Sociology
in Switzerland Online Publikationen |
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Das Internet und die
parteiinterne Demokratie Hans
Geser Zürich, September 2003 Inhaltsverzeichnis 2. „Vertikaler" und „horizontaler" Gebrauch der E-Mail in
lokalen Parteiorganisationen 4. Kontextuelle und innerparteiliche Determinanten des
E-Mail-Gebrauchs 5. Verbreitung der Onlinekommunikation und parteiinterne
Einflussverhältnisse 6. Elektronische Kommunikation und konventionelle
Versammlungsaktivitäten 1. Einleitung Die neuen
computergestützten Medien sind für Parteien und andere freiwillige
Vereinigungen von besonders grosser Bedeutung, weil sie dank ihrer Polyvalenz
in der Lage sind, auf derselben technischen Plattform alle für den
Systembetrieb notwendigen (horizontalen und vertikalen) Kommunikationsflüsse
zu unterstützen, von räumlich-zeitlichen und sozialen Restriktionen
unabhängiger zu machen und in einen durchlässigen Gesamtzusammenhang zu
integrieren (Geser, 2002). Mit der
wachsenden Ausbreitung der neuen Internetmedien verbinden sich nicht zu
Unrecht mannigfache Hoffnungen auf mehr Demokratie: sei es im
makropolitischen Raum, wo jetzt beliebig kleine Gruppen und Einzelindividuen
über dieselben technischen Möglichkeiten wie der Staat und die grossen
Organisationen verfügen, um ihre Stimme weltweit öffentlich zu machen und
wirkungsvolle Kampagnen zu organisieren (vgl. Geser 1996), sei es auf der
Mesoebene einzelner Verbände oder Parteien, wo das „eiserne Gesetz der
Oligarchie" bisher zumindest teilweise durch die konventionellen
„one-to-many - Medien" verursacht war, dank denen die Führungsspitze ein
uneingeschränktes Kommunikationsmonopol durchsetzen konnte. Andererseits gibt
es auch viele theoretische (und mit dem Voranschreiten der Forschung
zunehmend auch empirische) Gründe, um an derart optimistischen Annahmen zu
zweifeln. Auf
fundamentalster theoretischer Ebene muss der technologische
Determinismus, der hinter solchen Voraussagen steht, grundsätzlich
zurückgewiesen werden: weil das Internet aufgrund seiner funktionalen
Universalität primär ein neutrales Werkzeug darstellt, das zur Unterstützung
beliebiger Kommunikationsstrukturen in Anspruch genommen werden kann, nicht aber
einen Kausalfaktor, der aufgrund intrinsisch-technischer Eigenheiten ganz
bestimmte Anwendungsweisen erzwingt. Konkreter bedeutet dies im Falle freiwilliger Vereinigungen
beispielsweise, dass Auch in solchen
Fällen würde man empirische Kovarianzen zwischen Internetgebrauch und
Organisationsstrukturen registrieren: aber bei deren Interpretation müsste
man darauf achten, die Verwendung der neuen Medien eher als eine
konditionierende oder gar abhängige Variable (anstatt als determinierenden
Kausalfaktor) zu betrachten. Empirisch relevant ist zudem die Beobachtung, dass wir uns noch auf
unabsehbare Zeit in einer intermediären Phase befinden, in der (a) beträchtliche
Prozentanteile der in Betracht kommenden Mitglieder die neuen Medien
überhaupt noch nicht benutzen, und (b) die Nutzer selber momentan häufig noch
keine stabilen Gebrauchsformen ausgebildet haben, da sie erst dabei sind, die
Möglichkeiten der neuen Medien (die sich aufgrund neuer Entwicklungen auf
Software- und Hardware-Ebene ja laufend ändern) zu explorieren. Aufgrund eines solchen
„Digital Divide" könnten sehr wohl temporäre
Ungleichheiten an Macht und Einfluss entstehen, die später, wenn der Gebrauch
des Mediums ubiquitär geworden ist und sich gut eingespielt hat, wieder
verschwinden. Trotz all dieser Bedenken ist aber nicht auszuschliessen, dass
die neuen Medien zumindest auf längere Sicht durchaus eigenständige
sozio-strukturelle Wirkungen entfalten. Denn wenn auch ihre initiale
Einführung unbestreitbar starken kontextuellen und individuellen Einflüssen
unterliegt und von ex ante bestehenden Motiven und Zielsetzungen
gesteuert wird, so ist ebenso unzweifelhaft, dass sie selber wiederum die
Ausgangsbasis für neue Kommunikations- und Partizipationsbedürfnisse bilden. 2.
„Vertikaler" und „horizontaler" Gebrauch der E-Mail in lokalen
Parteiorganisationen Im Folgenden
wird die Frage gestellt, ob es zwischen dem Gebrauch von E-Mail und
der Verteilung von Einfluss in lokalen Parteiorganisationen
signifikante statistische Korrelationen gibt, und - ein ungleich
schwierigeres Problem - ob es vielleicht möglich ist, die E-Mail als kausalen
Faktor für derartige Unterschiede haftbar zu machen. Dabei sollen zwei Modi
der E-Mail-Verwendung unterschieden werden: Beim
„vertikalen" E-Mailgebrauch ist grundsätzlich davon auszugehen, dass je
nach der vorrangigen Richtung der Kommunikation zentralisierende oder
dezentralisierende Wirkungen entstehen können. So kann die Dominanz der Leitungsorgane (Vorstand bzw.
Präsident) sehr wohl zunehmend, wenn die E-Mail vorrangig als Medium der Abwärtskommunikation
Verwendung findet, das zusätzlich zu bisherigen Einwegmedien dazu dient,
die Mitglieder über die Meinungen, Absichten und Entscheidungen der
Parteiführung zu informieren, bzw. um sie zur Teilnahme an kollektiven
Aktivitäten zu mobilisieren. Umgekehrt aber wären dezentralisierende Effekte
zu erwarten, wenn Aufwärtskommunikation überwiegt: indem die
peripheren Mitglieder das neue Medium als niederschwellig zugänglichen Kanal
nutzen, um gegenüber der Leitungsspitze Präferenzen, Vorschläge und Kritik
zum Ausdruck zu bringen. Als
„horizontales" Kommunikationsmittel innerhalb des Vorstandes dürfte die
E-Mail eher die Oligarchisierung innerhalb der Partei begünstigen: indem sie
seine Fähigkeiten zum kollektiven Entscheiden und Handeln erweitert und
verstärkt. So wird es den Vorstandsmitgliedern beispielsweise möglich, Allerdings gilt
für Lokalparteien ganz besonders, dass die neue Netzkommunikation in ein
dichtes präexistierendes Feld primärer Face-to-Face-Kommunikation integriert
werden muss, das - in hohem Masse expressive Funktionen (z. B. der
„Geselligkeit") erfüllt, die infolge der räumlichen Nähe der Teilnehmer
immer relativ leicht zugänglich bleibt.
Deshalb ist
wohl damit zu rechnen, dass zwischen E-Mailkommunikation und diesen basaleren
Primärinteraktionen eher komplementäre (statt substitutive)
Funktionsverhältnisse bestehen. Konkret bedeutet dies beispielsweise, dass
die (Kurz-)Kommunikation per E-Mail leichter fällt, weil „offline"
bereits sehr weitgehende Vorverständigungen und Konsensleistungen erzeugt
worden sind, und dass ihr Hauptnutzen darin besteht, Sitzungen und
Versammlungen vorzubereiten, (bzw. von instrumentalen Aufgaben derart zu
entlasten, dass mehr Zeit für expressiv-gesellige Aktivitäten übrig bleibt). 3.
Methodologie Die nachfolgend
präsentierten empirischen Ergebnisse beruhen auf zwei praktisch identischen
empirischen Untersuchungen die im Herbst 1989 und im Herbst 2002 am
Soziologischen Institut der Universität Zürich durchgeführt worden sind. In
beiden Fällen wurden alle (ca. 5000) Ortsparteien in den Gemeinden aller drei
Sprachregionen der Schweiz einbezogen. Allen Präsidentinnen und Präsidenten
dieser lokalen Gruppierungen wurde ein umfangreicher Fragebogen zugeschickt,
in dem sie aufgefordert wurden, über die Anhängerbasis und Organisationsstruktur,
die ideologischen und sachpolitischen Positionen, die inneren Prozesse und
die externen politischen Aktivitäten der Partei detaillierte Auskünfte zu
geben. Bei beiden Surveys wurden jeweils rund 2600 Fragebogen ausgefüllt
zurückgesandt (d. h. rund 50%). Bei rund 80% dieser Gruppierungen handelt es
sich um die Lokalsektionen der vier landesweit tätigen grossen
Bundesratsparteien (FDP, CVP, SVP und SP); bei weiteren 8% um die örtlichen
Filialen kleinerer Parteien und bei den restlichen 12% um autonome lokale
Gruppierungen ohne Einbindung in kantonale oder nationale Organisationen. Unter anderem
wurden die Informanten im Survey 2002 gefragt, Die
Häufigkeitsauszählungen zeigen, dass die E-Mail momentan erst bei ca. einem
Drittel der Ortsparteien für die Kommunikation zwischen Führung und
Mitgliederbasis Verwendung findet, und bisher nur bei 5% zu einem wahrhaft
inklusiven Medium geworden ist, das praktisch alle (bzw. mehr als 80%) der
Parteianhänger erreicht (Tab. 1). Überraschenderweise geht hier die
französische Schweiz (mit über 47% der Sektionen) deutlich voran, während
sich in den geringen Werten des Tessin (ca. 29%) deutlich die bisher generell
geringere Ausbreitung der Internetanschlüsse widerspiegelt (vgl. WEMF 2002). Tabelle 1: „Vertikaler" E-Mailverkehr in den Lokalparteien:
Prozentsatz der lokalen Parteimitglieder, die vom Parteivorstand regelmässig
per E-Mail erreichbar sind: nach Sprachregion (Prozentanteile der
Ortsparteien).
Demgegenüber
ist der E-Mail-Verkehr unter Vorstandsmitgliedern bei mehr als 75% aller
Lokalsektionen verbreitet (Tab. 2). Gegenläufig zum vertikalen Gebrauch
dominiert hier der deutsche Sprachraum, wo sich in über 35% aller Parteien
der Gesamtvorstand an der neuen Onlinekommunikation beteiligt - im Vergleich
zu bloss 8% südlich des Gotthard und nur 12% in der Romandie. So scheinen in
der deutschen Schweiz viele Ortsgruppen durch eine ungleichgewichtige
Konstellation gekennzeichnet: in dem Sinne, dass die Parteiführung einerseits
eine sehr moderne Binnenkommunikation, andererseits aber eine noch weitgehend konventionelle
Aussenkommunikation betreibt. Tabelle 2: „Horizontaler" E-Mail-Verkehr in den
Lokalparteien Prozentsatz Vorstandsmitglieder, die regelmässig per E-Mail
miteinander kommunizieren: nach Sprachregion (Prozentanteile der
Ortsparteien).
Zur Bestimmung
der parteiinternen Machtverhältnisse wurden die Informanten in beiden
Surveys befragt, wie viel Einfluss die Parteiversammlung, die Aktivmitglieder,
der Vorstand und der Präsident (a) auf sachpolitische Entscheidungen und (b)
auf personalpolitische Entscheidungen ausüben würden. Durch Zusammenziehung
beider Antworten ergibt sich für jede Instanz ein summativer Index, der von 0
(=keinen Einfluss in beiden Aspekten) bis 100 (=grosser Einfluss in beiden
Aspekten) variiert. Tabelle 3: Häufigkeitsverteilung der Lokalparteien bezüglich des
Einflusses verschiedener Parteiinstanzen auf sach- und personalpolitische
Entscheidungen (1989 und 2002) (Prozentwerte und Mittelwert)
Es wurden die
Parteipräsidenten 2002 gefragt, in welche Richtung sich der (sachpolitische)
Einfluss der Parteiversammlung, des Parteivorstands und des Parteipräsidenten
„in den letzten 10 Jahren" (d. h. seit ca. 1992) verändert habe. Während
ein Vergleich der Einflussindizes beider Survey keinen Wandel sichtbar macht
(vgl. Tab 3), hat sich der Einfluss des Vorstandes aus der subjektiven Sicht
der Präsidenten in über 40% aller Fälle erhöht (und nur in 10% aller Fälle
verringert) (Tab. 4). Möglicherweise lässt sich diese Diskrepanz zumindest
teilweise damit erklären, dass bei der Frage nach dem Wandel nur der Einfluss
auf sachpolitische Entscheidungen angesprochen wurde, während der summative
Einflussindex gleichgewichtig auch personalpolitische Aspekte mitumfasst. Tabelle 4: Häufigkeitsverteilung der Lokalparteien: bezüglich
der Veränderung des (sachpolitischen) Einflusses der Parteiversammlung, des
Vorstands und Präsidenten von 1992 bis 2002 (Prozentwerte)
4. Kontextuelle und innerparteiliche Determinanten
des E-Mail-Gebrauchs In dieser
transitorischen Epoche, in der sich Internetanschlüsse trotz rasender
Expansion erst auf gut die Hälfte der Bevölkerung ausgebreitet haben und
verschiedene Bevölkerungssegmente die neuen Medien in höchst unterschiedlicher
Weise nutzen, hängt auch der Gebrauch des Internet durch die Lokalparteien
von vielerlei kulturellen und sozialen Einflüssen ab. Um die
spezifischen Kausaleinflüsse kontextueller und innerparteilicher Faktoren
sichtbar zu machen, wurden für die beiden Variablenblöcke je getrennte
multivariate Regressionsanalysen durchgeführt, deren Ergebnisse in den
Tabellen 5 und 6 synoptisch dargestellt sind. Im Falle des vertikalen
E-Mail-Gebrauchs (zwischen Vorstand und Mitgliederbasis) zeigt sich, dass
alle Prädiktoren zusammen bloss 11% der Varianz zu erklären vermögen: wobei
die explanatorischen Beiträge der Kontextvariablen (4.7%) und der
innerparteilichen Faktoren (6.4%) praktisch linear miteinander kumulieren.
Unter den Kontextvariablen sticht - abgesehen vom positiven Einfluss des
französischsprachigen Landesteils) - erwartungsgemäss die Bevölkerungsgrösse
als wichtigste Kausaldeterminante heraus, andererseits aber auch der
Prozentsatz kommunaler Erwerbstätiger, die sich den sogenannten
„intermediären" Berufen zugeordnet werden können. Damit sind Angehörige
mittlerer Kader gemeint, wie sie vor allem in grösseren Unternehmungen und
Verwaltungsbetrieben häufig sind: Inhaber von Linienfunktionen (wie z. b.
Abteilungschefs) ebenso wie Professionelle (z. B. Techniker), die meist eine
zwar über die Berufslehre hinausgehende, nicht aber akademische Ausbildung
besitzen. Ganz
offensichtlich kommt diesen mittleren, stark organisationsbezogenen
Erwerbsgruppen, die am Arbeitsplatz meist sehr intensiv mit Computer und
Informatik zu tun haben, in der Verbreitung der politischen
Onlinekommunikation eine grössere Bedeutung zu als den Angehörigen
akademischer Berufe und höherer Kader, die im vorliegenden Fall zu einem eher
leicht negativen Erklärungsbeitrag tendieren. Konsistent mit den Erwartungen
ist hingegen der negative Einfluss der ungelernten Arbeiter- und
Angestelltenschaft, der allerdings erst bei Kontrolle der parteiinternen
Variablen die Signifikanzschwelle überschreitet. Auch die von der
Mitgliederstruktur ausgehenden Einflüsse sind mit den theoretischen
Erwartungen weitgehend konsistent: der positive Effekt der jüngeren
Generation ebenso wie der negative Erklärungsbeitrag der Bauern, Arbeiter und
Gewerbetreibenden, dem positive Wirkungen der freien Berufe und leitenden
Angestellten sowie der Lehrer gegenüberstehen. Demgegenüber scheinen von der
grossen Masse der mittleren und unteren Angestellten und Beamten (die das
umfangreichste Mitgliederkontingent bilden) keinerlei Wirkungen auszugehen. Tabelle 5: Kontextuelle und innerparteiliche Einflussfaktoren
auf den Prozentanteil der Parteimitglieder, die vom Vorstand regelmässig
per E-Mail erreichbar sind (Multivariate Regressionsanalysen,
BETA-Werte).
* p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Im Vergleich
dazu fällt beim horizontalen E-Mailgebrauch (innerhalb des Parteivorstandes)
auf, dass mit Hilfe unserer Prädiktoren eine sehr viel bessere statistische
Erklärung (von über 22% der Varianz) gelingt. Dieser hohe kumulative
Erklärungsbeitrag wird allein schon durch die Kontextvariablen erreicht,
unter denen die Bevölkerungsgrösse sich nun noch weit dramatischer als im
Falle vertikaler Onlinekommunikation als weitaus dominierende
Erklärungsvariable profiliert. In zweiter Linie erscheinen die Dummies der
beiden romanischen Sprachregionen mit negativen Effekten, und erst in dritter
Linie wiederum die „intermediären Berufe", deren Betakoeffizient sich
bei Kontrolle der parteiinternen Faktoren sogar noch etwas erhöht. Negative
Effekte scheinen nun eher von den qualifizierten (manuellen bzw.
nichtmanuellen) Berufssegmenten statt von der unqualifizierten Arbeiterschaft
auszugehen, während der Anteil akademischer Berufe und höherer Kader erneut
ohne Wirkungen bleibt. Tabelle 6: Kontextuelle und innerparteiliche Einflussfaktoren
auf den Prozentanteil der Vorstandsmitglieder, die regelmässig miteinander
per E-Mail kommunizieren (Multivariate Regressionsanalysen, BETA-Werte)
* p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Erstaunlicherweise
bleibt die von der Mitgliederstruktur ausgehende Erklärungskraft (mit gut
10%) relativ gering. Die positiven Wirkungen beschränken sich zum grossen
Teil auf freie Berufe und leitende Angestellte, denen - wie bei der
vertikalen E-Mailverwendung - negative Effekte der Arbeiter, Bauern und
Gewerbetreibenden gegenüberstehen. Die Tatsache, dass der Anteil junger
Mitglieder (unter 40) keine Bedeutung hat, mag sich wohl damit erklären, dass
tendenziell nur Personen oberhalb dieser Altersgrenze am Parteivorstand
partizipieren. Ob und in welchem Umfang Parteivorstände online miteinander
kommunizieren, wird also in erstaunlich hohem Umfang durch exogene Einflüsse
(vor allem der Sprachregion und der Gemeindegrösse) bestimmt, die ihre
Wirkung weitgehend unabhängig von der parteiinternen Mitgliederstruktur
entfalten. 5. Verbreitung der Onlinekommunikation und
parteiinterne Einflussverhältnisse In einer ersten
empirischen Annäherung an unsere Fragestellung soll geprüft werden, ob und in
welchem Sinne der Umfang vertikaler und horizontaler E-Mail-Kommunikation mit
der aktuellen Verteilung von parteiinternem Einfluss korreliert. Wie eingangs
erwähnt (vgl. 2), lassen sich über die Wirkung vertikaler
Onlinebeziehungen (zwischen Führungsgremien und Parteibasis) keine
sicheren Voraussagen formulieren, weil dieselben Wege für top-down- wie für
bottom-up-Kommunikation Verwendung finden können. Tatsächlich bestehen nur
relativ schwache statistische Korrelationen, die aber insgesamt eher eine
demokratisierende (statt oligarchisierende) Wirkung nahe legen. So nimmt der
Einfluss sowohl der Parteiversammlung wie der Aktiven Mitglieder sprunghaft
zu, wenn sich über 80% der Mitglieder an der radialen E-Mailkommunikation
beteiligen, während die Machtpositionen des Vorstands und Präsidenten
unberührt bleiben (Tab 7). Bezeichnenderweise nimmt die Machtstellung der
Aktivmitglieder besonders deutlich zu, weil diese ja die neuen Medien nutzen
können, um (auch) ausserhalb der formellen Parteiversammlung jederzeit
informellen Einfluss geltend zu machen. Tabelle 7: Einfluss verschiedener Parteiinstanzen auf sach- und
personal-politische Entscheidungen der Partei: nach Verbreitung der
„vertikalen" E-Mailkommunikation zwischen Parteivorstand und
Mitgliederbasis
Demgegenüber unterstützen die Ergebnisse von Tabelle 8 die
Hypothese, dass der Parteivorstand mittels interner horizontaler
Onlinekommunikation in der Lage ist, seine Einflussstellung zu steigern - und
dass auch der Parteipräsident logischerweise wesentlich davon mitprofitiert.
Bemerkenswert ist, dass Vorstand und Präsident bereits wesentlich an Macht
zulegen, wenn bloss eine Minderheit des Gremiums das neue Medium nutzt. Auch
die Aktivmitglieder (deren Kreis in kleineren Parteien oft fast mit dem
Vorstand koinzidiert), scheinen aus dem gremieninternen E-Mailgebrauch Nutzen
zu ziehen - nicht aber die Parteiversammlung, deren Einfluss ungeachtet aller
Wandlungen in der „Elitenkommunikation" auf demselben Niveau verharrt. Tabelle 8: Einfluss verschiedener Parteiinstanzen auf sach- und
personalpolitische Entscheidungen der Partei: nach Verbreitung der
„horizontalen" E-Mailkommunikation im Parteivorstand.
Natürlich ist
es voreilig, diesen empirischen Regularitäten solche - von der
Kommunikationstechnologie zur Organisationsstruktur verlaufende
-Kausalinterpretationen zu unterlegen. Ebenso wäre beispielsweise denkbar,
dass Parteiaktive, die schon besonders intensiv und wirkungsvoll partizipiert
haben, nun auch diese neuen Kommunikationschancen rascher als andere
adoptieren; oder dass Parteivorstände, die aufgrund ihrer hohen kollektiven
Aktivität und Kohäsion schon vorher eine sehr dominierende Rolle spielten,
besonders fruchtbare Möglichkeiten für Einsatz der E-Mail sehen. Auch in diesem zweiten
Falle wäre denkbar, dass den Onlinemedien eine zumindest konditionierende (bzw.
amplifizierende) Wirkung zukommen könnte: indem sie den entsprechenden
Gruppen als Werkzeuge dienen, um bereits vorher existierende
Machtbestrebungen besser als bisher zu realisieren. Genauso wie eine direkte
Kausalität müsste sich auch eine solch mediatisierte Wirkung darin zeigen,
dass die aktuell bestehenden Einflussverhältnisse nicht schon vorher
bestanden, sondern sich erst innerhalb der letzten Jahre ausgebildet haben.
In diesem Falle müsste man beispielsweise finden, dass Parteien mit regem vertikalen
E-Mailverkehr innerhalb der vergangenen Jahre häufiger als andere eine Demokratisierung
und Gruppierungen mit umfangreicher vorstandsinterner Onlinekommunikation
bevorzugt eine Oligarchisierung ihrer inneren Machtverhältnisse
erfahren haben. Die Ergebnisse
legen nahe, dass vor allem das zweite in hohem Masse zutrifft: indem
Gruppierungen mit gut vernetzten Vorständen sehr viel häufiger vermelden,
dass innerhalb der letzten zehn Jahre ein Einflusszuwachs dieses selben
Vorstandsgremiums stattgefunden habe (Tab 10). Umgekehrt scheint die
Parteiversammlung eher von der Einführung vertikaler E-Mailkontakte zu
profitieren. Ähnliches trifft allerdings auch für den Vorstand zu, der selbst
dann, wenn er nur mit einer Minderheit der Basismitglieder via Internet
kommunizieren kann, erheblich häufiger eine Steigerung seiner
Einflussposition realisieren konnte. Tabelle 9: Prozentsatz der Lokalsektionen, in denen der Einfluss
verschiedener Parteiinstanzen (nach Ansicht des Parteipräsidenten) in den
letzten zehn Jahren zugenommen hat: nach Verbreitung der „vertikalen"
E-Mailkommunikation zwischen Parteivorstand und Mitgliederbasis.
Tabelle 10: Prozentsatz der Lokalsektionen, in denen der
Einfluss verschiedener Parteiinstanzen (nach Ansicht des Parteipräsidenten)
in den letzten zehn Jahren zugenommen hat: nach Verbreitung der
„horizontalen" E-Mailkommunikation im Parteivorstand.
Eine dritte
Überprüfungsmöglichkeit unserer Hypothesen bietet sich dadurch, dass man die zu
den beiden Erhebungszeitpunkten bestehenden (bzw. genauer: vom jeweiligen
Parteipräsidenten wahrgenommenen) parteiinternen Einflussverhältnisse
miteinander vergleicht. Diese Analyse muss sich allerdings auf die rund 1000
Ortsektionen beschränken, die an beiden Umfragen teilgenommen haben. Die Ergebnisse sind mit
den beiden vorangehenden empirischen Zugängen in hohem Masse konsistent. So
unterstützen die Zahlen in Tab. 11 die Vermutung, dass mit der Verbreitung
vertikaler Onlinekommunikation eher demokratisierende Wirkungen verbunden
sind: denn der Prozentsatz der Sektionen, in denen die Parteiversammlung an
Einfluss hinzugewonnen hat, steigt mit dem Umfang ihrer Verwendung deutlich
an. Analog dazu zeigt sich in Tab. 12, dass Parteivorstände von der internen
E-Mailverwendung zumindest in dem Sinne profitieren, dass sie seltener eine
Verminderung ihrer Autoritätsposition haben hinnehmen müssen. Demgegenüber
fehlt es auch hier an Hinweisen dafür, dass mit dem Ausbau vertikaler
Onlinekontakte irgendeine Veränderung in der Stellung des Vorstands
einhergehen würde, oder dass die Parteiversammlung aufgrund eines extensiven
vorstandsinternen E-Mailgebrauchs an Einfluss verliert. Tabelle 11: Veränderungen im Einfluss der Parteiversammlung
und des Parteivorstandes zwischen beiden Umfragezeitpunkten (1989 und 2002):
nach Verbreitung der „vertikalen" E-Mailkommunikation zwischen
Parteivorstand und Mitgliederbasis.
Tabelle 12: Veränderungen im Einfluss der Parteiversammlung
zwischen beiden Umfragezeitpunkten (1989 und 2002): nach Verbreitung der
„horizontalen" E-Mailkommunikation im Parteivorstand.
6. Elektronische Kommunikation und
konventionelle Versammlungsaktivitäten In einer
früheren Studie konnte nachgewiesen werden, dass die Einflussverhältnisse in
Lokalparteien relativ deutlich mit der Häufigkeit von Versammlungen und
Sitzungen korrelieren. Erwartungsgemäss hat die Parteiversammlung umso mehr
Gewicht, je öfter sie tagt, und das Gewicht des Parteivorstands als
Führungsorgan ist am höchsten, wenn er vierzehntäglich oder gar wöchentlich
(anstatt nur monatlich oder noch seltener) zusammentritt (vgl. Geser et. al,
1994: 189ff.). So stellt sich die Frage, auf welche Weise die neuen
Onlinekommunikationen in dieses bereits bestehende Feld konventioneller
innerparteilicher Kommunikation eintreten und es modifizieren: vielleicht
indem sie rein additiv als zusätzliche Kausalfaktoren wirksam werden;
vielleicht als Komplementärfaktoren, die die bisherige Wirkung der
Sitzungsaktivität noch akzentuieren, aber auch, indem sie die Relevanz
bisheriger Offline-Kommunikation abschwächen und substitutiv zu ihnen in den
Vordergrund treten. Eine erste Klärung dieser Fragen ergibt sich dadurch, dass man
einerseits die statistischen Erklärungseffekte der Offline-Kommunikationen zu
beiden Erhebungszeitpunkten miteinander vergleicht, und andererseits in der
neuen Untersuchung 2002 die Kausalwirkungen der Offline- und Online-Faktoren
voneinander separiert. Tabelle 13: Einfluss der Sitzungstätigkeit und der
E-Mailkommunikation auf die Machtposition der Parteiversammlung: multivariate
Regressionsmodelle (Beta-Koeffizienten).
* p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Was die Parteiversammlung
betrifft, so wird deren Einflussstellung überwiegend durch die Zahl der
jährlich durchgeführten Vollversammlungen bestimmt: eine Korrelation, die
sich während des dreizehnjährigen Beobachtungszeitraums noch beträchtlich
erhöhte. Praktisch verschwunden ist demgegenüber der negative Effekt, der
1989 noch von der Zahl der Vorstandssitzungen ausgegangen ist. Während die
vertikalen E-Mailkontakte zwischen Vorstand und Basis ohne jede Bedeutung
sind, scheint vom vorstandsinternen E-Mailgebrauch eine leicht negative
Wirkung auszugehen (die allerdings nur sichtbar wird, wenn man die Häufigkeit
von Versammlungen und Sitzungen statistisch kontrolliert) (Tab. 13). Auch der Einfluss der
aktiven Parteimitglieder nimmt mit zunehmender Frequenz von allgemeinen
Parteiversammlungen zu; unabhängig davon aber auch dann, wenn zwischen
Vorstand und Basis ausgedehnte E-Mailkontakte bestehen. Ganz offensichtlich
hat sich die Relevanz der Versammlungsaktivitäten mit der Einführung
elektronischer Kommunikationsmedien reduziert (Tab. 14) Tabelle 14: Einfluss der Sitzungstätigkeit und der
E-Mailkommunikation auf die Machtposition der aktiven Parteimitglieder:
multivariate Regressionsmodelle (Beta-Koeffizienten).
* p < .05 ** p < .01 *** p < .001 Die
Einflussposition des Vorstands ist mehr als diejenige aller anderen
Parteiinstanzen durch die Gesamtheit der parteiinternen
Kommunikationsverhältnisse bestimmt. Offensichtlich hat er es in der Hand,
seine Stellung zu festigen, indem er häufigere Sitzungen abhält und die
Onlinekommunikation unter seinen Mitglieder intensiviert. Umgekehrt büsst er
an Bedeutung ein, wenn sich die Parteiversammlung durch häufigere
Zusammenkünfte in den Vordergrund drängt, und auch die Einbindung der
Parteibasis in vertikale Onlinekontakte hat eine leicht negative Wirkung, die
aber bei statistischer Kontrolle der Sitzungsfrequenzen ihre Signifikanz
verliert (Tab. 15). Im Gegensatz zur Parteiversammlung und den
Aktivmitgliedern kumulieren die Kausaleinflüsse der Offline- und
Onlinefaktoren, anstatt sich zu substituieren. Mit andern Worten: dank der
neuen digitalen Medien verfügen Parteivorstände über mehr Instrumente als
früher, um ihre Autoritätsstellung mittels kommunikativer Strategien zu
erhöhen. Tabelle 15: Einfluss der Sitzungstätigkeit und der E-Mail auf
die Machtposition des Parteivorstands: multivariate Regressionsmodelle
(Beta-Koeffizienten).
* p < .05 ** p < .01 *** p < .001 In erheblich
geringerem Umfang scheint auch der Parteipräsident, dessen Stellung nicht von
der Versammlungs- und Sitzungsaktivität berührt zu werden scheint, von den
neuen Medien zu profitieren (Tab. 16). Möglicherweise bietet ihm die elektronische
Kommunikation innerhalb des Vorstandes vermehrte Möglichkeiten, zu beliebigen
Zeitpunkten eigene Initiativen ins Gremium hineinzutragen und im
multilateralen Austausch koordinative Funktionen auszuüben. Da Onlinegruppen
bekanntlich zu mehr offenem Dissens neigen (und deshalb für
Entscheidungsprozesse länger brauchen), ist seine autoritative Führungsrolle
möglicherweise stärker als bisher gefragt (vgl. Geser 1996). Tabelle 16: Einfluss der Sitzungstätigkeit und der E-Mail auf
die Machtposition des Parteipräsidenten: multivariate
Regressionsmodelle (Beta-Koeffizienten).
* p < .05 ** p < .01 *** p < .001 7. Schlussfolgerungen Die neuen
digitalen Informations- und Kommunikationsmedien haben im Bereich der
Schweizer Lokalparteien bereits eine erstaunlich breite Anwendung gefunden.
Mehr als 30% aller Ortsgruppierungen sind auf dem WWW mit einer eigenen
Homepage vertreten, und bei mehr als 76% von ihnen hat sich die E-Mail als
neues Kommunikationsmedium eingebürgert: in erster Linie als
Arbeitsinstrument des Parteivorstands, in zweiter Hinsicht als umfassendes
Integrationsinstrument zwischen Führung und Mitgliederbasis. Noch viele Jahre
dürften allerdings vergehen, bis alle Gruppierungen aufgrund der
flächendeckenden Verbreitung von Internetanschlüssen in ihrer
Mitgliederschaft objektiv-technisch in der Lage sein werden, Onlinekommunikation
umfassend zu nutzen. Und noch viel mehr Zeit wird wohl verstreichen, bevor
sich stabile Gebrauchsweisen des Internet eingespielt haben und die Frage
beantwortet werden kann, wie die Netzkommunikation die internen Strukturen
und Prozesse sowie das externe Verhalten der Lokalparteien verändert und
welche Funktionen sie im Rahmen der gesamten, bisher einseitig auf
Face-to-Face-Beziehungen beruhenden parteiinternen Kommunikationsprozesse
übernimmt. So sind die
hier vorgeführten, vom Ende 2002 stammenden Ergebnisse als eine frühe,
vielleicht allzu frühe, Zwischenbilanz, zu werten, die keine sehr sicheren
Schlüsse auf zukünftige Entwicklungen erlaubt. Immerhin weisen die Resultate
darauf hin, dass die neuen Kommunikationsmedien die Einflussverhältnisse in
den Parteien mitbeeinflussen könnten – so wie sie schon immer durch
traditionelle Kommunikationsprozesse (z. B. Sitzungs- und
Versammlungsaktivitäten) beeinflusst worden sind. Vor allem scheinen
kollektive Führungsgremien („Parteivorstände") in der Lage zu sein, die
Onlinekommunikation zur Steigerung ihrer Beratungs- und
Entscheidungskapazitäten (und damit: zur Erhöhung ihrer Autoritätsstellung)
zu nutzen – ohne dass sich dadurch aber dadurch die Einflussstellung der
übrigen Organe im gleichen Masse verringert. So erscheint
die Annahme plausibel, dass Onlinekommunikation nicht bloss eine Umverteilung
bestehender Einflussquanten mit sich bringt, sondern darüber hinaus auch den
Gesamtumfang des zu verteilenden Einflusspotentials erhöht: indem alle an der
Gruppe Beteiligten mehr leicht zugängliche Möglichkeiten erhalten, ihre
Meinung auszudrücken, und dann, wenn ihnen wirklich daran liegt, ihren
Einfluss geltend zu machen. Geser, Hans (2001): On the Functions and Consequences of the
Internet for Social Movements and Voluntary Associations. Zürich.
http://socio.ch/movpar/t_hgeser3.htm Geser, Hans
(1996): Auf dem Weg zur Cyberdemocracy?
Auswirkungen der Computernetze auf die öffentliche politische Kommunikation. Zürich.http://socio.ch/intcom/t_hgeser00.htm Geser, Hans / Andreas Ladner /
Roland Schaller / Thanh-Huyen Ballmer-Cao
(1994): Die Schweizer Lokalparteien. Zürich, Seismo
Verlag, S. 430. Hetterich, Volker
(2000): Von Adenauer zu Schröder - Der Kampf um Stimmen. Leske + Budrich, Opladen. Mantovani, Giuseppe (1994): Is Computer-mediated Communication
Intrinsically Apt to Enhance Democracy in Organizations? (Human
Relations 47 1, S. 45-62). Wiesendahl, Elmar
(2002): Parteienkommunikation parochial.
Hindernisse beim Übergang in das Online-Parteizeitalter. (In: Alemann, Ulrich von / Marschall, Stefan (Hrsg.)
Westdeutscher Verlag Opladen, S. 364-389). |