Georg Simmel: Über Goethes und Kants moralische Weltanschauung
Aus einem Vorlesungszyklus
ex: Der Tag, No. 287 vom 21. August 1908, Erster Teil: Illustrierte
Zeitung (Berlin)
Niemand wird die Kraft und
Größe der Kantischen Überzeugungen leugnen wollen, dass nicht
innerhalb, ja außerhalb der Welt denkbar wäre, was ohne Einschränkung
gut genannt werden dürfe als allein ein guter Wille; dass aller religiöse
Glaube nur als Folge und als Stütze der Moral ein Recht habe; dass, wenn
man einen Endzweck aller Natur überhaupt denken wollte, dies nur der
Mensch unter moralischen Gesetzen sein könne.
Dennoch ist es nicht ohne
weiteres abzuweisen, dass hierin vielleicht ein Größenwahn des Menschen
beschlossen ist.
All jenes soll gelten, weil
in der Sittlichkeit allein Freiheit liegt, die im ganzen übrigen Dasein
nicht zu finden ist: der ethische Wert ist der einzige in der Welt, über
den der Mensch ganz, und über den er allein verfügt - und darum also
soll dieser das Wert- und Sinnzentrum der Welt überhaupt sein? Als
sittlich Handelnder ist für Kant der Mensch am meisten er selbst, am
meisten aller Beziehung zu dem Sein außerhalb seiner enthoben; und gerade
dieser Situation wegen soll die eigentliche Bedeutung aller Existenz überhaupt
in ihm zusammenströmen? Dass es sich vor dem Auge einer überweltlichen
Instanz nicht so verhalten könne, wird niemand beweisen; allein zu
behaupten, dass es sich positiv so verhalte - mit allen Kantischen
Reserven - kann leicht als eine Hypertrophie des Selbstbewusstseins
erscheinen.
Denn das Entscheidende ist
hier nicht der Wert, den man der Sittlichkeit an sich und ihrer inneren,
absoluten Bedeutung nach zuschreiben mag, sondern ihr Superioritätsverhältnis
gegenüber allem, was sonst existiert.
Man mag die Würde und
Heiligkeit der sittlichen Freiheit und der Pflicht innerhalb des
menschlichen Seins noch so hoch steigern; aber dass sie über dessen
Umkreis hinausgreift, um das metaphysische Weltbild zu dominieren - das
ist eine eigenartige Übersteigerung, begreiflich aus einer Philosophie
heraus, der die Welt ein Bewusstseinsinhalt und 416 der Verstand der
Gesetzgeber der Natur ist.
Trotz der Verehrung, die
Goethe stets für die Kantische Moral ausgesprochen hat - die übrigens,
soviel ich sehe, immer nur ihrer menschlich-sittlichen Bedeutung, nicht
ihrer metaphysischen gilt -, müsste ihm diese letztere als eine Unfrömmigkeit
und Überhebung gelten.
Denn es hat einen ganz
anderen Sinn, wenn auch Goethe gelegentlich den Menschen als das Endziel
der Welt bezeichnet.
Nach der Schilderung eines
harmonisch vollendeten Menschen, dessen »gesunde Natur als ein Ganzes
wirkt«, fährt er fort: »Dann würde das Weltall, wenn es sich empfinden
könnte, als an sein Ziel gelangt, aufjauchzen und den Gipfel des eigenen
Werdens und Wesens bewundern.
Denn wozu dient all der
Aufwand von Sonnen und Planeten, von gewordenen und werdenden Welten, wenn
sich nicht zuletzt ein glücklicher Mensch unbewusst seines Daseins
erfreute?« Offenbar ist die Richtung des Wertgefühles hier die
umgekehrte als bei Kant.
Für diesen kommt der Wert
vom Menschen her über die Natur, für Goethe aber von der Natur her über
den Menschen, dessen Vorzugstellung gerade nur darauf ruht, dass die Natur
sich zu ihm, als zu ihrem höchsten Gebilde empor entwickelt hat.
Die äußerste Leistung »des
sittlichen Denkers, des tätigen Mannes, des dichtenden Künstlers, des
Herrschers, der verdient, es zu sein« - ist für ihn, dass sie die
Harmonie der Maße und Kräfte, die die Natur vorzeichnet, in sich
realisieren; und der Mensch ist das »höchste Geschöpf«, indem er ihren
»höchsten Gedanken« nachzudenken fähig ist.
Hier liegt der tiefe
Unterschied gegen die Kantische Nebeneinanderstellung der zwei höchsten
Objekte unserer Betrachtung, »des bestirnten Himmels über mir und des
moralischen Gesetzes in mir«.
Der Anblick jener
unendlichen Welten »vernichtet gleichsam meine Wichtigkeit, als eines
tierischen Geschöpfes«, während das zweite »meinen Wert unendlich
erhebt«.
Goethe muss jene
Vernichtung des Menschen durch die Natur, die »gute Mutter«, als etwas
ebenso Gottloses empfunden haben, wie die Prärogative ihr gegenüber,
deren sich das sittliche Bewusstsein hier anmaßt.
Dass der Mensch als Endziel
der Weltentwicklung gilt, setzt ihn bei Kant allem sonstigen Dasein gegenüber
und in eine absolute Höhe, deren Schroffheit nach der Seite der Natur hin
dadurch keineswegs gemildert wird, dass nicht der empirische Mensch,
sondern nur sozusagen die Idee seiner - aber eben doch die Idee seiner -
auf ihr thront.
Und dieses Seibe, dass der
Mensch als das Endziel der Weltentwicklung gilt, stellt ihn für Goethe
ganz in diese Entwicklung ein, lässt ihm aus dem Ganzen des natürlichen
Seins den Wert zufließen, den Kant umgekehrt diesem nur als eine Art ihm
innerlich fremden Abglanzes menschlich-vernünftiger Würde zu gewinnen
weiß.
Der unbedingte Wertakzent,
den Goethe auf Tätigkeit und Handeln legt, fällt bei aller äußeren Ähnlichkeit
doch nach einer im tiefsten Grunde anderen Richtung als bei Kant.
Auf das Handeln als Tätigkeit,
als Expansion des Subjekts, kommt es Kant gar nicht so sehr an, sondern
auf seine inhaltliche Qualität, festgestellt an dem ideellen Maßstabe
der Moral.
Der Gegensatz zu der
Kantischen Forderung ist: unsittlich, sinnlich bestimmt zu handeln, der
Gegensatz zu der Goethischen: überhaupt nicht zu handeln, die natürlichen
Kräfte nicht zu entfalten.
Gewiss bewertet auch Goethe
als Tätigkeit ausschließlich die sittliche.
Allein abgesehen davon,
dass er diesen Begriff inhaltlich etwas anders verstehen mag als Kant, so
ist das Wirksamkeits-, das Bewährungsmoment darin doch von der überwiegenden
Bedeutung: »Es ist besser«, sagt er, »das geringste Ding von der Welt
zu tun, als eine halbe Stunde für gering halten.«
Es ist auffallend, wie oft
und mit wie starkem Ton er von der Tätigkeit ohne weiteren Zusatz als von
einem unbedingten Werte redet, von der »entschiedenen«, von der Tat, auf
die alles ankommt, auch wenn sie aus einem Irrtum hervorgegangen ist.
Es ist, als fände sich das
Gute von selbst zu der Tätigkeit als solcher, als lösten sich die
Energien in uns, wenn wir sie nur ungehemmt und unabgelenkt sich
verwirklichen lassen, ganz von selbst in der Richtung des Rechten und
Seinsollenden.
Der tiefe Glaube an die
Vollkommenheit des Seienden kommt hier zu Worte, das menschliche Sein, das
eine Bestimmung zum Tun ist, braucht sich nur ganz rein zu entwickeln und
keinen Moment leer zu lassen, um gut und vollkommen zu sein.
Ganz umgekehrt erscheint
bei Kant das Handeln als solches nur als der an sich gleichgültige Träger
seines sittlichen Wertes.
Kant fragt nicht nach
unserem Sein, die Sittlichkeit ist ihm keineswegs die Entfaltung unseres
natürlichen Wesens in seiner Ganzheit, sondern das Gute kommt zu diesem
als ein eigentlich Unbegreifliches hinzu, wie der Abglanz einer höheren
Welt.
Für Goethe hat die Tätigkeit
an sich schon eine metaphysische, ja mystische Bedeutung: »Die Monade
muss sich nur in rastloser Tätigkeit erhalten; wird ihr diese dann zur
anderen Natur, so kann es ihr in Ewigkeit nicht an Beschäftigung fehlen.«
»Wirken wir fort, bis wir,
vom Weltgeist berufen, in den Äther zurückkehren. Möge dann der ewig
Lebendige uns neue Tätigkeiten nicht versagen.« Der logischen Vernunftmäßigkeit
Kantischer Ansichten liegt dies weit ab.
Das bloße Tun als
Wesensentfaltung, als das uns beschiedene Teil in dem Kosmos der Weltkräfte
interessiert ihn nicht, sondern die angebbaren Inhalte, die logisch
bestimmten Arten des Tuns.
Man kann sowohl Goethes wie
Kants praktische Wertung so ausdrücken, dass es ihnen beiden auf die »Form
des Handelns« angekommen wäre - allein die gleiche Formel birgt völlig
verschiedenen Inhalt.
Für Goethe ist die Form
des Handelns das für den Menschen Wesentliche und Wertvolle; es kommt ihm
darauf an, dass unser Sein sich als »lebendiges Tun« offenbare, dass
jener in seinem Weltbilde allherrschende Grundbegriff des Lebens die ihm
allein angemessene Form des Tuns annehme.
Für Kant dagegen liegt die
sittliche Bedeutung des Menschen darin, dass kein einzelner Gegenstand des
Begehrens unser Handeln bestimme, sondern die Tatsache, dass ein
bestimmtes Handeln Pflicht ist: die Form des Handelns, Pflicht zu sein,
gibt ihm allein die ethisch wertvolle Motivierung.
Dass das Handeln des
Menschen eine Wertbedeutung hat, die den bloß theoretischen Inhalt seines
Wesens überragt, dass mit jenem sozusagen seine Weltstellung eine tiefer
gegründete, in die letzten Zusammenhänge enger verflochtene ist, als
wenn er, als Wissender, ein noch so treuer Spiegel der Wirklichkeit wäre
- das steht mit alledem freilich für beide Geister fest.
Allein wenn man dies den »Primat
der praktischen Vernunft vor der theoretischen« nennen kann, so hat
dieser Ausdruck Kants für ihn einen anderen Sinn, als er für Goethe
haben kann.
Er bedeutet bei Kant, dass
wir aus den ethischen Interessen heraus einen Glauben an Gott, an unsere
Freiheit, ja an eine Existenz nach dem Tode gewinnen, die uns als Realitäten,
d. h. als Gegenstände des Wissens völlig versagt sind.
Wie uns die Sittlichkeit
schon durch die Selbstlosigkeit der Pflicht in eine übersinnliche Ordnung
einstellt, so öffnet sie uns durch den moralischen Glauben den Blick in
ein Reich der Gerechtigkeit, der Ausgleichung von Tugend und Glückseligkeit,
das nicht von dieser Welt ist, und das dem auf die Erscheinungen der
Wirklichkeit eingeschränkten Wissen verschlossen ist.
Für Goethe aber handelt es
sich darum, dass wir mit der Tätigkeit und den durch sie realisierten
Werten gerade erst unser Verhältnis zu der Gesamtheit der Welt - eben der
erscheinenden, der realen - ganz vollziehen.
Kants Primat der
praktischen Vernunft vor der theoretischen besiegelt die abgründige
Fremdheit zwischen dem sittlichen Werte unserer Existenz und der Realität
des Daseins, indem nur jener uns an eine Welt der Ideen, des
Seinsollenden, des Metaphysisch-Guten rühren lässt, an die alle unsere
auf Wirklichkeit gerichtete Erkenntnis nicht hinanreicht.
Von der ebenso zu
benennenden Überzeugung Goethes wird umgekehrt jene Kluft gerade überbaut,
weil die rechte Wirksamkeit des Menschen ihn in die Totalität des Daseins
einstellt, in der Sinnliches und Übersinnliches, Erfahrung und Idee eine
undurchbrochene Einheit bilden.
Während bei Kant die Tat
des Menschen zwei Seiten hat, die innere, unserem »Ding-an-sich« angehörige,
und die äußere, allein wirklich erkennbare, und damit in zwei unversöhnten
Welten wohnt, ist für Goethe die reine Tätigkeit, die im Sichtbaren verläuft
und in das Empirische hineinwirkt, eben damit die Offenbarung der Idee des
Menschen, mit ihr wird unser Sein ein Element und eine Kraft innerhalb der
Welt, ihr Letztes und Eigentlichstes in diese einordnend, und im Maße
ihres sittlichen Wertes, d. h. ihrer »Reinheit«, den absoluten Sinn des
Seins überhaupt verwirklichend.
Das Tun hat hier den Primat
vor dem Erkennen, weil es die Welt in ihrer zugleich physischen und
metaphysischen Vollendung bilden hilft, die am Erkennen erst ein nachträgliches
Abbild gewinnt.
Über die Jahre, die Goethe
mit der Theaterleitung zugebracht und dadurch für seine künstlerische
Produktion verloren hat, sagt er einmal, dass sie ihn nicht eigentlich
gereuten: »Ich habe all mein Wirken und Leisten immer nur symbolisch
angesehen, und es ist mir im Grunde ziemlich gleichgültig gewesen, ob ich
Töpfe machte oder Schüsseln.« Vielleicht ist solches symbolische
Erfassen der Lebensinhalte überhaupt unser einziges Mittel, das Leben
einigermaßen als eine Einheit vorzustellen.
Denn unser »Wirken und
Leisten« ist in seinen Zielen und Werten, seinen Zufälligkeiten und
Notwendigkeiten, seinem Erreichen und Verfehlen etwas so unendlich
Zersplittertes, Zusammenhangloses, in sich Divergentes, dass das Leben,
auf seine unmittelbaren Inhalte hin angesehen, als eine wüste Vielheit
erscheint; erst wenn man sich entschließt, alles einzelne Tun nur als ein
Gleichnis anzusehen, unsere praktische Existenz, wie sie sich empirisch
bietet, als ein bloßes Symbol einer tieferen, eigentlich wirksamen Realität
- so ist darin die Möglichkeit einer Einheit gewonnen, einer verborgenen,
ungespaltenen Wurzel des Lebens, die all jene auseinanderstrebenden
Einzelbewährungen aus sich entlässt.
So wird es begreiflich,
dass jene symbolische Auffassung des Wirkens und Leistens für Goethe nur
der Weg seines unbedingten Bedürfnisses war, das Leben als eine Einheit
zu fühlen.
Diese Existenz, die mehr
als alles Einzelne und über allem Einzelnen ist, und die wiederum am
Organismus, der mehr ist als die Summe seiner Teile, ihr Gleichnis findet
- diese Existenz Goethes spiegelt sich in den Gestalten seiner Dichtung;
sie erhalten dadurch eine Bestimmung, die sie freilich mit den Geschöpfen
aller großen Menschenschilderer teilen.
Denn all solchen Gestalten
der Dichtkunst ist es eigen, dass alles, was sie sagen und tun, nur als
der zufällig beleuchtete, zu Worte kommende, dem Beschauer zugewandte
Teil einer ganzen, gerundeten, eine Unendlichkeit anderer möglicher Äußerungen
einschließenden Persönlichkeit erscheint.
Der Vergleich mit den
Schillerschen Figuren macht dies sogleich einleuchtend.
Was uns an diesen so oft
unerträglich theatralisch und papieren vorkommt, ist eben dies: dass sie
keine seelische Innerlichkeit und Leben haben, außer dem, das sie in den
Worten ihrer Rolle aussprechen.
Die Grenzen ihres
seelischen Umfanges fallen genau mit denen ihrer schauspielerischen Realität
zusammen, sie sind, wie der Schauspieler selbst, der vor und nach seinem
Auftreten sozusagen nicht ist, nichts ist, und in dem von dem Leben der
dargestellten Figuren nichts ist, außer dem, was er auf der Bühne sagt.
Vielleicht hat von allen
seinen Gestalten nur Wallenstein jene geheimnisvolle, über alle einzelnen
Äußerungen hinausreichende Sphäre um sich, oder, anders ausgedrückt,
diese Energie des alle Äußerungen erzeugenden Persönlichkeitspunktes,
die fühlbar macht, zu wie viel mehr als eben diesen sie zureicht.
Goethes Gestalten aber sind
von diesem Mehr an jeder Stelle ihres erscheinenden Lebens erfüllt.
Was sind nicht Iphigenie
und Tasso, Faust und Natalie noch außer dem, was man von ihnen hört! Was
sie sagen, ist jedes Mal nur der Strahl eines unendlich reichen inneren
Gesamtlebens, während Schillers Figuren immer nur aus diesem jeweiligen
Strahl bestehen.
Goethes Gestalten gleichen
ihm selbst in der nicht weiter auseinanderzulegenden Qualität, mit jeder
noch so objektiven oder zufälligen Äußerung die Ganzheit eines
einheitlichen, unmittelbar nicht ausgesprochenen und nicht
auszusprechenden Lebens mitklingen zu lassen.
Und noch einmal zeichnet
sich die Goethische Deutung des praktischen Lebens - als seien all seine
Einzelheiten nur die Symbole einer tieferen Einheit, die noch jenseits so
besonderer Qualitäten, wie moralisch oder künstlerisch, steht - noch
einmal zeichnet sie sich, rein als eine Form der Lebensdeutung überhaupt,
an ihrem Gegensatz gegen die Kantische Form eben dieser.
Der moralische Mensch, wie
Kant ihn vorstellt, ist nur die Summe jeweils moralischer und jeweils
unmoralischer Handlungen.
Seine »Persönlichkeit«,
so stark Kant diesen Begriff unterstreicht, ist der rein formale Träger
jener, nur ihrem ethischen Wertquantum nach unterschiedenen
Einzelhandlungen, mit ihrer Summe ist der Wert, ja, der Bestand der Persönlichkeit
identisch, jede ist für sich beurteilbar, von der anderen sozusagen
abtrennbar, ohne dass die individuelle Persönlichkeit als ein Moment von
irgend welcher Bedeutung an der Handlung oder hinter ihr sichtbar würde
und überhaupt in Betracht käme.
Der Mensch ist hier nur
seine jeweilige Handlung und das durch sie festumschriebene Wertquantum,
die Persönlichkeit nur der Rahmen des »Wirkens und Leistens«, jenseits
dessen sie keinerlei Realität, keine Färbung, keine für sich seiende
Bedeutung besitzt.
Kant betont und wertet das
Handeln, weil mit jeder einzelnen Handlung die Persönlichkeit etwas wird,
oder richtiger: überhaupt wird; wenn aber Goethe fortwährend auf
praktische Betätigung drängt, wenn er sich selbst vor allem als
handelndes Wesen fühlt und wertet, so läuft die innere Strömung hier in
entgegengesetzter Richtung, weil nicht die Handlung selbst und ihre
isolierte Bedeutung die Wertsubstanz des Lebens ist; das Handeln ist hier
vielmehr nur die Form, durch die jener absolute Seinsgrund der Persönlichkeit
in sichtbare Wirklichkeit tritt und sich sein - im letzten Grunde zufälliges
- Symbol schafft.
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