Georg Simmel:
Psychologie des Schmuckes
ex: Der
Morgen. Wochenschrift für deutsche Kultur, begründet und hrsg. von
Werner Sombart zusammen mit Richard Strauß, Georg Brandes und Richard
Muther unter Mitwirkung von Hugo von Hofmannsthal, 2. Jg., No. 15 vom 10.
April 1908, S. 454-459 Berlin)
In dem Wunsche des Menschen, seiner
Umgebung zu gefallen, verschlingen sich die Gegentendenzen, in deren
Wechselspiel sich überhaupt das Verhältnis zwischen den Individuen
vollzieht: eine Güte ist darin, ein Wunsch, den anderen eine Freude zu
sein; aber auch der andere: dass diese Freude und »Gefälligkeit« als
Anerkennung und Schätzung auf uns zurückströme, unserer eigenen Persönlichkeit
als ein Wert zugerechnet werde.
Und so weit steigert sich das Bedürfnis,
dass es jener ersten Selbstlosigkeit des Gefallen-Wollens ganz
widerspricht: durch eben dieses Gefallen will man sich vor anderen
auszeichnen, will der Gegenstand einer Aufmerksamkeit sein, die anderen
nicht zuteil wird - bis zum Beneidetwerden hin.
Hier wird das Gefallen zum Mittel des
Willens zur Macht; es zeigt sich dabei an manchen Seelen der wunderliche
Widerspruch, dass sie diejenigen Menschen, über die sie sich mit ihrem
Sein und Tun erheben, doch gerade nötig haben, um auf deren Bewusstsein,
ihnen untergeordnet zu sein, ihr Selbstgefühl aufzubauen.
Eigentümliche Gestaltungen dieser
Motive, die Äusserlichkeit und die Innerlichkeit ihrer Formen ineinander
webend, tragen den Sinn des Schmuckes.
Denn dieser Sinn ist, die Persönlichkeit
hervorzuheben, sie als eine irgendwie ausgezeichnete zu betonen, aber
nicht durch eine unmittelbare Machtäußerung, durch etwas, was den
anderen von außen zwingt, sondern nur durch das Gefallen, das in ihm
erregt wird und damit doch irgendein Element von Freiwilligkeit enthält.
Man schmückt sich für sich und kann
das nur, indem man sich für andere schmückt.
Es ist eine der merkwürdigsten
soziologischen Kombinationen, dass ein Tun, das ausschließlich der
Pointierung und Bedeutungssteigerung seines Trägers dient, doch ausschließlich
durch die Augenweide, die er anderen bietet, ausschließlich als eine Art
Dankbarkeit dieser anderen sein Ziel erreicht.
Denn auch der Neid auf den Schmuck
bedeutet nur den Wunsch des Neidischen, die gleiche Anerkennung und
Bewunderung für sich zu gewinnen, und sein Neid beweist gerade, wie sehr
diese Werte für ihn an den Schmuck gebunden sind.
Dass Gelb die symbolische Farbe des
Neides ist, hängt mit dem Gelb des Goldes zusammen: das Gold ist das
Glanzvolle und Schöne, dessen Anblick Genuss bereitet - aber einen
sozusagen objektiven Genuss, der sich subjektiv sogleich in Habenwollen
und Scheelsucht umsetzt.
Der Schmuck ist das schlechthin
Egoistische, insofern er seinen Träger heraushebt, sein Selbstgefühl auf
Kosten anderer trägt und mehrt (denn der gleiche Schmuck aller würde den
einzelnen nicht mehr schmücken), und zugleich das Altruistische, das
seine Erfreulichkeit eben diesen anderen gibt - während der Besitzer
selbst sie nur im Augenblicke des Sich-Spiegelns genießen kann - und erst
mit dem Reflex dieses Gebens dem Schmucke seinen Wert gewinnt.
Wie allenthalben in der ästhetischen
Gestaltung die Lebensrichtungen, die die Wirklichkeit fremd nebeneinander
oder feindlich gegeneinander stellt, sich als innig verwandt enthüllen -
so zeigt in den soziologischen Wechselwirkungen, diesem Kampfplatz des Für-sich-seins
und des Für-andere-seins der Menschen, das ästhetische Gebilde des
Schmuckes einen Punkt an, in dem diese beiden Gegenrichtungen
wechselseitig als Zweck und Mittel aufeinander angewiesen sind.
Der Schmuck steigert oder erweitert den
Eindruck der Persönlichkeit, indem er gleichsam als eine Ausstrahlung
ihrer wirkt.
Darum sind die glänzenden Metalle und
die edlen Steine von jeher seine Substanz gewesen, sind in engerem Sinne
»Schmuck« als die Kleidung und die Haartracht, die doch auch »schmücken«.
Man kann von einer Radioaktivität des
Menschen sprechen, um jeden liegt gleichsam eine größere oder kleinere
Sphäre von ihm ausstrahlender Bedeutung, in die jeder andere, der mit ihm
zu tun hat, eintaucht - eine Sphäre, zu der körperliche und seelische
Elemente sich unentwirrbar verweben.
Die sinnlich merkbaren Einflüsse, die
von einem Menschen auf seine Umgebung ausgehen, sind in irgendeiner Weise
die Träger einer geistigen Fulguration; und sie wirken als die Symbole
einer solchen auch da, wo sie tatsächlich nur äußerlich sind, wo
keinerlei wirkliche Suggestionskraft oder Bedeutung der Persönlichkeit
durch sie hindurchströmt.
Die Strahlen des Schmuckes, die
sinnliche Aufmerksamkeit, die er erregt, schaffen der Persönlichkeit eine
solche Erweiterung oder auch Intensiverwerden ihrer Sphäre, sie ist
sozusagen mehr, wenn sie geschmückt ist.
Indem der Schmuck zugleich ein irgendwie
erheblicher Wertgegenstand zu sein pflegt, ist er so eine Synthese des
Habens und des Seins von Subjekten, mit ihm wird der bloße Besitz zu
einer sinnlichen und nachdrücklichen Fühlbarkeit des Menschen selbst -
so sehr solche Bedeutungen des Schmuckes dank seiner modernen
Banalisierung zu Unmerklichkeiten herabsinken und nur noch bei dem Schmuck
der Fürsten und Millionäre hervortreten.
Mit der gewöhnlichen Kleidung ist dies
nicht der Fall, weil sie weder nach der Seite des Habens noch des Seins
als individuelle Besonderung ins Bewusstsein tritt; erst die geschmückte
Kleidung und zuhöchst die Pretiosen, die deren Wert und
Ausstrahlungsbedeutung wie in einem kleinsten Punkte sammeln, lassen das
Haben der Persönlichkeit zu einer sichtbaren Qualität ihres Seins
werden.
Und alles dies nicht, trotzdem der
Schmuck etwas »Überflüssiges« ist, sondern gerade, weil er es ist.
Das unmittelbar Notwendige ist dem
Menschen enger verbunden, es umgibt sein Sein mit einer schmaleren
Peripherie.
Das Überflüssige »fließt über«, d.
h. es fließt weiter von seinem Ausgangspunkte fort, und indem es nun
dennoch an diesem festgehalten wird, legt es um den Bezirk der bloßen
Notdurft noch einen umfassenderen, der prinzipiell grenzenlos ist.
Das Überflüssige hat, seinem Begriffe
nach, kein Maß in sich; mit dem Grade der Überflüssigkeit dessen, was
unser Haben uns angliedert, steigt die Freiheit und Fürstlichkeit unseres
Seins, weil keine gegebene Struktur, wie sie das Notwendige als solches
designiert, ihm irgendein begrenzendes Gesetz auferlegt.
Diese Bedeutung des Schmuckes als der
Ausstrahlung des Menschen, als Dokumentierung der Tatsache, dass der
Mensch nicht mit der geometrischen Grenze seines Körpers zu Ende ist - lässt
den Diamanten als den entschiedensten, zweckmäßigsten Schmuck
erscheinen.
Denn er ist sozusagen selbst körperlos,
seine Wirkung besteht nur in den Strahlen, die er aussendet, ohne dass sie
an einer an sich schon auffälligen und reizvollen farbigen Substanz
hafte, wie es beim Saphir und dem Smaragd der Fall ist.
Darum hat man die Werthöhe des
Diamanten an seine Durchsichtigkeit, seine Wasserhelle geknüpft.
Weil das, was den Schmuck ausmacht, das
Strahlen, bei ihm von keinem für sich eindrucksvollen Stoffe getragen
wird, schmiegt er sich am vollkommensten dem Menschen an, leiht ihm am »selbstlosesten«
seine Strahlungsfähigkeit.
Indem der Strahl des Edelsteines zu dem
anderen hinzugehen scheint wie das Aufblitzen des Blickes, den das Auge
auf den anderen richtet, trägt er die soziale Bedeutung des Schmuckes -
das Für-den-anderen-sein, das als Erweiterung der Bedeutungssphäre des
Subjekts zu diesem zurückkehrt.
Diese Akzentuierung der Persönlichkeit
aber verwirklicht sich gerade vermittels eines Zuges von Unpersönlichkeit.
Alles, was den Menschen überhaupt »schmückt«,
ordnet sich in eine Skala, je nach der Enge, mit der es der physischen
Persönlichkeit verbunden ist.
Der unbedingt enge Schmuck ist für die
Naturvölker typisch: die Tätowierung.
Das entgegengesetzte Extrem ist der
Metall- und Steinschmuck, der absolut unindividuell ist und den jeder
anlegen kann.
Zwischen beiden steht die Kleidung -
immerhin nicht so unvertauschbar und personal wie die Tätowierung, aber
auch nicht so unindividuell und trennbar wie jener eigentliche »Schmuck«.
Aber gerade in dessen Unpersönlichkeit
liegt seine Eleganz.
Dass dieses fest in sich Geschlossene,
durchaus auf keine Individualität Hinweisende, hart Unmodifizierbare des
Steins und des Metalls nun dennoch gezwungen wird, der Persönlichkeit zu
dienen - gerade dies ist der feinste Reiz des Schmuckes.
Das eigentlich Elegante vermeidet die
Zuspitzung auf die besondere Individualität, es legt immer eine Sphäre
von Allgemeinem, Stilisiertem, sozusagen Abstraktem um den Menschen - was
selbstverständlich nicht die Raffinements verhindert, mit der dies
Allgemeine der Persönlichkeit verbunden wird.
Dass neue Kleider besonders elegant
wirken, liegt daran, dass sie noch »steifer« sind, d. h. sich noch nicht
allen Modifikationen des individuellen Körpers so unbedingt anschmiegen
wie längere Zeit getragene, die schon von den besonderen Bewegungen des
Trägers gezogen und geknifft sind und damit dessen Sonderart vollkommener
verraten.
Diese »Neuheit«, diese
Unmodifiziertheit nach der Individualität ist dem Metallschmuck im höchsten
Maße eigen: er ist immer neu, er steht in kühler Unberührtheit über
der Singularität und über dem Schicksal seines Trägers, was von der
Kleidung keineswegs gilt.
Ein lange getragenes Kleidungsstück ist
wie mit dem Körper verwachsen, es hat eine Intimität, die dem Wesen der
Eleganz durchaus widerstreitet.
Denn die Eleganz ist etwas »für die
anderen«, ist ein sozialer Begriff, der seinen Wert aus dem allgemeinen
Anerkanntsein zieht.
Soll der Schmuck das Individuum durch
ein Überindividuelles erweitern, das zu allen hinstrahlt und von allen
aufgenommen und geschätzt wird, so muss er, jenseits seiner bloßen
Materialwirkung, Stil haben.
Stil ist immer ein Allgemeines, das die
Inhalte des persönlichen Lebens und Schaffens in eine mit Vielen geteilte
und für Viele zugängige Form bringt.
An dem eigentlichen Kunstwerk
interessiert uns sein Stil um so weniger, je größer die personale
Einzigkeit und das subjektive Leben ist, das sich in ihm ausdrückt; denn
mit diesem appelliert es auch an den Persönlichkeitspunkt im Beschauer,
er ist sozusagen mit dem Kunstwerk auf der Welt allein.
Für alles dagegen, was wir Kunstgewerbe
nennen, was sich wegen seines Gebrauchszweckes an eine Vielheit von
Menschen wendet, fordern wir eine generelle, typische Gestaltung, in ihm
soll sich nicht nur eine auf ihre Einzigkeit gestellte Seele, sondern eine
breite, historische oder gesellschaftliche Gesinnung und Stimmung
aussprechen, die seine Einordnung in die Lebenssysteme sehr vieler
Einzelner ermöglicht.
Das Kunstwerk ist etwas für sich, das
Werk des Kunstgewerbes ist etwas für uns, der Sinn jenes ist Zuspitzung
zu einem singulären Zentrum, der Sinn dieses die Verbreiterung zu
allgemeiner Zugängigkeit und praktischer Anerkennbarkeit.
Es ist der allergrößte Irrtum, zu
meinen, dass der Schmuck ein individuelles Kunstwerk sein müsse, da er
doch immer ein Individuum schmücken solle.
Ganz im Gegenteil: weil er dem
Individuum dienen soll, darf er nicht selbst individuellen Wesens sein, so
wenig wie das Möbel, auf dem wir sitzen, oder das Essgerät, mit dem wir
hantieren, individuelle Kunstwerke sein dürfen.
Alles dies vielmehr, was den weiteren
Lebenskreis um den Menschen herum besetzt- im Gegensatz zum Kunstwerk, das
überhaupt nicht in ein anderes Leben einbezogen, sondern eine
selbstgenugsame Welt ist - muss wie in immer sich verbreiternden
konzentrischen Sphären das Individuum umgeben, zu diesem hinführend oder
von ihm ausgehend.
Dieses Auflösen der individuellen
Zuspitzung, diese Verallgemeinerung jenseits des persönlichen
Einzigseins, die nun aber doch als Basis oder als Strahlungskreis das
Individuelle trägt oder es wie in einen breit hinfließenden Strom
aufnimmt - das ist das Wesen der Stilisierung; aus dem Instinkt dafür ist
der Schmuck stets in verhältnismäßig strenger Stilisierung gebildet
worden.
Wenn man den wundervollen Stücken von
Lalique jetzt den Vorwurf macht, dass sie nicht zum wirklichen Gebrauch
geeignet wären, so ist der tiefere Grund davon eben der, dass sie
individuell künsterlische Produkte sind, die sich einem Individuum nicht
mehr zuordnen können, sozusagen kein System, keine Einheit mit ihm
bilden; denn nur aus dem organischen Zusammen von Persönlichem und
Allgemeinem, von Zentrum und Peripherie kann eine solche erwachsen, während
ein Laliquescher Schmuck durch seinen Einzigkeitscharakter eben das
direkte Gegenteil der Stilisiertheit ist.
Dadurch, dass die Seele des Künstlers
in all ihren Impulsivitäten und Bizarrereien, ihren Begeisterungen und
Uneingeständlichkeiten in diesen Schmuckstücken investiert ist, eignen
sie sich nicht dazu, einen anderen zu schmücken, treten sie mit dessen
Individualität in unziemliche Konkurrenz, verschieben sie die feine
Proportion zwischen Dazugehörigkeit und Nichtdazugehörigkeit, in der das
psychologische Wesen des Schmuckes liegt.
Jenseits der formalen Stilisierung des
Schmucks ist das materielle Mittel seines sozialen Zweckes jenes Glänzen
des Schmuckes, durch das sein Träger als Mittelpunkt einer Strahlensphäre
erscheint, in die jeder Nahebefindliche, jedes anblickende Auge einbezogen
ist.
Die Radien dieses Kreises markieren
einerseits die Distanz, die der Schmuck zwischen den Menschen stiftet: ich
habe etwas, was du nicht hast - andererseits aber lassen sie den anderen
nicht nur teilnehmen, sondern sie glänzen gerade zu ihm hin, sie bestehen
überhaupt nur um seinetwillen.
Durch seine Materie ist der Schmuck
Distanzierung und Konnivenz in einem Akt.
Darum ist er so besonders der Eitelkeit
dienstbar, die die anderen braucht, um sie verachten zu können.
Hier liegt der tiefe Unterschied
zwischen Eitelkeit und hochmütigem Stolz: denn dieser, dessen
Selbstbewusstsein wirklich nur in sich selbst ruht, pflegt den »Schmuck«
in jedem Sinne zu verschmähen.
Hierzu kommt im gleichen Sinne die
Bedeutung des »echten« Materials.
Der Reiz des »Echten«, in jedem Sinne,
besteht darin, dass es mehr ist als seine unmittelbare Erscheinung, die es
mit dem Falsifikat teilt.
So ist es nicht, wie dieses, etwas
Isoliertes, sondern es hat Wurzeln und einen Boden jenseits seiner bloßen
Erscheinung, während das Unechte nur das ist, was man ihm momentan
ansieht.
So ist der »echte« Mensch der, auf den
man sich, auch wenn man ihn nicht unter Augen hat, verlassen kann.
Dieses Mehr-als-Erscheinung ist für den
Schmuck sein Wert; denn dieser ist ihm nicht anzusehen, ist etwas, was,
der geschickten Fälschung gegenüber, zu seiner Erscheinung hinzukommt.
Dadurch nun, dass dieser Wert immer
realisierbar ist, von allen anerkannt wird, eine relative Zeitlosigkeit
besitzt - wird der Schmuck in einen überzufälligen, überpersonalen
Wertungszusammenhang eingestellt.
Der Talmischmuck, die Quincaillerie ist,
was sie momentan ihrem Träger leistet; der echte Schmuck ist ein über
diesen hinausgehender Wert, er wurzelt in den Wertgedanken des ganzen
Gesellschaftskreises und verzweigt sich darein.
Der Reiz und die Betonung, die er seinem
individuellen Träger mitteilt, zieht deshalb eine Nahrung aus diesem überindividuellen
Boden; sein ästhetischer Wert, der hier ja auch ein Wert »für die
anderen« ist, wird durch die Echtheit zum Symbol allgemeiner Schätzung
und Zugehörigkeit zu einem sozialen Wertsystem überhaupt.
Im mittelalterlichen Frankreich gab es
einmal eine Verordnung, nach der das Tragen von Goldschmuck allen Personen
unterhalb eines gewissen Ranges verboten war.
Aufs Unverkennbarste lebt hierin die
Kombination, die das ganze Wesen des Schmuckes trägt: dass mit ihm die
soziologische und die ästhetische Betonung der Persönlichkeit wie in
einen Brennpunkt zusammengehen, das Für-sich-sein und Für-andere-sein
wechselseitig Ursache und Wirkung wird.
Denn die ästhetische Hervorhebung, das
Recht des Reizes und Gefallens darf hier nur so weit gehen, wie es durch
die soziale Bedeutungssphäre des einzelnen umschrieben ist; und eben
damit fügt er dem Reiz, den die Geschmücktheit für seine ganz
individuelle Erscheinung gewinnt, den soziologischen hinzu, eben durch
jene ein Repräsentant seiner Gruppe und mit deren ganzer Bedeutung »geschmückt«
zu sein.
Auf denselben Strahlen gleichsam, die,
vom Individuum ausgehend, jene Erweiterung seiner Eindruckssphäre
bewirken, wird die durch diesen Schmuck symbolisierte Bedeutung seines
Standes zu ihm hingetragen; der Schmuck erscheint hier als das Mittel, die
soziale Kraft oder Würde in die anschaulich-persönliche
Hervorgehobenheit zu transformieren.
Endlich ziehen sich die zentripetale und
die zentrifugale Tendenz im Schmuck noch zu einer besonderen Gestaltung
zusammen, wenn berichtet wird, dass das Privateigentum der Frauen bei den
Naturvölkern, im allgemeinen später als das der Männer entstehend, sich
zuerst und oft ausschließlich auf den Schmuck bezieht.
Wenn der persönliche Besitz der Männer
mit dem der Waffen zu beginnen pflegt, so offenbart dies die aktivere,
aggressivere Natur des Mannes, der seine Persönlichkeitssphäre
erweitert, ohne auf den Willen anderer zu warten.
Für die passivere weibliche Natur ist
dieser - bei allem äußeren Unterschied formal gleiche - Effekt mehr von
dem guten Willen anderer abhängig.
Jedes Eigentum ist Ausdehnung der Persönlichkeit,
mein Eigentum ist das, was meinem Willen gehorcht, d. h. worin mein Ich
sich ausdrückt und äußerlich realisiert.
Am ehesten und vollständigsten
geschieht dies an unserem Körper, und darum ist er unser erstes und
unbedingtestes Eigentum.
An dem geschmückten Körper besitzen
wir mehr, wir sind sozusagen Herr über Weiteres und Vornehmeres, wenn wir
über den geschmückten Körper verfügen.
So hat es einen tiefen Sinn, wenn vor
allem der Schmuck zum Sondereigentum wird, weil er jenes erweiterte Ich
bewirkt, jene ausgedehntere Sphäre um uns herum, die wir mit unserer Persönlichkeit
erfüllen und die aus dem Gefallen und der Aufmerksamkeit unserer Umgebung
besteht - der Umgebung, die an der ungeschmückteren und darum gleichsam
unausgedehnteren Erscheinung achtloser, in ihren Umfang nicht einbezogen,
vorübergeht.
Dass in jenen primitiven Zuständen für
die Frauen gerade das zum vorzüglichsten Eigentum wird, was seinem Sinne
nach für die anderen da ist und nur mit der auf den Träger zurückströmenden
Anerkennung dieser anderen ihm zu einer Wert- und Bedeutungssteigerung
seines Ich verhelfen kann - das offenbart noch einmal das
Fundamentalprinzip des Schmuckes.
Für die großen mit- und gegeneinander
spielenden Strebungen der Seele und der Gesellschaft: die Erhöhung des
Ich dadurch, dass man für die anderen da ist, und des Daseins für die
anderen dadurch, dass man sich selbst akzentuiert und erweitert - hat der
Schmuck eine ihm allein eigene Synthese in der Form des Ästhetischen
geschaffen; indem diese Form an und für sich über dem Gegensatz der
einzelnen menschlichen Bestrebungen steht, finden sie in ihr nicht nur ein
ungestörtes Nebeneinander, sondern jenen wechselseitigen Aufbau, der als
die Ahnung und das Pfand ihrer tieferen metaphysischen Einheit über den
Widerstreit ihrer Erscheinungen hinauswächst. |