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Führungsqualifikationen im Wandel Teil I: Einfluss der Betriebsmerkmale auf das Anforderungsprofil von Führungskräften
Das Wichtigste
2 Tendenzen in der Führungsforschung 3 Wandel des Anforderungsprofils 4 Einfluss der Betriebsmerkmale
1 Einleitung Die zweite Hälfte des ausgehenden Jahrhunderts ist gekennzeichnet durch eine beispiellose Dynamik des Wandels. Ökonomische, technologische, politische und soziale Faktoren sind eng miteinander verknüpft und erzeugen eine Intensität der Veränderung, die alle Lebensbereiche umfasst. Im ökonomischen Bereich ist diese Dynamik sehr gut sichtbar. War die Wirtschaft in den 50er und 60er Jahren noch durch ein kontinuierliches und stabiles Wachstum geprägt, verändert sie sich in den letzten 20 bis 25 Jahren zunehmend diskontinuierlich und unberechenbarer. Determiniert wird diese Entwicklung durch unterschiedliche Faktoren, die miteinander verbunden sind. Zu nennen sind hier primär die Auflösung klarer Grenzen, eine gestiegene Wettbewerbsintensität, grosse Unsicherheiten verbunden mit einer Zunahme von Risiken, eine Verkürzung von Planungs- und Handlungseinheiten und einer allgemeinen Beschleunigung von Lebensrhythmen. Führungskräfte sind von dieser Dynamik des Wandels unmittelbar betroffen. Sie müssen ständig neue Umweltbedingungen erfassen, verarbeiten und umgestalten. Einerseits nehmen die Anpassungszwänge zu und der Spielraum für Fehler wird enger, auf der anderen Seite eröffnen sich jedoch auch eine ganze Reihe an neuen Möglichkeiten und Freiräumen. Flexibilität und Innovationsfähigkeit werden zu zentralen unternehmerischen Eigenschaften (vgl. Perich 1992). Die Auswirkungen auf das Verhältnis der Führungs- zur Mitarbeiterebene sind augenscheinlich. Erstens behindern traditionelle Führungsmethoden die Anpassungsmöglichkeiten der Mitarbeiter/innen an sich ändernde Bedingungen enorm, zweitens haben gesellschaftliche Veränderungen dazu geführt, dass starre hierarchische Strukturen immer weniger akzeptiert werden. So hat in modernen Unternehmen die sich lediglich auf hierarchische Autorität, d. h. auf formale Position stützende Führungspersönlichkeit ausgedient und muss neuen Formen der Autorität Platz machen (vgl. Brünnecke 1998). Aus diesen Gründen sind die Anforderungen an die Führungskräfte nicht nur gestiegen, sondern die erforderlichen Qualifikationen haben sich auch verlagert. Führungspersonen können sich nicht mehr darauf beschränken, über profundes Fachwissen zu verfügen, sondern extrafunktionale Kompetenzen wie kommunikative oder kooperative Fähigkeiten gewinnen an Bedeutung. Wie sieht aber die Situation in der Praxis aus? Entsprechen diese von allgemeinen Entwicklungen abgeleiteten Annahmen des Qualifikationswandels auch den tatsächlichen Verhältnissen in den Schweizer Betrieben? Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick über die Veränderungen der Anforderungen an Führungskräfte zu liefern. Gibt es allgemeine Trends oder sind Entwicklungen abhängig von Betriebsmerkmalen? Anzunehmen ist, dass sich die Ansprüche kleiner Betriebe von denjenigen grosser Unternehmen in verschiedenen Punkten unterscheiden. Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei Teile. In Kapitel 2 werden die aktuellen Trends der Führungs- und Managementforschung beschrieben. Kapitel 3 thematisiert den generellen Wandel des Anforderungsprofils der Führungskräfte und Kapitel 4 ist der Analyse der Zusammenhänge zwischen Führungsanforderungen und Betriebsmerkmalen gewidmet. Die Betriebsmerkmale setzen sich aus der Betriebsgrösse, der Rechtsform, dem Umsatzwandel, der sektoriellen bzw. Branchenzugehörigkeit und der Zugehörigkeit zur Sprachregion zusammen. Diese Studie konzentriert sich auf den Vergleich der Qualifikationswandels auf der Ebene der Betriebsmerkmale. Ausgeklammert sind Einflüsse von Umweltveränderungen (Globalisierung, technologischer Wandel, Arbeitsmarktentwicklung etc.) und Zusammenhänge mit Veränderungen der innerbetrieblichen Arbeitsorganisation sowie strategischer Massnahmen der Unternehmen. Diese werden Inhalt einer weiteren Arbeit sein. 2 Tendenzen in der Führungsforschung Die Führungskräfte bilden ein Arbeitnehmersegment, die in der sozialwissenschaftlichen Forschung nicht als eigenständige Gruppe thematisiert werden, sondern in .der Regel Bestandteil organisationstheoretischer Ansätze sind. In den letzten Jahren hat sich in der Organisationstheorie einiges bewegt und verschiedene Ansätze sind weiter entwickelt worden (vgl. Kieser 1998). An dieser Stelle soll aber nicht weiter darauf eingegangen werden, sondern wir wollen einen kurzen Blick auf den Forschungsbereich werfen, der sich explizit mit Führungsfragen beschäftigt. Theoretische Ansätze und empirische Führungs- oder Managementforschungen sind hauptsächlich in der Betriebswirtschaftslehre zu finden, die ihrerseits natürlich wieder zurückgreifen auf neue organisationstheoretische Erkenntnisse. Im folgenden wird auf eine Aufarbeitung der aktuellen Tendenzen in der Führungsforschung von Wunderer zurückgegriffen (vgl. Wunderer, 1995). Das Augenmerk richtete sich in den letzten Jahren weniger auf die theoretische Ebene, sondern neue Tendenzen haben sich überwiegend aus der praktischen Anwendung ergeben. In der Praxis haben Führungsfragen generell an Bedeutung gewonnen. So rangiert bspw. die Führungsaufgabe für die neunziger Jahre an erster Stelle von 18 abgefragten Personalfunktionen (vgl. Wunderer/Kuhn 1993). Interessant ist, dass die Führungspraxis sich durch eine vermehrte Berücksichtigung und Umsetzung theoretischer Führungsdiskussionen weiterentwickelt hat.. Dies ist dem Umstand zu verdanken, dass vermehrt Spezialisten für Führung und Personalmanagement in der Wirtschaft tätig sind, dies gilt besonders für Management-, Unternehmens- und Personalberatungen. So sind in den Personalverwaltungen grösserer Unternehmen zahlreiche neue Stellen entstanden, die sich mit Neu- und Umstrukturierungsfragen im Personalsektor befassen und neue Ansätze wie Personal- und Organisationsentwicklung oder Human-Ressource-Management-Konzepte umzusetzen versuchen. Dadurch haben sich Lücken zwischen theoretischer Diskussion und praktischer Anwendung zusehends verringert. Zentral ist die Erweiterung der Perspektive der traditionellen Mitarbeiter-Chef-Beziehung. Die Erweiterung betrifft drei Dimensionen, eine vertikale, eine laterale und eine horizontale. In der vertikalen Dimension werden neben dem direkten Vorgesetzten auch nächsthöhere Vorgesetzte einbezogen und in der lateralen Dimension wird gleichzeitig die zunehmend aktive Rolle der Mitarbeitenden diskutiert. Gerade in hochspezialisierten Branchen und Betrieben wie z.B. in der Informatik und High-Tech-Unternehmen sind diese Trends zu beobachten, da die Führungskräfte nicht mehr den fachlichen Einblick in die Spezialgebiete ihrer Mitarbeiter/innen haben und folglich gezwungen werden, Kompetenzen nach unten zu delegieren. Schliesslich steht in der horizontalen Dimension die Beeinflussung von und durch Kollegen/innen im Vordergrund, v. a. bei der Zusammenarbeit mit anderen Organisationseinheiten. Diese Dimension gewinnt mit wachsender Dezentralisierung und Ausdifferenzierung der Unternehmensorganisation an Bedeutung. Sie stellt die grösste Konfliktquelle der Einflussbeziehungen dar und fordert von den Führungskräften ein erhöhtes Mass an sozialen Kompetenzen. Unter dem Aspekt der Selbststeuerung sind zwei Trends zu beobachten: die Systemtheorie hat den Aspekt der Selbstorganisation in den Vordergrund gestellt (vgl. Kieser 1998), während aus der Sicht der Lerntheorie delegative Führungskonzepte eine bessere Anpassungsfähigkeit und grössere Motivation der Mitarbeiter/innen bei Übertragung selbständiger Kompetenzen bewirken. In den Vordergrund gerückt sind auch interaktionelle Führungsansätze. Betont wird hier der Aspekt der strukturellen Führung. Dabei werden zwei Formen der Strukturführung unterschieden: die "harte Strukturführung", die organisatorische Entscheide zur Aufbau- und Ablauforganisation beinhaltet und die "weiche Strukturführung" mit der Formulierung gemeinsam geteilter Verhaltensweisen und Werthaltungen. Interaktionelle Führungsansätze werden nach Ansicht von Experten (vgl. Wunderer/Kuhn 1993) noch weiter an Bedeutung gewinnen. Zu denken ist hier in erster Linie an die zunehmende Diskussion kooperativer Führungsformen. Generell wird für die Zukunft eine besondere Bedeutung der personen- und interaktionsorientierten "Leadership" prognostiziert, die klassische Managementfunktionen wie Planen, Entscheiden, Organisieren ablösen sollen. In der Praxis stösst dieser Wandel jedoch auf starke Probleme, weil interaktionsorientierte Ansätze nicht oder nur wenig befriedigend umgesetzt werden können. Stark in den Vordergrund gerückt sind Kommunikationsfunktionen der Führungspraxis. Kommunikation wird vermehrt zu einem zentralen Führungsinstrument. Die Zunahme von regelmässigen Besprechungen, Mitarbeitergesprächen, aber auch abteilungsübergreifender Zusammenarbeit sind Beleg dafür. Extrafunktionale Fähigkeiten der Führungskräfte rücken damit vermehrt ins Zentrum. Konsultative und kooperative Führungsstile stehen gleichberechtigt neben delegativen Leitbildern. Mitarbeiterkommunikation wird vermehrt in übergeordnete Kommunikationskonzepte eingebunden. Dazu gehört auch, dass die Motivationsfunktion der Führung ihre bedeutende Stellung behält, wobei die Bedeutung von Werten und Zielen in den Mittelpunkt rücken. In der Managementlehre werden zur Zeit eine Fülle von neuen Managementmethoden diskutiert, die wie Pilze aus dem Boden schiessen. Nach der neuesten Managementlehre haben die drastischen Umweltveränderungen der Unternehmen auch zu einer Evolution der Managementkonzepte geführt. Die Evolutionslinie geht dabei im Verlauf dieses Jahrhunderts vom Produktivitätsmanagement, das bis Ende der70er Jahre dominant war, über Integrationsmanagement in den 80er Jahren bis zu Lean Management und Business Reengineering in den 90er Jahren (Füsser 1999: 22). Diese neuen Ansätze haben die Arbeitsbedingungen der Führungskräfte total neu definiert. Primär sind es Versuche zur "Strukturoptimierung" und postulieren neben neuen Strukturen auch neue Denkweisen der Führungskräfte. Zentrale Stichworte sind Verflachung der Hierarchien (lean management) und radikaler Umbau der Struktur (von oben) als Auslöser von Veränderungen der Umwelt (Wettbewerbsvorteile, Steigerung des Kundennutzens etc.). 3 Wandel des Anforderungsprofils Die Unternehmen der Schweizer Wirtschaft sind in den letzten Jahren einem zunehmenden Druck ausgeliefert. Fast alle Betriebe stehen unter starkem Rationalisierungs- und Konkurrenzdruck und drei Viertel aller befragten Betriebe sind in irgendeiner Form von den Auswirkungen technologischer Veränderungen betroffen. Die Hälfte der Unternehmen spürt zunehmend die Internationalisierung der Wirtschaft. Zudem kämpft jede zweite Firma mit dem Problem, dass zur Zeit gut qualifizierte Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt Mangelware sind. Dieses Bündel an Problemen legt den Schluss nahe, dass die Arbeitsbedingungen der Führungskräfte schwieriger und komplexer geworden sind, weil sie von Veränderungen der Umweltbedingungen unmittelbar betroffen sind. Die Resultate unserer Befragung bestätigen diese Annahme. Die Anforderungen an die Führungskräfte sind merklich gestiegen. Dabei fällt auf, dass sich das Anforderungsprofil insgesamt erhöht hat. Es ist kein Trend in irgendeine Richtung festzustellen, sondern Führungspersonen sind bei einer breiten Palette an Kompetenzen oder persönlichen Eigenschaften stärker gefordert als noch vor einigen Jahren. Der Anteil der Betriebe, die eine Abnahme festgestellt haben, tendiert bei allen Anforderungsmerkmalen gegen 0 Prozent (die höchste Prozentzahl hat das Item "Belastbarkeit" mit 3.2 Prozent). Die verschiedenen Merkmale teilen sich in zwei Bereiche. Ein erster Bereich umfasst Eigenschaften oder Qualitäten, die die Persönlichkeit der Führungskraft auszeichnen. Sie sind breit gestreut und reichen von der Ausstrahlung oder dem Charisma einer Person bis zu ihrer Einstellung zur Arbeit, ausgedrückt durch Belastbarkeit oder Leistungsbereitschaft der Führungskräfte. Der zweite Bereich beinhaltet eine Gruppe von Kompetenzen. Sie beruhen auf dem Konzept der Schlüsselqualifikationen, die funktionale und extrafunktionale Kompetenzen unterscheidet. Als funktionale Kompetenzen können Fachwissen und Organisationskompetenzen bezeichnet werden. Die extrafunktionalen Kompetenzen sind in den sozialen Kompetenzen zusammengefasst. In der Realität sind die beiden Bereiche inhaltlich stark miteinander verflochten und die einzelnen Anforderungen sind teilweise stark interdependent. So besteht bspw. ein starker Zusammenhang zwischen der Persönlichkeit und dem Verantwortungsbewusstsein einer Führungskraft und ihren sozialen Kompetenzen oder der Erwerb von Kompetenzen ist eng mit der Einsatz- und Leistungsbereitschaft einer Person verknüpft. Analytisch macht es aber Sinn, Qualifikationen vom Verhalten einer Person und persönlichen Eigenschaften zu trennen. Graphik 1 illustriert die Zunahme der Anforderungen an die Kompetenzen der Führungskräfte. Es zeigt sich, dass in der Schweizer Wirtschaft insgesamt alle drei Kompetenzbereiche gleich stark zugenommen haben. Sowohl Fach-, wie auch Organisations- und Sozialkompetenz haben etwa in zwei Drittel der Betriebe zugenommen. Der Anteil der Betriebe mit einer starken Zunahme beträgt bei der Sozialkompetenz mit 15 Prozent etwas mehr als bei den anderen zwei Kompetenzbereichen mit 10 Prozent. Die Annahme, dass extrafunktionale Kompetenzen im Vergleich mit funktionalen an Bedeutung gewonnen haben, bestätigt sich also auf den ersten Blick nicht. Graphik 1: Zunahme der Anforderungen an Kompetenzen Im Vergleich der persönlichen Eigenschaften zeigen sich einige markante Unterschiede (vgl. Graphik 2). In den Vordergrund gerückt ist die Einstellung zur Arbeit. In mehr als 70 Prozent der Betriebe hat die Leistungsbereitschaft und die Belastbarkeit der Führungskräfte an Bedeutung gewonnen, in jedem fünften Betrieb hat sie sogar stark zugenommen. Dieses Ergebnis erstaunt nicht, steht doch der überwiegende Teil der Unternehmen, wie oben schon angesprochen, unter einem enormen Konkurrenz- und Rationalisierungsdruck. Deshalb werden Führungskräfte benötigt, die sich voll für die Interessen der Firma einsetzen und in der Regel sogar noch etwas mehr. Die erhöhten Anforderungen sind auch eine direkte Folge des stark gestiegenen Aufgabenvolumens. Laut einer Befragung in deutschen Unternehmen hat für die Mehrheit der Führungskräfte die Arbeitswoche 50 Stunden und mehr. 20 Prozent bringen es im Schnitt sogar auf bis zu 70 Stunden und nach Ansicht der Kader wird sich die Situation weiter zuspitzen. Das Mittelfeld aller Eigenschaften bilden Entschlusskraft, Durchsetzungsvermögen und Verantwortungsbewusstsein mit Werten zwischen 50 und 60 Prozent. Am Schluss der Rangliste mit einer Zunahme von unter 50 Prozent ist die Ausstrahlung, das Charisma zu finden. Die Persönlichkeit der Führungskräfte hat damit insgesamt in den Schweizer Betrieben im Vergleich zu anderen Merkmalen eindeutig an Stellenwert eingebüsst. Damit scheint heute tendenziell weniger die souveräne Persönlichkeit, die nur allein schon durch ihre persönliche Autorität Führungsqualitäten aufweist, gefragt zu sein, sondern eher der kompetente Macher, die kompetente Macherin, die in engem Kontakt mit dem Personal und mit vollem Einsatzwillen die Leistungsfähigkeit der unterstellten Mitarbeiter/innen und damit den Output bzw. die Produktivität erhöht. Graphik 2: Zunahme der Anforderungen an persönliche Eigenschaften Insgesamt vermitteln die Resultate den Eindruck, dass in der Schweizer Wirtschaft Führungskräfte gefordert sind, die vielfältige steigende Anforderungen erfüllen müssen. Sie müssen sowohl über starke fachliche Qualifikationen wie auch über extrafunktionale Kompetenzen verfügen, sie müssen in hohem und zunehmendem Mass Durchsetzungsvermögen und Verantwortungsbewusstsein, und vor allem Leistungsbereitschaft und extreme Belastbarkeit aufweisen. Im folgenden Kapitel gehen wir der Frage nach, inwieweit diese Anforderungen allgemeingültig sind oder ob es durch Betriebsmerkmale determinierte Anforderungsprofile gibt. 4 Einfluss der Betriebsmerkmale 4.1 Betriebsgrösse Die Grössenstruktur der Schweizer Wirtschaft ist geprägt durch die Dominanz der Klein- und Mittelbetriebe. Dasselbe Bild zeigt sich auch bei den von uns befragten Betrieben (vgl. Tabelle 1). So beträgt der Anteil der Kleinbetriebe bis 50 Beschäftigte knapp 60 Prozent. Die mittleren Betriebe mit 50 bis 250 Beschäftigte machen 30 Prozent aus, die Grossbetriebe mit 250 und mehr Angestellten rund 10 Prozent. Tabelle 1: Grössenstruktur der befragten Betriebe
Aus diesem Grund fallen im Gesamtergebnis, wie es oben beschrieben worden ist, die Veränderungstendenzen im Anforderungsprofil bei den Kleinbetrieben stärker ins Gewicht als diejenigen bei den Mittel- und vor allem bei den Grossbetrieben. Durchschnittswerte sind aus diesem Grund nur bedingt aussagekräftig und Verzerrungen bei den Resultaten vorprogrammiert. Kompetenzen, die hauptsächlich in grösseren Betrieben an Bedeutung gewonnen haben, kommen im Vergleich aller Betriebe zu schlecht weg. Betrachtet man deshalb die Ergebnisse nach Betriebsgrösse, zeigt sich ein differenzierteres Bild. Im Bereich der Kompetenzen ergeben sich deutliche Unterschiede (vgl. Graphik 3). Während im Schnitt aller befragten Betriebe alle drei Kompetenzbereiche ähnlich an Bedeutung zugenommen haben, werden beim Vergleich von Grössenkategorien Konturen sichtbar. Bei der Sozialkompetenz besteht eine klare Linearität zwischen Zunahme der Anforderungen und Betriebsgrösse. Je grösser ein Betrieb ist, desto eher nehmen die Anforderungen an die Sozialkompetenz zu. Bezüglich Fachkompetenz ist der Zusammenhang, zwar deutlich weniger ausgeprägt, umgekehrt. Mit zunehmender Betriebsgrösse nimmt ihre Bedeutung eher ab. Die Organisationskompetenz hingegen weist keinen linearen Zusammenhang mit der Betriebsgrösse auf. Ihre Bedeutung ist in mittleren und "kleineren" Grossbetrieben mit 50 bis 1'000 Beschäftigten überdurchschnittlich gestiegen. Bei Kleinstbetrieben mit weniger als zehn Beschäftigten haben die Anforderungen beim Fachwissen deutlich stärker zugenommen als Sozial- und Organisationskompetenzen. In Klein- und Mittelbetrieben mit 10 bis 250 Beschäftigten sind keine Unterschiede festzustellen. Graphik 3: Zunahme der Kompetenzen nach Betriebsgrösse Ab 250 Beschäftigten tut sich die Schere auf. Die Differenz der Werte für Sozialkompetenzen auf der einen und Fach- bzw. Organisationskompetenzen auf der anderen Seite wird immer grösser, während gleichzeitig Sozialkompetenzen zu einem dominanten Faktor werden. Graphik 4 zeigt deutlich, dass in erster Linie der Anteil Betriebe mit einer starken Zunahme der Anforderungen an die Sozialkompetenzen mit zunehmender Betriebsgrösse steigt. Graphik 4: Zunahme der Sozialkompetenzen nach Betriebsgrösse Bezüglich der persönlichen Eigenschaften der Führungskräfte ist das Bild nicht mehr so aussagekräftig (vgl. Graphik 5). In der Regel steigen hier die Anforderungen mit zunehmender Betriebsgrösse leicht an. Dies gilt vor allem für das "Charisma", etwas weniger für "Belastbarkeit", "Leistungsbereitschaft" und "Entschlusskraft". Diese Zusammenhänge sind aber nicht linear. Ausnahmen bilden "Durchsetzungsvermögen" und "Verantwortungsbewusstsein". Ihre Bedeutung hat vor allem in den grossen Unternehmen im Verhältnis zu den anderen persönlichen Merkmalen stark abgenommen. Belastbarkeit und Leistungsbereitschaft haben in allen Grössenkategorien am markantesten zugenommen. Erstere hat jedoch bei den Grossunternehmen die höchsten Werte erreicht: In 90 Prozent der Betriebe mit mehr als 1'000 Beschäftigten müssen die Führungskräfte heute belastbarer sein als noch vor einigen Jahren. Graphik 5: Zunahme der persönlichen Eigenschaften nach Betriebsgrösse Die Anzahl der Grossunternehmen macht zwar, wie oben erwähnt, nur etwa einen Zehntel aller befragten Betriebe aus. In diesen zehn Prozent aller Betriebe sind aber 81.7 Prozent aller von uns erfassten Führungskräfte beschäftigt. In absoluten Zahlen ausgedrückt: 53130 von den 65000 von uns erfassten Führungspersonen arbeiten in Firmen mit mehr als 250 Angestellten. Für die Mehrzahl aller Schweizer Führungskräfte sind damit konkret vier Anforderungsmerkmale besonders wichtig geworden: Belastbarkeit und Leistungsbereitschaft als Ausdruck einer erhöhten Hingabe an die Arbeit und an das Unternehmen, Ausstrahlung und Charisma als wichtige Führungsvoraussetzung, und - am wichtigsten - höhere Qualifikationen bezüglich Sozialkompetenzen. Letztere bilden den Schlüssel, um tayloristische, arbeitsteilige Strukturen aufzubrechen und so brachliegende Mitarbeiterpotientale optimal auszuschöpfen. 4.2 Rechtsform des Betriebes Der Trend zur Internationalisierung oder Globalisierung der Wirtschaft und zur zunehmenden Vernetzung von Firmen innerhalb der Schweizer Grenzen zeigt sich auch in der Zusammensetzung unseres Betriebssamples nach Rechtsformen. Zwar kann mit 60 Prozent der überwiegende Teil der befragten Betriebe als selbständig betrachtet werden, d.h. sie sind frei von rechtlichen Bindungen zu anderen Firmen (vgl. Tabelle 2). Aber umgekehrt ist immerhin mit 40 Prozent beinahe die Hälfte der befragten Betriebe mit anderen Firmen liiert, sei es als selbständige Muttergesellschaft, als selbständige Tochtergesellschaft mit einer inländischen Muttergesellschaft oder als selbständige Tochtergesellschaft mit einer ausländischen Muttergesellschaft. Tabelle 2: Rechtsform der befragten Betriebe
Auffälligstes Ergebnis beim Vergleich der Zunahme der Ansprüche an die Führungskompetenzen ist der überdurchschnittliche Bedeutungszuwachs der Sozialkompetenzen bei den Tochtergesellschaften (vgl. Graphik 6). Vier von fünf Tochtergesellschaften schätzen die Ansprüche an die Sozialkompetenzen heute als höher ein als vor einigen Jahren. Das Gleiche gilt, allerdings auf einem tieferen Niveau, für die Organisationskompetenzen. Umgekehrt ist das Fachwissen bei den eigenständigen Firmen wichtiger geworden. Graphik 6: Zunahme der Kompetenzen im Vergleich der Rechtsformen Allgemein sind die Ansprüche an die persönlichen Eigenschaften der Führungskräfte in Tochtergesellschaften eher stärker gestiegen als in selbständigen Firmen und in Muttergesellschaften (vgl. Graphik 7). Vor allem der Leistungsbereitschaft und Belastbarkeit des Führungskaders wird in Tochtergesellschaften deutlich mehr Beachtung geschenkt. Zusätzlich wird auch dem Durchsetzungsvermögen eines Mitglieds der Führungsetage in Tochtergesellschaften mehr Gewicht beigemessen. Graphik 7: Zunahme der persönlichen Eigenschaften nach der Rechtsform 4.3 Umsatzwandel
Der Wandel des Umsatzes, gemeint ist der Brutto-Umsatz, wird hier als ein Indikator für die Dynamik des Betriebes verstanden. Es versteht sich, dass er nur einen Teilaspekt wiedergibt. Die innere Dynamik eines Betriebes, Veränderung der Arbeitsorganisation oder der Beschäftigtenzahl, strategische Massnahmen im Bereich Produkteentwicklung oder nach aussen gerichtete Massnahmen, wie der Ausbau des Absatzmarktes, sind weitere Indikatoren, die Ursache oder Folge eines veränderten Umsatzes sein können, hier aber nicht direkt mitberücksichtigt sind. Der Umsatz hat sich in der Periode 1995 bis 1997 insgesamt in den Schweizer Betrieben nicht stark verändert (vgl. Tabelle 3). Der Anteil der Betriebe mit einer Zunahme des Umsatzes ist mit 42 Prozent leicht höher als derjenige mit einer Umsatzeinbusse, die ein Drittel der Betriebe ausmacht. Nur bei 13 Prozent der Betriebe haben grosse Umsatzveränderungen stattgefunden, je die Hälfte davon gehört zu den Gewinnern resp. Verlierern. Tabelle 3: Umsatzwandel 1995-97der befragten Betriebe
Die Annahme, dass in dynamischen Unternehmen die Anforderungen an die Führungskräfte mehr ansteigen als in solchen, die umsatzmässig in die Defensive gedrängt sind, bestätigt sich. Graphik 8 zeigt deutlich, dass hauptsächlich in Betrieben mit einem starken Umsatzwachstum die Anforderungen an die Sozial- und die Fachkompetenzen, weniger an die Organisationskompetenzen, eindeutig häufiger gestiegen sind als in Betrieben mit einer starken Umsatzeinbusse. Graphik 8: Zunahme der Kompetenzen nach Umsatzwandel In bezug auf die persönlichen Eigenschaften der Führungskräfte sind die Resultate weniger eindeutig (vgl. Graphik 9). Vor allem bei den beiden wichtigsten Eigenschaften, Leistungsbereitschaft und Belastbarkeit, sind die Unterschiede zwischen Umsatzgewinnern und -verlierern wenig aussagekräftig. Auffallend ist jedoch, dass bei den restlichen vier Eigenschaften die Kurve am Schluss stark abfällt, d.h. in Betrieben mit starken Umsatzeinbrüchen haben die Anforderungen an die Persönlichkeit der Führungskräfte eindeutig weniger oft zugenommen. In erster Linie hat hier Charisma und Durchsetzungsvermögen der Führungspersonen an relativer Bedeutung verloren. Graphik 9: Zunahme der persönlichen Eigenschaften nach Umsatzwandel Es zeigt sich, dass der Umsatzerfolg eines Unternehmens mit steigenden Anforderungen vor allem an die Kompetenzen der Führungskräfte zusammenhängt. Bemerkenswert ist das Ergebnis, dass - im Gegensatz zur Betriebsgrösse - sowohl funktionale Fachkompetenzen als auch extrafunktionale Sozialkompetenzen bei den starken Umsatzgewinnern stark gefragt sind. Bertriebe mit hohen Gewinnen benötigen höher und breiter qualifiziertes Führungspersonal. Oder vielleicht ist es auch umgekehrt: Wer höhere Anforderungen an seine Kadermitglieder stellt, erzielt auch höhere Umsatzgewinne. Über Ursache und Wirkung soll an dieser Stelle aber nicht weiter spekuliert werden. 4.4 Sektor und Branche Die Anforderungen an die Führungskräfte sind im Industriesektor durchgehend leicht höher gestiegen als im Dienstleistungssektor (vgl. Graphik 10). Die Differenzen sind aber nur minim und sollten deshalb nur mit Vorsicht interpretiert werden. Die leicht höheren Werte im Industriesektor lassen sich durch den höheren Umweltdruck im Industriebereich erklären. Industriebetriebe spüren Rationalisierungs- und Konkurrenzdruck stärker als Dienstleistungsbetriebe und sind häufiger mit den Problemen des technologischen Wandels konfrontiert. Umstrukturierungen gehören aus diesem Grund in der Industrie fast schon zum Alltag, und es erstaunt folglich auch nicht, dass bei den Ansprüchen an die Organisationsfähigkeit der Führungskräfte die grösste Differenz zwischen Dienstleistung und Industrie bestehen, ebenso, dass in Industriebetrieben die Belastbarkeit der Kaderleute noch von stärkerer Bedeutung ist. Graphik 10: Wandel der Anforderungen an Kompetenzen und persönliche Eigenschaften: Sektorunterschiede Beim Vergleich der Branchen ist augenfällig, dass im Industriesektor häufiger Werte vom Durchschnitt abweichen, bei den Dienstleistungsbranchen sind sie regelmässiger (vgl. Tabelle 4). Begünstigt wird dieser Umstand dadurch, dass die Anzahl Betriebe (N) nach Branchen sehr stark differieren. Vor allem im Industriesektor gibt es einige Branchen mit wenig erfassten Betrieben, im Dienstleistungssektor sind die Betriebszahlen mit drei Ausnahmen sehr hoch. Es erstaunt deshalb auch nicht, dass die drei Branchen, die mit durchwegs klar unterdurchschnittlichen Werten bei allen Anforderungsmerkmalen aus dem Rahmen fallen, eine sehr geringe Anzahl Betriebe aufweist. Es handelt sich zum einen um die Bekleidungsindustrie mit 14 bis 16 Betrieben (je nach Anforderung). Sie weist bei allen aufgeführten Anforderungen sehr tiefe Zunahme-Werte auf. Das Gleiche trifft ebenfalls auf die Immobilienbranche und den Bereich der persönlichen Dienstleistungen (11-13 N) zu. Bei letzteren sind als Ausnahme allerdings die Ansprüche an die Fachkompetenz leicht gestiegen. Zwei stark abweichende Resultate haben sich auch beim Fahrzeugbau (8-9 N) ergeben, die Werte für Sozialkompetenz und Belastbarkeit schlagen hier jedoch nach oben aus. Branchen mit fast durchwegs überdurchschnittlichen Zunahmen sind die Nahrungsmittelindustrie und das Textilgewerbe, ebenso, etwas weniger ausgeprägt, der Grosshandel. Überall unterdurchschnittliche Werte hat das Gastgewerbe aufzuweisen. Interessant sind die Zahlen bei der Informatik / Forschung und Entwicklung: Während Sozialkompetenzen überdurchschnittlich an Bedeutung zugelegt haben, haben die persönlichen Eigenschaften der Führungskräfte relativ an Bedeutung verloren. Am auffälligsten unterscheiden sich die Industrie- von den Dienstleistungsbranchen bezüglich Anforderungen bei der Fachkompetenz. In vielen wichtigen Branchen der Industrie - Textil, Holz, Papier, Druck, Metallherstellung, Elektrotechnik - haben die Anforderungen an das Fachwissen der Führungskräfte bei mehr als drei Viertel der befragten Betriebe zugenommen, im Textilgewerbe sogar um 84 Prozent. In der Dienstleistung hingegen entsprechen die Werte in der Regel dem Durchschnitt. Die Sozialkompetenzen polarisieren am meisten: Bei der Hälfte der Branchen ist der Wert hier stark abweichend. In neun Branchen ist er überdurchschnittlich hoch. Mit dem Grosshandel, den Banken/Versicherungen und der Informatik gehören drei wichtige Branchen des Dienstleistungssektors dazu. Die Organisationskompetenz hat in der Nahrungsmittel- und Uhrenindustrie mit 80 Prozent am meisten zugenommen. Im Bausektor sind organisatorische Fähigkeiten überdurchschnittlich häufig wichtiger geworden. In Bezug auf den Anstieg der Anforderungen an die persönlichen Eigenschaften der Führungskräfte schlagen die Werte der einzelnen Branchen weniger nach oben aus, vor allem im Dienstleistungssektor. Auffallend ist, dass in der Chemischen Industrie vor allem die Belastbarkeit der Führungskräfte enorm zugenommen hat. Im Fahrzeugbau und im Textilgewerbe gehen hier die Prozentanteil sogar gegen 90 Prozent. Die Ausstrahlung, das Charisma der Führungskräfte ist bei den Banken und Versicherungen besonders wichtig, in vielen Branchen hat sie aber eindeutig gegenüber anderen Eigenschaften an Bedeutung verloren. So sind die Zunahme-Werte im Textilgewerbe, der Bekleidungsindustrie, der Metallherstellung, in der Immobilienbranche, der Informatik und den persönlichen Dienstleistungen sehr gering. Ähnlich sieht es bezüglich Durchsetzungsvermögen aus. Am stärksten an Bedeutung gewonnen hat es im Textilgewerbe, im Dienstleistungsbereich und in den Grosshandelsfirmen. Tabelle 4: Anteil Betriebe mit Zunahme der Anforderungen in folgenden Kompetenzbereichen
In Tabelle 5 ist die Zunahme der Sozialkompetenzen nach Betriebsgrösse dargestellt. Wie schon weiter oben dargestellt, ist die Sozialkompetenz die einzige Anforderung an Führungskräfte, die insgesamt linear mit steigender Betriebsgrösse an Bedeutung gewinnt. Dieser Zusammenhang zeichnet sich auch bei den meisten einzelnen Branchen gleichermassen ab. Allerdings sind einige Zahlen aufgrund der geringen Anzahl Betriebe (N) nicht aussagekräftig genug. In der Bekleidungs- und Holzindustrie und dem Fahrzeugbau ist die Kategorie der grossen Betriebe gar nicht vorhanden, andere Branchen weisen hier nur vereinzelte Unternehmen auf. Allerdings gibt es auch bei den Kleinbetrieben Branchen mit bemerkenswert hohen Raten. So ist im Fahrzeugbau, bei der Textil- und Papierindustrie in fast allen Kleinbetrieben die Bedeutung der Sozialkompetenzen mindestens so stark gestiegen wie in den Mittel- und Grossbetrieben. Ähnliches gilt für die Informatikbranche, wo die Werte für die Kleinbetriebe höher sind als für die mittleren Unternehmen. Besonders gross sind die Unterschiede zwischen Kleinbetrieben und den mittleren und Grossunternehmen bei der Druck- und Uhrenindustrie, dem Detailhandel, den Dienstleistungen für Unternehmen und in der Baubranche. Tabelle 5: Anteil der Betriebe mit Zunahme der Anforderungen bei den Sozialkompetenzen, nach Betriebsgrösse
4.5 Sprachregion Der "Röschtigraben", der die Romandie von der Deutschschweiz in mancher kulturellen und politischen Hinsicht zu trennen scheint, wird auch bei gesamtschweizerischen Befragungen zu unterschiedlichen Themen sichtbar. Unterschiedliche Resultate können dabei nicht durch Strukturunterschiede oder verschiedene Umweltsituationen erklärt werden. Es liegt deshalb die Vermutung nahe, dass Differenzen bei Einschätzungen zwischen Deutsch- und Westschweizern oft kulturbedingt sind. Diese Vermutung kann aber im Rahmen dieses Projektes nicht nachgewiesen werden. Es gibt zwei auffällige Unterschiede zwischen den Sprachregionen. Die erste betrifft die unterschiedliche Einschätzung der Bedeutung von Sozialkompetenzen in den Führungsetagen der Betriebe. Fach- und Organisationskompetenzen werden sowohl in der Deutsch- wie in der Westschweiz etwa gleich eingeschätzt (vgl. Graphik 11). Während in der Romandie jedoch Sozialkompetenzen eher wenig an Bedeutung gewonnen haben, sind bei diesen in der Deutschschweiz die Anforderungen ungleich stärker gestiegen. Ferner fallen die generell tieferen Werte in der Italienischen Schweiz auf. Vor allem Anforderungen an das Fachwissen haben weniger deutlich zugenommen als in der übrigen Schweiz. Graphik 11: Wandel der Anforderungen an Kompetenzen und persönliche Eigenschaften nach Sprachregion Der zweite auffällige Unterschied betrifft die stark differierende Einschätzung der persönlichen Eigenschaften der Führungskräfte (vgl. Graphik 12). In der Romandie - noch ausgeprägter in der Italienischen Schweiz - haben die Ansprüche an die meisten Eigenschaften eindeutig weniger häufig zugenommen als in der Deutschschweiz. Am auffälligsten ist die sehr geringe Bedeutung, die der Belastbarkeit der Führungskräfte in der lateinischen Schweiz beigemessen wird. Graphik 12: Zunahme der persönlichen Eigenschaften nach Sprachregion Über die Grössenstruktur der Betriebe können die regionalen Unterschiede nicht erklärt werden. Sie ist in der Deutschschweiz wie in der Romandie ähnlich. Es ist auch nicht so, dass die Deutschschweizer Betriebe unter einem grösseren Druck der Umwelt leiden. Sowohl unter Rationalisierungs- wie auch Konkurrenzdruck und der Problematik des technologischen Wandels leiden Unternehmen beidseits der Saane ähnlich stark. Dagegen ist der Anteil der Tochtergesellschaften in der Deutschschweiz etwas höher und, wie oben schon festgestellt, sind die Ansprüche an die Führungskräfte in Tochtergesellschaften etwas mehr gestiegen. Nun könnte man ja auch argumentieren, dass im "kommunikativen Menschenschlag" der Romandie Sozialkompetenzen schon zur Genüge vorhanden sind, ganz im Gegensatz zur eher "verschlossenen Bevölkerung" in der Deutschschweiz, die Sozialkompetenzen erst mühsam erlernen muss. Aber Erklärungen in Form von kulturellen (Vor-) Urteilen müssen wie erwähnt spekulativ bleiben. Aber wahrscheinlich fällt der Umstand, dass es der Wirtschaft in der lateinischen Schweiz allgemein schlechter geht, am stärksten ins Gewicht. Verbunden damit ist ein eher defensives Verhalten der dortigen Betriebe, was sich vor allem in der Einschätzung der Sozialkompetenzen äussert. Überspitzt formuliert könnte man sagen, dass sie andere, existentiellere Probleme haben als die Verbesserung der sozialen Kompetenzen. 5 Schlussbemerkungen Die Anforderungen an die Führungskräfte in der Schweizer Privatwirtschaft sind insgesamt stark gestiegen. In über 70 Prozent der befragten Betriebe ist die Einstellung zur Arbeit bzw. zum Arbeitgeber in Form von Leistungsbereitschaft und Belastbarkeit wichtiger geworden, und in zwei Drittel der Unternehmen haben die Ansprüche an Fach-, Sozial- und Organisationskompetenzen zugenommen. Beim Anforderungsprofil an Führungskräfte muss zwischen Kompetenzen und persönlichen Eigenschaften unterschieden werden. Bezüglich Kompetenzen haben Fach-, Sozial- und Organisationskompetenzen im Vergleich aller befragten Betriebe in gleichem Masse an Bedeutung gewonnen. Es zeigt sich allerdings, dass die Bedeutung der Sozialkompetenzen mit zunehmender Betriebsgrösse linear ansteigt. So haben in 87 Prozent der grossen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten die Anforderungen an Sozialkompetenzen zugenommen. Organisationskompetenzen haben am meisten bei mittleren Betrieben zugenommen, weniger bei den kleinen Betrieben und Grossunternehmen mit mehr als 1'000 Beschäftigten. Für kleine Betriebe ist die Fachkompetenz nicht nur absolut zentral geblieben, sondern ihre Bedeutung ist im Vergleich zu den anderen Kompetenzen sogar noch gestiegen. Die persönlichen Eigenschaften der Führungskräfte werden mit zunehmender Betriebsgrösse durchwegs wichtiger, allerdings nur bis zu einer Grösse von 250 Beschäftigten. In den grösseren Betrieben stagnieren die Werte, abgesehen von einigen Ausnahmen: Die Bedeutung von "Verantwortungsbewusstsein" und "Durchsetzungsvermögen" sinkt ab 250 Beschäftigten, diejenige der "Ausstrahlung" nimmt hingegen noch zu, und "Belastbarkeit" wird in Grossfirmen ab 1'000 Beschäftigten noch wichtiger. Je besser sich der Brutto-Umsatz in den letzten zwei Jahren entwickelt hat, desto stärker sind die Ansprüche an die Kompetenzen der Führungskräfte gestiegen. Gleichzeitig fällt auf, dass Betriebe mit einer starken Abnahme des Brutto-Umsatzes sowohl Anforderungen an Kompetenzen als auch an persönliche Eigenschaften der Führungskräfte viel weniger stark zugenommen haben. Keine oder eine negative Umsatzdynamik wirkt sich auch bremsend auf die Ansprüche der Firmen an ihre Vorgesetzten aus. Gewichten wir nicht die Betriebe sondern betrachten die Resultate aus der Sicht der Führungskräfte ergibt sich ein relativ klares Bild. Da die überwiegende Mehrheit der 65'000 von uns erfassten Führungskräfte in Grossunternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten ihre Arbeit verrichten, werden die Sozialkompetenzen zur zentralen Qualifikationsanforderung. Konkret ausgedrückt: Für mehr als 80 Prozent der in der Befragung erfassten Führungskräfte haben die Ansprüche des Unternehmens an ihre Sozialkompetenzen zugenommen. Die zunehmende Bedeutung der Sozialkompetenzen kann somit als zentrales Ergebnis dieser Studie betrachtet werden. Insgesamt hat in den Grossunternehmen ein interessanter Mix von unterschiedlichen Anforderungen an Bedeutung gewonnen. In den Vordergrund gerückt ist einerseits neben den Sozialkompetenzen die Ausstrahlung oder natürliche Autorität der Führungspersonen. Eine moderne Führungskraft muss heute sowohl kommunikatives und kooperatives Geschick im Umgang mit den Mitarbeiter/innen beweisen, gleichzeitig aber auch über ihre blosse Erscheinung Führungsqualitäten ausstrahlen. Nicht minder wichtig ist andererseits eine hohe Bereitschaft zur optimalen Leistung und damit verknüpft eine extreme Belastbarkeit. Ob sich diese teils sehr unterschiedlichen Ansprüche im Einzelfall verwirklichen lassen, bleibt zumindest fraglich. In der vorliegenden Arbeit sind die Zusammenhänge zwischen Qualifikationsanforderungen und Betriebsmerkmalen analysiert worden. Dies erklärt nicht allein den enormen Anstieg des Anforderungsprofils an Führungskräfte. Verschiedene andere Faktoren spielen noch mit hinein. Innerbetriebliche Veränderungen der Arbeitsorganisation oder strategische Massnahmen der Betriebsleitung haben einschneidende Auswirkungen auf die Tätigkeit der Führungskräfte. Aber auch die Umweltsituation der Unternehmen, Konkurrenz- und Rationalisierungsdruck oder technologische Neuerungen können zu Veränderungen im Anforderungsprofil führen. Diesen Fragen ist ein folgender Arbeitsbericht gewidmet. Er geht zudem auch der Frage nach, wie sich Veränderungen bei der Aufgabenbelastung der Führungskräfte auf ihr Qualifikationsprofil auswirken. Brünnecke, Karin, 1998. Autorität des Managements. Deutscher Universität Verlag. Coenenberg, Adolf (Hrsg.), 1989. Betriebliche Aus- und Weiterbildung von Führungskräften. Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung. Sonderheft 24. Füsser, Karsten, 1999. Modernes Management. Deutscher Taschenbuch Verlag. Geser, Hans et al., 1998. Arbeitsqualifikationen der Zukunft. Zürich. Kieser, Alfred (Hrsg.), 1998. Organisationstheorien. Kohlhammer. Mintzberg, Henry, 1991. Mintzberg über Management. Führung und Organisation, Mythos und Realität. Gabler Verlag. Perich, Robert, 1992. Unternehmensdynamik. Zur Entwicklungsfähigkeit von Organisationen aus zeitlich-dynamischer Sicht. Paul Haupt Bern. Wunderer, Rolf / Kuhn, Thomas, 1993. Unternehmerisches Personalmanagement. Konzepte, Prognosen und Strategien für das Jahr 2000. Campus Verlag. Wunderer, Rolf, 1995. Mitarbeiterführung - Entwicklungstendenzen. In: Kieser / Reber / Wunderer, Handwörterbuch der Führung, S. 1539-1546. Wild, Walter, 1997. Aufgaben und Rollen von Führungskräften: neue Herausforderungen und ihre Konsequenzen. SR-Druck. |
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