Soziologisches Institut der Universität Zürich

Lehrstuhl Prof. Dr. Geser

Home: Projekt "Wandel der Arbeitswelt"

Wandel der Arbeitswelt
Ergebnisse eines neuen schweizerischen Forschungsprojekt
Der Einsatz von Teilzeit- und Temporärstellen in Schweizer Betrieben

Michèle Ernst

Teilzeit-Beschäftigung

Welche Unternehmen beschäftigen Teilzeit?

Temporärarbeit

Wer wird diese zwei flexiblen Beschäftigungsformen in den nächsten Jahren ausbauen?

 Fazit
 
 

Teilzeit-Beschäftigung

Wie wir schon von den Daten der SAKE und Betriebszählung wissen, arbeiten zwar rund 25% der Beschäftigten mit einer Anstellung von weniger als 90%, was im Vergleich zu den umliegenden Ländern ein relativ hoher Anteil an Teilzeitbeschäftigten ist. Die Unternehmen aber, die Teilzeitstellen offerieren sind relative wenige. So hatten in unserer Umfrage  ein Viertel (24.5%) der Unternehmen gar keine Teilzeitstellen aufzuweisen, ein weiterer kleiner Drittel (30.3%) kennt Teilzeit nur als ein sehr marginales Phänomen (weniger als 10% der Beschäftigten) und bei bloss 14% der Unternehmen überschritt der Teilzeit-Anteil 30%. 

Wenn ein Unternehmen Teilzeitjobs anbietet, so handelt es sich oft mehrheitlich um Beschäftigungrade von über 50%. Nur gerade bei 15% der Unternehmen überwiegen kurze Teilzeitpensen gegenüber den längeren.


 
 

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Welche Unternehmen beschäftigen Teilzeit?

Grösse

In den meisten grösseren Betrieben (mehr als 50 Beschäftigte) gibt es einen gewissen Anteil an Teilzeitstellen, welcher aber selten mehr als 10% beträgt. Die kleineren Betriebe haben öfters entweder gar keine Teilzeitangestellte oder aber dann mehr als 30%. Dies hängt natürlich mit einer mathematischen Wahrscheinlichkeit zusammen (z.B. bei 6 Beschäftigten wovon 2 Teilzeit arbeiten, ergibt es schon mehr als 30%). Dass kleine Betriebe öfters nur Vollzeit-Angestellte haben kann auch damit zusammenhängen, dass dort die Administrationsarbeiten teils von Familienmitglieder ausgeführt werden, welche nicht zu den Beschäftigten gezählt werden.

Sexuierung des Arbeitsmarktes

Die Teilzeitstellen in der Schweiz konzentrieren sich also auf wenige Unternehmen. Bisherige Untersuchungen haben immer wieder gezeigt, dass sich diese in den sehr feminisierten Arbeitsmarktsegmenten wie dem Detailhandel befinden. 

Da 90% aller Teilzeitarbeitsplätze von Frauen besetzt sind, ist es nicht erstaunlich, dass es in Unternehmen mit viel Frauen auch mehr Teilzeitstellen gibt. Wie steht es aber mit den Männer in Frauenbetrieben und Frauen in Männerbetrieben? Man könnte davon ausgehen, dass in Unternehmen die hauptsächlich Frauen beschäftigen, die Teilzeitarbeit auch für Männer üblicher ist und umgekehrt. Wir sehen in der folgenden Tabelle, am Beispiel der Männer, dass dies nur zum Teil der Fall ist.
 
 Tatsächlich sieht es so aus, als ob es zwei verschiedene Verhaltensweisen gäbe. In sehr männerdominierten Unternehmen arbeiten die Frauen entweder 100% wie die Männer oder aber hauptsächlich Teilzeit. Genauso banalisiert eine massive Frauenpräsenz entweder die Teilzeit generell, oder aber die Arbeitsteilung bleibt streng traditionell und die Männer arbeiten ausschliesslich Vollzeit. Diese zwei Verhaltenstypen entsprechen ziemlich genau einer Branchenlogik: in der Industrie bleibt die Teilzeitarbeit reine Frauensache, und in der Dienstleistung arbeiten öfters auch Männer Teilzeit. 
 
 

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Ob eine Frau oder ein Mann also eine Teilzeitstelle besetzen kann oder muss, hängt von der Branche ab, speziell auch von ihrer geschlechterspezifischen Konnotation derselben. In der Industrie wird die Frauenarbeit klar von der Männerarbeit getrennt, während im Dienstleistungsektor die Anstellungsform etwas weniger durch das Geschlecht geprägt sind. Obwohl in der Schweiz die Teilzeit generell mehrheitlich die Frauen betrifft, handeln diesbetrefflich die Dienstleistungsbetriebe etwas weniger diskriminierend.

Branche

In der Baubranche haben die meisten Unternehmen (78%) gar keine, oder sehr wenige Teilzeitstellen. Im grossen Teil der Industrie ist Teilzeit absolut marginal (wenn überhaupt, dann hauptsächlich in Form von langen Teilzeitstellen). Im Dienstleistungssektor findet man hingegen viele Unternehmen mit einem wichtigen Anteil von Teilzeitstellen (bei 57% sind es mehr als 10% aller Stellen).

Den grössten Teil der Unternehmen mit einem Anteil an Teilzeitstellen von über 10% findet man in den folgenden Branchen: Detailhandel (74%), Banken und Versicherungen (68%), persönliche Dienstleitungen (64%), Nahrungsindustrie (55%). Die Banken und Versicherung bieten vor allem lange Teilzeitstellen an, während man im Gastgewerbe und in den persönlichen Dienstleistungen öfters mit kurzer Teilzeit arbeitet. Die wenigen männlichen Teilzeitstellen findet man am ehesten im Detailhandel (vor allem Bekleidung), in der Transport und Telekom- und in der Informatik-Branche.

Qualifikationsgrad der Beschäftigten

In Unternehmen mit vielen gut ausgebildeten Beschäftigten, findet man oft einen kleinen Anteil an Teilzeit (vor allem 50-90% Stellen). Mehr Teilzeitjobs (und auch kürzere) findet man eher in Unternehmen mit vielen Unqualifizierten. Wo die Beschäftigten hauptsächlich eine Lehre haben, gibt es öfters gar keine Teilzeitstellen. Die Unterschiede sind hier aber relativ klein. Die Qualifikationsanforderungen ändern nicht mit dem Anteil an Teilzeitstellen im Unternehmen.

Organisationeller Wandel

Unternehmen die angeben, dass in den letzten 2 Jahren in der Organisation die Verantwortung der Mitarbeiter zugenommen hat (Kontrolle durch Managment vermindert, Autonomie und Teamarbeit vestärkt), bieten selten nur 100%-Stellen, sondern oft auch 50-90%-Stellen. Kürzere Teilzeitstellen gehen aber nicht mit Mitverantwortung einher.
 
 

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Temporärarbeit

Im gesamten ist in der Schweiz die Temporärarbeit recht verbreitet. 42% der befragten Betriebe beschäftigten zum Zeitpunkt der Umfrage mindestens eine Person in dieser Form. Es handelt sich aber meistens um einen kleinen Anteil der Beschäftigten. Aber immerhin in 15% der Betriebe waren mehr als 10% der Belegschaft temporär angestellt.

Nach Temporärarbeit greifen vorallem die grossen Unternehmen (+250): nur gerade 19% unter ihnen haben nicht auf diese Beschäftigungsform zurückgegriffen, gegen 72% der Kleinbetriebe (-49). Ob viele Frauen oder Männer beschäftigt sind, spielt keine Rolle, auch der Qualifikationssgrad der Belegschaft nicht. Wichtig hingegen ist die Branche: zwischen den 3 grossen Sektoren sind die Unterschiede relativ klein, sie akzentuieren sich jedoch innerhalb der Sektoren.

Am wenigsten ist Temporärarbeit in der Uhrenindustrie und in der persönlichen Dienstleistung verbreitet (72% resp. 85% der Betriebe haben keine Temps). Einen bescheidenen Gebrauch machen Banken, Metall- und Papierindustrie (43%, 53%, 48% haben weniger als 10% temps). Einen breiteren Gebrauch machen hingegen vor allem das Gastgewerbe und der Bau (30% und 27% mit mehr als 10% temps). Diese 2 Branchen unterliegen klar saisonalen Schwankungen, und lösen also ihr Flexibilitätsbedüfrnis auf diese Weise, und nicht mit Teilzeitstellen wie z.B. der Detailhandel, welcher mehr mit kleineren und kurzfristigeren Schwankungen umgehen muss. Zum Untersuchungszeitpunkt war es zudem nicht Hochsaison, der Unterschied sollte also sehr wahrscheinlich noch stärker sein als hier gemessen.

Auch hier findet man den Unterschied zwischen Unternehmen die in den letzten 2 Jahren die Verantwortung der Mitarbeiter vermindert und solchen die sie erhöht haben. Letzere beschäftigen etwas weniger temporär. Auch Temporärbeschäftigung wird von den Unternehmen also als unvereinbar mit einem Mitdenk- und Mitbestimmungsrecht angesehen.
 
 

Wer wird diese zwei flexiblen Beschäftigungsformen in den nächsten Jahren ausbauen?

Es sind in erster Linie die Grossbetriebe (fast die Hälfte von ihnen) die weitere Stellen in Form von Teilzeit oder Temporär vorsehen; nur gerade 18% der Kleinbetriebe werden so neue Beschäftigte gewinnen, und dies fast immer nur durch Teilzeit. Im Bau wird hauptsächlich durch Temporärarbeit flexibilisiert, in der Dienstleistung viel öfter durch neue Teilzeitstellen. 

In der Dienstleistung werden vor allem die Banken und Versicherungen Teilzeitstellen (42% der Unternehmen) schaffen und zum Teil der Detailhandel (24%). Auch in der chemischen Industrie erwartet man (29%) mehr neue Teilzeitstellen. Temporärstellen hingegen werden vor allem in der Metall- und Maschinenindustrie ausgebaut ; 25% dieser Betriebe geben an, dass in den nächsten Jahren die Zahl solcher Beschäftigungen bei ihnen zunehmen wird.

Betriebe mit grossem Frauenanteil und solche mit hoch ausgebildetem Personal werden vor allem die Teilzeitstellen ausbauen, sowie auch Unternehmen welche die Gleichstellung aktiv fördern. Temporärjobs werden eher da zunehmen wo viele Männer arbeiten und wo das Personal zum grossen Teil unqualifiziert ist. 

Unternehmen die sich von einem Konkurrenz- und Rationalisierungsdruck betroffen fühlen, werden beide dieser Beschäftigungsformen ausbauen. Aber auch solche die in den letzten Jahren die Kontrolle vermindert, die Autonomie und Polyvalenz gefördert und flexiblere Arbeitsprozesse und Arbeitszeiten eingeführt haben, werden in Zukunft vermehrt davon Gebrauch machen.
 
 

Fazit

Die Schweizer Betriebe machen einen recht breiten Gebrauch von Teilzeit- und Temporärarbeit. Branchen die starken saisonalen Schwankungen ausgesetzt sind (Baubranche und Gastgewerbe) flexibilisieren ihre Arbeitskraft mehrheitlich durch Temporärarbeit. Solche die eher mit täglichen und wöchentlichen Schwankugen umgehen müssen, zählen lieber auf die Flexibilitäts des Teilzeitpersonals. Das heisst unter anderem, dass z.B. annualisierte Teilzeitformen nicht sehr verbreitet sind, obwohl dies eine mögliche Alternative wäre um sich saisonalen Schwankungen anzupassen. 

Temporärarbeit, sowie auch kurze Teilzeitarbeit, wird hauptsächlich da gebraucht, wo das Personal eher unqualifziert ist. In diesen Unternehmen wurden oft auch die Spielräume der Mitarbeiter beschränkt. Betriebe die hingegen auf das persönliche Engagement zählen und auch die Mittel dazu geben, beschäftigen öfters mit 50-90% Teilzeitstellen. Diese werden auch da gebraucht wo das Personal ein hohes Ausbildungsniveau hat. 

In Zukunft werden speziell die Unternehmen, welche sich stark einem Konkurrenz- und Rationalisierungsdruck ausgesetzt fühlen, in Temporär- und Teilzeitstellen investieren. Diese zwei flexiblen Beschäftigungsformen werden also als Mittel zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit angesehen. Welche Form dann mehrheitlich eingesetzt wird, hängt stark von der Branche, aber auch von der Vision des Personalmanagements ab.
 
 

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Basisinformationen über das Projekt:

Beim Forschungsprojekt "Wandel der Arbeitswelt" handelt es sich um eine prospektive Untersuchung in schweizerischen Industrie-, Gewerbe- und Dienstleistungsbetrieben, die 1997-2000 gemeinsam vom Soziologischen Institut der Universität Zürich (SUZ) und der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) durchgeführt wurde. Sie wurde vom Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen des Nationalen Schwerpunktprogramms "Zukunft Schweiz" finanziert.

Das Projekt hat zum Ziel, erstmals notwendige Basisdaten über den Qualifikationsbedarf der Schweizer Wirtschaft zu beschaffen. Dabei berücksichtigt es nicht nur den quantitativen Personalbedarf, sondern erfasst auch organisatorische und technologische Veränderungen in den Betrieben, die sich auf die Anforderungen an Arbeitsqualifikationen auswirken.

In methodischer Hinsicht bildet die standardisierte Erhebung der Qualifikationsstruktur, des Qualifikationsbedarfs sowie des organisatorischen Wandels der Betriebe den Schwerpunkt der Untersuchung.
Bei der Stichprobe handelt es sich um ein Panel von rund 6'000 privaten Unternehmungen, die vom KOF jährlich in Fragebogenerhebungen mit wechselnder Thematik einbezogen werden.
 
Es besteht aus einer nach Betriebsgrössenklassen und Branchenzugehörigkeit geschichteten Stichprobe, die Betriebe aus allen wichtigen Bereichen der Industrie, des Gewerbes sowie des privaten Dienstleistungssektors mitumfasst. Nicht einbezogen sind Betriebe, die ihre Dienstleistungen im Bereich Bildung, Gesundheit oder soziale Wohlfahrt erbringen.
Die Befragung richtete sich an Inhaber von betrieblichen Führungspositionen im Personalbereich.
An der Befragung, die vom Januar bis Mai 1998 stattgefunden hat, haben insgesamt 2143 Firmen teilgenommen.
Informationen zu diesem Forschungsprojekt können unter
Tel. ++41 (0)44 635 2310 oder
geser@soziologie.uzh.ch bezogen werden.