Soziologisches Institut der Universität Zürich

Lehrstuhl Prof. Dr. Geser

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Wandel der Arbeitswelt
Ergebnisse eines neuen schweizerischen Forschungsprojekts

Die intelligenteste Branche
Belegschaftsstrukturen nach Branche und Ausbildungsniveau

Hanja Hansen

 

Betriebe haben die Wahl, die Zusammensetzung ihrer Belegschaft zu bestimmen. Brauchen sie mehr Kopf oder Hand, oder gleichviel von Beiden? Während im traditionellen Industriebetrieb die administrative Kopf- und Lenkungsarbeit als nichtproduktive Arbeit gilt, zählt im modernen HighTech- und Dienstleistungsbetrieb Kopfarbeit mehr wie die Handarbeit. Veränderte technologische Möglichkeiten, Erweiterung der Managementprinzipien von Kontrolle zu Selbstkontrolle sowie neue Organisationsformen führen zu einem veränderten Arbeitskräftebedarf. Doch darüber hinaus wird die Zusammensetzung der Belegschaft selbst zu einem strategischen Element, welches in den Branchen unterschiedlich wahrgenommen wird.

Branchen beschreiben homogene Räume, die alle Unternehmen zusammenfassen, die die gleiche Tätigkeit ausüben oder das gleiche Produkt herstellen. Die einzelnen Betriebe treffen gleiche oder ähnliche Produktionsbedingungen an. Sie konkurrieren sich sowohl auf dem Absatzmarkt um die Kunden als auch auf dem Arbeitsmarkt um die verfügbaren Arbeitskräfte. Für alle Betriebe gelten gleichermassen branchenbezogene Regeln über Tarifverträge, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Der Vergleich von Branchen untereinander kann aufgrund diverser Kriterien geschehen, bspw. der Exporttätigkeit, des Umsatzvolumens, des Beschäftigungsanteils an der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung oder eben ihrer Belegschaftsstrukturen. Die Belegschaftstrukturen zeigen auf, welchen Anteil die verschiedenen Ausbildungsniveaus innerhalb der Belegschaft ausmachen. So unterscheiden sich deutlich Branchen mit einem grossen Anteil an hochqualifizierten Arbeitskräften von jenen Branchen, in denen der Anteil niedrigqualifizierter Arbeitskräfte überwiegt.

Da für An- und Ungelernte das Arbeitsangebot in Zukunft tendenziell sinkt, ist für es für sie umso hilfreicher zu wissen, in welchen Branchen die Chancen einer Beschäftigung am besten stehen. Über eine Berufslehre verfügen im Schnitt jeweils 46% der gesamten Belegschaft. Der Bedarf an gelernten Arbeitskräften wird zukünftig noch ansteigen (vgl. Hansen in Geser et. al. 1998). Ebenso steigt die Nachfrage nach Fachhochschulgänger/-innen. Ihr Anteil an der Belegschaft beträgt heute 11% und derjenige von Hochschulabsolvent/-innen 8%.

Die intelligentesten Branchen

Der prozentuale Anteil an Arbeitskräften mit einem Hochschulabschluss oder einem anderen höheren Abschluss überwiegt mit aller Deutlichkeit in folgenden fünf Branchen:
Informatik/F&E,
Elektrotechnik,
Banken/Versicherungen,
Elektronik und
Dienstleistungen für Unternehmen.

In der Informatik/F&E verfügen 43% der Beschäftigten über eine höhere Ausbildung und etwa eine gleich grosse Gruppe über eine Berufslehre. Mit insgesamt 90% gelernten Arbeitskräften stellt damit die Informatik die qualifizierteste Branche dar. In der Elektrotechnik finden sich 39% hochqualifizierte Arbeitskräfte, in Banken/Versicherungen 37%, in der Elektronik 36% und in den Dienstleistungen für Unternehmen 34%. In allen übrigen Branchen liegt der Anteil hochqualifizierter Arbeitskräfte unter der 20% Marge.

Die durchschnittliche Betriebsgrösse unterscheidet sich in diesen Branchen, sodass anzahlmässig die meisten hochqualifizierten Arbeitskräften in Banken/Versicherungen und in der Elektrotechnik anzutreffen sind. In diesen Branchen sind auch 85% aller Frauen beschäftigt, die über einem Hochschulabschluss verfügen. In Banken/Versicherungen arbeiten durchschnittlich 163 Hochschulabsolvent/-innen von denen 77 Frauen sind. Es fällt auf, dass Männer sich vorwiegend mittels Berufslehre und einer höheren Ausbildung qualifizieren, Frauen, besonders im Industriesektor, jedoch entweder als Hochschulabsolventinnen oder als An- und Ungelernte in den Betrieben tätig sind. Insofern werden durch die Stärkung der Fachhochschulen vorallem die männlichen Arbeitnehmenden gefördert. Frauen bewegen sich auf einem Bildungsweg, der weniger Transfermöglichkeiten zulässt.

Chancen für An- und Ungelernte

Die umgekehrte Betrachtung, wo am meisten Un- und Angelernte arbeiten, ergibt folgende Hitliste:
Bekleidung,
Textilgewerben,
Uhren,
Persönliche Dienstleistungen und
Diverse.

Die Bekleidungbranche sticht mit einem Anteil von über 80% An- und Ungelernten hervor. In den übrigen genannten Branchen liegt jener Anteil um die 60% in der Belegschaft. Beschäftigungschancen hängen nicht allein vom Ausbildungsniveau der Stellensuchenden ab, sondern auch von dem Segment, in dem sie sich bewerben. Dies besagt ebenfalls eine Untersuchung von Crotti/Landolt (Lizentiatsarbeit am Soziologischen Institut der Universität Zürich), die ergibt, dass der Erfolg bei der Stellensuche bei unqualifizierten Arbeitskräften insbesondere von den Sprachkenntnissen und vom Alter der Bewerber und arbeitsmarktlichen Massnahmen abhängt.

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Zusammenfassend unterscheiden sich die Belegschaftsstrukturen nach Ausbildungsniveau zwischen den Branchen. Das höchste Ausbildungsniveau weist die Informatik/F&E mit einem Anteil von 42% hochqualifizierter Arbeitskräfte auf, das geringste Ausbildungsniveau hat die Bekleidungsbranche, wo der Anteil der hochqualifizerten Arbeitskräfte auf 1% sinkt. Damit wird das traditionelle industrielle Pyramidenmodell ergänzt um das jüngere Säulenmodell aus den HighTech- und Dienstleistungssbranchen.

 

 

Basisinformationen über das Projekt:

Beim Forschungsprojekt "Wandel der Arbeitswelt" handelt es sich um eine prospektive Untersuchung in schweizerischen Industrie-, Gewerbe- und Dienstleistungsbetrieben, die 1997-2000 gemeinsam vom Soziologischen Institut der Universität Zürich (SUZ) und der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) durchgeführt wurde. Sie wurde vom Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen des Nationalen Schwerpunktprogramms "Zukunft Schweiz" finanziert.

Das Projekt hat zum Ziel, erstmals notwendige Basisdaten über den Qualifikationsbedarf der Schweizer Wirtschaft zu beschaffen. Dabei berücksichtigt es nicht nur den quantitativen Personalbedarf, sondern erfasst auch organisatorische und technologische Veränderungen in den Betrieben, die sich auf die Anforderungen an Arbeitsqualifikationen auswirken.

In methodischer Hinsicht bildet die standardisierte Erhebung der Qualifikationsstruktur, des Qualifikationsbedarfs sowie des organisatorischen Wandels der Betriebe den Schwerpunkt der Untersuchung.
Bei der Stichprobe handelt es sich um ein Panel von rund 6'000 privaten Unternehmungen, die vom KOF jährlich in Fragebogenerhebungen mit wechselnder Thematik einbezogen werden.
 
Es besteht aus einer nach Betriebsgrössenklassen und Branchenzugehörigkeit geschichteten Stichprobe, die Betriebe aus allen wichtigen Bereichen der Industrie, des Gewerbes sowie des privaten Dienstleistungssektors mitumfasst. Nicht einbezogen sind Betriebe, die ihre Dienstleistungen im Bereich Bildung, Gesundheit oder soziale Wohlfahrt erbringen.
Die Befragung richtete sich an Inhaber von betrieblichen Führungspositionen im Personalbereich.
An der Befragung, die vom Januar bis Mai 1998 stattgefunden hat, haben insgesamt 2143 Firmen teilgenommen.
Informationen zu diesem Forschungsprojekt können unter
Tel. ++41 (0)44 635 2310 oder
geser@soziologie.unizh.ch bezogen werden.