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Immer mehr Wettbewerb unter
den lokalen Parteien? 1) Soziologisches Institut der
Universität Zürich Version 1.0 September 2004 Inhalt 1. Kausale Bedingungen interparteilicher Konkurrenz in Schweizer
Gemeinden 2. Fragestellung und Methodologie
4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 1. Kausale
Bedingungen interparteilicher Konkurrenz in Schweizer Gemeinden Die Qualität politischer Demokratie hängt wesentlich davon ab,
dass mehrere politische Parteien um die Erringung formaler Machtpositionen
ernsthaft konkurrieren und sich den Bürgerinnen und Bürgern als klar
differenzierte Alternativen zur Aus-wahl stellen. Vor allem ist eine
gewisse Ungewissheit über den Wahlausgang erforderlich, damit die Wähler
Interesse daran gewinnen und überdurchschnittlich häufig zur Urne gehen, weil
sie davon ausgehen können, dass ihre einzelne Stimme wirklich zählt (Black
1974; Patterson/Caldeira 1984 etc.).. Allerdings kann sich das Wahlinteresse bei einer sehr
hohen Zahl von Parteien und Kandidaten wieder verringern, insofern viele
Wähler Mühe haben, sich die notwendigen Informationen zu beschaffen und eine
eindeutige Wahlentscheidung zu treffen (McDonough 1971; Black 1974). Zum zweiten konnte
verschiedentlich gezeigt werden, dass Politiker, die dem Risiko einer
drohenden Abwahl ausgesetzt sind, sich gegenüber den Meinungen der
Wählerschaft "responsiver" zeigen als
Amtsinhaber, die - da sie einer monopolartig dominierenden Partei angehören -
ihre Position für langfristig gesichert halten (Jewell/Olson
1982; Caldeira/Patterson 1982; Prewitt/Eulau
1969). Ebenso gibt es Hinweise dafür, dass Parteienkonkurrenz zwar einerseits
einen gewissen Pluralismus der sozio-politischen
Eliten- und Machtstrukturen zur Voraussetzung hat, diesen Pluralismus andererseits
aber auch zusätzlich verstärkt (Clark 1968;125;
Gilbert 1972: 17). Auf der anderen Seite haben unzählige empirische Studien aus
zahlreichen Ländern zur übereinstimmenden Einsicht geführt, dass auf der
kommunalen Politikebene aus verschiedenen Gründen häufig nicht mit einer
geregelten Parteienkonkurrenz gerechnet werden kann. So ist vor allem im
traditionell-ländlichen Raum mancherorts noch ein apolitisches Verständnis
der Gemeinde als "Gemeinschaft" verbreitet, in der im Bereich
öffentlich relevanter Angelegenheiten einmütig-konsensuale
Entscheidungen die Regel sind, während Dissens, Konkurrenz und Konflikt als
bedauernswerte, möglichst zu vermeidende oder zu beseitigende Störungen
dieser Normalität begriffen werden (Wurzbacher/Pflaum
1954: passim; Vidich/Bensman
1968: passim; Holler 1981).. Zweitens werden viele in den kommunalen Kompetenzbereich fallende
Entscheidungsfragen (z. B. über den Ausbau der Infrastruktur oder den
administrativen Vollzug übergeordneter Gesetze) als relativ unpolitische
Fragen begriffen, die allein unter technischen oder juristischen
Gesichtspunkten problematisch und deshalb mit schierer technokratischer
Rationalität lösbar sind (vgl. Geser 2003a). Drittens sind vor allem kleinere Gemeinden hinsichtlich der sozio-ökonomischen und kulturellen Zusammensetzung ihrer
Bevölkerung oft relativ homogen, so dass die Spaltungen und Konflikte fehlen,
die auf umfassenderen politischen Ebenen unweigerlich Anlass zur
Parteienkonkurrenz bieten. Und viertens verfügen die Parteiorganisation - sofern sie
überhaupt bestehen - über derart geringe personelle, organisatorische und
finanzielle Ressourcen, dass keine Mittel für aufwendige Wahlkämpfe bestehen,
Vielfach findet die faktische Wahlkonkurrenz auf
"subinstitutioneller" Ebene statt, weil ein Wahlkandidat allein
dadurch, dass mehrere Parteimitglieder in ihrem Familien- und Bekanntenkreis
erfolgreich für ihn werben, die zur Wahl erforderliche Stimmenzahl erreichen
kann (besonders unter Bedingungen der Proporzwahl, wo 10-20% der Stimmen für
die Mandatsgewinnung genügen). Vielerlei Faktoren tragen deshalb dazu bei, dass die Kompetitivität der Parteien um politische
Mandate mit wachsender Einwohnerzahl der Gemeinde stark zunimmt:
auch wenn es sich immer wieder als schwierig erwiesen hat, den kausalen
Einfluss der Grösse von damit eng korrelierenden Variablen (z. B. Urbanität)
zu isolieren (Dahl/Tufte 1973: 95; Paterson/Cardeira 1984). 1) Die Heterogenität der Bevölkerung (und damit auch die
Vielfalt der Interessen) wächst an, und immer mehr
Gruppen überschreiten jenes quantitative Niveau, das für die kollektive
politische Artikulation und zur Ausbildung einer eigenen formalen
Organisation (bzw. Partei) erforderlich ist (Clark 1967; Rae/Taylor
1970). 2) Es wird wahrscheinlicher, dass anstelle einer kohärenten
"Dorfelite" eine Mehrzahl untereinander konkurrierender
Elitefaktionen besteht, von denen jede durch Gründung eigener Parteien (bzw.
anderer Interessengruppen) versucht, in der politischen Öffentlichkeit
möglichst viel Unterstützung (und bei den Wahlen einen möglichst hohen
Machtanteil) zu erringen (Clark 1967).. 3) Während in kleinen Gemeinden Konflikte oft vermieden werden,
da sie sich leicht auf das Gesamtsystem ausbreiten und innerhalb der
Dorfgemeinschaft unerwünschte persönliche Ressentiments und Feindseligkeiten
erzeugen (Vidich/Bensman 1968; Dahl/Tufte
1973: 93f.) , sind politische Auseinandersetzungen in grösseren Kommunen
leichter tolerierbar, da sie auf einzelne Bereiche eingegrenzt bleiben und
die Konfliktparteien in eher lockeren und sachspezifischen (statt
emotional-diffusen) Beziehungen zueinander stehen. Ueberdies
sind eher unbeteiligte "third parties" verfügbar, die im Falle, dass ein Konflikt
eskaliert, moderierend eingreifen können. So kann man feststellen, dass
Wahlkämpfe in grösseren Gemeinden regelmässige, allseits erwartete und
erwünschte Normalereignisse darstellen, in kleineren Gemeinden aber oft nur
in Ausnahmesituationen vorkommen, die durch besonders hohe politische
Spannungen und Unzufriedenheiten gekennzeichnet sind (Black 1974).
Entsprechend ist auch das Niveau politischer Partizipation in kleineren
Gemeinden erheblich enger als in grösseren Städten mit dem Ausmass der
Parteienkonkurrenz verknüpft (Black 1974). 4) Allein aufgrund ihrer Mitgliederzahl, Finanzmittel und
organisatorischen Differenziertheit sind Parteien grösserer Gemeinden besser
in der Lage, auch relativ umfangreiche und kostspielige Aktivitäten (wie z.
B. Flugblattaktionen, Inseratekampagnen u.a.) durchzuführen, wie sie im Rahmen eines kompetitiven Wahlkampfs notwendig sind. Zudem werden sie
auch eher über einen hinreichen Pool von Kandidaten verfügen, um nicht nur
die ihnen zustehenden Mandate zu besetzen, sondern auch anderen Parteien
Sitze streitig zu machen. Andererseits wird der Wettbewerb in grösseren Städten allerdings
oft dadurch begrenzt, dass unverhältnismässig grosse Mittel (z. B. Geld für
teure Medienaktionen) erforderlich sind, um wirksame politische Kampagnen zu
führen. So hat sich in der bekannten Untersuchung von Gordon S. Black
gezeigt, dass in Grosstädten nur bei relativ labilen Mehrheitsverhältnissen
Wahlkämpfe ausgetragen werden, während die Kompetitivität
in kleineren Städten nicht mit den Mehrheitsverhältnissen (=Siegeschancen)
korreliert (Black 1974). Analog dazu haben Paterson/Caldeira
(1974) in ruraleren Regionen der USA eine höhere
Neigung zu Wahlkämpfen als in urbanen Staaten gefunden. Unabhängig von der Grösse können die mit moderneren ökonomischen
Entwicklungen einhergehenden Transformationen des Schichtungssystems dazu
führen, dass Parteien sowohl beim Ringen um Wähleranteile wie bei der
Rekrutierung von Mitglieder in ein kompetitiveres
Verhältnis zueinander treten. Der Grund dafür liegt darin, dass sich die
klassischen Strukturformationen (z. B. Bauernschaft, Kleingewerbe oder
Arbeiterschaft) auflösen, aus denen die Parteien bisher stabile
Stammwählerschaften und Stammmitgliedschaften
rekrutierten. Stattdessen sehen sich linke wie
rechte Parteinen zunehmend mit demselben amorphen Feld von "neuen
Angestellten" und Beamten konfrontiert, die relativ flottierende,
eher von subjektiven Werten als objektiven Strukturbedingungen abhängige
Parteiloyalitäten aufrechterhalten und deshalb ständig neu umworben werden
müssen. Dies bedeutet, dass die Parteienkonkurrenz immer umfassendere Formen
annimmt, weil alle Parteien zunehmend die gesamte (stimmberechtigte)
Bevölkerung umwerben.- mit der Folge, dass sie sich
sowohl in der Struktur ihrer Wählerschaft wie auch in der Zusammensetzung
ihrer Anhängerschaft immer weniger voneinander unterscheiden (vgl. Gluchowski / Veen 1979). Hinzu kommt, dass sich Parteien in moderneren Gemeinden nicht
mehr auf bereits bestehende "en bloc" Mitgliedergruppen abstützen
können, die ihnen z. B. von konfessionell gebundenen Vereinen (im Falle der
CVP), von Gewerbevereinigungen (bei der SVP) oder von lokalen
Gewerkschaftssektionen (SP) zugetragen werden: ebenso wenig wie auf die in
Wirtshäusern gepflegte "informelle Stammtischgeselligkeit", die in
traditionellen Gemeinden vor allem die Männer mittleren Alters dazu
motiviert, an lokalen Vereinigungen aller Art relativ regelmässig
teilzunehmen, Stattdessen stehen sie einer
atomisierten örtlichen Bevölkerung gegenüber, in der alle potentiellen
Anhänger individuell angesprochen werden müssen und aufgrund ihrer
individuellen Motive autonom und immer wieder neu über die Kontinuierung ihrer Mitgliedschaft und ihres Engagements
entscheiden (vgl. z. B. Putnam 1995). Auch die Konkurrenz um Mitglieder und Kandidaten dürfte
sich mit wachsender Grösse und ökonomischem Entwicklungsgrad der Gemeinden
intensivieren
Im Falle der Schweiz, wo rund die Hälfte der Gemeinden unter 700
Einwohner zählt, darf mit einer besonderen Wirksamkeit solch grössenbedingter
Konkurrenzhemmnisse gerechnet werden. Andererseits wird die Kompetitivität kommunaler Wahlen aber durch eine Vielzahl
anderer, mit den politischen Systembedingungen zusammenhängenden Faktoren
determiniert. Förderlich wirkt einerseits sicher die relativ weitgehende
Gemeindeautonomie, die zur Folge hat, dass Kommunen regelmässig auch echt
"politische" (d. h. ideologisch wie sachpolitisch kontroverse)
Entscheidungen zu treffen haben und deshalb auch eine Exekutive bestellen
müssen, für deren personelle Besetzung (partei-)politische Kriterien
massgeblich sind. Der föderalistische Aufbau der Schweiz widerspiegelt sich
auch im Parteiensystem in der Regularität, dass die
kantonalen Organisationen im Verhältnis zur Bundespartei sowie auch die
lokalen Sektionen im Verhältnis zur Kantonspartei über eine relativ hohe
Autonomie (in struktureller, finanzieller wie auch politisch-ideologischer
Hinsicht) verfügen, Diese Eigenständigkeit bietet für sie die Möglichkeit,
Nur aufgrund dieser Rahmenbedingungen darf überhaupt damit
gerechnet werden, dass die interparteiliche Kompetitivität
einerseits von kontextuellen Variablen erheblich beeinflusst wird und
andererseits verschiedende Strukturmerkmale und
Aktivitäten der lokalen Parteisektionen in deutlichem Umfang kausal
determiniert.
Andererseits
könnten aus den Prinzipien der Proporzwahl, der Konkordanz und der direkten
Demokratie durchaus Tendenzen entstehen, die Parteienkonkurrenz zu reduzieren
oder gar völlig zu suspendieren. 1) Unter Bedingungen des Majorzwahlrechts wird die Kompetitivität insofern unausweichlich, als die einzige
Raison d'être (und politische Wirkungsmöglichkeit)
einer Partei darin besteht, durch einen Wahlsieg die integrale
Regierungsmacht zu erringen. Ein Verzicht auf Konkurrenz wäre unter diesen
Voraussetzungen gleichbedeutend mit der Abschaffung der Demokratie. In Proporzsystemen
ist der Konkurrenzzwang insofern gemildert, als auch Parteien, die sich mit
einem minoritären Wähleranteil begnügen, an der
formellen politischen Macht dauerhaft mitbeteiligt bleiben. Dadurch können
sie ermutigt werden, ihre Werbung im Interesse ideologischer Homogenität und
politischer Konsistenz auf bestimmte Segmente der Wählerschaft einzuschränken
und die übrigen Segmente konkurrenzlos den anderen Parteien zu überlassen (Harmel/Janda 1982; McDonough 1971). Andererseits sind
konkurrierende Parteien unter Proporzbedingungen insofern besonders stark
gefordert, als sie häufig einen "Vielfrontenkrieg"
gegen verschiedene andere Parteien zu führen haben, während sich die
Auseinandersetzung unter Majorverhältnissen meist auf eine einzige Gegenpartei
beschränkt (Katz 1980; 20ff.). Vor allem
"Parteien der Mitte" müssen viel ideologisch-programmatische (und
tagespolitische) Arbeit leisten, um sich gegen linke und rechte
Herausforderer gleichermassen deutlich zu profilieren. Im Falle der Schweiz
werden Gemeinderäte und andere formelle Exekutivgremien zwar formell in
überwiegendem Masse auf dem Majorzwege bestellt; informell besteht aber
praktisch durchwegs aber ein "freiwilliger Proporz" in dem Sinne,
dass die starken Parteien den schwächeren von sich aus Sitze einräumen, indem
sie ihnen zum vornherein einen Teil der Mandate überlassen. 2) Das Prinzip der Konkordanz bedeutet, dass die exekutiven
politischen Entscheidungen in Gremien, in denen alle wichtigen politischen
Kräfte repräsentiert sind, in kollegialer Weise getroffen werden: so dass sie
gar nicht einzelnen Parteivertretern zurechenbar sind. Damit entfällt
einerseits der Zwang, im Hinblick auf zukünftige politische Führerschaft
bereits vor den Wahlen starke parteiinterne Autoritätspersonen aufzubauen;
zweitens verlieren die Parteien insofern ein wichtiges Motiv für einen
intensiven Wahlkampf, als sie nach Bestellung der Sitze gar nicht in der Lage
sind, ihre Mandatsträger in hohem Umfang zu kontrollieren; und drittens
können sie losgekoppelt von der Regierungsverantwortung eine relativ
beliebige Partikularpolitik kultivieren, die sich eher an internen
ideologischen Kriterien als an der externen Gemeinwohlperspektive orientiert: 3) Die Institutionen der direkten Demokratie bieten den Parteien
zusätzliche Wirkungsmöglichkeiten, die auch dann offenbleiben, wenn sie in der
Exekutive oder in den übrigen Gremien nur wenige oder gar keine formellen
Mandate erringt. Beispielsweise kann sie sich dann darauf konzentrieren,
durch Ergreifen von Volksinitiativen das kommunalpolitische "Agenda setting" zu bestimmen oder durch Mobilisierung ihrer
Anhänger auf die Entscheidungen in der Gemeindeversammlung Einfluss zu
nehmen. Auch diese alternativen Betätigungskanäle können zur Folge haben,
dass Parteien es nicht so dringlich finden, durch Mobilisierung all ihrer
Kräfte den Wahlkampf optimal zu bestehen. So sind Schweizer Lokalparteien keineswegs
"Patronageparteien", deren Anhänger durch die Aussicht auf
lukrative Machtpositionen dazu getrieben würden, besonders intensiv für den
Wahlerfolg zu kämpfen. Ebenso wenig können sie - um die Terminologie Eldersvelds zu verwenden - als "candidate-centered
aggregations" bezeichnet werden, deren
Anhänger das vorrangige Ziel hätten, einen herausragenden einzelnen
Führungspersönlichkeiten zur politischen Macht zu verhelfen: denn die
kollegiale Proporzdemokratie enthält gar keine formellen Positionen, die für
eine personalisierte Machtausübung geeignet wären. Am ehesten können sie dem
Typus der "amateur association
of idealists" zugeordnet werden, der sich von
beiden übrigen Typen durch eine stärkere Orientierung an Sachthemen, durch
demokratischere Formen der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung und eine
geringere Relevanz des Wahlerfolgs (als Raison d'ètre
der Partei und als Motor der Motivierung) unterscheidet) vgl. Eldersveld 1982: 165ff.). Insofern
eher inhaltliche politische Ziele (anstatt schiere Gewinne an politischer
Macht) im Vordergrund stehen, ist damit zu rechnen, dass sowohl der Zu- und
Abfluss an Mitgliedern wie auch deren Teilnahmemotivationen eher von
ideologischen Orientierungen und sachpolitischen Positionen (anstatt von
Siegen und Niederlagen im Wahlkampf) abhängig sind. Die Wahlkampfneigung
solcher Gruppierungen dürfte deshalb eher von sachpolitisch-ideologischen als
personellen Faktoren abhängig sein - so dass die in der Schweiz momentan
feststellbare Links-Rechts-Polarisierung durchaus zu einer Erhöhung der Kompetitivität beitragen könnte. Insgesamt sehen sich alle Parteien einer relativ hohen
Stabilität ihrer Wähler- und Mitgliederschaft
gegenüber, die weder durch das plötzliche Auftreten (oder Verschwinden)
charismatischer Führerpersonen gestört noch durch öffentliche Zuschreibung
von politischem Erfolg oder Misserfolg wesentlich beeinträchtigt wird.
Dementsprechend sehen gut etablierte Parteien oft wenig Grund, durch hohe Kompetitivität den Risiken des Abstiegs entgegenzuwirken
- und minoritäre Gruppierungen auch wenig Chancen,
durch überdurchschnittliche Anstrengungen einen spektakulären Aufstieg zu
vollziehen (vgl. z. B. Neidhart 1986: 44). Unter solchen
Stabilitätsbedingungen ist gemäss Katz besonders damit zu rechnen, dass
Parteien allein durch das Risiko, altgewohnte Mandate zu verlieren, zum
aktiven Wahlkampf herausgefordert werden, während die Aussicht auf
zusätzliche Gewinne - vor allem wenn zusätzliche Mandate mangels Kandidaten
gar nicht besetzt werden könnten - bedeutend weniger Streitlust erregt (Katz
1980: 18). 2. Fragestellung und Methodologie Im Herbst 1989 und im Herbst 2002 wurden am Soziologischen
Institut der Universität Zürich zwei praktisch identische empirische
Untersuchungen durchgeführt, in die alle (ca. 5000) Ortsparteien in den
Gemeinden der Schweiz einbezogen worden sind. Allen Präsidentinnen und
Präsidenten dieser lokalen Gruppierungen wurde ein umfangreicher Fragebogen
zugeschickt, in dem sie aufgefordert wurden, über die Anhängerbasis und
Organisationsstruktur, die ideologischen und sachpolitischen Positionen, die
inneren Prozesse und die externen politischen Aktivitäten der Partei
detaillierte Auskünfte zu geben. Bei beiden Surveys
wurden jeweils rund 2550 Fragebogen ausgefüllt zurückgesandt (d. h. rund
50%). Bei rund 80% dieser
Gruppierungen handelt es sich um die Lokalsektionen der vier landesweit
tätigen grossen Bundesratsparteien (FDP, CVP, SVP und SP); bei weiteren 8% um
die örtlichen Filialen kleinerer Parteien, und bei den restlichen 12% um
autonome lokale Gruppierungen ohne Einbindung in kantonale oder nationale
Organisationen. Im Fragebogen wurde zu beiden Zeitpunkten auf zwei komplementäre
Weisen versucht, das Bestehen und Ausmass interparteilicher Kompetitivität innerhalb der Gemeinde zu bestimmen.. Erstens wurden die Informanten nach ihrer subjektiven
Einschätzung darüber befragt, wie stark sich ihre Ortssektion
in Konkurrenz zu den anderen organisierten Ortsparteien befinde. Dabei wurde der Vieldimensionalität des Konkurrenzkonzepts Rechnung
getragen, indem je separat die Kompetitivität (a) bei der Bestellung
des Gemeindepräsidiums (b) bei der Wahl der Gemeindeexekutive (c) bei der Besetzung
niedrigerer kommunaler Aemter (z. B. Kommissionen) (d) bei der Rekrutierung
von Kandidaten (e) bei der Werbung um neue Mitglieder erhoben wurde. In allen
fünf Fällen wurden drei Antwortmöglichkeiten (keine, mässige oder starke
Konkurrenz) zur Auswahl angeboten. Neben den beträchtlichen positiven Interkorrelationen
berechtigen auch die Ergebnisse der Faktoranalyse dazu, den Grad an
"interparteiliche Konkurrenz" als eindimensionales Konzept zu
behandeln. Denn sowohl in kleineren wie auch grösseren Gemeinden resultiert
nur ein einziger signifikanter Faktor, der 1989 ca. 48% und 2002 ca. 51% der
gesamten gemeinsamen Varianz erklärt. In dieser Steigerung kommt die Tatsache
zum Ausdruck, dass die meisten Interkorrelationen im Untersuchungsintervall
noch an Stärke hinzugewonnen haben (vgl. Tab. 1). Tabelle 1: Interkorrelationen der fünf
Aspekte interparteilicher Konkurrenz 1989 und 2002: alle
Parteien
**
p < .01 Evidenterweise ist die Validität dieser Indikatoren dadurch
begrenzt, dass sie nur eine subjektive Einschätzung wiedergeben, bei der sich
die Wahrnehmung objektiver kommunalpolitischer Situationsbedingungen
unweigerlich mit rein parteibezogenen Faktoren (z. B. dem Entschluss dieser
einen Partei, sich kompetitiv zu verhalten)
vermischt. Deshalb wurde versucht, die Intensität interparteilicher
Konkurrenz zumindest im Schlüsselbereich der Exekutivwahlen objektiver zu
bestimmen, indem danach gefragt wurde, ob "bei den letzten oder
vorletzten Wahlen" folgende Ereignisse vorgekommen seien:
Gemäss dem vierjährigen Wahlzyklus beziehen sich die Antworten
in der ersten Umfrage auf die Periode 1982 - 1989; im zweiten Survey auf den Zeitraum 1995-2002. Diese Operationalisierung beruht auf der Annahme, dass sich der
Grad an Kompetitivität objektiv durch den Grad an
Unsicherheit über den Wahlausgang bestimmt (vgl. z. B. Paterson/Caldeira
1984). Erwartungsgemäss sind
die rund 40% der Ortsparteien, denen eines der obigen Ereignisse zugestossen
ist, eher geneigt, im Hinblick auf Exekutivwahlen einen intensiven
Konkurrenzdruck zu perzipieren. Die Korrelationen
(.128 im Jahre 1989 und .138 im Jahre 2002) sind aber erstaunlich gering,
weil sehr zahlreiche Sektionen mit stabilen Wahlergebnissen dennoch ein
intensives Konkurrenzverhältnis wahrzunehmen pflegen. 3. Empirische Ergebnisse 3.1. Die wahrgenommene Kompetitivität Die Ergebnisse beider Survey zeigen
übereinstimmend. dass sich die ganz überwiegende Mehrheit der Informanten als
Vorsteher einer kompetitiven politischen
Gruppierung perzipieren, die mit anderen Parteien
in derselben Gemeinde zumindest in moderatem Ausmass nicht nur um formelle Amtspositionen, sondern auch um die Rekrutierung von
Kandidaten und Mitgliedern konkurriert. Keine eindeutige Antwort findet aber andererseits die einfache
Frage, ob die Kompetitivität im Untersuchungszeitraum
1989 bis 2002 eine Steigerung oder Verminderung erfahren hat. Einerseits ist
die Extensität der Konkurrenz
offensichtlich in dem Sinne angewachsen, als der Prozentanteil der Sektionen
hochsignifikant abgenommen hat, die bezüglich des Gemeindepräsidiums und der
Rekrutierung von Kandidaten keinerlei Konkurrenz vermelden. Umgekehrt scheint
sich ihre Intensität eher etwas abgeschwächt zu haben, insofern die
Prozentanteile in der Kategorie "starke Konkurrenz" in allen fünf
Bereichen (besonders deutlich bei der Bestellung "anderer Ämtern)
rückläufig waren (Tab 2). Tabelle 2: Prozentsatz der Lokalparteien mit unterschiedlichem
Grad an wahrgenommener interparteilicher Konkurrenz in verschiedenen
Bereichen 1989 und 2002 (alle Parteien)
Bei einer Aufgliederung nach Sprachregionen zeigt sich, dass das
wachsende Ringen um valable Amtskandidaten
eine gesamtschweizerische Entwicklung darstellt, während sich die Abnahme unbestrittener
Präsidentenwahlen auf den deutschen und italienischen Sprachraum begrenzt.
Andererseits scheint sich die rückläufige Intensität der Parteienkonkurrenz
eher auf die beiden romanischen Landesteile zu beschränken, während in der
deutschen Schweiz ungefähr dasselbe Niveau aufrechterhalten blieb (Tab.
3,4,5). Tabelle 3: Prozentsatz der Lokalparteien mit unterschiedlichem
Grad interparteilicher Konkurrenz in verschiedenen Bereichen 1989 und 2002
(deutsche Schweiz)
Tabelle 4: Prozentsatz der Lokalparteien mit unterschiedlichem
Grad inter-parteilicher Konkurrenz in verschiedenen Bereichen 1989 und 2002
(französische Schweiz)
Tabelle 5: Prozentsatz der Lokalparteien mit unterschiedlichem
Grad inter-parteilicher Konkurrenz in verschiedenen Bereichen 1989 und 2002
(italienische Schweiz)
Berechnet man den Gesamtumfang interparteilicher Konkurrenz als
Summe der fünf Teilindikatoren, lässt sich ein signifikanter Vorsprung der
deutschen Schweiz erkennen, der sich gegenüber der Romandie im Untersuchungsintervall
noch zusätzlich akzentuiert hat, gegenüber dem Tessin hingegen auf derselben
Höhe verblieb (Tab. 6). Tabelle 6: Gesamtumfang der interparteilichen Konkurrenz 1989
und 2002: nach Sprachregion
Die so vielfältig und überzeugend begründbare Hypothese, dass
die Kompetitivität mit wachsender Einwohnerzahl der
Gemeinde zunehme, wird insgesamt in einem nur schwachen Umfang bestätigt
(vgl. Figuren 1-5). Vor allem zeigt sich, dass die Extensität
der Konkurrenz in den meisten Bereichen zu beiden Messzeitpunkten kaum mit
der Bevölkerungsgrösse korreliert. So liegt der Anteil der Sektionen, die um
Sitze in der Exekutive oder in den Kommissionen und um neue Mitglieder in
mindestens moderatem Ausmass konkurrieren, in allen Grössenkategorien über
80%, und bei der Wahl des Gemeindepräsidenten zumindest über der Marke von
60%. In manchen Fällen zeigt sich Bezüglich der politischen Wahlen - und noch
deutlicher bei der Rekrutierung von Kandidaten besteht sogar eine
ausgesprochene Kurvilinearität: in dem Sinne, dass
der Wettbewerb in mittelgrossen Kommunen ihr Maximum erreicht und vor allem
in den grösseren Städten wieder etwas sinkt. Diese Tendenz hat sich im
Untersuchungsintervall allerdings insofern abgeschwächt, als es (auch)
grösseren Gemeinden fast universell üblich geworden ist, die Exekutive und
Kommissionen im Parteienwettbewerb zu bestellen. Beim Gemeindepräsidium sind
es umgelehrt eher die mittelgrossen Gemeinden, die 2002 signifikant häufiger
als 1989 mehrere Kandidaten in den Wahlkampf schickten. Betrachtet man die Intensität des Parteienwettbewerbs,
bietet sich allerdings ein anderes, den theoretischen Erwartungen besser
entsprechendes Bild. So nimmt der Anteil der Sektionen, die bei der
Bestellung der Exekutiv- und Kommissionsämter eine
"starke Konkurrenz" angeben, mit wachsender Gemeindegrösse sehr
stark (d. h,. zwischen Kleinstgemeinden und
Grosstädten um rund das Doppelte) zu. Bei der Wahl des Gemeindepräsidenten
hat sich diese selbe positive Korrelation allerdings erst 2002 eingestellt,
indem die Kompetitivität in Kleingemeinden gesunken
ist und in Städten über 20000 Ew. etwas zugenommen hat. Parallel dazu hat
sich auch hinsichtlich des Wettbewerbs um Kandidaten und um neue Mitglieder
eine leicht positive Korrelation mit der Gemeindegrösse eingestellt, die 1989
noch nicht festzustellen war. Tabelle 7: Gesamter Umfang an interparteilicher Konkurrenz 1989
und 2002: nach Bevölkerungsgrösse der Gemeinde
Als kumulierender Gesamteffekt aus all diesen Wandlungen hat
sich die die Korrelation zwischen Gemeindegrösse und Konkurrenzgrad im
Untersuchungsintervall eindeutig verstärkt. Vor allem fällt auf, dass sich
über die Grössenskala hinweg eine fast monotone positive Kovarianz
eingestellt hat, während 1989 sich nur die Kleinstgemeinden (mit weniger als
500 Ew.) durch einen signifikant geringeren Wettbewerbsgrad abgehoben haben
(Tab. 7). 3.2 Knappe Wahlergebnisse und
Sitzverluste Obwohl die Intensität des Wettbewerbs um Exekutivmandate nach
Ansicht der Informanten nicht zugenommen hat (vgl. Tab. 2), geben ihre
Auskünfte über kürzliche Wahlergebnisse Grund zur Annahme, dass heute
mancherorts ein härteres Wahlkampfklima als in den 1980er-Jahren besteht. So
hat sich die Zahl der Sektionen, die in den letzten oder vorletzten
ordentlichen Gemeinderatswahlen eine nur knappe Wiederwahl oder gar einen
Sitzverlust erfahren haben, im Zeitraum zwischen beiden Untersuchungen um
mehr als 25% erhöht (Tab. 8). Allerdings scheinen sich die Sitzverluste
primär durch die Nichtwahl neuer Kandidaten vollzogen zu haben, da
Nichtwiederwahlen bereits amtierender Mitglieder ungefähr gleich häufig
blieben. So scheint sich der
Trend zu volatileren Wahlergebnissen, der in jüngerer Zeit auf Kantons- und
Bundesebene spürbar geworden ist, zumindest in abgeschwächter Weise auch im
kommunalen Raum bemerkbar zu machen: mit der Folge, dass Parteien genötigt
sind, ihre bisherige Position in einem durch höhere Unsicherheiten und
Risiken geprägten Umfeld zu behaupten. Tabelle 8: Prozentsatz der Ortsparteien mit knapper Wiederwahl,
Sitzverlust oder Abwahl in den beiden letzten Wahlen der Gemeindeexekutive
1989 und 2002 (Gesamte Schweiz)
Ein Vergleich der drei Sprachregionen macht sichtbar, dass
derartige Kontingenzen in der Westschweiz am deutlichsten zugenommen haben,
wo vor allem knappe Wiederwahlen fast auf das Doppelte angestiegen sind (Tab.
10). Im Vergleich dazu hat sich im deutschen Sprachraum ein eher ruhigeres
Wahlklima erhalten, das vor allem durch eine überaus niedrige Quote von
Nichtwiederwahlen gekennzeichnet ist (Tab. 9). Im Tessin hat sich eine
offenbar eine im vergleich zur Romandie moderatere Destabilisierung
vollzogen, die sich eher in knapperen Wahlergebnissen als in effektiven
Sitzverschiebungen manifestiert (Tab. 11). Tabelle 9: Prozentsatz der Ortsparteien mit knapper Wiederwahl,
Sitzverlust oder Abwahl in den beiden letzten Wahlen der Gemeindeexekutive
1989 und 2002 (deutsche Schweiz)
Tabelle 10: Prozentsatz der Ortsparteien mit knapper Wiederwahl,
Sitzverlust oder Abwahl in den beiden letzten Wahlen der Gemeindeexekutive
1989 und 2002 (französische Schweiz)
Tabelle 11: Prozentsatz der Ortsparteien mit knapper Wiederwahl,
Sitzverlust oder Abwahl in den beiden letzten Wahlen der Gemeindeexekutive
1989 und 2002 (italienische Schweiz)
Die theoretische Annahme, dass sich offen ausgetragene
Wahlkämpfe vorwiegend auf grössere Gemeinden beschränken würden, während
kleine Kommunen aufgrund einer gemeinschaftlich geprägten politischen Kultur
einvernehmlich-konfliktfreie Verhältnisse bevorzugen würden, wird durch
unsere Ergebnisse in keiner Weise bestätigt. Vielmehr zeigt sich, dass sich
selbst Kleinstgemeinden mit weniger als 500 Einwohnern bezüglich der
Häufigkeiten von knappen Wahlergebnissen und Sitzverlusten kaum von grösseren
Städten unterscheiden. Genau umgekehrt sind es 1989 die Grosstädte mit über 50
000 Einwohnern, und 2002 die mittelgrossen Städte (mit 20-50 000 Ew.), in
denen die stabilsten politischen Wahlverhältnisse bestanden haben (Tab.
12,13,14).. Tabelle 12: Prozentsatz der Parteisektionen mit knapper
Wiederwahl in den beiden letzten Wahlen der Gemeindeexekutive 1989 und 2002:
nach Bevölkerungsgrösse der Gemeinde
Tabelle 13: Prozentsatz der Parteisektionen mit Sitzverlusten in
den beiden letzten Wahlen der Gemeindeexekutive 1989 und 2002: nach
Bevölkerungsgrösse der Gemeinde
Ebenso handelt es sich bei der oben festgestellten Volatilisierung der Wahlverhältnisse um einen überaus
generellen Trend, der Gemeinden unterschiedlichster Grössenkategorien in
durchaus ähnlicher Weise betrifft. Tabelle 14: Prozentsatz der Parteisektionen mit Abwahl in den
beiden letzten Wahlen der Gemeindeexekutive 1989 und 2002: nach
Bevölkerungsgrösse der Gemeinde
3.3 Andere kontextuelle Einflussfaktoren Angesichts der geringen Erklärungskraft der Gemeindegrösse
stellt sich die Frage, ob die interparteiliche Konkurrenz in den Schweizer
Gemeinden überhaupt durch sozio-strukturelle
Kontextmerkmale des kommunalen Umfelds beeinflusst wird, oder ob allein homogenisierende
translokale Faktoren des Parteiensystems, des
politischen Systems oder der politischen Kultur den dafür den Ausschlag
geben. Wie oben erwähnt, darf mit einem positiven Einfluss des sozio-ökonomischen Entwicklungsniveaus auf den
Parteienwettbewerb gerechnet werden, insofern im Zuge der Modernisierung auch
traditionelle Stammwählerschaften verschwinden (vgl. 1) Dies hat zur Folge,
dass Parteien genötigt sind, sich im ständigen Wettbewerb untereinander die
zum Wahlerfolg erforderlichen Wechselwähler zu gewinnen. Mit dem Begriff "sozio-ökonomisches
Entwicklungsniveau" ist ein mehrdimensionales Konstrukt angesprochen,
das im Minimum die drei folgenden Korrelate umfasst:
Aus den in den Tabellen 15 bis 19 dargestellten
Regressionsgleichungen wird sichtbar, inwiefern diese Variablen zu den
verschiedenen Aspekten interparteilicher Konkurrenz unabhängige statistische
Erklärungsbeiträge leisten. 2) Das deutlichste Ergebnis besteht darin, dass sowohl die
Konkurrenz um das Gemeindepräsidium wie auch um subordinierte Aemter wie erwartet zu beiden Zeitpunkten negativ mit dem
Anteil der Erwerbstätigen im Primärsektor kovariiert,
während die Grösse der Wohnbevölkerung praktisch keinen unabhängigen Einfluss
hat. Die geringere Kompetitivität in kleinen
Gemeinden (vgl. Figur 1 und Figur 3) entpuppt sich also als eine
Scheinkorrelation, die überwiegend dadurch entsteht, dass Kleingemeinden im
Durchschnitt noch einen umfangreicheren Landwirtschaftssektor besitzen. Als zweites fällt auf, dass im Jahre 2002 sämtliche Modi der Konkurrenz negativ
durch das Bildungsniveau der örtlichen Bevölkerung beeinflusst werden - ein
Einfluss, der 1989 völlig fehlt. Parallel dazu hat sich beim Steueraufkommen
pro Kopf bei vier von fünf Fällen ein positiver Einfluss ausgebildet, der zum
ersten Zeitpunkt der Untersuchung ebenfalls nicht nachweisbar war. So
entsteht der Eindruck, dass aus den Prozessen sozio-ökonomischer
Modernisierung zwei einander entgegengesetzte und teilweise neutralisierende
Wirkungen auf die Parteienkonkurrenz ausgehen: 1) ein zeitlich stabiler positiver Einfluss, der vom
langfristigen Prozess der Industrialisiaerung und Tertiarisierung der Wirtschaft ausgeht und neuerdings
verstärkt auch in Zuwächsen des ökonomischen Wohlstands eine Stütze findet. 2) ein erst seit kurzem wirksamer negativer
Einfluss, der aus dem Anwachsen des allgemeinen Bildungsniveaus resultiert. Dieser überraschende zweite Einflussfaktor erklärt sich
möglicherweise aus der bekannten Regularität, dass
höhere Bildungsschichten eher für eine effizienzorientiert-technokratische
(anstatt für eine hoch politisierte) Kommunalverwaltung votieren. (vgl. z. B.
Gilbert 1972; Patterson/Cardeira 1984). Tabelle 15: Kontextuelle Determinanten der Parteienkonkurrenz um
das Gemeinde-präsidium 1989 und 2002 (Multivariate Regressionen; standardisierte BETA-Koeffizienten).
* p < .05 ** p <
.01 *** p < .001 Tabelle 16: Kontextuelle Determinanten der Parteienkonkurrenz um
Sitze in der Gemeindeexekutive 1989 und 2002 (Multivariate
Regressionen; standardisierte BETA-Koeffizienten)
* p < .05 ** p <
.01 *** p < .001 Tabelle 17: Kontextuelle Determinanten der Parteienkonkurrenz um
andere kommunale Ämter 1989 und 2002 (Multivariate
Regressionen; standardisierte BETA-Koeffizienten)
* p < .05 ** p <
.01 *** p < .001 Tabelle 18: Kontextuelle Determinanten der Parteienkonkurrenz um
Kandidaten 1989 und 2002 (Multivariate
Regressionen; standardisierte BETA-Koeffizienten)
* p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Tabelle 19: Kontextuelle Determinanten der Parteienkonkurrenz um
neue Mitglieder 1989 und 2002 (Multivariate
Regressionen; standardisierte BETA-Koeffizienten)
* p < .05 ** p <
.01 *** p < .001 Angesichts der überaus bescheidenen statistischen
Erklärungsbeiträge aller Prädiktoren überwiegt
insgesamt der Eindruck, dass der lokale Parteienwettbewerb sehr wenig durch
binnenlokale Faktoren beeinflusst wird, die im Umfang oder in der sozio-ökonomischen Struktur der Bevölkerung ihren
Ursprung haben. Dieser Eindruck bestätigt sich im Lichte des Befundes, dass
auch das Vorkommen von Sitzverlusten nur äusserst geringfügig mit soziostrukturellen Kontextfaktoren korreliert. Eine
Ausnahme bildet hier wiederum der Anteil des Primärsektors, dessen negativer
Einfluss während des Untersuchungsintervalls allerdings an Stärke bedeutend
verlor (Tab. 20). Tabelle 20: Vorkommen eines Sitzverlustes in den letzten beiden
kommunalen Exekutivwahlen 1989 und 2002
4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen In ihrer Gesamtheit erlauben die empirischen Befunde die
Schlussfolgerung, dass die Lokalparteien selbst in der überwiegenden Mehrzahl
(selbst sehr kleiner) Gemeinden eine zumindest moderate Form des Wettbewerbs
aufrechterhalten, der sich nicht nur auf die Bestellung des
Gemeindepräsidiums und der Exekutive, sondern auch auf die Rekrutierung subordinierterer politischer Ämter (z. B. in der
Schulpflege und verschiedenen Spezialkommissionen) erstreckt. Darüber hinaus
ringen sie miteinander auch mittelbar um politische Macht, indem sie um dafür
erforderliche personelle Ressourcen (Mitglieder und Kandidaten) konkurrieren.
Diese Dynamik führt zu einer relativ hohen Instabilität und
Unvorhersehbarkeit der Wahlergebnisse, die in einer relativ hohen Häufigkeit
von knappen Wiederwahlen und Sitzverschiebungen sichtbar werden. Zwar lässt
sich - vor allem zum zweiten Erhebungszeitpunkt - eine positive Korrelation
zwischen Bevölkerungsgrösse und besonders intensiven Formen der Konkurrenz
konstatieren: eine Beziehung, die sich allerdings verflüchtigt, wenn man
andere, mit der Gemeindegrösse kovariierende
Strukturmerkmale (insbesondere den Anteil des Primärsektors) statistisch
kontrolliert. Der im Untersuchungsintervall zwischen 1989 und 2002
stattgefundene Wandel ist insgesamt geringfügig, lässt aber doch eher auf
eine Verstärkung als eine Abschwächung der Parteienkonkurrenz schliessen. So
hat sich der Prozentanteil der Gemeinden erhöht, in denen überhaupt die
Besetzung der formellen politischen Aemter überhaupt
keinem Wettbewerb unterliegt, und zahlreichere Parteien berichten von
prekären Wahlergebnissen, die in einer nur knappen Wiederwahl oder gar einem
einen Sitzverlust resultierten. Andererseits hat sich die Intensität der
Parteienkonkurrenz in der subjektiven Wahrnehmung der Informanten keineswegs
erhöht. Aus der äusserst bescheidenen Erklärungskraft endogen lokaler
Strukturmerkmale lässt sich der Schluss ziehen, dass es entweder lokale
politische Faktoren oder aber exogen-überlokale Determinanten sind, die
Umfang und Intensität lokaler Kompetitivität
bestimmen. In diesem Zusammenhang ist sicher von Bedeutung, dass es sich bei
über 80 Prozent der Lokalparteien um Filialen der landesweit operierenden
vier Bundesratsparteien handelt, deren bundes- und kantonspolitische
Differenzen und Konflikte sich auch im lokalen Umfeld widerspiegeln.
Dementsprechend kann auch nicht verwundern, dass die Verschärfung
parteipolitischer Auseinandersetzungen, die kürzlich auf Bundesebene und in
manchen Kantonen zu einer verstärkten Volatilität der politischen
Machtverhältnisse geführt hat, auch in einer gewissen Erhöhung der lokalen
Parteienkonkurrenz ihren Ausdruck finden. Es ist zu bedenken, dass der Trend zur wachsenden Kompetitivität auf Lokalparteien trifft, die infolge einer
schrumpfenden Basis von Mitgliedern und Aktiven (vgl. Geser
2003b; Wasserfallen/Haesler 2003), sowie einem
sinkenden Niveau an Binnenaktivitäten (vgl. Geser
2004) über immer weniger Ressourcen verfügen, um beispielsweise aufwendige
Wahlkämpfe oder umfangreiche Mitgliederwerbeaktionen durchzuführen. In diesem
Spannungsfeld könnten die Parteien genötigt sein, immer grössere Anteile
ihrer Ressourcen für Zwecke des Wettbewerbs (vor allem für Wahlkämpfe)
einzusetzen, so dass für laufende sachpolitische Aktivitäten nur noch wenig Kapazitäten verfügbar sind. Dieser Rückzug aus der
Sachpolitik müsste in kommunalpolitischer Sicht als überaus problematisch
beurteilt werden, weil Lokalparteien selbst in Städten - und a fortiori in Kleingemeinden - oft die einzigen organisierten
Gruppierungen sind, die sich regelmässig (anstatt nur bei Berührung
spezifischer Interessen) mit politischen Fragen befassen. Black, G.S.: Conflict in the Community: A Theory of
the Effects of Community Size (American Political Science Review 1974:
12451261). Caldeira, G.A./Paterson,
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Gemeindeaufgaben politisch? Zürich, April 2003a http://geser.net/par/ges_04.pdf Geser Hans: Die
erodierende Mitgliederzahl der Zürcher Parteien, Zürich, März 2003b http://geser.net/par/ges_02.pdf Geser Hans: Der
Krebsgang parteiinterner Sitzungs- und Versammlungsaktivitäten Zürich, Mai
2004-08-11 http://socio.ch/par/ges_09.pdf Gilbert, Claire W.: Community Power Structure.
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2003. http://socio.ch/par/t_wasshaes.pdf Wurzbacher, G./Pflaum, R.: Das
Dorf im Spannungsfeld industrieller Entwicklung. Enke, Stuttgart 1954. Fussnoten 1) Diese Arbeit ist im Rahmen des
Projekts "Aktuelle Entwicklungstrends der Kommunalparteien und
Kommunalpolitik" entstanden, das vom
Schweiz. Nationalfonds vom Mai 2002 bis August 2004 gefördert wurde (Projekt-Nr. 1214-064857). 2) Die abhängigen Variablen wurden
vereinfachend als Intervallvariablen behandelt, obwohl sie nur drei
Ausprägungen besitzen: (= = keine Konkurrenz; 1=mässige
Konkurrenz; 2=starke Konkurrenz). |