Georg Simmel: Persönliche und sachliche
Kultur
ex: Neue Deutsche Rundschau
(Freie Bühne) 11. Jg. 1900, Drittes und viertes Quartal (=2.Bd.) Heft
7, S.700-712.
Wenn der intelligente Wille
die Dinge zu der Höhe heraufarbeitet, in der wir sie als kultiviert
bezeichnen, so leistet er seine Kulturarbeit doch nicht an ihnen, sondern
an uns.
Die materiellen Kulturgüter:
Möbel und Kulturpflanzen, Kunstwerke und Maschinen, Geräte und Bücher,
in denen natürliche Stoffe zu ihnen zwar möglichen, durch ihre eignen Kräfte
aber nie verwirklichten Formen entwickelt werden, sind unser eigenes,
durch Ideen entfaltetes Wollen und Fühlen, das die Entwicklungsmöglichkeiten
der Dinge, soweit sie auf seinem Wege liegen, in sich einbezieht; und das
verhält sich nicht anders als mit der Kultur, die das Verhältnis des
Menschen zu anderen und zu sich selbst formt: Sprache, Sitte, Religion,
Recht.
Insofern diese Werte als
kulturell angesehen werden, unterscheiden wir sie von den bloss natürlichen
Ausbildungsstufen der in ihnen lebendigen Energien, die aber für den
Kultivierungsprozess ebenso nur Material sind, wie Holz und Metall,
Pflanzen und Elektrizität.
Indem wir die Dinge
kultivieren, d. h. ihr Wertmass über das durch ihren natürlichen
Mechanismus uns geleistete hinaus steigern, kultivieren wir uns selbst: es
ist der gleiche, von uns ausgehende und in uns zurückkehrende Werterhöhungsprozess,
der die Natur ausser uns oder die Natur in uns ergreift.
Die bildende Kunst zeigt
diesen Kulturbegriff am reinsten, weil in der grössten Spannung der
Gegensätze. Denn hier scheint zunächst die Formung des Gegenstandes sich
jener Einfügung in den Prozess unserer Subjektivität völlig zu
entziehen.
Das Kunstwerk deutet uns
doch grade den Sinn der Erscheinung selbst, liege ihm dieser nun in der
Gestaltung der Räumlichkeit oder in den Beziehungen der Farben oder in
der Seelenhaftigkeit, die so in wie hinter dem Sichtbaren lebt.
Immer aber gilt es, den
Dingen ihre Bedeutung und ihr Geheimnis abzulauschen, um es in reinerer
oder deutlicherer Gestalt, als zu der ihre natürliche Entwicklung es
gebracht hat, darzustellen - nicht aber im Sinne chemischer oder
physikalischer Technologie, die die Gesetzlichkeiten der Dinge erkundet,
um sie in unsere ausserhalb ihrer gelegenen Zweckreihen einzustellen;
vielmehr, der artistische Prozess ist abgeschlossen, sobald er den
Gegenstand zu dessen eigenster Bedeutung entwickelt hat.
Tatsächlich ist hiermit
dem bloss artistischen Ideal auch genügt, denn für dieses ist die
Vollendung des Kunstwerkes als solchen ein objektiver Wert, völlig unabhängig
von seinem Erfolge für unser subjektives Fühlen: das Stichwort des l'art
pour l'art bezeichnet treffend die Selbstgenügsamkeit der rein künstlerischen
Tendenz.
Anderes aber vom Standpunkt
des Kulturideals.
Das Wesentliche dieses ist
eben, dass es die Eigenwertigkeit der ästhetischen, wissenschaftlichen,
sittlichen, eudämonistischen, ja der religiösen Leistung aufhebt, um sie
alle als Elemente oder Bausteine in die Entwicklung des menschlichen
Wesens über seinen Naturzustand hinaus einzufügen; oder genauer: sie
sind die Wegstrecken, die diese Entwicklung durchläuft.
Indem der Mensch die
Objekte kultiviert, schafft er sie sich zum Bilde: insofern die
transnaturale Entfaltung ihrer Energien als Kulturprozess gilt, ist
sie nur die Sichtbarkeit oder der Körper für die gleiche Entfaltung
unserer Energien.
Dieser Erörterung des
allgemeinen Kulturbegriffs stelle ich nun ein besonderes Verhältnis
innerhalb der gegenwärtigen Kultur gegenüber.
Vergleicht man dieselbe
etwa mit der Zeit vor hundert Jahren, so kann man - viele individuelle
Ausnahmen vorbehalten - doch wohl sagen: die Dinge, die unser Leben
sachlich erfüllen und umgeben, Geräte, Verkehrsmittel, die Produkte der
Wissenschaft, der Technik, der Kunst sind unsäglich kultiviert, aber die
Kultur der Individuen, wenigstens in den höheren Ständen, ist keineswegs
in demselben Verhältnis vorgeschritten, ja vielfach sogar zurückgegangen.
Dies ist ein keines
Einzelbeweises bedürftiges Verhältnis.
Ich hebe darum nur weniges
hervor.
Die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten
haben sich, im Deutschen wie im Französischen, seit hundert Jahren
ausserordentlich bereichert und nuanciert; nicht nur die Sprache Goethes
ist uns geschenkt, sondern es ist noch eine grosse Anzahl von Feinheiten,
Abtönungen, Individualisierungen des Ausdrucks hinzugekommen.
Dennoch, wenn man das
Sprechen und Schreiben der Einzelnen betrachtet, so wird es als ganzes
immer - inkorrekter, würdeloser und trivialer.
Und inhaltlich: der
Gesichtskreis, aus dem die Konversation ihre Gegenstände schöpft, hat
sich objektiv, durch die vorgeschrittene Theorie und Praxis, in
derselben Zeit erheblich erweitert; und doch scheint es, als ob die
Unterhaltung, die gesellschaftliche wie auch die intimere und
briefliche, jetzt viel flacher, uninteressanter und weniger ernsthaft wäre
als am Ende des 18. Jahrhunderts.
In diese Kategorie gehört
es, dass die Maschine so viel geistvoller geworden ist als der Arbeiter.
Wie viele Arbeiter, sogar
unterhalb der eigentlichen Grossindustrie, können denn heute die
Maschine, an der sie zu tun haben, d. h. den in der Maschine investierten
Geist verstehen?
Nicht anders liegt es
in der militärischen Kultur. Was der einzelne Soldat zu leisten hat,
ist im Wesentlichen seit langem unverändert geblieben, ja,
in manchem durch die moderne Art der Kriegführung herabgesetzt.
Dagegen sind nicht nur die
materiellen Werkzeuge derselben, sondern vor allem die jenseits aller
Individuen stehende Organisation des Heeres unerhört verfeinert und zu
einem wahren Triumph objektiver Kultur geworden.
Und auf das Gebiet des rein
Geistigen hingehend - so operieren auch die kenntnisreichsten und
nachdenkendsten Menschen mit einer immer wachsenden Zahl von
Vorstellungen, Begriffen, Sätzen, deren genauen Sinn und Inhalt sie nur
ganz unvollständig kennen.
Die ungeheure
Ausdehnung des objektiv vorliegenden Wissensstoffes gestattet, ja erzwingt
den Gebrauch von Ausdrücken, die eigentlich wie verschlossene Gefässe
von Hand zu Hand gehen, ohne dass der tatsächlich darin verdichtete
Gedankengehalt sich für den einzelnen Gebraucher entfaltete.
Wie unser äusseres Leben
von immer mehr Gegenständen umgeben wird, deren objektiven, in
ihrem Produktionsprozess aufgewandten Geist wir nicht entfernt ausdenken,
so ist unser geistiges Innen- und Verkehrsleben von symbolisch
gewordenen Gebilden erfüllt, in denen sowohl sachlich wie ihrer Entstehung
nach eine umfassende Geistigkeit aufgespeichert ist - während der
individuelle Geist davon nur ein Minimum auszunutzen pflegt.
Diese Diskrepanz zwischen
der objektiv gewordenen und der subjektiven Kultur scheint sich stetig zu
erweitern.
Täglich und von allen
Seiten her wird der Schatz jener vermehrt, aber nur wie aus weiter
Entfernung ihr folgend und in einer nur wenig zu steigernden
Beschleunigung kann der individuelle Geist die Formen und Inhalte seiner
Bildung erweitern.
Wie erklärt sich nun diese
Erscheinung? Wenn alle Kultur der Dinge, wie wir sahen, nur eine Kultur
der Menschen ist, so dass nur wir uns ausbilden, indem wir die Dinge
ausbilden was bedeutet jene Entwicklung, Ausgestaltung, Vergeistigung der
Objekte, die sich wie aus eignen sachlich Kräften und Normen heraus
vollzieht und ohne dass sich einzelne Seelen darin oder daran ansprechend
entfalteten?
Hierin liegt eine
Steigerung des rätselhaften Verhältnisses vor, das überhaupt zwischen
dem Leben und den Lebensprodukten der Gesellschaft einerseits und den
fragmentarischen Daseinsinhalten der Individuen andrerseits besteht.
In Sprache und Sitte,
politischer Verfassung und Religionslehren, Literatur und Technik ist die
Arbeit unzähliger Generationen niedergelegt, als gegenständlich
gewordener Geist, von dem jeder nimmt so viel er will oder kann, den aber
überhaupt kein Einzelner ausschöpfen könnte; zwischen dem Mass dieses
Schatzes und dem des davon Genommenen bestehen die mannigfaltigsten und
zufälligsten Verhältnisse, und die Geringfügigkeit oder Irrationalität
der individuellen Anteile lässt den Gehalt und die Würde jenes
Gattungsbesitzes so unberührt, wie irgend ein körperliches Sein es von
seinem Wahrgenommen- oder Nichtwahrgenommenwerden bleibt.
Wie sich der Inhalt und die
Bedeutung eines vorliegenden Buches als solche indifferent zu seinem
grossen oder kleinen, verstehenden oder verständnislosen Leserkreise verhält,
so steht auch jedes sonstige Kulturprodukt dem Kulturkreise gegenüber,
zwar bereit von jedem ergriffen zu werden, für diese Bereitheit aber
immer nur eine sporadische Aufnahme findend.
Diese verdichtete
Geistesarbeit der Kulturgemeinschaft verhält sich also zu ihrer
Lebendigkeit in den individuellen Geistern wie die weite Fülle der Möglichkeiten
zu der Begrenzung der Wirklichkeit.
In der aufgespeicherten
Geistesarbeit der Gattung liegen präformierte Inhalte vor, der
Verwirklichung in individuellen Geistern sich darbietend, aber auch
jenseits solcher ihre Bestimmtheit festhaltend, die keineswegs die eines
materiellen Gegenstandes ist; denn selbst wenn der Geist an Materie
gebunden ist, wie in Geräten, Kunstwerken, Büchern, so fällt er doch
nie mit dem zusammen, was an diesen Dingen sinnlich wahrnehmbar ist.
Er wohnt ihnen in einer
nicht weiter beschreiblichen Form ein, aus der heraus ihn das individuelle
Bewusstsein aktualisieren kann.
Mit der Vergegenständlichung
des Geistes ist die Form gewonnen, die ein Konservieren und Aufhäufen der
Bewusstseinsarbeit gestattet; sie ist die bedeutsamste und erfolgreichste
unter den historischen Kategorien der Menschheit.
Denn sie macht zur
geschichtlichen Tatsache, was als biologische so zweifelhaft ist: die
Vererbung des Erworbenen.
Wenn man es als den Vorzug
des Menschen den Tieren gegenüber bezeichnet hat, dass er Erbe und nicht
bloss Nachkomme wäre, so ist die Vergegenständlichung des Geistes in
Worten und Werken, Organisationen und Traditionen der Träger dieser
Unterscheidung, die dem Menschen erst seine Welt, ja: eine Welt schenkt.
Betrachtet man die
Gesellschaft als ein Ganzes d. h. ordnet man die in ihr überhaupt
objektiv werdende Geistigkeit in einen zeitlich-sachlichen Komplex, so ist
die Gesamtkulturentwicklung, für die man so einen einheitlichen Träger
fingiert hat, reicher an Inhalten als die jedes ihrer Elemente.
Denn die Leistung der
Elemente steigt in jenen Gesamtbesitz auf, aber dieser nicht zu jedem
Element hinab. Der ganze Stil des Lebens einer Gemeinschaft hängt aber
von dem Verhältnis ab, in dem die objektiv gewordene Kultur zu der Kultur
der Personen steht.
Will man nun das gegenwärtige
Auseinandertreten beider auf seine Hauptursachen zurückverfolgen, so führen
diese auf den Begriff: Arbeitsteilung hin; und zwar sowohl nach
ihrer Bedeutung innerhalb der Produktion wie der Konsumtion.
In ersterer Hinsicht ist
oft genug hervorgehoben worden, wie die Vollendung des Produkts auf Kosten
der Entwicklung des Produzenten zustande kommt.
Die Steigerung der
physisch-psychischen Energien und Geschicklichkeiten, die sich bei
einseitiger Tätigkeit einstellt, pflegt für die einheitliche Gesamtpersönlichkeit
wenig Nutzen abzuwerfen: sie lässt diese vielfach verkümmern, indem sie
ihr ein für die harmonische Gestaltung des Ich unentbehrliches
Kraftquantum entsaugt, oder sie entwickelt sich in anderen Fällen
wenigstens wie in Abschnürung von dem Kern der Persönlichkeit, als eine
Provinz mit uneingeschränkter Autonomie, deren Erträge nicht der
Zentralstelle zufliessen.
Die Erfahrung scheint zu
zeigen, dass die innere Ganzheit des Ich sich im Wesentlichen in
Wechselwirkung mit der Geschlossenheit und Abrundung der Lebensaufgabe
herstellt.
Wie uns die Einheit eines
Objekts überhaupt so zustande kommt, dass wir die Art, wie wir unser »Ich«
fühlen, in das Objekt hineintragen, es nach unserem Bilde formen, in dem
die Vielheit der Bestimmungen zu der Einheit des »Ich«, zusammenwächst
- so wirkt, im psychologisch-praktischen Sinne, die Einheit des Objekts,
das wir schaffen, und ihr Mangel auf die entsprechende Formung unserer
Persönlichkeit.
Wo unsere Kraft nicht ein
Ganzes hervorbringt, an dem sie sich nach der ihr eigentümlichen Einheit
ausleben kann, da fehlt es an der eigentlichen Beziehung zwischen beiden,
die inneren Tendenzen der Leistung ziehen sie zu den anderweitigen, mit
ihr erst eine Totalität bildenden Leistungen Anderer und auf den
Produzenten weist sie nicht zurück.
Infolge solcher, bei
grosser Spezialisierung eintretenden Inadäquatheit zwischen der
Existenzform des Arbeiters und der seines Produktes löst sich das
letztere so sehr leicht und gründlich von dem ersteren ab, sein Sinn strömt
ihm nicht von dessen Seele zu, sondern von seinem Zusammenhang mit
anderswoher stammenden Produkten, es fehlt ihm wegen seines
fragmentarischen Charakters das Wesen der Seelenhaftigkeit, das sonst dem
Arbeitsprodukt, sobald es ganz als Werk eines Menschen erscheint,
so leicht angefühlt wird.
So kann es seine
Bedeutsamkeit weder als Spiegelung einer Subjektivität noch in dem Reflex
suchen, den es als Ausdruck der schaffenden Seele in diese zurückwirft,
sondern kann sie ausschliesslich als objektive Leistung, in seiner Wendung
vom Subjekt weg, finden.
Dieser Zusammenhang zeigt
sich nicht minder an seinem äussersten Gegensatz, dem Kunstwerk. Dessen
Wesen widerstrebt völlig jene Aufteilung der Arbeit an eine Mehrzahl von
Arbeitern, deren keiner für sich ein Ganzes leiste.
Das Kunstwerk ist unter
allem Menschenwerk die geschlossenste Einheit, die sich selbst genügendste
Totalität - selbst den Staat nicht ausgenommen.
Denn so sehr dieser, unter
besonderen Umständen, mit sich selbst auskommen mag, so saugt er doch
seine Elemente nicht so vollständig in sich ein, dass nicht ein jedes
noch ein Sonderleben mit Sonderinteressen führte: immer nur mit einem
Teile der Persönlichkeit, deren andere sich anderen Zentren zuwenden,
sind wir dem Staate verwachsen.
Die Kunst dagegen belässt
keinem verwendeten Element eine Bedeutung ausserhalb des Rahmens, in den
sie es einstellt, das einzelne Kunstwerk vernichtet den Vielsinn der Worte
und der Töne, der Farben und der Formen, um nur ihre ihm zugewandte Seite
für das Bewusstsein bestehen zu lassen.
Diese Geschlossenheit des
Kunstwerks aber bedeutet, dass eine subjektive Seeleneinheit in ihm zum
Ausdruck kommt; das Kunstwerk fordert nur einen Menschen, diesen
aber ganz und seiner zentralsten Innerlichkeit nach: es vergilt dies
dadurch, dass seine Form ihm der reinste Spiegel und Ausdruck der Persönlichkeit
zu sein gestattet.
Die völlige Ablehnung der
Arbeitsteilung ist so Ursache wie Symptom des Zusammenhanges, der zwischen
der in sich fertigen Totalität des Werkes und der seelischen Einheit
besteht.
Umgekehrt, wo jene
herrscht, bewirkt sie eine Inkommensurabilität der Leistung mit dem
Leistenden, dieser erblickt sich nicht mehr in seinem Tun, das eine allem
Persönlich-Seelischen so unähnliche Form darbietet und nur als eine ganz
einseitig ausgebildete Partialität unseres Wesens erscheint, gleichgültig
gegen die einheitliche Ganzheit desselben.
Die stark arbeitsteilige,
mit dem Bewusstsein dieses Charakters vollbrachte Leistung drängt also
schon von sich aus in die Kategorie der Objektivität, die Betrachtung und
Wirkung ihrer als eines rein Sachlichen und Anonymen wird für den
Arbeitenden selbst immer plausibler, der sie nicht mehr in die Wurzel
seines Gesamtlebenssystems hinreichen fühlt.
Endlich wirkt der Prozess,
den man als Trennung des Arbeiters von seinem Arbeitsmittel bezeichnet,
ersichtlich im gleichen Sinn. Eine Arbeitsteilung ist doch auch er.
Denn wenn selbst die
fanatische Behauptung, dass der Kapitalist überhaupt nicht arbeite,
richtig wäre, so würde das nur eine Teilung der Arbeit nach ihrem
Quantum bedeuten, eine Differenzierung, deren ungeheure Wichtigkeit für
die Kultur fast ganz über der Betrachtung der qualitativen Arbeitsteilung
vernachlässigt wird.
Indem es die Funktion
anderer Personen ist, die Arbeitsmittel zu erwerben, zu organisieren,
auszuteilen, haben diese letzteren für den Arbeiter eine ganz andere
Objektivität als sie für denjenigen haben müssen, der am eigenen
Material und mit eigenen Werkzeugen schafft.
Diese kapitalistische
Differenzierung trennt die subjektiven und die objektiven Bedingungen der
Arbeit gründlich von einander - eine Trennung, zu der, als beide noch in
einer Hand vereinigt waren, gar keine psychologische Veranlassung vorlag.
Indem die Arbeit selbst und
ihr unmittelbarer Gegenstand verschiedenen Personen zugehören, muss sich
für das Bewusstsein des Arbeiters der objektive Charakter dieser Gegenstände
ausserordentlich scharf betonen, um so schärfer als die Arbeit und ihre
Materie doch andererseits wieder eine Einheit sind und so grade ihr nahes
Aneinander ihre jetzigen Gegenrichtungen am fühlbarsten machen muss.
Und das findet seine
Fortsetzung und Gegenbild darin, dass ausser dem Arbeitsmittel auch noch
die Arbeit selbst sich von dem Arbeiter trennt: denn dies ist die
Bedeutung der Erscheinung, die man damit bezeichnet, dass die Arbeitskraft
eine Ware geworden ist.
Wo der Arbeiter mit eignem
Material produziert, verbleibt seine Arbeit innerhalb des Umkreises seiner
Persönlichkeit, und erst das vollendete Werk verlässt denselben beim
Verkauf.
Mangels der Möglichkeit
indes, seine Arbeit in dieser Weise zu verwerten, stellt er sie für einen
Marktpreis in die Verfügung eines anderen, trennt sich also von ihr von
dem Augenblick an, wo sie ihre Quelle verlässt.
Dass sie nun Charakter,
Bewertungsweise, Entwicklungsschicksale mit allen Waren überhaupt teilt,
das bedeutet eben, dass sie dem Arbeiter selbst gegenüber etwas
Objektives geworden ist, etwas, das er nicht nur nicht mehr ist,
sondern eigentlich auch nicht mehr hat.
Denn sobald eine
potentielle Arbeitsmenge sich in wirkliches Arbeiten umsetzt, gehört
nicht mehr sie, sondern ihr Geldäquivalent ihm, während sie selbst einem
anderen oder genauer: einer objektiven Arbeitsorganisation zugehört.
Das Ware-Werden der Arbeit
ist also auch nur eine Seite des ungeheuren Differenzierungsprozesses, der
von der Persönlichkeit ihre einzelnen Inhalte herauslöst, um sie ihr als
Objekte, mit selbständiger Bestimmtheit und Bewegung, gegenüberzustellen.
Endlich zeigt sich das
Ergebnis dieses Schicksals der Arbeitsmittel und der Arbeitskraft an ihrem
Produkt.
Dass das Arbeitsprodukt der
kapitalistischen Epoche ein Objekt mit entschiedenem Fürsich-sein,
eigenen Bewegungsgesetzen, dem herstellenden Subjekt selbst fremdem
Charakter ist, wird da zur eindringlichsten Vorstellung werden, wo der
Arbeiter genötigt ist, sein eigenes Arbeitsprodukt, wenn er es haben
will, zu kaufen.
Dies ist ein allgemeines
Schema der Entwicklung, das weit über den Lohnarbeiter hinaus gilt.
Die ungeheure
Arbeitsteilung z. B. in der Wissenschaft bewirkt es, dass nur äusserst
wenige Forscher sich die Vorbedingungen ihrer Arbeit selbst beschaffen können;
unzählige Tatsachen und Methoden muss man einfach als objektives Material
von aussen aufnehmen, ein geistiges Eigentum Anderer, an dem sich nun die
eigene Arbeit vollzieht.
Man kann auch dies als eine
Trennung des Arbeiters von seinen Arbeitsmitteln im weiteren Sinne
bezeichnen und jedenfalls in dem hier fraglichen.
Denn in dem eigentlichen
Prozess der wissenschaftlichen Produktion scheidet sich nun doch ein dem
Produzenten gegenüber objektives Material von dem subjektiven Vollbringen
seiner Arbeit.
Je undifferenzierter der
Wissenschaftsbetrieb noch war, je mehr der Forscher alle Voraussetzungen
und Materialien seiner Arbeit persönlich beschaffen musste, desto weniger
bestand für ihn der Gegensatz seiner subjektiven Arbeit und einer Welt
objektiv feststehender wissenschaftlicher Gegebenheiten.
Und auch hier erstreckt
sich dieser in das Produkt der Arbeit hinein: auch das Ergebnis selbst, so
sehr es als solches die Frucht subjektiven Bemühens ist, muss um so eher
in die Kategorie einer objektiven, von dem Produzenten unabhängigen
Tatsache aufsteigen, je mehr Arbeitsprodukte Anderer schon von vornherein
'hin zusammengebracht und wirksam sind.
Darum sehen wir auch, dass
in der Wissenschaft der geringsten Arbeitsteilung, der Philosophie -
insbesondere in ihrem metaphysischen Sinne - einerseits das aufgenommene
objektive Material eine durchaus sekundäre Rolle spielt, andererseits das
Produkt sich am wenigsten von seinem subjektiven Ursprung gelöst hat und
ganz als Leistung dieser einen Persönlichkeit auftritt.
Wenn so die Arbeitsteilung
- die ich hier in ihrem weitesten Sinne, die Produktionsstellung wie die
Arbeitszerlegung wie die Spezialisation einschliessend verstehe - die
schaffende Persönlichkeit von dem geschaffenen Werk abtrennt und dies
letztere eine objektive Selbständigkeit gewinnen lässt, so stellt sich
Verwandtes in dem Verhältnis der arbeitsteiligen Produktion zum
Konsumenten ein.
Hier handelt es sich nun um
die Herleitung innerer Folgen aus allbekannten äusseren Tatsachen.
Die Kundenarbeit, die das
mittelalterliche Handwerk beherrschte und erst in diesem Jahrhundert ihren
rapidesten Rückgang erfahren hat, beliess dem Konsumenten ein persönliches
Verhältnis zur Ware: da sie speziell für ihn bereitet war, sozusagen
eine Wechselwirkung zwischen ihm und dem Produzenten darstellte, so gehörte
sie, in einigermassen ähnlicher Weise wie diesem, innerlich auch ihm zu.
Indem die Arbeitsteilung
die Kundenproduktion zerstört - schon weil der Abnehmer sich wohl mit
einem Produzenten, aber nicht mit einem Dutzend Teilarbeiter in Verbindung
setzen kann verschwindet die subjektive Färbung des Produkts auch nach
der Seite des Konsumenten hin, denn es entsteht nun unabhängig von ihm,
die Ware ist nun eine objektive Gegebenheit, an die er von aussen
herantritt und die ihr Dasein und Sosein ihm gleichsam als etwas Autonomes
gegenüberstellt.
Der Unterschied z. B.
zwischen dem modernen, auf die äusserste Spezialisation gebauten
Kleidermagazine und der Arbeit des Schneiders, den man ins Haus nahm,
charakterisiert aufs Schärfste die gewachsene Objektivierung des
wirtschaftlichen Kosmos, seine überpersönliche Selbständigkeit im Verhältnis
zum konsumierenden Subjekt, mit dem er ursprünglich verwachsen war.
Mit dieser dem Abnehmer
gegenüber bestehenden Autonomie der Produktion hängt eine Erscheinung
der Arbeitsteilung zusammen, die jetzt ebenso alltäglich wie in ihrer
Bedeutung wenig erkannt ist.
Von den früheren
Gestaltungen der Produktion her besteht im Ganzen die einfache
Vorstellung, dass die niederen Schichten der Gesellschaft für die höheren
arbeiten: dass die Pflanzen vom Boden, die Tiere von den Pflanzen, der
Mensch von den Tieren lebt, das wiederhole sich, mit moralischem Recht
oder Unrecht, im Bau der Gesellschaft: je höher die Individuen sozial und
geistig stehen, desto mehr gründe sich ihre Existenz auf der Arbeit der
tieferstehenden, die sie ihrerseits nicht mit Arbeit für diese, sondern
nur mit Geld vergelten.
Diese Vorstellung ist nun
ganz unzutreffend, seit die Bedürfnisse der unteren Massen durch den
Grossbetrieb gedeckt werden, der unzählige wissenschaftliche, technische,
organisatorische Energien oberster Stufen in seinen Dienst gestellt hat.
Der grosse Chemiker, der in
seinem Laboratorium über Darstellung der Teerfarben sinnt, arbeitet für
die Bäuerin, die beim Krämer sich das bunteste Halstuch aussucht; wenn
der Grosskaufmann in weltumspannenden Spekulationen amerikanisches
Getreide in Deutschland importiert, so ist er der Diener des ärmsten
Proletariers; der Betrieb einer Baumwollspinnerei, in der Intelligenzen
hohen Ranges tätig sind, ist von Abnehmern in der tiefsten sozialen
Schicht abhängig.
Diese Rückläufigkeit der
Dienste, in der die niederen Klassen die Arbeit der höheren für sich
kaufen, liegt jetzt schon in unzählbaren, unser ganzes Kulturleben
bestimmenden Beispielen vor.
Möglich aber ist diese
Erscheinung nur durch die Objektivierung, die die Produktion sowohl dem
produzierenden wie dem konsumierenden Subjekt gegenüber ergriffen hat und
die sich jenseits der sozialen oder sonstigen Unterschiede dieser beiden
stellt.
Dies In-Dienst-Nehmen der höchsten
Kulturproduzenten seitens der niedrigststehenden Konsumenten bedeutet
nicht, dass ein Verhältnis zwischen ihnen besteht, sondern dass ein
Objekt zwischen sie geschoben ist, an dessen einer Seite gleichsam die
Einen arbeiten, während die Anderen von der anderen her es konsumieren,
und das Beide trennt, indem es sie verbindet.
Die Grundtatsache selbst
ist ersichtlich eine Arbeitsteilung: die Technik der Produktion ist so
spezialisiert, dass die Handhabung ihrer verschiedenen Teile nicht nur an
immer mehr, sondern auch an immer verschiedenere Personen übergeht - bis
es eben schliesslich dahin kommt, dass ein Teil der Arbeit an den
niedrigsten Bedürfnisartikeln von den höchststehenden Individuen
geleistet wird, grade wie umgekehrt, in ganz entsprechender
Objektivierung, die maschinentechnische Arbeitszerlegung bewirkt, dass an
den raffiniertesten Produkten der höchsten Kultur die rohesten Hände
mitarbeiten (man denke etwa an eine heutige Druckerei im Unterschied gegen
die Herstellung der Bücher vor Erfindung der Buchdruckerkunst!).
An dieser Umkehrung des für
typisch geltenden Verhältnisses zwischen oberen und tieferen
Gesellschaftsschichten tritt also aufs klarste hervor: die Arbeitsteilung
bewirkt, dass jene für diese arbeiten, die Form aber in der dies allein
geschehen kann, ist das völlige Objektivwerden der Produktionsleistung
selbst, sowohl den einen wie den anderen als Subjekten gegenüber.
Jene Umkehrung ist nichts
als eine äusserste Konsequenz des Zusammenhanges, der zwischen der
Arbeitsteilung und der Objektivierung der Kulturinhalte besteht.
Hat bis hierher die
Arbeitsteilung als eine Spezialisierung der persönlichen Tätigkeiten
gegolten, so wirkt die Spezialisierung, die differenzierte
Mannigfaltigkeit der Gegenstände selbst, nicht weniger dazu, sie in jene
Distanz zu den Subjekten zu stellen, die als Beziehungslosigkeit beider zu
einander erscheint, als Selbständigkeit des Objekts, als Unfähigkeit des
Subjekts jenes sich zu assimilieren und seinem eignen Rhythmus zu
unterwerfen.
Dies gilt zunächst für
die Arbeitsmittel. Je mehr diese differenziert, aus einer Vielheit
spezialisierter Teile zusammengesetzt sind, desto weniger kann die Persönlichkeit
des Arbeitenden sich durch sie hindurch ausdrücken, desto weniger ist
seine Hand im Produkte zu erkennen.
Die Werkzeuge, mit denen
die Kunst arbeitet, sind relativ ganz undifferenziert und geben deshalb
der Persönlichkeit den weitesten Spielraum, sich mittels ihrer zu
entfalten; sie stellen sich ihr nicht gegenüber wie die industrielle
Maschine, die durch ihre spezialistische Komplikation selbst gleichsam die
Form personaler Festigkeit und Umschriebenheit hat, so dass der Arbeiter
sie nicht mehr wie jene, an sich unbestimmteren, mit seiner Persönlichkeit
durchdringen kann.
Die Werkzeuge des
Bildhauers sind seit Jahrtausenden nicht aus ihrer völligen
Unspezialisiertheit heraus weiter entwickelt worden und wo dies bei einem
Kunstmittel allerdings und so entschieden geschehen ist wie bei dem
Klavier, da ist sein Charakter auch ein sehr objektiver, einer der schon
viel zu viel für sich ist und deshalb dem Ausdruck der Subjektivität
eine viel härtere Schranke setzt als z. B. die an sich technisch viel
weniger differenzierte Geige.
Der automatische Charakter
der modernen Maschine ist der Erfolg einer weit getriebenen Zerlegung und
Spezialisierung von Stoffen und Kräften, grade wie der gleiche Charakter
einer ausgebildeten Staatsverwaltung sich nur auf Grund einer raffinierten
Arbeitsteilung unter ihren Trägern erheben kann.
Indem die Maschine aber zur
Totalität wird, einen immer grösseren Teil der Arbeit auf sich nimmt,
steht sie ebenso dem Arbeiter als eine autonome Macht gegenüber, wie er
ihr gegenüber nicht als individualisierte Persönlichkeit, sondern nur
als Ausführer einer sachlich vorgeschriebenen Leistung wirkt.
Man vergleiche etwa den
Arbeiter in der Schuhfabrik mit dem Kundenschuhmacher, um zu sehen wie
sehr die Spezialisierung des Werkzeuges die Wirksamkeit der persönlichen
Qualitäten, hoch- wie minderwertiger, lähmt und Objekt und Subjekt als
von einander ihrem Wesen nach unabhängige Potenzen sich entwickeln lässt.
Während das
undifferenzierte Werkzeug wirklich eine blosse Fortsetzung des Arms ist,
steigt überhaupt erst das spezialisierte in die reine Kategorie des
Objekts auf.
In sehr bezeichnender und
auf der Hand liegender Weise vollzieht sich dieser Prozess auch an den
Kriegswerkzeugen: seinen Gipfel bildet dann das spezialisierteste und als
Maschine vollkommenste, das Kriegsschiff; an ihm ist die Objektivierung so
weit vorgeschritten, dass in einem modernen Seekrieg überhaupt gar kein
anderer Faktor mehr entscheidet, als das blosse Zahlenverhältnis der
Schiffe gleicher Qualität!
Der Objektivierungsprozess
der Kulturinhalte, der, von der Spezialisation dieser getragen, zwischen
dem Subjekt und seinen Geschöpfen eine immer wachsende Fremdheit stiftet,
steigt nun endlich in die Intimitäten des täglichen Lebens hinunter.
Die Wohnungseinrichtungen,
die Gegenstände, die uns zu Gebrauch und Zierde umgeben, waren noch in
den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts, von den unteren bis in die
Schichten der höchsten Bildung hinauf, von relativ grosser Einfachheit
und Dauerhaftigkeit der einzelnen Gegenstände.
Hierdurch entstand jenes »Verwachsen«
der Persönlichkeiten mit Gegenständen ihrer Umgebung, das schon
mittleren der Generation heute als eine Wunderlichkeit der Grosseltern
erscheint.
Diesen Zustand hat die
Differenzierung der Objekte nach drei verschiedenen Dimensionen hin, und
immer mit dem gleichen Erfolge unterbrochen.
Zunächst ist es schon die
blosse Vielheit sehr spezifisch gestalteter Gegenstände, die ein enges,
sozusagen persönliches Verhältnis zu den einzelnen erschwert: wenige und
einfache Gerätschaften sind der Persönlichkeit leichter assimilierbar, während
eine Fülle von Mannigfaltigkeiten dem Ich gegenüber gleichsam Partei
bildet; das findet seinen direkten und symbolischen Ausdruck in der Klage
der Hausfrauen, dass die Pflege der Wohnungsausstattung einen förmlichen
Fetischdienst fordere, und in dem gelegentlich hervorbrechenden Hass
tieferer und ernsterer Naturen gegen die zahllosen Einzelheiten, mit denen
wir unser Leben behängen.
Der erstere Fall ist
deshalb kulturell so bezeichnend, weil die sorgende und erhaltende Tätigkeit
der Hausfrau früher umfänglicher und anstrengender war als jetzt.
Allein zu jenem Gefühl der
Unfreiheit den Objekten gegenüber kam es nicht, weil sie der Persönlichkeit
enger verbunden waren.
Die wenigeren,
undifferenzierteren Gegenstände konnte diese eher mit sich durchdringen,
sie setzten ihr nicht die Selbständigkeit entgegen wie ein Haufe
spezialisierter Dinge.
Diese erst, wenn wir ihnen
dienen sollen, empfinden wir als eine feindliche Macht.
Wie Freiheit nichts
Negatives ist, sondern die positive Erstreckung des Ich über ihm
nachgebende Objekte, so ist umgekehrt Objekt für uns nur dasjenige, woran
unsere Freiheit erlahmt, d. h. wozu wir in Beziehung stehen, ohne es doch
unserem Ich assimilieren zu können.
Das Gefühl, von den Äusserlichkeiten
erdrückt zu werden, mit denen das moderne Leben uns umgibt, ist nicht nur
die Folge sondern auch die Ursache davon, dass sie uns als autonome
Objekte gegenübertreten.
Das Peinliche ist, dass
diese vielfachen, umdrängenden Dinge uns im Grunde eben gleichgültig
sind, und zwar aus den spezifisch geldwirtschaftlichen Gründen der unpersönlichen
Genesis und der leichten Ersetzbarkeit.
Dass die Grossindustrie den
sozialistischen Gedanken nährt, beruht nicht nur auf den Verhältnissen
ihrer Arbeiter, sondern auch auf der objektiven Beschaffenheit ihrer
Produkte: der moderne Mensch ist von lauter so unpersönlichen Dingen
umgeben, dass ihm die Vorstellung einer überhaupt anti-individuellen
Lebensordnung immer näher kommen muss, - freilich auch die Opposition
dagegen.
Dass aber die Kulturinhalte
sich mehr dem Einwachsen in die Sphäre des Ich entziehen, immer ist
grossenteils ihrer Mannigfaltigkeit und Spezialisation zuzuschreiben,
ihrem Mangel an Einfachheit, der sie der Persönlichkeit als etwas für
sich bestimmtes, gleichsam unnachgiebiges entgegenstellt.
Auf dem Umwege über dieses
Verhältnis zum Ich wird so die Differenzierung der Äusserlichkeiten zur
Veranlassung, sie erst als Objekt im strengsten Sinne zu empfinden.
Die Kulturobjekte erwachsen
immer mehr zu einer in sich zusammenhängenden Welt, die an immer weniger
Punkten auf die subjektive Seele mit ihrem Wollen und Fühlen
hinuntergreift.
Und da jener Zusammenhang
ein funktioneller ist, so trägt ihn eine gewisse Selbstbeweglichkeit der
Objekte.
Man hat mit Recht
hervorgehoben, dass der Kaufmann, der Handwerker, der Gelehrte heute weit
weniger beweglich ist als etwa in der Reformationszeit.
Materielle wie geistige
Objekte bewegen sich jetzt eben selbständig, ohne personalen Träger oder
Transporteur.
Dinge und Menschen sind
auseinandergetreten.
Der Gedanke, die Arbeitsmühe,
die Geschicklichkeit haben durch ihre steigende Investierung in sachlichen
Gebilden, Büchern und Waren, die Möglichkeit einer Eigenbewegung
erhalten, für die der moderne Fortschritt in Transportmitteln nur die
Verwirklichung oder Ausdruck oder Korrelat ist.
Durch ihre eigne
impersonale Beweglichkeit erst vollendet sich die Differenzierung der
Objekte vom Menschen zu selbstgenugsamen Zusammenschluss.
Das restlose Beispiel für
diesen mechanischen Charakter der modernen Wirtschaft ist der
Warenautomat; mit ihm ist nun auch aus dem Detailverkauf, in dem noch am längsten
der Umsatz durch Beziehung von Person zu Person getragen worden ist, die
menschliche Vermittlung völlig ausgeschaltet und das Geldäquivalent
maschinenartig in die Ware umgesetzt.
Auf anderer Stufe wird
dasselbe Prinzip auch schon in dem Fünfzig-Pfennig-Bazar und ähnlichen
Geschäften wirksam, in denen der wirtschaftspsychologische Prozess nicht
von den Waren zum Preise, sondern vom Preise zur Ware geht.
Denn hier werden durch die
apriorische Preisgleichheit sämtlicher Gegenstände vielerlei Überlegungen
und Abwägungen des Käufers, vielerlei Bemühungen und Explikationen des
Verkäufers wegfallen und so der wirtschaftliche Akt seine personalen
Instanzen sehr schnell und gegen sie indifferent durchlaufen.
Auf den gleichen Erfolg wie
diese Differenzierung im Nebeneinander, führt die im Nacheinander.
Der Wechsel der Mode
unterbricht jenen inneren Aneignungs- und Einwurzelungsprozess zwischen
Subjekt und Objekt, der es zur Diskrepanz beider nicht kommen lässt.
Die Mode ist eines jener
gesellschaftlichen Gebilde, die den Reiz von Unterschied und Abwechselung
mit dem von Gleichheit und Zusammenschluss in einer besonderen Proportion
vereinen.
Jede Mode ist ihrem Wesen
nach Klassenmode, d. h. sie bezeichnet jedes Mal eine
Gesellschaftsschicht, die sich durch die Gleichheit ihrer Erscheinung
ebenso wohl nach innen einheitlich zusammenschliesst, wie nach aussen
gegen andere Stände abschliesst.
Sobald nun die untere
Schicht, die es der oberen nachzutun sucht, ihrerseits die neue Mode
aufgenommen hat, wird sie von der letzteren verlassen und eine neue
kreiert.
Deshalb hat es freilich
wohl überall Moden gegeben, wo soziale Unterschiede sich einen Ausdruck
in der Sichtbarkeit gesucht haben.
Allein die soziale Bewegung
seit hundert Jahren hat ihr ein ganz besonderes Tempo verliehen.
Und zwar einerseits durch
das Flüssigwerden der klassenmässigen Schranken und das vielfache
individuelle, manchmal auch ganze Gruppen umfassende Aufsteigen von einer
Schicht in die höhere, andererseits durch die Vorherrschaft des dritten
Standes.
Der erste Umstand bewirkt,
dass die Moden der in dieser Hinsicht führenden Schichten äusserst
schnell wechseln müssen, denn das Nachdrängen der unteren, das der
bestehenden Mode ihren Sinn und Reiz raubt, erfolgt jetzt sehr schnell.
Das zweite Moment wird
dadurch wirksam, dass der Mittelstand und die städtische Bevölkerung im
Gegensatz zu dem Konservativismus der höchsten und der bäurischen Stände,
der der eigentlichen Variabilität ist.
Unruhige, nach Abwechselung
drängende Klassen und Individuen finden in der Mode, der Wechsel- und
Gegensatzform des Lebens, das Tempo ihrer eignen psychischen Bewegungen
wieder.
Wenn die heutigen Moden
lange nicht so extravagant und kostspielig sind, wie die früherer
Jahrhunderte, dafür aber sehr viel kürzere Lebensdauer haben, so liegt
dies daran, dass sie viel weitere Kreise in ihren Bann ziehen, dass es den
Tieferstehenden jetzt sehr viel leichter ist, sie sich anzueignen, und
dass ihr eigentlicher Sitz der wohlhabende Bürgerstand geworden ist.
Der Erfolg dieses
Umsichgreifens der Mode, sowohl in Hinsicht der Breite wie ihres Tempos
ist, dass sie dem Einzelnen als eine selbständige Bewegung erscheint, als
eine objektive, durch eigene Kräfte entwickelte Macht, die ihren Weg
unabhängig von jedem Einzelnen geht.
So lange die Moden - und es
handelt sich hier keineswegs nur um Kleidermoden - noch relativ längere
Zeit dauerten und relativ enge Kreise zusammenhielten, konnte es zu einem
sozusagen persönlichen Verhältnis zwischen dem Subjekt und den einzelnen
Inhalten der Mode kommen.
Die Schnelligkeit ihres
Wechsels - also ihre Differenzierung im Nacheinander - und der Umfang
ihrer Verbreitung lösen diesen Konnex und wie es mit manchen anderen
sozialen Palladien in der Neuzeit geht, so auch hier: die Mode ist weniger
auf den Einzelnen, der Einzelne weniger auf die Mode angewiesen, ihre
Inhalte entwickeln sich wie eine evolutionistische Welt für sich.
Die Steigerung des
zeitlichen Differenzierungsmomentes, das in ihr liegt, lässt sie zu einem
ganz objektiven, eigenen Normen jenseits der Subjekte folgenden Geschehen
kristallisieren.
Wenn so die Differenzierung
allverbreiteter Kulturinhalte nach den formalen Seiten des Neben- und
Nacheinander sie zu einer selbständigen Welt von Objektivitäten zu
gestalten hilft, so will ich nun drittens von den inhaltlich in diesem
Sinne wirksamen Momenten ein einzelnes anführen.
Ich meine die Vielheit der
Stile, mit denen die täglich anschaubaren Objekte uns entgegentreten -
vom Häuserbau bis zu Buchausstattungen, von Bildwerken bis zu
Gartenanlagen und Zimmereinrichtungen, in denen Renaissance und
Japonismus, Barock und Empire, Prärafaelitentum und realistische Zweckmässigkeit
sich nebeneinander anbauen.
Dies ist der Erfolg der
Ausbreitung unseres historischen Wissens, welche nun wieder in
Wechselwirkung mit jener hervorgehobenen Variabilität des modernen
Menschen steht.
Zu allem historischen Verständnis
gehört eine Biegsamkeit der Seele, eine Fähigkeit sich in die von dem
eignen Zustand abweichendsten seelischen Verfassungen hineinzufühlen und
sie in sich nachzuformen - denn alle Geschichte, mag sie noch so sehr von
Sichtbarkeiten handeln, hat Sinn und Verstandenwerden nur als Geschichte
zum Grunde liegender Interessen, Gefühle, Strebungen: selbst der
historische Materialismus ist nichts als eine psychologische Hypothese.
Damit einem der Inhalt der
Geschichte zum Eigentum werde, bedarf es deshalb einer Bildsamkeit,
Nachbildsamkeit der auffassenden Seele, einer innerlichen Sublimierung der
Variabilität.
Die historisierenden
Neigungen unseres Jahrhunderts, seine unvergleichliche Fähigkeit, das
Fernliegendste - im zeitlichen wie im räumlichen Sinne - zu reproduzieren
und lebendig zu machen, ist nur die Innenseite der allgemeinen Steigerung
seiner Anpassungsfähigkeit und ausgreifenden Beweglichkeit.
Daher die verwirrende
Mannigfaltigkeit der Stilgattungen, die von unserer Kultur aufgenommen,
dargestellt, nachgefühlt werden.
Wenn nun jeder Stil wie
eine Sprache für sich ist, die besondere Laute, besondere Flexionen, eine
besondere Syntax hat, um das Leben auszudrücken, so tritt er unserem
Bewusstsein offenbar so lange nicht als eine autonome Potenz, die ein
eigenes Leben lebt, entgegen, als wir nur einen einzigen Stil kennen, in
dem wir uns und unsere Umgebung gestalten.
Niemand empfindet an seiner
Muttersprache, solange er sie unbefangen redet eine objektive Gesetzmässigkeit,
an die er sich wie an ein jenseits seines Subjekts zu wenden hat, um von
ihr die nach unabhängigen Normen geprägte Ausdrucksmöglichkeit für
seine Innerlichkeit zu entlehnen.
Viel mehr, Ausgedrücktes
und Ausdruck sind in diesem Fall unmittelbar eines, und als ein selbständiges,
uns gegenüberstehendes Sein empfinden wir nicht nur die Muttersprache,
sondern die Sprache überhaupt erst wenn wir fremde Sprachen kennen
lernen.
So werden Menschen eines
ganz einheitlichen, ihr ganzes Leben umschliessenden Stiles denselben auch
in fragloser Einheit mit den Inhalten desselben empfinden.
Da sich alles, was sie
bilden oder anschauen, ganz selbstverständlich in ihm ausdrückt, so
liegt gar keine psychologische Veranlassung vor, ihn von den Stoffen
dieses Bildens und Anschauens gedanklich zu trennen und als ein Gebilde
eigner Provenienz dem Ich gegenüber zu stellen.
Erst eine Mehrheit der
gebotenen Stile wird den einzelnen von seinem Inhalt lösen, derart, dass
seiner Selbständigkeit und von uns unabhängigen Bedeutsamkeit unsere
Freiheit, ihn oder einen anderen zu wählen, gegenübersteht.
Durch die Differenzierung
der Stile wird jeder einzelne und damit der Stil überhaupt zu etwas
Objektivem, dessen Gültigkeit vom Subjekte und dessen Interessen,
Wirksamkeiten, Gefallen oder Missfallen unabhängig ist.
Dass die sämtlichen
Anschauungsinhalte unseres Kulturlebens in eine Vielheit von Stilen
auseinandergegangen sind, löst jenes ursprüngliche Verhältnis zu ihnen,
in dem Subjekt und Objekt noch gleichsam ungeschieden ruhen, und stellt
uns einer Welt nach eigenen Normen entwickelter Ausdrucksmöglichkeiten,
der Form, das Dasein überhaupt auszudrücken gegenüber, so dass eben
diese Formen einerseits und unser Subjekt andererseits wie zwei Parteien
sind, zwischen denen ein rein zufälliges Verhältnis von Berührungen,
Harmonien und Disharmonien herrscht.
Dies also ist ungefähr der
Umkreis, in dem Arbeitsteilung und Spezialisation, persönlichen wie
sachlichen Sinnes, den grossen Objektivationsprozess der modernsten Kultur
tragen.
Aus all diesen
Erscheinungen setzt sich das Gesamtbild zusammen, in dem der Kulturinhalt
immer mehr und immer gewusster objektiver Geist wird, gegenüber
nicht nur denen die ihn aufnehmen sondern auch denen die ihn produzieren.
In dem Mass, in dem diese
Objektivation vorschreitet, wird die wunderliche Erscheinung
begreiflicher, von der wir ausgingen: dass die kulturelle Steigerung der
Individuen hinter der der Dinge - greifbarer wie funktioneller wie
geistiger - merkbar zurückbleiben kann.
Dass gelegentlich auch das
Umgekehrte stattfindet beweist die gleiche gegenseitige Verselbständigung
beider Formen des Geistes.
Mit grosser Entschiedenheit
tritt eine derartige Diskrepanz an sozialen Institutionen auf, die ein
erhebliches Beharrungsvermögen zeigen und deren Evolution ein schwerfälligeres
und konservativeres Tempo zeigt, als die der Individuen.
Unter dieses Schema gehören
die Fälle, die dahin zusammengefasst worden sind, dass die
Produktionsverhältnisse, nachdem sie eine bestimmte Epoche über
bestanden haben, von den Produktionskräften, die sie selbst entwickelten,
überflügelt werden, so dass sie den letzteren keinen adäquaten Ausdruck
und Verwendung mehr gestatten.
Diese Kräfte sind zum
grossen Teil personalen Wesens: was die Persönlichkeiten zu leisten fähig
oder zu wollen berechtigt sind, findet keinen Platz mehr in den objektiven
Formen der Betriebe.
Die erforderliche Umänderung
dieser erfolgt immer erst, wenn die dahindrängenden Momente sich zu
Massen angehäuft haben; bis dahin bleibt die sachliche Organisierung der
Produktion hinter der Entwicklung der individuellen wirtschaftlichen
Energien zurück.
Ein entsprechendes Verhältnis
wird als Grund des vielfach unbefriedigenden Charakters moderner Ehen
angegeben.
Die festgewordenen, die
Individuen zwingenden Formen und Lebensgewohnheiten der Ehe stünden einer
persönlichen Entwicklung der Kontrahenten, insbesondere der der Frau
gegenüber, die weit über jene hinausgewachsen sei.
Die Individuen wären jetzt
auf eine Freiheit, ein Verständnis, eine Gleichheit der Rechte und
Ausbildungen angelegt, für die das eheliche Leben, wie es nun einmal
traditionell und objektiv gefestigt ist, keinen rechten Raum gäbe.
Der objektive Geist der
Ehe, so könnte man dies formulieren, sei hinter den subjektiven Geistern
an Entwicklung zurückgeblieben.
Behält man die relative
Selbständigkeit des Lebens im Auge, mit der die objektiv gewordenen
Kulturgebilde, der Niederschlag der geschichtlichen Elementarbewegungen,
den Subjekten gegenüberstehen, so dürfte die Frage nach dem Fortschritt
in der Geschichte viel von ihrer Ratlosigkeit verlieren.
Dass sich Beweis und
Gegenbeweis mit gleicher Plausibilität an jede Beantwortung derselben knüpfen
lässt, liegt vielleicht daran, dass beide gar nicht denselben Gegenstand
haben.
So kann man z. B. mit
demselben Recht den Fortschritt wie die Unveränderlichkeit in der
sittlichen Verfassung behaupten, wenn man einmal auf die festgewordenen
Prinzipien, die Organisationen, die in das Bewusstsein der Gesamtheit
aufgestiegenen Imperative hinsieht, das andere Mal auf das Verhältnis der
Einzelpersonen zu diesen objektiven Idealen, die Zulänglichkeit oder
Unzulänglichkeit, mit der sich das Subjekt in sittlicher Hinsicht
benimmt.
Fortschritte und Stagnation
können so unmittelbar nebeneinander liegen, und zwar nicht nur in
verschiednen Provinzen des geschichtlichen Lebens, sondern in einer und
derselben, je nachdem man die Evolution der Subjekte oder die der Gebilde
ins Auge fasst, die zwar aus den Beiträgen der Individuen entstanden
sind, aber ein eigenes, objektiv geistiges Leben gewonnen haben.
- So sehr nun die Gebilde
des objektiven Geistes an sachlich geistigem Gehalt und Entwickelbarkeit
desselben jeden individuellen Intellekt übertreffen, so empfinden wir sie
doch in demselben Mass, in dem die Differenziertheit und Anzahl der
arbeitsteiligen Elemente zunimmt, als blossen Mechanismus, dem die Seele
fehlt.
Aufs deutlichste tritt hier
der Unterschied hervor, den man als den von Geist und Seele bezeichnen
kann.
Geist ist der objektive
Inhalt dessen, was innerhalb der Seele in lebendiger Funktion bewusst
wird; Seele ist gleichsam die Form, in der der Geist d. h. der
logisch-sachliche Inhalt des Denkens für uns lebt.
Der Geist in diesem Sinne
ist deshalb nicht an die Gestaltung zur Einheit gebunden, ohne die es
keine Seele gibt.
Es ist, als ob die
geistigen Inhalte irgendwie verstreut da wären und erst die Seele führte
sie in sich einheitlich zusammen, ungefähr wie die unorganischen Stoffe
in den Organismus und die Einheit seines Lebens einbezogen werden.
Darin liegt die Grösse wie
die Grenze der Seele gegenüber den einzelnen, in ihrer selbständigen Gültigkeit
und sachlichen Bedeutsamkeit betrachteten Inhalten ihres Bewusstseins.
In so leuchtender
Vollkommenheit und rastlosem Sich-Selbst-Genügen auch Plato das Reich der
Ideen zeichnen mag, die doch nichts anderes sind als die von aller Zufälligkeit
des Vorgestelltwerdens gelösten Sach-Inhalte des Denkens, und so
unvollkommen, bedingt und dämmernd ihm die Seele des Menschen mit ihrer
blassen, vermischten, kaum erhaschten Abspiegelung jener reinen
Bedeutsamkeiten erscheinen mag - für uns ist; jene plastische Klarheit
und logische Formbestimmtheit nicht der einzige Wertmassstab der Ideale
und Wirklichkeiten.
Uns ist die Form persönlicher
Einheit, zu der das Bewusstsein den objektiven geistigen Sinn der Dinge
zusammenführt, von unvergleichlichem Wert: hier erst gewinnen sie die
Reibung aneinander, die Leben und Kraft ist, hier entwickeln sich erst
jene dunklen Wärmestrahlen des Gemütes, für die die klare Perfektion
rein sachlich bestimmter Ideen keinen Platz und kein Herz hat.
So aber verhält es sich
auch mit dem Geiste, der durch Vergegenständlichung unserer Intelligenz
sich als Objekt der Seele gegenüberstellt.
Und zwar wächst der
Abstand zwischen beiden offenbar in demselben Masse, in dem der Gegenstand
durch das arbeitsteilige Zusammenwirken einer wachsenden Anzahl von Persönlichkeiten
entsteht; denn in eben diesem Mass wird es unmöglich, in das Werk die
Einheit der Persönlichkeit hineinzuarbeiten, hineinzuleben, an welche
sich für uns grade der Wert, die Wärme, die Eigenart der Seele knüpft.
Dass dem objektiven Geist
durch die moderne Differenziertheit seines Zustandekommens eben diese Form
der Seelenhaftigkeit fehlt - in engem Zusammenhang mit dem mechanischen
Wesen unserer Kulturprodukte - das mag der letzte Grund der Feindseligkeit
sein, mit der sehr individualistische und vertiefte Naturen jetzt so häufig
dem »Fortschritt der Kultur« gegenüberstehen.
Und zwar um so mehr, als
diese, durch die Arbeitsteilung bestimmte Entwicklung der objektiven
Kultur, eine Seite oder Folge der allgemeinen Erscheinung ist, die man so
auszudrücken pflegt: dass das Bedeutende in der gegenwärtigen Epoche
nicht mehr durch die Individuen, sondern durch die Massen geschehe.
Die Arbeitsteilung bewirkt
in der Tat, dass der einzelne Gegenstand schon ein Produkt der Masse ist;
die unsere Arbeitsorganisation bestimmende Zerlegung der Individuen in
ihre einzelnen Energien und Zusammenführung des Herausdifferenzierten zu
einem objektiven Kulturprodukt hat zur Folge, dass in diesem einzelnen um
so weniger Seele ist, je mehr Seelen an seiner Herstellung beteiligt
waren.
Die Pracht und Grösse der
modernen Kultur zeigt so einige Analogie mit jenem strahlenden Ideenreiche
Platos, in dem der objektive Geist der Dinge in makelloser Vollendung
wirklich ist, dem aber die Werte der eigentlichen, nicht in Sachlichkeiten
auflösbaren Persönlichkeit fehlen - ein Mangel, den alles Bewusstsein
des fragmentarischen, irrationalen, ephemeren Charakters der letzteren
nicht unfühlbar machen kann.
Ja, die personale
Seelenhaftigkeit besitzt als blosse Form einen spezifischen Wert, der sich
neben aller Minderwertigkeit und Kontra-Idealität ihres Inhalts
behauptet; sie bleibt als eine eigentümliche Bedeutsamkeit des Daseins
all seiner Objektivität gegenüber selbst in den Fällen bestehen, von
denen wir ausgingen und in denen die individuell-subjektive Kultur einen
positiven Rückschritt zeigt, während die objektive fortschreitet.
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