Soziologisches Institut der Universität Zürich

Lehrstuhl Prof. Dr. Geser

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Wandel der Arbeitswelt
Ergebnisse eines neuen schweizerischen Forschungsprojekts

Belegschaftsstrukturen 

Hanja Hansen

1. Einführung
2. Eine durchschnittliche Belegschaftsstruktur
3. Geschlecht
4. Landesregionen
5. Sektorale Belegschaftsstrukturen
6. Belegschaftsstrukturen nach Betriebsgrösse
7. Zusammenfassung

 

  1. Einführung

Belegschaftsstrukturen sind darum von Interesse, weil sie die Heterogenität der Arbeitnehmerschaft darzustellen vermögen. Reine Trendanalysen des Personalbedarfs könnten den fehlerhaften Eindruck erwecken, es bedürfe in Zukunft kaum mehr Hilfskräfte, dafür aber umso mehr ausgebildete Berufsleute. Obwohl das Projekt "Arbeitsqualifikationen der Zukunft" zu diesem durchaus korrekten Ergebnis gelangt, reicht dieser Befund nicht aus, um direkt in die Berufsbildungsplanung einzufliessen. Vielmehr muss dem Prinzip der betrieblichen Arbeitsteilung gerecht werden, indem die Zusammensetzung der Belegschaft nach den verschiedenen Ausbildungsniveaus berücksichtigt wird. Natürlich ist das Ausbildungsniveau nur ein schwaches Indiz für mögliche Arbeitsrollen. Es kann jedoch in Kombination mit der Branche den Berufsverbänden Hinweis auf die nachfrageorientierte Entsprechung ihrer Grundausbildung geben. Bereits nach Sektoren und Betriebsgrösse differenzierte Belegschaftsstrukturen verdeutlichen die heterogene Zusammensetzung der Arbeitnehmenden in den Betrieben. In diesem Bericht finden sich erste Auszählungen zu den Belegschaftsstrukturen.

Eine solche repräsentative Detailanalyse ist in der internationalen Qualifikationsforschung einmalig. Möglicherweise liegt auch weniger ein theoretischer als ein praktischer Gewinn in den Analysen. Deswegen mag es gewinnbringend sein, in der Folge dem Transfer der Erkenntnisse in die Berufsbildungsplanung verstärkt Gewicht zu geben. Für die weitere theoretische Diskussion sollte insbesondere der Strukturwandel der Arbeit bedacht werden.

 

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2. Eine durchschnittliche Belegschaftsstruktur

Eine durchschnittliche Schweizer Belegschaft besteht zu 46% aus Arbeitnehmenden mit einer Berufslehre. Die zweitgrösste Beschäftigungsgruppe machen die An- und Ungelernten mit 31% aus. 11% verfügen über einen höheren Abschluss und 8% über einen Hochschulabschluss. Der Lehrlingsanteil beträgt in den Betrieben durchschnittlich 5% der Gesamtbelegschaft.

 

Diese Zusammensetzungen variieren einerseits unter der Berücksichtigung des Geschlechts der Arbeitnehmenden, andererseits auch je nach regionalem Standort der Betriebe und nach Sektoren und Betriebsgrössen. Diese Spezifika werden im folgenden vorgeführt.

 

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3. Geschlecht

Frauen sind anzahlmässig weit geringer vertreten als Männer. Anteilsmässig sind sie bei den Hochschulabgängern häufiger als Männer anzutreffen, diese verfügen dafür häufiger über einen höheren Abschluss oder eine Lehre. Überdurchschnittlich viele erwerbstätige Frauen zählen entweder zu den An- und Ungelernten oder zu denjenigen mit den höchsten Abschlüssen. Die stärksten geschlechtsspezifischen Unterschiede würden vermutlich in einer branchenspezifischen Auswertung hervortreten. Interessant wäre es auch zu überprüfen, ob hochqualifizierte Frauen auch in Führungspositionen anzutreffen sind. Erste Auswertungen lassen allerdings darauf schliessen, dass die Korrelationen zwischen Hierarchiestufen und Ausbildungsniveau gering ausfallen.

 

 

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4. Landesregionen

 

Die Belegschaftsstrukturen unterscheiden sich deutlich zwischen den Landesregionen. Während die Romandie und die Deutschschweiz den gleichen Typus aufweisen wie aktuelle Bevölkerungspyramiden (analog einer Zwiebel), setzt sich die typische Tessiner Belegschaft in einer klassischen Pyramidenform zusammen. In der Deutschschweiz verfügt der grösste Anteil von 47% der Belegschaft über eine Berufslehre, in der Romandie beträgt dieser Anteil 42%. Im Tessin hingegen haben im Durchschnitt nur 32% eine Berufslehre und 53% der Beschäftigten verfügen über keine Ausbildung.

 

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5. Sektorale Belegschaftsstrukturen

Die durschnittliche Betriebsgrösse ist im Dienstleistungssektor mit 208 Beschäftigten am grössten und im Bausektor mit 85 Beschäftigten am kleinsten, ein Industriebetrieb beschäftigt im Durchschnitt 130 Arbeitnehmende.

Der Dienstleistungssektor beschäftigt die im Durschnitt am höchsten qualifizierte Belegschaft. So wie die höheren Abschlüsse und Hochschulabschlüsse übervertreten sind, sind die An- und Ungelernten untervertreten. Der Gesamtanteil der höheren Abschlüsse und Hochschulabschlüssse beträgt im Dienstleistungssektor 20%, in der Industrie 18 % und im Bausektor 9%. Der Anteil jener Arbeitnehmenden mit einer Berufslehre liegt in der Industrie mit 42% und im Bau mit 40% nahe beieinander, wobei im Dienstleistungssektor der Anteil mit 50% höher liegt. Der Dienstleistungssektor beschäftigt weitaus am wenigsten An- und Ungelernte (25%), dann folgt die Industrie mit 35% und der Bausektor mit 44%. Der Lehrlingsanteil bewegt sich in allen drei Sektoren zwischen 5-7%.

 

 

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6. Betriebsgrössenspezifische Belegschaftsstrukturen

In Grossbetrieben ist der Anteil an Arbeitnehmenenden mit einem Hochschulabschluss oder einem höheren Abschluss wie bspw. Fachhochschule oder Meisterdiplom am grössten, er beträgt im Durchschnitt 20% der Belegschaft. Der grösste Teil der Belegschaft verfügt jedoch über eine Berufslehre (48%). Etwa 27% der Gesamtbelegschaft sind in Grossbetrieben An- und Ungelernte, 5% sind Lehrlinge. Industrielle Grossbetriebe verfügen mit Abstand über die meisten hochqualifizierten Arbeitnehmende. Möglicherweise handelt es sich dabei um technische Spezialisten. Der Anteil an Hochschulabgängern ist in den Grossbetrieben des Dienstleistungssektor am grössten. Mit 52% ist hier auch der Anteil an Berufsschulabgängern am grössten. Die Belegschaftsstrukturen von Grossbetrieben im Bausektor und mittelgrosser Industriebetriebe entsprechen einer tayloristischen Qualifikationspyramide, wo der Anteil, der am wenigsten Qualifizierten, der Grösste ist. In den übrigen Betrieben überwiegen die Arbeitnehmenden, die eine Berufslehre abgeschlossen haben.

In Mittelbetrieben überwiegt im Vergleich zwischen den Betriebsgrössen der Anteil an An- und Ungelernten. Nur in Grossbetrieben im Bau ist er noch grösser. Der grössere Anteil an An- und Ungelernten geht einher mit einem kleineren Anteil an Berufsfachkräften. Beide Gruppen machen im Schnitt ca. je 42% der Belegschaft aus. Der Anteil an hochqualifizierten Arbeitskräften liegt leicht tiefer als in Grossbetrieben und entspricht in etwa demjenigem in Kleinbetrieben.

Kleinbetriebe setzen sich zusammen aus den Ausbildungsstufen Berufslehre (45%), An- und Ungelernte (22%), Hochschul- und höherer Abschluss (12%) sowie Lehrlingen (7%). Der Anteil an Lehrlingen ist in Kleinbetrieben im Verhältnis am grössten. Ansonsten beschäftigen sie anteilmässig mehr Fachkräfte als Mittelbetriebe und weniger hochqualifizierte Arbeitnehmende als Grossbetriebe.

Die folgenden Grafiken illustrieren die verschiedenen Belegschaftsstrukturen nach Wirtschaftssektoren und Betriebsgrösse. Die wesentlichen Unterschiede wurden weiter oben bereits hervorgehoben. Um den Einfluss auf die Qualifikationsanforderungen zu ermitteln erweist sich der Sektor bzw. die Branche als das entscheidenere Kriterien als die Betriebsgrösse. Allerdings korrelieren Sektor bzw. Branche und Betriebsgrösse teilweise sehr stark miteinander, wodurch sich die Effekte kummulieren können.

 

Inhalt

 

 

7. Zusammenfassung

Zusammenfassend besteht 40-50% der Belegschaft aus Personal, welche eine Berufslehre absolviert hat. Dieser Anteil ist in Grossbetrieben des Dienstleistungssektors am höchsten. Diese beschäftigen auch die meisten Hochschulabsolventen. Hingegen findet sich der grösste Anteil an Fachkräften mit einem höherem Abschluss in industriellen Grossbetrieben. Die meisten An- und Ungelernten sind in mittelgrossen Betrieben des Bausektors und in den Mittelbetrieben der Industrie vertreten. Die meisten Lehrlinge werden anzahlmässig in Grossbetrieben ausgebildet, anteilmässig weist der Bausektor die stärkste Ausbildungstätigkeit auf. Weitere Analysen werden die Branche als wichtige Einflussgrösse auf die Belegschaftsstrukturen berücksichtigen. In diesem Zusammenhang wird auch die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Strukturen aufschlussreich sein können.

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Basisinformationen über das Projekt:

Beim Forschungsprojekt "Wandel der Arbeitswelt" handelt es sich um eine prospektive Untersuchung in schweizerischen Industrie-, Gewerbe- und Dienstleistungsbetrieben, die 1997-2000 gemeinsam vom Soziologischen Institut der Universität Zürich (SUZ) und der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) durchgeführt wurde. Sie wurde vom Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen des Nationalen Schwerpunktprogramms "Zukunft Schweiz" finanziert.

Das Projekt hat zum Ziel, erstmals notwendige Basisdaten über den Qualifikationsbedarf der Schweizer Wirtschaft zu beschaffen. Dabei berücksichtigt es nicht nur den quantitativen Personalbedarf, sondern erfasst auch organisatorische und technologische Veränderungen in den Betrieben, die sich auf die Anforderungen an Arbeitsqualifikationen auswirken.

In methodischer Hinsicht bildet die standardisierte Erhebung der Qualifikationsstruktur, des Qualifikationsbedarfs sowie des organisatorischen Wandels der Betriebe den Schwerpunkt der Untersuchung.
Bei der Stichprobe handelt es sich um ein Panel von rund 6'000 privaten Unternehmungen, die vom KOF jährlich in Fragebogenerhebungen mit wechselnder Thematik einbezogen werden.
 
Es besteht aus einer nach Betriebsgrössenklassen und Branchenzugehörigkeit geschichteten Stichprobe, die Betriebe aus allen wichtigen Bereichen der Industrie, des Gewerbes sowie des privaten Dienstleistungssektors mitumfasst. Nicht einbezogen sind Betriebe, die ihre Dienstleistungen im Bereich Bildung, Gesundheit oder soziale Wohlfahrt erbringen.
Die Befragung richtete sich an Inhaber von betrieblichen Führungspositionen im Personalbereich.
An der Befragung, die vom Januar bis Mai 1998 stattgefunden hat, haben insgesamt 2143 Firmen teilgenommen.
Informationen zu diesem Forschungsprojekt können unter
Tel. ++41 (0)44 635 2310 oder
geser@soziologie.unizh.ch bezogen werden.