr heterogen. Der Extremismusgrad dieser Parteien unterscheidet sich markant, denn eine Partei, wie die SVP, hebt sich von den viel radikaleren Forderungen eines Front National ab.

[3] Im Gegensatz zur europäischen Neuen Rechten wurde das US-amerikanische Pendant vor allem durch soziale und Lebensstilthemen geprägt und wird heute besonders von evangelikalen Kräften dominiert, die eine enge Bindung zu Teilen der Republikanischen Partei aufbauen konnten. Die Neue Rechte, besonders die religiös unterfütterte, ist in diesem Zusammenhang in den USA eher als Gegenreaktion in Bezug auf Lebensstilfragen zu deuten, da sie den allgemeinen moralischen Zerfall (legaler Schwangerschaftsabbruch, Homosexualität, usw.) anprangert (Decker 2004).

[4] Seit der französischen Revolution werden bestimmte politische Ideen mit den Richtungsdimensionen links und rechts assoziiert. Laut Ignazi (2003: 4) wurden die Delegierten der französischen Nationalversammlung am 29. August 1789 dazu aufgefordert, sich nach rechts zu verschieben, wenn sie für die Beibehaltung des Vetorechts des Königs votieren wollten oder entsprechend nach links, wenn sie sich dagegen aussprechen wollten. Diese räumliche Unterscheidung –zwischen links und rechts- hat sich bis heute festgesetzt und dient weiterhin als Unterscheidungsmerkmal, um zwischen Traditionalisten beziehungsweise Konservativen (rechts) auf der einen, sowie Modernisieren beziehungsweise Renovieren (links) auf der anderen Seite zu unterscheiden (Ignazi 2003: 4). Mit der einsetzenden Industrialisierung und der darauf zurückzuführenden Verschärfung des Klassenkonflikts erhielt diese Dichotomie einen zusätzlichen Bedeutungsgehalt, indem links und rechts mit spezifischen Ideologien gleichgesetzt wurden. Die Linke verteidigte mit sozialistischen Ideen ein wenig vereinfacht dargestellt die Interessen des Proletariats, während die Rechte die Bourgeoisie sowie die Besitzer von Kapital und Land vertrat. Dabei wurde zusätzlich links auch mit sozialem Wandel und Egalitarismus in Verbindung gebracht, während rechts pauschal für die Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Status Quo stand (Ignazi 2003: 5). Mit dem Wertewandel hat sich die Begriffspolarität noch weiter verschärft, indem nicht mehr nur sozioökonomische Zuschreibungen über die Position auf der Links-Rechts-Achse bestimmen, sondern auch spezifische Werthaltungen. Wie diese kurzen Ausführungen zur Links-Rechts-Achse aufzeigen, handelt es sich dabei um einen Begriff, der sehr wandelbar und heute mit unterschiedlichen Schlagworten konnotiert werden kann, welche sich teilweise widersprechen oder sogar ausschliessen können (Geser: 1992).

[5] In der Schweiz würde zum Beispiel die Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) diesem Typus der Alten (faschistischen) Rechten entsprechen.

[6] Es muss jedoch betont werden, dass unter diesen Parteien auch Borderline Fälle vorhanden sind, wie zum Beispiel der Vlaams Belang (ehemals Vlaams Blok), welcher auch eine starke faschistische Komponente aufweist.

[7] In Frankreich formierte sich GRECE (Groupement de recherche et d’études pour la civilisation européenne) und der Club d’Horloge, in Deutschland 1980 das so genannte Thule Seminar

[8] Prägend im Zusammenhang mit der Nouvelle Droite war vor allem die publizistische Breitenwirkung, welche Alain de Benoist als Mitherausgeber des Magazins der konservativen französischen Tageszeitung Le Figaro entfalten konnte (Ignazi 2003: 22). Im deutschsprachigen Raum stiessen die Ideen ihrer lateinischen Vordenker erst zeitlich versetzt im Zusammenhang mit dem Historikerstreit auf fruchtbaren Boden, dies zeigt besonders gut die Ideologie der NPD auf, welche in den 1960er Jahren immer noch mit einer faschistischen Ideologie in die Länderparlamente verschiedener deutscher Bundesländer einzog.

[9] Gemäss Kitschelt und McGann (1995: 29) weisen faschistische Parteien und Massenbewegungen folgende Merkmale auf: „Faschist movements and mass parties were antiliberal, antisocialist and anticonservative. They called for the reassertion of a communitarian spirit and in this vein supported a new fraternalism. Fascism opposed the dominance of markets and bureaucracy and instead advocated an authoritarian hierarchical and communitarian order under the leadership of charismatic individuals. This community was expected to provide salvation through unity, an achievement that requires clear-cut external boundaries separating friends from foes of the community .In this sense, fascism was exclusionary and particularist. Whether the exclusionary momentum was expressed by nationalist, racist, or imperialist sentiments, however, is a matter of historical contingency. Racism was not a constitutive element of fascist although a number of fascist movements expressed racist beliefs. Central to all fascist movements was the effort to establish boundaries between insiders and outsiders and to institutionalize a particularist vision of community.”

[10] Wie Pfahl-Traughber (o.J) anfügt, gelang es GRECE eben gerade durch die publizistische Breitenwirkung von de Benoist, rechtsextreme Positionen in Frankreich diskussionsfähig zu machen und wirkte demnach als Pflugschar für die Wahlerfolge des Front National. Heute ist de Benoist Mitglied einer marxistischen Forschungsgruppe und setzt sich für eine Annäherung von Kommunisten und der Nouvelle Droite ein.

[11] Die Heritage Foundation, das Hoover Institute oder das American Enterprise Institute verstehen es bis heute, sich politisch in Szene zu setzen und wurden vor allem nach der Wahl von George W. Bush zu einem gewichtigen Machtfaktor.

[12] „Volk“ bedeutet nicht die Gesamtheit der Bevölkerung eines Landes, sondern gemäss Taggart (2000: 95) im rechtpopulistischen Verständnis: „(…) a heartland in which, in the populist imagination, a virtuous and unified population resides.“ Dieses Herzland verkörpert somit eine Zeit, in welcher noch alles zum Besten bestellt war, bevor sie durch den kulturellen Wandel, die Moderne und den Multikulturalismus zerstört und für immer modifiziert wurde. Dieses Herzland kann jedoch je nach Interesse abgegrenzt werden, und nicht jede Berufung auf ein solches Herzland muss zwangsläufig fremdenfeindliche Züge annehmen.

[13] Der Idealtypus einer catch all Party stellte die CDU in Deutschland dar, welche nach dem 2. Weltkrieg ihre Wählerschaft kontinuierlich erweitern konnte und es letztendlich schaffte, zuvor konkurrierende Wählergruppen unter einem Dach zu vereinigen (Katholiken, Protestanten, Konservative, Teile der Liberalen und der ehemaligen Faschisten). Im linken Spektrum folgte die SPD 1959 im Rahmen ihres richtungweisenden Parteitags in Bad Godesberg dem Muster der CDU, indem sie ihre marxistischen Forderungen aus ihrem Parteiprogramm entfernte und sich gesellschaftlich gegenüber der Mitte öffnete und eine zentristische Politik verfolgte.

[14] Unter alter Mittelklasse können die folgenden Gruppen gemäss Decker (2004: 164) subsumiert werden: Handwerker, Bauern und selbstständige Geschäftsleute.

[15] Das exemplarische Beispiel für diesen Fall ist gemäss Kischelt und McGann die FPÖ.

[16] Filip de Winter (Vlaams Belang), John Tyndall (BNP), Gianfranco Fini (MSI) oder Jean Marie Le Pen sind gemäss Ignazi (2003) Beispiele von Personen, welche eine rechtsextremistische beziehungsweise neo-faschistische Vergangenheit aufweisen.

[17] Als Beispiel sei hier auf die Kandidatur von Pascal Junod hingewiesen, welcher 1999 für die SVP in Genf kandidierte und einen rechtsextremistischen und (neo-)faschistischen Hintergrund aufwies. Auch andere und durchaus prominentere Exponenten der SVP hegen enge und rege Kontakte zu Rechtsextremisten, Holocaustleugnern, usw.

[18] Kitschelt (2007) fügt an, dass in dieser Hinsicht ein neoliberales Programm nicht zu den notwendigen Konzepten gehört, um diese neue Parteienfamilie zu charakterisieren. Die von Kitschelt& McGann (1995) konzeptualisierte winning formula behält aber insoweit ihre Gültigkeit, da sie unter anderem auch als Erklärung herangezogen werden kann, weshalb bestimmte Parteien erfolgreicher sind als andere. Diese These gilt aber innerhalb der Forschung immer noch als sehr umstritten, da sie einerseits empirisch für einige Fälle widerlegt werden kann (Lubbers et al. 2002; Kriesi et al.2006) und andererseits durch die Hauptverfechter Kitschelt und McGann (1995) sowie Betz (1994) in späteren Werken relativiert wurde (zum Beispiel Kitschelt und McGann 2003). Eine aktuelle und neuerliche Aufnahme der Diskussion dieses Sachverhalts bietet ein Artikel von Kitschelt (2007). Grundsätzlich kann jedoch davon ausgegangen werden, dass wie in Kapitel 2.2 ausgeführt wurde, die ökonomische Spielart, welche vor allem in den 1970er und den frühen 1980er Jahren einen bedeutende Rolle für diese Parteien gespielt hat, heute durch die Fixierung auf den kulturellen Konflikt verwässert wird.

[19] Kitschelt und McGann (1995) sprechen in diesem Zusammenhang von „framework parties“.

[20] Zum Beispiel Jean-Marie Le Pen, oder Umberto Bossi, die beide als politische Aussenseiter eine völlig neue Partei aus der Taufe gehoben haben.

[21] Gerade zwei der erfolgreichsten Parteien der Neuen (populistischen) Rechten haben derartige Abspaltungen erlebt. Einerseits der Front National, der durch den Machtkampf zwischen Mégret und Le Pen 1999 und der darauf folgenden Abspaltung des Mouvement National Républicain jedoch nur marginal und kurzfristig geschwächt wurde. Andererseits die FPÖ, die heute relativ führungslos ist, nachdem der rastlose Vordenker Jörg Haider die Partei verlassen hat und heute mit dem ‚eisernen Besen’ für das Bündnis Zukunft Österreich kehrt (Tages Anzeiger 15.01.2008).

[22] Kiresi et al (2005: 6) bemerken beispielsweise, dass gerade die Schweizerische Volkspartei mit ihren nationalen Kampagnen wesentlich zur Nationalisierung des Schweizer Parteiensystems beigetragen hat.

[23] Heute ist die Rede von einer ‚Proletarisierung’ der Parteien der Neuen (populistischen) Rechten. Im Gegensatz zu den 1980er Jahren hat sich der Anteil der alten Mittelklasse und der Angestellten stabilisiert oder hat abgenommen, während der Anteil der Angehörigen der Arbeiterklasse stetig gestiegen ist (Decker 2004). Eine Generalisierung dieser Tendenz ist jedoch nicht in allen Ländern ersichtlich. Diese neue Zusammensetzung der Wählerschaft kann möglicherweise auch dadurch erklärt werden, dass spezifische Konflikte zugunsten anderer Konflikte substituiert wurden. Besonders die (neo-)liberalen Forderungen wurden im Verlauf der 1990er Jahre von einigen Neuen (populistischen) Parteien der Rechten zugunsten einer stärkeren Betonung des kulturellen Konflikts entschärft.

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Last update: 06 Mrz 17

 

Editor

  Prof. Hans Geser
Soziologisches Institut
der Universität Zürich

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