Sociology
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Frauen als Stützen linker
Parteipolitik Hans Geser Bibliographische Zitierung: 2 Fragestellung und Untersuchungsanlage
1. Einleitung In letzter Zeit mehren sich in zahlreichen westlichen Ländern
die empirischen Befunde, dass Frauen häufiger politische Parteien, Kandidaten
und Sachpositionen unterstützen, die als "links", "grün"
oder "liberalsozial" bezeichnet werden, während in betont
rechtstehenden (und insbesondere rechtsextremistischen) Gruppierungen
eindeutig die Männer dominieren.1 Dies zeigt sich erstens auf der Ebene des politischen
Wahlverhaltens, wo die geschlechtliche Zusammensetzung der
Parteianhängerschaften in stabiler und voraussehbarer Weise divergiert. So waren es in den USA
die Frauen, die Clinton zum Sieg über Dole verholfen (Pelletier 1996) und
sowohl Gore wie Kerry gegenüber G.W. Bush den Vorzug gegeben haben. Eine Erstwählerbefragung aus Deutschland hat ergeben, dass junge
Männer eher der CDU, FDP oder rechtsradikalen Parteien ihre Stimme geben,
während junge Frauen häufiger die SPD, die Grünen auch die PDS unterstützen
(Oswald/Kuhn 2003). In Österreich ist in den Bundeswahlen von 1999 und 2003 deutlich
geworden, dass die FPÖ eine eher männliche Wählerklientele mobilisiert,
während in der SPÖ und den Grünen die Frauen dominieren (Ogris 2000;
Filzmaier 2004). Analoge Divergenzen haben sich z. B. auch bei den Kommunalwahlen
der Stadt Salzburg gezeigt:
Für die Schweiz schliesslich führen die Auswertungen der
Nationalratswahlen von 1999 zum Ergebnis, dass neben die SP wie auch die CVP
ihren Frauenanteil an der Wählerschaft seit 1979 zunehmend (auf über 50%)
gesteigert haben, während die beiden Parteien rechts der Mitte (FDP und SVP)
nach wie vor ein mehrheitlich männliches Elektorat rekrutieren (Müller 2000;
vgl. Tab. 1). Trotzdem wäre die Schlussfolgerung unzulässig, dass sich die
politischen Gewichte im Schweizerischen Elektorat aufgrund der Einführung des
Frauenstimmrechts nach links verschoben hätten, denn das linke (bzw.
rot-grüne) Lager umfasst seit den 50er-Jahren praktisch unverändert ca. 30
Prozent (Longchamp 1998). Der Grund dafür besteht möglicherweise darin, dass
der Zuwachs an linken Frauen durch das Schrumpfen der männlich geprägten
(gewerkschaftlich organisierten) Arbeiterschaft kompensiert worden ist. Tabelle 1: Entwicklung des Frauenanteils bei der Wählerschaft
1979-1999: nach Parteirichtung
Quellen: VOX-Analyse der
Wahlen 1979 bis 1991, selects 1995, Bundesamt für Statistik, „SRG SSR Wahlnachbefragung
99, erstellt durch das GfS-Forschungsinstitut“. Zweitens lässt sich nachweisen, dass sich diese politischen
Richtungsunterschiede nicht nur auf die Ebene der Parteipräferenzen, sondern
auch auf die Sphäre sachpolitischer Einstellungen erstrecken. So hat sich in einer
2004 bei 18-35-jährigen Schweizer Stimmbürgern durchgeführten Untersuchung
bei Männern eine signifikant deutlichere Rechtsorientierung als bei Frauen
gezeigt (Golder et. al. 2004). Ebenso macht die Aufstellung der nationalen
Volksabstimmungsergebnisse zwischen 1993 und 2000 (VOX-Analysen) hinreichend
deutlich, wie sehr die Frauen in einem weiten Spektrum sozial-, umwelt-, wirtschafts-
und familienpolitischer Themen immer wieder den Positionen der Linken ihre Unterstützung
geliehen haben (Longchamp/Bieri 2001). Zumindest in drei Fällen (Moratorium
für Atomkraftwerke, neues Eherecht und Antirassismusgesetz) ist es ihnen
eindeutig gelungen, gegen eine Mehrheit ablehnender Männer die Annahme zu
erwirken (Tab. 2). Tabelle 2: Volksabstimmungen mit den
grössten Unterschieden in der Stimmabgabe der teilnehmenden Frauen und Männer
(1977-2000)2
Drittens gibt es Hinweise dafür, dass auch innerhalb der politisch
besonders aktiven Bevölkerungssegmente analoge geschlechtsspezifische
Divergenzen bestehen, Aufschlussreich sind hier die Ergebnisse der im Rahmen des
„Smart-vote“ Projekts durchgeführten Online-Befragungen vom Herbst 2003, in
die 1200 Kandidatinnen und Kandidaten für den Kantonsrat der Kantone St.
Gallen und Thurgau einbezogen worden sind. Dabei hat sich gezeigt, dass die
Frauen in allen Parteien deutlich links von ihren männlichen Parteikollegen
politisieren. (Rouiller et a. 2004a; 2004b. Fivaz/Schwarz 2004). Im Rahmen unserer
eigenen Forschung hat sich bereits in der Lokalparteien-Befragung von 1989
nachweisen lassen, dass Frauen bevorzugt linke Parteien aufsuchen, um sich
aktiv politisch zu betätigen (vgl. Geser 1991). Dank diesem Zustrom
weiblicher Mitglieder ist es den Ortssektionen der SP und der Grünen in den
80er Jahren besser als den bürgerlichen Parteien gelungen, trotz des verbreiteten
Exodus der Männer ihre Mitgliederbestände zu stabilisieren. Viertens lässt sich in Parlamenten beobachten, dass gewählte
Volksvertreterinnen nicht nur sehr häufig linken Parteigruppierungen
angehören, sondern auch innerhalb ihrer jeweiligen Gruppierung eine relativ
linke Politik betreiben. So hat beispielsweise eine kürzliche Analyse von 120
Namensabstimmungen im Nationalrat gezeigt, dass nur elf von insgesamt 45 Frauen
auf der rechten Hälfte des politischen Spektrums angesiedelt sind, und dass
die Frauen praktisch aller Parteien links von ihren
männlichen Ratskollegen politisieren (Jeitziner/Hohl 2000). Interessant ist die
Feststellung, dass das heutige Übergewicht linker Parlamentarierinnen in den
70er Jahren noch nicht bestand, sondern sich erst nach 1980 herausgebildet
hat: Sie ist einerseits eine Folge davon, dass bei den Sozialdemokraten und
den Grünen eine viel systematischere Frauenförderung als bei den bürgerlichen
Parteien stattgefunden hat: mit der Konsequenz, dass diese beiden Parteien
seit 1983 mehr als die Hälfte aller Nationalrätinnen stellen, obwohl sie nur
gut einen Viertel aller Mandate stellen (Seitz 2000). Ein zweiter Grund liegt
natürlich darin, dass die besonders männerdominierte SVP seit 1995 sehr viele
zusätzliche Sitze gewann (Seitz 2000). Bisherige Forschungen
haben leider nur wenig konvergente Ergebnisse darüber erbracht, in welchem
Umfang es eine - teilweise auch quer zur traditionellen Parteienlandschaft verlaufende
- Linkstendenz der Frauen gibt, auf welche Ideologiebereiche und
Politikfelder sie sich erstreckt, und welche Gründe für solche Divergenzen zu
den Männern massgebend sind. Am leichtesten lässt sich wohl verstehen, dass Frauen ungeachtet
ihrer übrigen Gesinnungen gewisse frauenpolitische Anliegen gemeinsam haben,
die aus ihrem objektiven Interesse entstehen, berufliche und familiäre Rollen
besser als bisher zu kompatibilisieren: die Forderung
nach erschwinglichen Krippenplätzen etwa, die quer zur neokonservativen Spar-
und Deregulierungspolitik steht, oder der Ruf nach Schulblockzeiten, der mit
dem schweizerischen Bildungsföderalismus kollidiert. Ebenso liegt die
Vermutung nahe, dass Frauen allein aufgrund ihrer angestammt weiblichen
Identität in einem viel umfassenderen Sinne zur Unterstützung mancher
Anliegen neigen, die in einer Zeit, wo die Sozialdemokratie sich auf
postmaterialistische Werte und auf die Lebenssituation der neuen Mittelschichten
ausrichtet - als "linke Forderungen" gelten. Beispielsweise mögen
sie aufgrund ihrer Fokussierung auf zwischenmenschliche Belange eher geneigt
sein, sozialen und humanitären gegenüber wirtschaftlichen Belangen den Vorzug
zu geben, oder zum Schutz Schwächerer die Autorität des Staates in Anspruch
zu nehmen.
In diesem
Sinne haben die im Rahmen des Online-Projekts "Smart-vote"
durchgeführten Erhebungen (von Kantonsratskandidierenden) ergeben, dass
zumindest die Frauen der Mitte-Parteien mit denjenigen linker Parteien in
einer Reihe "frauenspezifischer" Linksforderungen konvergieren:
Selbst die SVP-Frauen
stimmen zumindest in Fragen der Schwangerschaftsunterbrechung und der Teilzeitstellen
den Kolleginnen in allen andern Parteien zu, während sie sich bezüglich
Kindertagesstätten aber weit von ihnen distanzieren (Fivaz/Schwarz 2004). Nicht überraschend ist
auch, dass Frauen bürgerlicher Parteien für eine stärkere Kontrolle typisch
männlicher Tätigkeitsfelder (Schusswaffengebrauch und Strassenverkehr)
eintreten, in denen sie sich in erster Linie als Opfer sehen (Fivaz/Schwarz
2004). Hingegen erstaunt das
Ausmass, in dem die Linksorientierung der Frauen auch Aspekte des
Umweltschutzes einbegreift: etwa in dem Sinne, dass sie sich gegen den Abbau
des Verbandsbeschwerderechts und gegen den Bau einer zweiten Gotthardröhre
wenden (Fivaz/Schwarz 2004). Ebenso unterstützen sie in höherem Umfang
"liberalsoziale" Anliegen, indem sie im vergleich zu Männern
derselben Partei stärker dafür eintreten, den Gleichgeschlechtlichen Partnerschaften
eheähnlichen Status zuzubilligen und den Ausländern politische Rechte (auf kommunaler
Ebene) zu gewähren (Fivaz/Schwarz 2004). Daraus ergibt sich, dass sowohl am linken wie am rechten Rande
des Parteienspektrums zwischen Männern und Frauen relativ Einklang herrscht,
während die Mitte-Parteien von sehr ausgeprägten Geschlechterpolarisierungen
heimgesucht werden, die wahrscheinlich eine wichtige Ursache für ihre
aktuellen Richtungskämpfe und Profilierungsschwierigkeiten bilden
(Fivaz/Schwarz 2004). In verschiedener
Hinsicht kann man deshalb heute feststellen, dass auch die den bürgerlichen
Parteien angehörenden Frauen heute manche politischen Ziele mittragen, die
von den Frauen linken Parteien initiiert worden sind - und damit innerhalb
ihrer Parteien mancherlei Spannungen und Verunsicherungen erzeugen.3 So steht die FDP
momentan unter dem Druck, dem Wunsch ihrer gut organisierten Frauengruppe
nach
Blockzeiten, Tageschulen und einer staatlichen Mutterschaftsversicherung
Rechnung zu tragen - und dadurch mit einem Selbstbild der
"Mittepartei" zu kokettieren, das ihrem angestammten
rechtsliberalen Profil widerspricht. Ein analoger Konflikt besteht in der
Steuerpolitik, wo die FDP-Frauen im Gleichschritt mit der SP eine völlig zivilstandsunabhängige
Form der Familienbesteuerung befürworten, von der sich die Parteimehrheit
aufgrund des zu hohen bürokratischen Aufwands distanziert.4 2.
Fragestellung und Untersuchungsanlage Im folgenden wird die
bisher wenig erforschte Frage gestellt, inwiefern zwischen den ideologischen und
sachpolitischen Positionen von Parteiorganisationen und der geschlechtspezifischen
Zusammensetzung ihrer Anhängerschaft ein Zusammenhang besteht, und wie sich
solche Zusammenhänge innerhalb der letzten Jahre verändert haben. Diese generelle Formulierung
lässt mit Absicht beide möglichen Kausalrichtungen zu: denn wenn einerseits damit
zu rechnen ist, dass Parteien je nach dem Einfluss von Frauen oder Männern in
divergierende politische Richtungen gedrängt werden, ist ebenso gut denkbar,
dass sich die beiden Geschlechter zu Gruppierungen mit unterschiedlicher
Positionierung hingezogen fühlen. Die empirische Umsetzung
dieser Fragestellung wird dadurch kompliziert, dass Parteien eine Mehrebenenstruktur
aufweisen, so dass derartige Einflüsse von verschiedenen Kategorien der
Mitgliederschaft ausgehen können. So wäre erstens
denkbar, dass der Anteil der Männer und Frauen innerhalb der gesamten Anhängerbasis
die entscheidende Variable darstellt, weil die Parteiführung - zumindest
unter demokratischen Bedingungen - bestrebt sein wird, sich die Meinungen
dieser Basis zu eigen zu machen, um nicht ihren Widerspruch (oder ihr
Abwanderung zu anderen Parteien) zu provozieren; das Richtungsprofil einer
Partei primär bestimmt, wer sich zu diesem periphersten Kreis der
Mitgliederschaft hingezogen fühlt. Zweitens wäre vorstellbar, dass
der Frauen- und Männeranteil im engeren Kreis der Parteiaktiven entscheidend
ist, weil (1) ausschliesslich
diese Aktiven die Chance nutzen, auf die politischen Positionen ihrer Partei
Einfluss zu nehmen; und/oder (2) Frauen sich nur in Parteien, die ihrem eigenen
Gesinnungsprofil entsprechen, zu einer aktiven Teilnahme ermuntert fühlen. Drittens schliesslich ist damit zu rechnen, dass die geschlechtliche
Zusammensetzung auf der Ebene der formellen Führungsgremien (d. h. des
Parteivorstands) bedeutsam ist, (1) weil diese Gremien -
zumindest unter oligarchischen Verhältnissen - die Parteilinie vorrangig
bestimmten, und (2) weil Männer und Frauen nur in Gruppierungen, zu denen sie
eine besondere Affinität besitzen, zur Kerngruppe vorstossen und sich zur Übernahme
eines formellen Parteiamts bereit finden können. Natürlich kann auch mit
komplementären oder substitutiven Verknüpfungen dieser drei Einflussfaktoren
gerechnet werden. Zum Beispiel wäre vorstellbar, dass ein hoher Frauenanteil
unter den Aktiven die Voraussetzung ist, damit sich Frauenmehrheit unter der
Anhängerbasis in konkrete Parteipolitik umsetzen kann, oder dass ein von
Frauen dominierter Parteivorstand selbst einer männerdominierten
Anhängerschaft weibliche Anliegen zur Geltung bringen kann. Zuverlässige Aufschlüsse
bietet der Blick auf die Ergebnisse zweier empirischer Untersuchungen, die -
in fast identischer Form - im Herbst 1989 und im Winter 2002/03 durchgeführt
worden sind. Es handelte sich dabei um schriftliche Befragungen, in die alle
Präsidenten und Präsidentinnen der (rund 5000) Ortsparteien in der Schweiz
einbezogen worden sind. Die Informanten wurden darin unter anderem aufgefordert,
ihre Gemeinde- Kantonal- und Bundespartei auf einer Links-Rechts-Skala zu
lokalisieren, über die innerhalb ihrer aktiven Anhängerschaft vorherrschende
Position zu verschiedenen sachpolitischen Fragen Auskunft zu geben. Die nach
wie vor ungebrochene Aktualität des Links-Rechts-Schemas wird allein schon
darin deutlich, dass sich 1989 wie 2002 nur knapp zwei Prozent der
Informanten ausserstande (bzw. nicht willens) zeigten, ihre Partei auf der
Zehnerskala zu verorten. Zur Bestimmung der Geschlechterverhältnisse
wurden die Informanten zu beiden Untersuchungszeitpunkten (1989 und 2002)
nach dem aktuellen Anteil der Frauen auf drei Ebenen ihrer Lokalpartei
gefragt: 1.
auf der umfassenden Ebene der gesamten Parteianhängerschaft 2.
im engeren Feld der regelmässig aktiven Parteimitglieder 3.
innerhalb des formellen Vorstandsgremiums der Partei. Unter „Parteianhängerschaft“ wurde dabei die
Gesamtheit aller formellen Mitglieder, Sympathisanten oder Interessenten der
Partei verstanden: d.h. all jene Personen, die aufgrund ihres bekundeten
Interesses oder Engagements regelmässig zu den verschiedenen Veranstaltungen
der Lokalpartei eingeladen werden. Diese breite Definition berücksichtigt,
dass zahlreiche für die Partei relevante Personen (z. B. auch kommunale
Amtsträger) oft nicht zu den eingetragenen Parteimitgliedern zählen, und dass
ca. 30% aller Lokalsektionen (vor allem ältere Sektionen der FDP und der CVP)
die Institution der „formellen Mitgliedschaft“ überhaupt nicht kennen. Und zu den „Parteiaktiven“
wurde der Kreis derjenigen gerechnet, die sich –ebenfalls unabhängig von
formeller Mitgliedschaft - in irgendeiner Form aktiv für die Ortspartei einsetzen
oder im Prinzip für aktive Mitarbeit zur Verfügung stehen. Infolge
des informellen Charakters beider Kategorien wurde in Kauf genommen, dass der
Schätzung ein Element subjektiver Beurteilung zugrunde liegt: wobei davon
ausgegangen wurde, dass der Parteipräsident ihre Zahl relativ zuverlässig
einschätzen kann, weil die meisten Gruppierungen angesichts der geringen
Grösse der Gemeinden sehr klein sind und (ausser in den grössten Städten)
keine interne Subdifferenzierung besitzen. Unter dem „Parteivorstand“ schliesslich wurde das in ca.
95% aller Lokalpartien bestehende statutarische Führungsgremium verstanden,
das zwischen den allgemeinen Parteiversammlungen als oberstes Gremium die
Leitung der Partei zuständig ist – im Unterschied zur Geschäftsleitung (die
nur als ausführender Ausschuss des Vorstandes agiert). Angesichts der Tatsache,
dass den Schweizer Frauen erst 1971 das allgemeine Stimm- und Wahlrecht zugestanden
worden ist, erstaunt die Geschwindigkeit. Mit der sie bereits innerhalb der
folgenden Jahre in die politischen Parteien vorgedrungen sind. So lag der Median
weiblicher Beteiligung auf der Ebene der Anhänger wie auch der Aktiven
bereits zum ersten Untersuchungszeitpunkt (1989) in Parteien aller
ideologischen Richtungen bei über 30% (Figur 1). Weitaus niedriger lag er
allerdings auf dem Niveau des Parteivorstands, wo fast die Hälfte aller
Sektionen damals noch eine rein männliche Zusammensetzung aufrechterhalten
hat (Figur 1). Demgegenüber hat sich
innerhalb der 90er-Jahre eine viel bescheidenere, eher als „Konsolidierung“
zu bezeichnende Entwicklung vollzogen: mit dem Ergebnis, dass es heute sehr
viel zahlreichere Sektionen gibt, in denen die Frauen mindestens 40% (bzw.
gar die absolute Mehrheit) aller Anhänger, Aktiven und Vorstandsmitglieder
stellen. Umgekehrt aber hat sich der Prozentanteil der (praktisch) nur von
Männern geführten Parteisektionen kaum (d. h. von 49% bloss auf 42%)
verringert: so dass von einem eher angewachsenen als verringerten (relativen)
Repräsentationsdefizit der Frauen gesprochen werden kann. Die politische
Orientierung der Lokalsektionen wurde operational auf einer
allgemein-ideologischen Ebene und einer spezifischeren sachpolitischen Ebene
bestimmt. Zur Bestimmung der ideologischen Ausrichtung wurden die
Parteipräsidenten gebeten, die Position ihrer Lokalsektion (1) auf einer von 1 bis 10
reichenden Links-Rechts-Skala, und (2) auf einer von 1 bis 10 reichenden
„Grün“-„Antigrün“-Skala zu charakterisieren. Die faktische Relevanz beider Dimensionen in der Schweizerischen
Gemeindepolitik wird dadurch bestätigt, dass zu beiden
Untersuchungszeitpunkten sich weniger als 10% der Informanten ausserstande
gesehen haben, eine derartige Einordnung zu vollziehen. Die sachpolitischen
Orientierungen wurden dadurch bestimmt, dass die Informanten angeben mussten,
ob ihre Ortspartei (repräsentiert durch deren aktive Anhänger) verschiedenen
politischen Entscheidungsfragen mehrheitlich zustimmend, ablehnend oder mit geteilter
Meinung gegenüberstehe. Im Rahmen der nachfolgenden Analyse wird zwischen zwei Kategorien
von Anliegen differenziert, die gemeinhin dem „linken“ politischen Pol zugeordnet
werden: 1. „konventionelle“ linke
Forderungen, die dem traditionellen Fundus „materialistisch-sozialistischer“
Politik zugeordnet werden können (z. B. Forderungen steuer- finanz- und
sozialpolitischer Natur); 2. „neue“ linke Anliegen,
die dem „postmaterialistischen Wertekosmos der seit den 60er-Jahren aufgekommenen
„neuen Sozialen Bewegungen“ zuzurechnen sind (z. B. ökologische und
sozialliberal-moralische Themen). Auch hier zeigt sich die
subjektive Relevanz der gewählten Fragen darin, dass sich durchwegs über 90%
der Informanten bereitgefunden haben, die Positionen ihrer Lokalsektion in
dem gewünschten Sinne zu charakterisieren. 3. Empirische Ergebnisse 3.1 Frauenanteil und ideologische Ausrichtung der Parteien In einem ersten Schritt
weisen bivariate Korrelationsanalysen darauf hin, dass Ortsparteien mit hohem
Frauenanteil eine tendenziell linkere und ökologischere Orientierung als männerdominierte
Gruppierungen aufrechterhalten. Dabei fällt auf, dass die geschlechtsspezifische Zusammensetzung
der Anhängerschaft und der Aktiven innerhalb des Untersuchungszeitraums sehr
stark an statistischer Bedeutung gewonnen haben, während diejenige des Parteivorstands
umgekehrt in den Hintergrund trat (Tab. 3). Tabelle 3: Korrelationen zwischen den
Frauenanteilen (in der Anhängerschaft, bei den Aktiven und im Parteivorstand)
und der Position auf der Links-Rechts-Skala und der Grün-Antigrün-Skala 1989
und 2002 (positiv = links, bzw. grün
* p < .05 ** p < .01 Die multivariaten
Regressionsanalysen (Tab. 4) verstärken den Eindruck, dass 1989 die
Parteiideologie noch weitgehend (in der Links-Rechts Dimension sogar)
ausschliesslich, von den Frauen im Vorstand beeinflusst wurde, während heute
die von der Parteibasis (insbesondere: der umfassenden Anhängerschaft)
ausgehenden Wirkungen dominieren (Tab. 4). Dank ihrer Zunahme hat sich die
statistische Erklärungskraft des Gesamtmodells bei beiden Ideologievariablen
um mehr als das Doppelte erhöht. Tabelle 4: Statistische Erklärungsbeiträge
verschiedener Frauenanteile für die Position der Lokalparteien auf der
Links-Rechts und der Grün-Antigrün-Skala 1989 und 2002 (lineare Regressionsgleichungen;
BETA-Koeffizienten).
* p < .05 ** p < .01 *** p < .001 So ergibt sich der
doppelte Schluss, dass seit Ende der 80er Jahre (1) geschlechtsspezifische Determinanten der Parteiideologie
stärker geworden sind, und (2) die Lokalparteien möglicherweise in dem Sinne
„demokratischer“ geworden sind, als die von der Führungsebene ausgeübten
Wirkungen abgenommen, die von der Parteibasis ausgehenden Einflüsse hingegen
sehr stark zugenommen haben. Allerdings stellt sich das Problem, dass ein Erklärungsmodell,
das nur die partiellen Einzeleffekte der drei Variablen berücksichtigt, den
zu vermutenden interaktiven Wirkungen, die zwischen ihnen bestehen könnten,
nicht Rechnung zu tragen vermag. So wäre beispielsweise (im Licht eines eher
oligarchischen Parteimodels) denkbar, dass Parteien mit starker weiblicher
Anhängerschaft nur dann nach links driften, wenn auch zahlreiche Frauen aktiv
sind, um deren Forderungen in die Politik der Partei einzubringen; oder
umgekehrt (im Sinne eines demokratischen Modells): dass selbst beachtliche
Gruppen aktiver Frauen in Gruppierungen mit männerdominierter Basis wenig Entfaltungsraum
besitzen. Die Ergebnisse in Figur
2 legen den Schluss nahe, dass primär eher das demokratische
Parteimodell gilt: denn ein hoher Frauenanteil in der Anhängerschaft ist eine
hinreichende Voraussetzung dafür, dass Lokalparteien (unabhängig von der
Zusammensetzung der Aktiven) auf einer linken Position verharren, und genauso
wird bei männerdominierter Basis unabhängig von den Parteiaktiven an einer
sehr viel rechteren Position festgehalten. Nur bei stark gemischter
Parteibasis hingegen wird die Parteiideologie sehr stark von der Zusammensetzung
der Parteiaktiven bestimmt: d.h. nur bei relativer Gleichverteilung der
Gewichte innerhalb der Parteibasis hängt es von den aktiveren Eliten ab,
welche von ihnen in der ideologischen Parteilinie zum Durchbruch gelangen. Diese Befunde bieten
eine hinreichende Rechtfertigung dafür, um in den folgenden Analysen vor allem
auf den Anteil der Frauen auf der basalsten Parteiebene: der Anhängerschaft,
zu fokussieren. So wird aus den Häufigkeitsverteilungen in den Figuren 3 und 4
ersichtlich, welch dramatische Prozesse geschlechtsspezifischer Segregation
sich innerhalb der vergangenen Jahre in der Schweizerischen
Parteienlandschaft vollzogen haben. Zwar lässt sich bereits 1989 ein deutlicher
Links-Rechts-Unterschied zwischen frauen- und männerdominierten Parteisektionen
erkennen, aber alle Sektionstypen liegen in ihren Modalwerten noch nahe
zusammen und sind im Sinne einer Normalverteilung über das
Links-Rechts-Spektrum hin verstreut (Figur 3). Demgegenüber wiesen die weiblich
geprägten Sektionen von 2002 eine ausgeprägt linksschiefe Verteilung auf; ihr
Modelwert hat sich auf den Wert drei hin verschoben, während Skalenpositionen
über vier erheblich seltener vorkommen. Umgekehrt hat sich bei den
männerdominierten Gruppierungen die rechtsschiefe Skalenverteilung
verschärft: indem fast sie sich fast zur Hälfte auf den Modalwerten 7 und 8
konzentrieren, und nur noch zu kleinen Bruchteilen auf Positionen unter vier
(Figur 4). So entsteht der
Eindruck, dass das oben berichtete Anwachsen der Korrelationskoeffizienten
auf zwei entgegengesetzten und einander kumulativ überlagernden Entwicklungen
beruht: wobei die Linksverschiebung bei den Frauen allerdings im Vergleich
zur Rechtsdrift der Männer allerdings etwas dramatischere Ausmasse besitzt. 3.2
Frauenanteil
und sachpolitische Parteipositionen Auf der konkreteren sachpolitischen
Ebene stellt sich die Frage, auf welchen Kreis von politischen Positionen
sich die von den Frauen ausgehende Linksorientierung erstreckt. Plausibel erscheint die
Hypothese, dass die klassisch-sozialistischen Anliegen linker Politik relativ
wenig davon betroffen sind, da sie im männlich dominierten Klassenkampf der Arbeiterbewegung
ihren Ursprung haben und auch heute noch vor allem von den Gewerkschaften
getragen werden, die selbst in einer stark feminisierten Arbeitswelt noch
vorwiegend Männer rekrutieren. Sehr viel deutlicher dürften sich geschlechtsspezifische Divergenzen
in manchen postmaterialistischen Fragen bemerkbar machen: vor allem natürlich
im engeren Bereichen der Frauen- und Familienpolitik, aber auch in
moralischen Fragen (z. B. der Asylpolitik) sowie bei umweltpolitischen
Anliegen, wo sich die Frauen - wie die obige Liste der Abstimmungsergebnisse
(Tab. 2) zeigt - gegenüber der wirtschaftlichen Interessenlogik der Männer
durch "fürsorglichere" Wertorientierungen profilieren. Denkbar wäre auch, dass
derart "weibliche" Denkweisen zumindest teilweise gar nicht über
die ideologische Ebene des Links-Rechts-Schemas vermittelt werden, sondern
sich unabhängig vom ideologischen Standort einer Partei bemerkbar machen (und
dementsprechend auch in zentristischen oder gar rechtsstehenden
Parteigruppierungen zu einer gewissen Geltung gelangen). Zur Isolation dieses
"nichtideologischen" Erklärungsanteils sind zusätzlich auch die
partiellen Korrelationen berechnet worden, die noch übrigbleiben, wenn man
die Position auf der Links-Rechts-Achse statistisch kontrolliert. Die in Tabelle 5
zusammengefassten Ergebnisse weisen nun aber im Widerspruch zu unseren theoretischen
Antizipationen darauf hin, dass sich der Linkstrend der Frauen ziemlich
gleichmässig auf alle in der Studie erfassten politischen Sachbereiche
erstreckt: auf Positionen klassisch-sozialistischer Ordnungs-, Arbeitnehmer-
Finanz- und Sozialpolitik ebenso wie auf postmaterialistische Issues jüngeren
Datums, die sich wiederum über ein breites Spektrum nicht intrinsisch
zusammenhängender Problemfelder (von der Kernenergie bis zur
Flüchtlingspolitik) erstrecken. (Dementsprechend entstehen praktisch
dieselben Korrelationskoeffizienten, wenn man die beiden Summenindizes der
konventionellen und der neuen linken -Anliegen mit den Frauenanteilen korreliert) Erstaunlicherweise sticht die Gleichstellungspolitik keineswegs
besonders heraus; vielmehr hat sich hier seit längerem ein derart breiter
gesellschaftlicher Konsens herausgebildet, dass geschlechtsspezifische
Einflüsse stärker als in den meisten anderen Fragebereichen in den
Hintergrund treten. Und drittens schliesslich
fällt auf, dass sowohl im Falle der Anhängerschaft wie der Aktiven praktisch
überall signifikante positive Korrelationen erhalten bleiben, wenn man die
Position auf der Links-Rechts-Skala statistisch kontrolliert. Auch hier sind
keinerlei Unterschiede zwischen konventionellen und neuen Thermen zu erkennen.
Zumindest in einem bescheidenen Umfang scheint also von den Frauen ein rein an
sachpolitischen Themen festgemachter "progressiver" Einfluss auszugehen,
der Parteien ungeachtet ihrer ideologischen Position dazu nötigt, politischen
Anliegen linker Prägung eine etwas grössere Unterstützung zu leihen. Tabelle 5: Korrelationen zwischen den
Frauenanteilen (in der Anhängerschaft, bei den Aktiven und im Parteivorstand)
und dem Zustimmungsgrad zu 14 linken Anliegen (bivariate Korrelation und partielle
Korrelation bei Kontrolle der Position auf der Links-Rechts-Skala).
* p < .05 ** p < .01 Dementsprechend werden
die sachpolitischen Positionen der Parteien zu einem höheren Prozentanteil
als ihre ideologischen Skalenpositionen (vgl. Tab. 3) durch den summativen Einfluss
der verschiedenen Frauenanteile erklärt (Tab. 6 und Tab. 7). Tabelle 6: Statistische
Erklärungsbeiträge verschiedener Frauenanteile für den Zu-stimmungsgrad der
Lokalparteien zu sieben "konventionellen" linken Anliegen 1989 und
2002 (lineare Regressionsgleichungen; BETA-Koeffizienten).
* p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Tabelle 7: Statistische Erklärungsbeiträge
verschiedener Frauenanteile für den Zustimmungsgrad der Lokalparteien zu
sieben "neuen" linken Anliegen 1989 und 2002 (lineare Regressionsgleichungen;
BETA-Koeffizienten).
* p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Nicht überraschen kann
das Ergebnis, dass bei den konventionellen sozialistischen Anliegen der von
der Links-Rechts-Position einer Partei ausgehende Einfluss (mit einem
BETA-Wert von .71 bzw. 75) bei weitem überwiegt (Tab. 6), während bei den
"neuen" postmaterialistischen Anliegen den nicht ideologisch
vermittelten Fraueneinflüssen ein relativ stärkeres Gewicht zukommt (Tab.
7).Multivariate Analysen führen ebenso wie bei der Links-Rechts-Einstufung
zum Ergebnis, dass primär die Zusammensetzung der Anhängerschaft, nicht diejenige
der Parteiaktiven, für die politischen Positionen der Partei den Ausschlag
gibt. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die beiden Geschlechter in der
Anhängerschaft relativ gleichgewichtig vertreten sind: so dass es auf die
Aktivisten ankommt, welche Segmente ihre Positionen auf Parteiebene vorrangig
zur Geltung bringen können (Fig. 5 und Fig. 6). Die partiellen
Restkorrelationen der Tabelle 5 implizieren, dass es Parteien geben muss, die
je nach ihrem Frauen oder Männeranteil eine linkere (bzw. konservativere)
Politik verfolgen, als sie ihrer Verortung auf der Links-Rechts-Skala
eigentlich entspricht. Es stellt sich die Frage, ob sich diese zusätzlichen
Einflüsse gleichmässig auf Parteien aller ideologischer Ausrichtungen
verteilen, oder vielleicht in einem Teilbereich des Links-Rechts-Spektrums
verdichten.
Zu ihrer
Beantwortung wird im folgenden dargestellt, wie sich die sachpolitischen
Fraueneinflüsse bei ·
linken Parteien (mit
Skalenwerten zwischen 1 und 4) ·
zentristischen Parteien (Skalenwerte 5
und 6) ·
rechtsstehenden Parteien (Skalenwerte
7-10) voneinander
unterscheiden. Aus den graphischen Darstellungen (Fig. 7 und Fig. 8) wird
ersichtlich, dass der Zustimmungsgrad zu linken Anliegen sowohl bei linken wie
bei zentristischen und rechten Parteien positiv mit dem Frauenanteil unter
ihren Anhängern korreliert. Vor allem bei den "neuen" Anliegen hat
sich diese Kovarianz seit Ende der 80er Jahre überall noch bedeutend
verstärkt: Der Grund dafür liegt darin, dass männerdominierte Parteien
jeglicher ideologischer Richtung einen sehr ausgeprägten Kurswechsel in
konservative Richtung vollzogen haben, der bei hohem Anteil der Frauen nur
abgeschwächt in Erscheinung tritt (und sowohl bei den Links- wie bei den Mitteparteien,
bei denen die Frauen die absolute Mehrheit stellen, sogar vollständig
verschwindet). Bei den rechtsstehenden
Parteien bleibt dieser stabilisierende Fraueneinfluss allerdings auf neue (d.
h. ökologische und sozialliberale) Themen beschränkt, während ihre konservative
Wendung bei konventionellen Fragen keine geschlechtsspezifische Prägung
zeigt. So entsteht der
Eindruck, dass die parteipolitisch engagierten Schweizer Männer in den
letzten Jahren über das ganze politische Spektrum hinweg eine ausgeprägte
konservative Wendung vollzogen haben, die von den Frauen dank ihrer
wachsenden gegenläufigen Präferenz für progressive Positionen zumindest
partiell abgefedert wurde. 3.3 Der Einfluss der Frauen in den vier Bundesratsparteien Der politische Einfluss der Frauen
vollzieht sich zum grösseren Teil dadurch, dass sie sich bevorzugt in Parteien
links der Mitte (z. B. die SP und die Grünen) engagieren und am wenigsten in
den Sektionen der SVP. In zweiter Linie aber besteht er darin, dass die Frauen
sich innerhalb der jeweiligen Parteien bevorzugt den relativ linksstehenden
Sektionen zuwenden, bzw. dazu beitragen, dass die Sektionen, in denen sie
tätig sind, sich gegenüber linken Anliegen offener als männerdominierte
Gruppierungen verhalten. Wie aus Tabelle 8 hervorgeht, gilt dies besonders ausgeprägt für
die Lokalsektionen der FDP, wo der Frauenanteil sowohl mit der ideologischen
Verortung wie auch mit den beiden sachpolitischen Ausrichtungen signifikant
positiv korreliert. Im Gegensatz zu allen bisher berichteten Befunden handelt
es sich dabei um eine bereits Ende der 80er Jahre ausgebildete Regularität,
die sich seither ungefähr auf demselben Niveau erhielt. Tendenziell sind aber
auch alle anderen Bundesratsparteien von diesem Einfluss betroffen, auch wenn
die Zusammenhänge nur in der SP (und dort nur für die neuen Anliegen) das
Signifikanzniveau überschreiten. Tabelle 8: Korrelationen
zwischen dem Frauenanteil an der Parteianhängerschaft und der
Linksorientierung der Lokalsektionen 1989 und 2002: nach Parteien
Aus Figur 9 geht hervor,
dass die positiven Korrelationen bei der FDP vor allem durch die Sektionen
mit absoluter Frauenmehrheit (über 50%) verursacht wird, in denen der Zustimmungsgrad
sprunghaft auf ein Niveau ansteigt, das den männerdominierten Gruppierungen
der CVP entspricht. In allen anderen Parteien sind kontinuierlichere
Aufwärtskurven festzustellen, die sich zwischen dem ersten und dem zweiten
Untersuchungszeitpunkt überall etwas an Prägnanz gewonnen haben.
Interessanterweise sind es überall die konventionellen linken Anliegen, in
denen männer- und frauendominierte Sektionen heute stärker als Ende der 80er
Jahre voneinander divergieren (Figuren 10,11 und 12). 4. Schlussfolgerungen In allgemeinster und
unverfänglichster Formulierung zwingen die Ergebnisse zur Schlussfolgerung,
dass lokale Parteisektionen mit hohem Frauenanteil sowohl auf
allgemein-ideologischer Ebene wie auch auf dem Niveau spezifischer
sachpolitischer Fragen linkere Positionen als männerdominierte Gruppierungen
vertreten, und dass dieser rein statistische Zusammenhang zwischen 1989 und
2002 eine erhebliche Verstärkung erfuhr. Bei genauerem Blick
zeigt sich, dass in erster Linie die Geschlechterverhältnisse innerhalb der
breiten Anhängerbasis (und in zweiter Linie innerhalb der Parteiaktiven)
dafür den Ausschlag geben, während die Frauenquoten in den formellen
Führungsgremien zwar 1989 noch relevant waren, heute aber kaum mehr von Bedeutung
sind. Unter der Voraussetzung, dass der Frauenanteil die Ursache für die
Linksorientierung bildet, liesse sich diese Gewichtsverschiebung als Hinweis
auf einen inneren Demokratisierungsprozess der Parteien deuten: d. h. auf
eine Entwicklung, in deren Verlauf die Führung zugunsten der Basis an Einfluss
über den politischen Kurs der Parteigruppierung verlor. Bei einer Analyse der
Anhängerschaftsverschiebungen wird deutlich, dass die wachsende Geschlechterdivergenz
zwar zum grösseren Teil durch eine verstärkte Präsenz der Frauen in linken,
in nicht geringem Umfang aber auch durch eine erhöhte Konzentration der
Männer in rechtsstehenden Gruppierungen verursacht wurde. Wenn man
hinzunimmt, dass sich die Frauenanteile im Untersuchungszeitraum überall
erhöht haben folgt daraus, dass die Schweizer Frauen in erheblichem Masse dem
von der Seite der Männer ausgehenden Rechtstrend der Politik gegengesteuert
haben. Höchst bedeutungsvoll ist die Beobachtung, dass sich die
sachpolitische Linksaffinität der Frauen sich keineswegs auf einen engeren
Kreis "typisch weiblicher" (z. B. frauenpolitischer oder
ökologischer Issues) beschränkt, sondern sich über die ganze Spannweite
linker Ideologie und Programmatik erstreckt und insbesondere auch Aspekte der
Arbeitnehmer- und Sozialpolitik mitumfasst, die eindeutig dem Kanon
"klassisch-sozialistischer" Interessenpolitik zuzuordnen sind. Allerdings
fällt auf, dass Frauen all diese sachpolitischen Anliegen teilweise auch
unabhängig vom Denken in ideologischen Links-Rechts-Kategorien zu
unterstützen pflegen: mit der Folge, dass auch alle bürgerlichen Mitte- und
Rechtsparteien (insbesondere di FDP) eine etwas "linkere"
Sachpolitik betreiben, wenn sie über einen umfangreichen Frauenanteil in
ihrer Anhängerschaft verfügen. Analog dazu sind aber auf frauendominierte
Sektionen der SP in ihrer Sachpolitik "fundamentalistischer" als
jene (immer selteneren) Sektionen, in denen noch mehrheitlich Männer die
Parteilinie bestimmen. So haben die Frauen die politische
Parteienpolarisierung einerseits abgeschwächt, indem sie den Rechtsdrall der
bürgerlichen Parteien abgemindert haben, andererseits aber auch verstärkt, insofern
sie innerhalb der Sozialdemokratie eine kompromisslosere Linkspolitik
unterstützen. Genaugenommen sind solche Formulierungen allerdings insofern
spekulativ, als die Kausalitätsrichtung der gefundenen Kovarianzen aus den
verfügbaren Daten allein nicht hinreichend erkenntlich wird. So muss der
"Determinationshypothese", gemäss der die Frauen auf den
Parteipolitischen Kurs Einfluss nehmen, immer die
"Selektionshypothese" gegenübergestellt werden, die davon ausgeht,
dass sich Frauen bevorzugt in Parteien mit den ihnen entsprechenden politischen
Einstellungen engagieren. Zur Klärung dieser Frage wären diachrone Analysen
notwendig, die auf der Basis der beiden replikativen Untersuchungen zwar im
Prinzip möglich wären, aus Gründen des zusätzlichen Arbeitsaufwandes aber
einer zukünftigen Auswertungsstudie vorbehalten werden sollen.
Fivaz, Jan & Schwarz
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Freienstein, S. 4-7. VOX-Analyse der
Wahlen 1979 bis 1991, selects 1995, Bundesamt für
Statistik, „SRG SSR Wahlnachbefragung 99, erstellt durch das GfS-Forschungsinstitut“ Fussnoten: (1)
Hinsichtlich der Präferenz für ökologische Positionen ist die
Evidenzlage allerdings weniger klar. So werden die Grünen Parteien in
Deutschland, Grossbritannien oder Belgien vorrangig von den Frauen
unterstützt, während sie in den Niederlanden, Luxemburg und Frankreich eine
eher männliche Gefolgschaft haben (Falter/Schumann 1992: 213). (2)
Quelle: Longchamp, Claude / Bieri,
Urs: Frauen und Männer als Stimmbürgerinnen: Was haben sie entschieden?
Überblick über wesentliche Hauptergebnisse aus den VOX-Analysen
eidg. Urnengänge (Stand 7.2.2001) http://www.gfs.ch/gender.html (3)
Deshalb ist auch das Ergebnis der oben genannten Studie nicht erstaunlich,
dass sich auch innerhalb der SVP- und CVP-Fraktion des Nationalrats die
weiblichen Parteiabgeordneten etwas linker als ihre männlichen Kollegen
positionieren (Jeitziner/Hohl 2000). (Interessanterweise
gilt dies im vorliegenden Falle aber nicht für die FDP, wo sogar eine leicht
umgekehrte Tendenz festgestellt werden konnte). (4) Vgl.
Familienpolitischer Wettlauf der Parteien / Freisinnige Suche nach einer
liberalen Route. Neue Zürcher Zeitung 7.7. 2001, S. 16. |
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