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Social Movements,

Pressure Groups and Political Parties


Airport 2000

Markus Roth

1998

Projektarbeit beim FAU Bern

Teil 1


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Geschichte des Flughafens Zürich-Kloten

1.1 Die Vorgeschichte (1946-53)
1.2 Die folgenden Ausbauetappen

2. Wirtschaftliche Auswirkungen des Flughafens

2.1 Definition des Untersuchungsgebietes
2.2 Die wirtschaftliche Entwicklung der Flughafengemeinden
2.3 Die Bedeutung des Flughafens als Arbeitgeber
2.4 Demographische Entwicklung der Flughafengemeinden

3. Die 5. Ausbauetappe

3.1 Das Projekt Airport 2000
3.2 Flughafeninitiative und Rahmenkredit-Abstimmung

4. Ökologische Probleme

4.1 Der Fluglärm
4.2 Schadstoffe in der Stratosphäre und in Bodennähe

5. Die Sozialstruktur der Flughafengemeinden

5.1 Auswahl der Sozialindikatoren
5.2 Auswertung

6. Der Schutzverband (sbfz)

6.1 Geschichte
6.2 Zweck und Organisation des sbfz
6.3 Heutige Probleme des sbfz
6.4 Weitere kritische Stimmen zum Flughafen

7. Neue Unternehmensform für den Flughafen

7.1 Der organisatorische Aufbau des Flughafens
7.2 Der Flughafen wird privatisiert

8. Diskussion und Schlussbetrachtung

8.1 Die Zukunft des Flughafens Zürich-Kloten
8.2 Die Zukunft der Flughafenregion
8.3 Die Zukunft für die Umwelt und die Bevölkerung

9. Literaturverzeichnis

Anhang

 

Vorwort

"Fluglärm – jetzt reicht's!"

Mit diesem Slogan demonstrierten am Samstag dem 21.9.1996 in Glattbrugg rund 500 Personen gegen die ständige Zunahme der von den startenden Flugzeugen des nahen Interkontinentalflughafens Zürich-Kloten verursachten Lärmimmissionen.

Durch die Annahme des kantonalen Rahmenkredites durch das Zürcher Stimmvolk 1995 wurde den Flughafenpartnern grünes Licht gegeben, die 5. Ausbauetappe in Angriff zu nehmen und das Projekt mit dem reisserischen Namen "Airport 2000" zu realisieren. Airport 2000 – das heisst für die einen: mehr Flugbewegungen, mehr Lärm- und Schadstoffimmissionen, verschlechterte Lebensqualität im Raum Zürich Nord; für die anderen bedeutet es: stärkere Anbindung an das globale Städtenetz, Stärkung des Wirtschaftsplatzes Zürich, mehr Arbeitsplätze für kurz- oder langfristige Aufträge. In dieser Arbeit geht es mir darum, diesen verschiedenen Perzeptionen auf den Grund zu gehen und aus der geschichtlichen Betrachtung heraus Schlüsse für die Zukunft des Flughafens und seiner Region ziehen zu können.

Seit nunmehr 50 Jahren steht auf dem ehemaligen Sumpfgebiet und Artilleriegelände einer der grössten Arbeitgeber unseres Landes und bietet auch bereits so lange Diskussionsstoff für Stammtischler, verspätungsbetroffene Passagiere, Umweltorganisationen und Börsianer. So abwechslungsreich wie die Diskussionsthemen ist auch die Verkupplung des Flughafens mit allen möglichen Bereichen der menschlichen Daseinsgrundfunktionen.

Neben der (v.a. neueren) Geschichte und den politischen Diskussionen rund um den Flughafen werde ich auch einen Blick auf die wirtschaftliche und demographische Entwicklung sowie auf die Sozialstruktur der Region in Hinblick auf den Flughafen als Unternehmen und Arbeitgeber werfen. Als Voraussetzung dafür habe ich die Flughafenregion definiert und in zwei Zonen – eine Kern- und eine Randzone eingeteilt .

Als Basis dienten mir neben flughafenspezifischer Literatur bei der Recherche der Fakten in erster Linie etwas über 100 Zeitungsartikel der letzten 6 Jahre, welche mir grösstenteils von Richard Wolff (Geographisches Institut der ETH Zürich) zur Verfügung gestellt wurden – herzlichen Dank Richi!

Ebenfalls bedanken möchte ich mich an dieser Stelle beim sbfz, der mich mit Literatur zur Organisationsstruktur des Schutzverbandes selber sowie weiteren interessanten Fakten zur Flughafeninitiative und die Diskussion um die 5. Ausbauetappe belieferte.

Einen herzlichen Dank geht auch an Prof. Dieter Steiner, welcher mir für die Laufzeit dieses Projektes einen Arbeitsplatz im Geographischen Institut der ETH zur Verfügung gestellt hat.

Ich möchte mich auch bei der Abteilung RaumUmweltStadt des Fachvereins Arbeit und Umwelt in Bern im Allgemeinen – und bei Matthias Sorg im Besonderen für die Ermöglichung dieser Arbeit und die vielen Impulse in den Gruppensitzungen bedanken.

Und last but not least ein herzliches Dankeschön an Jenny, ihren und meinen Eltern, Reiher, Kudu, Pfiff, This, Käthi und alle anderen, die mir in dieser Zeit mit Rat und Tat zur Seite standen.

Inhalt


1. Geschichte des Flughafens Zürich-Kloten

1.1 Die Vorgeschichte (1946-53)

1939 wurde das Benutzungsrecht (Pachtverhältnis) für die Zivilluftfahrt auf dem Flughafen Dübendorf-Wangen auf den 31.8.1943 gekündigt. Wegen Raumproblemen war es nicht mehr möglich, Zivil- und Militärfliegerei auf diesem 50 ha grossen Platz miteinander zu koordinieren. 1943 wurde im Kantonsrat eine Interpellation für eine Verlegung der Zivilluftfahrt auf einen neuen Flugplatz in der Gegend von Kloten-Oberglatt eingereicht, da dieses weitläufige Gebiet in Stadtnähe noch wenig genutzt wurde. Der einzige Nutzungsanspruch hatte der Bund, der auf dem Gelände einen Artillerie-Waffenplatz der Armee unterhielt und sich deshalb gegen die Vorschläge des Kantons stellte. Eine Einigung kam 1945 zustande, als der Bund dem Kanton Zürich 655 ha des Gebietes überliess.

In einer Abstimmung von 5.5.1946 musste das Zürcher Stimmvolk einen Kredit von 36.8 Mio Fr. für den Bau eines interkontinentalen Flughafens auf diesem Gelände bewilligen. Der Ausgang dieser Abstimmung fiel sehr deutlich mit einem Anteil von 75% zugunsten des Projektes aus (an der Spitze: Dietikon mit 91% Ja-Stimmen), die Stimmbeteiligung betrug 64%. Nur 18 kleinere Gemeinden des Kantons stimmten dagegen, 6 davon im Bezirk Uster sowie die Gemeinden Dübendorf und Wangen, welche den Verlust von Arbeitsplätzen durch die Aussiedlung der Zivilluftfahrt zu beklagen hatten. Die Stadt Zürich befürwortete einen städtischen Sonderbeitrag von 7.5 Mio Fr. sogar mit 88% Ja-Stimmen. Damit waren die Voraussetzungen für den Bau des Flughafens gegeben und bereits zwei Jahre später konnte die Westpiste dem Luftverkehr übergeben werden. Dem Bau fiel jedoch viel Wald auf Rümlanger Gemeindegebiet und ein Grossteil des damals durch die militärische Nutzung noch intakt gehaltenen Riedes zum Opfer.

1950 wurde vom Volk ein Nachkredit von 19 Mio Fr. mit einem Ja-Stimmenanteil von 52% weit weniger deutlich angenommen als die ersten 37 Mio. Mit diesem Geld konnte die erste Etappe im August 1953 offiziell eingeweiht werden. Diese beinhaltete das Pistensystem und den nach 1950 erstellten Flughof.

1.1.1 Der weltoffene Zürcher sagt Ja! (1)

Durch die Befürwortung des Flughafens Zürich-Kloten sicherte sich Zürich "den Anschluss an die Weltstrassen der Luft" (Stadtpräsident Adolf Lüchinger), den die Stadt endgültig zum wirtschaftlichen und demographischen Schwerpunkt der Schweiz machte. Der Millionenkredit, welchem die Stimmbürger (Frauen bekamen das Stimmrecht erst 24 Jahre später) mit so klarer Mehrheit zustimmten, bedeutete in den Nachkriegsjahren eine horrende Summe, und es war nicht selbstverständlich, dass die in diesen Jahren sehr auf Sparsamkeit bedachten Zürcher diesem Kredit zustimmten. Jedoch sahen insbesondere touristisch und wirtschaftlich orientierte Kreise in der neuen internationalen Drehscheibe und dem endgültigen Anschluss an das enorm wachsende Luftverkehrsnetz einen Vorteil. Auch der Prestigegedanke im schweizerischen Kontext spielte für die Zürcher eine grosse Rolle.

Die treibende Kraft hinter der Forcierung des Flughafenstandorts Zürich (der Bund fasste auch andere Standorte für den interkontinentalen Flughafen der Schweiz ins Auge, v.a. das Bernnahe Utzenstorf (2)) war das überparteiliche "Komitee für einen Grossverkehrsflugplatz in Zürich Kloten", welches noch heute unter dem Namen "Pro Flughafen" existiert und neulich sein 50 järiges Bestehen feiern konnte. Eine besondere Rolle fiel dem sozialdemokratischen Baudirektor Jakob Kägi zu, der die Arbeiterschaft in unermüdlicher Überzeugungsarbeit für die Zivilfliegerei gewann. Der härteste Widerstand kam von Seiten der Bauern, die jedoch vom geschickterweise vom Komitee ausgewählten Kommissionsvertreter Emil J. Graf – einem damals bekannten Bauernführer – auf die Seite der Flughafenbefürworter gebracht wurden.

Auch die Presse, allen voran die NZZ rief dazu auf "unser Binnenland der Freiheit der Luftmeere teilhaftig werden zu lassen" (3). Die Befürworterkampagne liess praktisch keinen Raum für Gegenappelle. Diese kamen meistens von Privatpersonen aus dem Zürcher Unterland, die sich weniger vor dem künftigen Fluglärm als vielmehr vor dem grossen sozialen und strukturellen Wandel fürchteten, welcher die "grosse Welt" durch den Flughafen in die noch weitgehend intakte bäuerliche Kleinstruktur bringen würde. Von den heutigen Flughafengemeinden (Definition siehe Kapitel 2.1) sprachen sich lediglich Rümlang und Oberglatt, welche den Verlust von vielen Hektaren Wald zu verzeichnen hatten (4), sowie Boppelsen, Lufingen und Oberembrach gegen den Flughafen aus. So störte sich damals auch niemand ernstlich daran, dass die Bauarbeiten für den Flughafen bereits mehrere Wochen vor dem Abstimmungsdatum begonnen hatten...

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1.2 Die folgenden Ausbauetappen

1.2.1 1957: Verlängerung der Pisten

Bereits nach wenigen Jahren wurde offensichtlich, dass das vorhandene Pistensystem dem gewaltigen Aufschwung im Luftverkehrsbereich nicht mehr gewachsen ist. Zusätzlich zum Mehrverkehr fand auch eine Entwicklung im Flugzeugbau statt, welche es gestattete, immer grössere Maschinen zu konstruieren, deren Anforderungen die Start- und Landepisten nicht mehr genügten. So musste das Volk 1957 über eine zweite Ausbauetappe abstimmen. Die Vorlage wurde jedoch mit 53% Nein-Stimmen abgelehnt, da sie als zu teuer und platzraubend empfunden wurde. Der Hauptkritikpunkt lag in der Tatsache, dass diesem Projekt mindestens 15 Häuser in Kloten und eine Waldfläche von 147 ha weichen sollten. 1958 wurde dem Volk ein reduziertes Projekt vorgelegt, dem der Souverän mit 64% zustimmte.

Diese zweite Vorlage beinhaltete den Ausbau der Blindlandepiste von 2600 m auf 3500 m (ursprünglich waren 4000 m vorgesehen, gebaut wurden tatsächlich 3700 m) sowohl in Richtung Höri wie Richtung Opfikon, sowie eine Verlängerung der Westpiste von 1900 m auf 2500 m (erste Vorlage: 3150 m). Die Waldrodungsfläche für dieses Projekt betrug "nur" noch 43 ha.

1.2.2 1970: Eine dritte Piste und ein Fingerdockterminal

Der Flughafen wurde zwar nach der 2. Ausbauetappe den Ansprüchen der grösseren Flugzeuge noch knapp gerecht, doch aufgrund der stetig steigenden Mobilität in den 60er Jahren und als Folge dessen eines grösseren Verkehrsaufkommens auch im Luftverkehr, wurde der Bau einer zusätzlichen Piste nötig. So musste das Volk ein weiteres Mal über den Ausbau des Zürcher Flughafens abstimmen. Die dritte Ausbauetappe wurde zwar in der ersten Runde angenommen, jedoch mit 60% Ja-Stimmen knapper als bei der Gründung und der sekundären Vorlage der zweiten Etappe.

Neben der dritten (3300 m langen) sogenannten V-Piste – so genannt, da sie zur Blind–landepiste den Buchstaben V bildet – wurden auch Parkhäuser, der Werkhof AFL und der Fingerdockterminal B errichtet sowie Werft und Fracht erweitert. Auf der V- und der Blindlandepiste erfolgen seither die Hauptzahl der Landungen, die Westpiste dient vor allem für Starts (5). Der Ausbau ging auf Kosten grosser Teile des Winkeler Riedes, weshalb diese Gemeinde zum ersten Mal in der Flughafengeschichte zu 55% gegen das Projekt stimmte. Zum ersten Mal wurde auch die Lärmimmission zu einem der Hauptkritikpunkte der Opposition. Zum Schutz der FlughafenanwohnerInnen vor dem stetig wachsenden Fluglärm (ab 1960 wurden Düsenjets eingeführt) schlossen sich 1967 einige Gemeinden zum "Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Zürich" (sbfz) zusammen (siehe Kap. 6.1).

1.2.3 1981: Fingerdock A und SBB-Bahnhof

Nach der Anbindung des Flughafens ans nationale Schnellzugsnetz der SBB 1980 begann ein Jahr später eine neue Etappierung in der Geschichte des Flughafens. Die 1985 mit der Fertigstellung des Fingerdocks A und der Einweihung des neuen Towers im Jahr darauf abgeschlossene 4. Ausbauetappe verlieh dem Flughafen Zürich sein heutiges Antlitz. Damals schrieb die NZZ (6): "Im Flughafen Zürich zählte man 1984 erstmals mehr als 6 Millionen Passagiere. Fachleute schätzen, dass die Kapazitätsgrenzen der jetzigen Anlagen bei 13.5 Millionen Passagieren liegen. Eine Vergrösserung der Passagierterminals und der Vorfeldflächen dürfte, wenn die gegenwärtige Entwicklung in ihrem Rhythmus verweilt, nicht vor 1995 erforderlich sein". Die Tatsache, dass diese Kapazitätsgrenze jedoch bereits 1993 überschritten wurde und dass die Luftverkehrsprognose der FDZ von 1990 für die nächsten Jahre eine starke Überbelastung des Flughafens ohne entsprechende rigorose Ausbauten voraussagte, strafte obige Aussage bereits wenige Jahre später Lügen. Dass diese weiteren Ausbauten, welche den Kanton 873 Millionen Franken kosten würden, gerade mitten in der schlimmsten Rezessionszeit nötig wurden, liess die Prognose eines harten Abstimmungskampfes zu, der diesmal nicht zugunsten der Flughafenverantwortlichen ausgehen könnte. Später in dieser Arbeit (Kapitel 3) werde ich mich mit dieser 5. Ausbauetappe intensiver auseinandersetzen. Zuerst geht es mir nun darum, die Entwicklung der Flughafenregion in wirtschaftlicher und demographischer Hinsicht seit der Gründung des Flughafens Zürich-Kloten aufzuzeigen, um die heutige Situation besser beurteilen zu können.

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2. Wirtschaftliche Auswirkungen des Flughafens

2.1 Definition des Untersuchungsgebietes

Für die nachfolgenden Untersuchungen in wirtschaftlicher, demographischer und sozialstruktureller Sicht habe ich die Flughafenregion wie folgt abgegrenzt:

Die Zone 1 beinhaltet Gemeinden, deren Gemeindegebiet (oder zumindest Teile davon) von Fluglärm stark beeinflusst ist. Als Abgrenzungskriterium diente mir eine Untersuchung der Flughafendirektion aus dem Jahr 1986. Berücksichtigt wurde ein Gebiet mit einem NNI (Noise and Number Index) von mehr als 45. (7)

Zur Zone 2 gehörend definierte ich eine Gemeinde wenn sie mindestens 2 der folgenden Kriterien erfüllte:

- Die Gemeinde ist Mitglied des Schutzverbandes (siehe Anhang 3)

- Sie liegt im Bereich der Abflugrouten (1996) (8)

- Die Auswirkungen des Flughafen haben für sie eine gewisse Bedeutung in wirtschaftlicher oder lärmproblematischer Hinsicht (9)

Abb. 2.1: Die als Zone 1 und 2 ausgeschiedenen Flughafengemeinden

Dazu ist zu bemerken, dass auch weniger stark von den direkten Flughafenemissionen betroffene Gemeinden Mitglied des Schutzverbandes sind, während einige näher gelegene Gemeinden bereits aus dem Verein ausgetreten sind (siehe Kapitel 6.3).

Die Diskussion über die Abflugrouten ist noch nicht beendet und somit müssen mögliche Routenänderungen und damit eine Neuverteilung des Fluglärms einkalkuliert werden. Die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens als Arbeitsort kann sich seit den späten 70er Jahren für einzelne Gemeinden verändert haben, da mit der Eröffnung der S-Bahn und dem Ausbau des Nationalstrassennetzes auch die Erreichbarkeit einem Wandel unterzogen wurde und somit das Einflussgebiet erweitert wurde. Trotzdem unterliegen die ausgeschiedenen Gebiete nach wie vor einem grossen Einfluss des Flughafens und können zumindest als 2. Zone zum Flughafengebiet gezählt werden.

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2.2 Die wirtschaftliche Entwicklung der Flughafengemeinden

Der Flughafen schuf in der Region Zürich-Nord nicht nur Tausende von sehr differenzierten Arbeitsplätzen, seine stetige Erweiterung führte auch mittels Vorwärts- und Rückwärtskopplungseffekten dazu, dass die Flughafengemeinden – allen voran Kloten – eine starke Industrialisierungs- und eine noch gewaltigere Tertiarisierungsphase durchleben, welche bis heute anhält, so dass sie sich zu einem der wichtigsten und boomendsten Wirtschaftsstandorte der Schweiz entwickelten. Abb. 2.2 veranschaulicht dieses Wachstum. Hier dargestellt ist die sektorale Aufteilung der Arbeitsplätze in den Gemeinden der Zonen 1 und 2 in den Jahren 1955, 1975 und 1995.

1955 war der Einfluss des damals noch sehr kleinen Flughafens noch gering und man kann in etwa davon ausgehen, dass die Wirtschaftszahlen dieses Jahres die Situation vor der Eröffnung des Flughafens repräsentieren. In beiden Zonen waren damals ungefähr gleich viele Arbeitsplätze vorhanden, nämlich 8132 in der Zone 1 gegenüber 8865 in der Zone 2 (10). Auffallend ist, dass das sektorale Schwergewicht der flughafenferneren Gemeinden auf den Industriebetrieben lag, welche in dieser Region bis 1995 im Gegensatz zur Zone 1 nur eine schwache absolute Zunahme der Arbeitsplätze verzeichnen konnten. Es handelt sich dabei v.a. um Betriebe in traditionellen Produktionsstandorten wie Wallisellen, Bülach oder Glattfelden. In der Zone 1 führten im Windschatten des Flughafens neu gegründete Industriebetriebe zu einem starken Wachstum in der Arbeitsplatzentwicklung, von dem vor allem die Gemeinden Kloten, Opfikon, Regensdorf, Rümlang und Dällikon profitierten.

Abb. 2.2: Die Entwicklung der Arbeitsplätze in den Zonen 1 (links) und 2 (rechts). Die Histogramme sind nicht massstabsgetreu.

Beim Vergleich der beiden Zonen fällt ebenfalls auf, dass der erste Sektor kaum nennenswerte Gewinne an Arbeitsplätzen zu verzeichnen hat, obwohl er nach einem Einsturz bis in die 70er Jahre heute wieder in etwa Werte von 1955 aufweist. Das erneute Wachstum der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung lässt sich mit einem Anstieg der Nebenerwerbstätigkeit erklären: Viele Bauern leben nicht nur mehr vom Einkommen des Hofes alleine sondern sichern sich mit einem (saisonalen) Nebenerwerb ein Einkommen, welches ihnen gestattet, den Landwirtschaftsbetrieb finanziell aufrecht zu erhalten. Der Dienstleistungssektor hingegen hat sich in beiden Zonen explosionsartig entwickelt. Untenstehende Tabelle zeigt die genauen Werte der sektoralen Entwicklung in den Zonen 1 und 2. Die Werte für die einzelnen Gemeinden können im Anhang 2 nachgeschlagen werden.

 

 

1955

1975

1995

Sektor 1

Zone 1

1282

725

1051

 

Zone 2

632

509

745

Sektor 2

Zone 1

3352

8538

12092

 

Zone 2

6727

7498

10323

Sektor 3

Zone 1

3498

24833

52030

 

Zone 2

1506

10288

19721

Tab. 2.1: Die sektorale Veränderung der Arbeitskräfte in den Flughafengemeinden seit 1955. Daten aus: Statistisches Amt des Kantons Zürich (1949-1987)

Abb. 2.3 zeigt die heutige Beschäftigungsstruktur der Zonen 1 und 2 in Vergleich mit dem Kanton Zürich. Auffallend ist der nach wie vor relativ hohe Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten in den Flughafengemeinden. Das liegt nicht nur historisch begründet (das Zürcher Unterland war seit jeher ein reiches Landwirtschaftsgebiet) sondern rührt auch daher, dass auch heute noch viel Land im Glattal für die Bewirtschaftung zur Verfügung steht und eine intensiviertere, auf weniger Landressourcen angewiesene Landwirtschaft betrieben wird als dies noch vor 50 Jahren der Fall war. Der Anteil der in der Industrie Tätigen liegt in beiden Zonen leicht über dem Kantonsmittel, der Anteil der im Dienstleistungssektor beschäftigten Bevölkerung erreicht – trotz des Flughafens als grösstem Arbeitgeber der Region – auch in der Zone 1 mit 60% nicht den Wert des Kantons von über 73. Die Anzahl der in einer Gemeinde Beschäftigten im Verhältnis zur Wohnbevölkerung ist im Durchschnitt in den Flughafengemeinden kleiner als im ganzen Kanton. Vor allem die Zone 2 erreicht mit einem Wert von 31.6% nur gerade die Hälfte des Kantonsschnitts. Es handelt sich hier vorwiegend um suburbane Wohngemeinden. Der relativ hohe Beschäftigungsgrad der Zone 1 hat diese vorwiegend dem Flughafen als Arbeitgeber zu verdanken: In der Stadt Kloten liegt dieser Wert bei 176%, auch die Industriegemeinde Opfikon hat einen Beschäftigungsgrad von 118. Trotzdem wird auch hier das Kantonsmittel nicht erreicht. Es sollte jedoch noch angemerkt werden, dass von den etwa 706'000 Erwerbstätigen des Kantons (1995) 317'000 auf die Stadt Zürich fallen, welche als Dienstleistungszentrum (84% der in der Kernstadt beschäftigten Leute arbeiten im tertiären Sektor; mehr als die Hälfte der kantonalen Dienstleistungsstellen befinden sich in Zürich) den Kantonsschnitt massgeblich beeinflusst.

Abb. 2.3: Beschäftigte in den drei Wirtschaftssektoren 1995 in %. B/E ist das Verhältnis der ein einer Gemeinde beschäftigten Erwerbstätigen zur Bevölkerungszahl der Gemeinde.

2.2.1 Gemeindetypologie der Flughafenregion

Für eine Typologie der Flughafenregion greife ich auf die Definition des Statistischen Amtes des Kantons Zürich von 1990 zurück (11), die sich auf die Bundesämter für Statistik und Raumplanung stützt, welche im Anschluss an die Volkszählung von 1980 eine Typologisierung der schweizerischen Gemeinden ausgearbeitet und 1990 revidiert hat. Die schweizerische Typologie umfasst für die rund 3000 Gemeinden 22 verschiedene Gemeindetypen. Von diesen kamen im Kanton Zürich 5 nicht vor und die übrigen 17 wurden vom kantonalen Statistischen Amt zu 7 grundlegenden Typen zusammengefasst:

  • Zentren (in dieser Arbeit: Z) haben mindestens 5000 EinwohnerInnen und erfüllen in ökonomischer und kultureller Hinsicht zentrale Funktionen für eine Region (Zürich, Winterthur, Wetzikon).

  • Arbeitsplatzgemeinden (APG) bieten im Vergleich zu Wohngemeinden eine grosse Zahl von Arbeitsplätzen an, die zu einem beträchtlichen Teil von auswärts wohnenden Erwerbstätigen besetzt sind (z.B. Kloten).

  • Suburbane Wohngemeinden (SWG) dienen der Bevölkerung in erster Linie als Wohnort; sie sind dicht besiedelt (z.B. Bassersdorf).

  • Periurbane Wohngemeinden (PWG) erfüllen ebenfalls primär eine Wohnfunktion, sind jedoch vergleichsweise locker überbaut (z.B. Hochfelden)

  • Reiche Gemeinden (RG) zählen viele wohlhabende Steuerpflichtige und verfügen deshalb über verhältnismässig grosse Budgets (z.B. Oetwil a.d.L. oder die Gemeinden der sogenannten "Goldküste" am rechten Zürichseeufer).

  • Ländliche Gemeinden (LG) sind Gemeinden, in denen mindestens 13% der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft arbeiten (v.a. Gemeinden im Zürcher Weinland – dieser Typ kommt in der Flughafenregion nicht vor).

  • Gemischte Gemeinden (GG) sind unterschiedlich strukturiert; sie lassen sich jedoch keinem der übrigen Typen zuordnen (z.B. Stadel oder die Tösstaler Gemeinden)

Über den Sinn solcher Typologisierungen und über die Parameter welche dafür verwendet werden, lässt sich streiten, und ich möchte diese hier ausgeschiedenen Gemeindetypen nicht als das non-plus-ultra der Klassifizierung bezeichnen, doch lassen sie eine Grobübersicht über die Region zu. Betrachtet man das Vorkommen eines bestimmten Gemeindetyps in den Zonen 1 und 2, so zeigt sich dabei folgendes Bild:

 

Zone 1

Zone 2

Arbeitsplatzgemeinde (APG)

5

3

Suburbane Wohngemeinde (SWG)

5

3

Periurbane Wohngemeinde (PWG)

3

5

Reiche Gemeinde (RG)

1

1

Gemischte Gemeinde (GG)

1

1

Tab. 2.2: Gemeindetypen in der Flughafenregion.

Die Zone 1 besitzt mit 5 Arbeitsplatzgemeinden und 5 Suburbanen Wohngemeinden eine stärkere Durchmischung von Wohnen und Arbeiten als die stärker periurban geprägte Zone 2, welche eine grössere Konzentration auf dem Faktor Wohnen aufweist. Zählt man den Zürcher Stadtkreis 11 (hier stehen 53'000 EinwohnerInnen rund 30'000 Arbeitsplätze gegenüber) ebenfalls zur Zone 2 – wie in dieser Arbeit zum Beispiel im Kapitel 5 – so erhält diese Zone noch den Teil einer Zentrumsgemeinde was sie der Zone 1 in der Gesamttypologie wieder äquivaliert. Die Flughafenregion kann also allgemein als eine Ansammlung sehr heterogener Gemeinden bezeichnet werden (6 der 7 für den Kanton Zürich definierte Gemeindetypen kommen mindestens ein Mal vor). Was das konkret für die ansässige Bevölkerung heisst, wird im Kapitel 5 – die soziale Struktur der Flughafengemeinden – noch diskutiert.

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2.3 Die Bedeutung des Flughafens als Arbeitgeber

Das stärkere Wachstum des tertiären Sektors in der Zone 1 im Vergleich zur Zone 2 ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass der Flughafen als Arbeitgeber zum Dienstleistungssektor gezählt wird und heute 16'100 Leute beschäftigt (exklusive ca. 3800 Teilzeitbeschäftigte), was 3% der Erwerbstätigen des Kantons entspricht, welche (1989) 5.4% des Volkseinkommens erwirtschafteten (12). Eine Studie des Instituts für Tourismus und Verkehrswirtschaft an der Hochschule St.Gallen aus dem Jahr 1992 geht davon aus, dass durch die wirtschaftlichen Verknüpfungen 45'000 Arbeitsplätze vom Flughafen abhängen, eine Existenzbasis für 90'000 Menschen, was 8% der Kantonsbevölkerung entspricht. Laut dieser Studie setzt sich die branchenspezifische Verteilung des Flughafenpersonals folgendermassen zusammen:

Luftverkehrsgesellschaften (1) 76.5
Verwaltungen (2) 11.4%
Restaurants und Läden (3) 4.6%
Spediteure (4) 3.9%
Technische Betriebe (5) 1.3%
Taxi-, Autovermietfirmen (7) 1.0%
Diverse (6) 1.3%

Abb. 2.4: Die Verteilung des Flughafenpersonals nach Branchen 1989. Aus: Kaspar and Erni 1992)

Die nachfolgenden Kennziffern (Auswahl) aus der St.Gallener Studie sollen einen Überblick über den Stellenwert und die Komplexität des Flughafens als Arbeits- und Auftraggeber verschaffen: (13)

  • 3% der Erwerbsbevölkerung des Kantons Zürich sind am Flughafen beschäftigt. Das entspricht für 1989 17'281 vollbeschäftigten Angestellten (1997:16'100).

  • Wichtigster Arbeitgeber mit einem Anteil von 72.4% ist die Swissair.

  • Mit 70% hat der Flughafen einen hohen Anteil an Angestellten und Kaderpersonal (Kantonaler Durchschnitt: 48.3%).

  • Der am Flughafen ausbezahlte Durchschnittslohn liegt 25% über dem kantonalen Mittel.

  • 5.4% des kantonalen Volkseinkommens 1989 (3.015 Mia Fr.) wurden durch den Flughafen verursacht. 1982 betrug dieser Anteil noch 4.8%. Der Flughafen ist wichtiger geworden.

  • 72% (1.035 Mia Fr.) der von den Flughafenfirmen vergebenen Aufträge verbleiben im Kanton Zürich.

  • Am meisten profitieren die Sektoren Energie, Elektronik/Elektrotechnik und Nahrungsmittel von der direkten Auftraggeberwirkung des Flughafens.

  • Die Bereiche Metall und Maschinen, Handel, Gast- und Reparaturgewerbe, Nahrungs- und Genussmittel, chem. Erzeugnisse, Elektrotechnik, Elektronik, Optik, Textilien und Nachrichtenübermittlung zählen zu den flughafenaffiniten Branchen.

  • Unter der Annahme eines Multiplikators von 1.5 hat sich 1989 ein Einkommenseffekt von 3.205 Mia Fr. ergeben.

  • Unter der Annahme eines Multiplikators von 1.6 ergeben sich 44'930 Arbeitsplätze, die direkt und indirekt vom Flughafen abhängig sind. Das entspricht einem Wohnbevölkerungsanteil von 90'000 bzw. 8%.

  • Das theoretische Einzugsgebiet umfasst rund 45% der gesamten Wohnbevölkerung und 48% der Gesamtfläche der Schweiz. Das praktische Einflussgebiet ist grösser.

Eine Informationsbroschüre der Interessengemeinschaft Flughafen Zürich definierte 1994 den Flughafen in der Bedeutung als Arbeitgebers als achtgrösstes Unternehmen der Schweiz und wies auf seine unbestrittene wirtschaftliche Bedeutung für die Region hin – ohne jedoch auf die negativen Effekte, v.a. in bezug auf die Emissionen einzugehen. Weiter wurden die Wohnorte der Flughafenangestellten aufgelistet und es zeigte sich, dass ein knappes Drittel der ArbeiterInnen alleine aus den drei Gemeinden Kloten, Zürich und Opfikon stammen:

  • Kloten 2416

  • Zürich 2352

  • Opfikon 1105

  • Embrach 715

  • Bassersdorf 532

  • Winterthur 512

  • Bülach 481

  • Bachenbülach 352

  • Nürensdorf 341

Nach Regionen aufgeteilt wohnten 1994 die 19'932 Vollzeit- und Teilzeitangestellten im:

  • Bezirk (Gem.) Zürich 2352 11.8%

  • Bezirk Bülach 6330 31.8%

  • Bezirk Dielsdorf 1165 5.8%

  • Bezirk Winterthur 1045 5.2%

  • Bezirk Andelfingen 187 0.9%

  • übriger Kanton 2245 11.3%

  • übrige Schweiz 6288 31.6%

  • Deutschland 288 1.4%

  • Restliches Ausland 32 0.2%

Auffallend ist neben der starken Dominanz des Bezirks Bülach, in dem ausser den beiden Zentren Zürich und Winterthur alle oben aufgelisteten Hauptwohnorte liegen, der ebenso grosse Anteil der Pendler aus der übrigen Schweiz und dem Ausland. Als grober Richtwert gilt also folglich, dass von den am Flughafen arbeitenden Menschen ein Drittel aus dem Bezirk Bülach stammt, ein weiteres Drittel aus dem restlichen Kantonsgebiet an den Flughafen pendelt und ein Drittel ausserhalb des Kantons Zürich seinen Wohnsitz hat. Induziert man die indirekt vom Flughafen abhängigen Arbeitsplätze, so muss der Region Zürich Nord noch ein weit stärkeres Gewicht ihrer Dependenz zum Flughafen zugewiesen werden.

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2.4 Demographische Entwicklung der Flughafengemeinden

Abb. 2.5: Die relative Bevölkerungsentwicklung der Zonen 1 und 2 im Vergleich zur Stadt und dem Kanton Zürich.

Seit der Eröffnung des Flughafens erfuhren die Gemeinden in der Flughafenregion nicht nur eine enorme ökonomische Strukturveränderung sondern parallel zu dieser Entwicklung erfolgte ein starkes Bevölkerungswachstum. Die Flughafengemeinden wurden besonders stark in den seit den sechziger Jahren anhaltenden Suburbanisierungsprozess einbezogen. Wie Abb. 2.5 verdeutlicht, versechsfachte sich die Bevölkerung der Zone 1 in den letzten 55 Jahren. Auch die Zone 2 erfuhr ein starkes Bevölkerungswachstum von 346% in der selben Zeitspanne, während die Einwohnerzahl der Kernstadt nach einem leichten Anstieg in den 50er Jahren etwa auf den Stand von 1945 zurücksank und sich diejenige des Kantons nicht ganz verdoppelte. Interessant in dieser Hinsicht ist auch, dass das Wachstum der Flughafengemeinden bis heute anhält, während Stadt und Kanton seit 1980 in demographischer Hinsicht eine relative Stagnation erfahren.

Abb. 2.6: Vergleich der relativen Bevölkerungsveränderung in den ausgewählten Regionen.

Abb. 2.6 zeigt die relative Bevölkerungsveränderung pro Dekade. Auffallend ist, dass das relativ stärkste Wachstum praktisch in allen ausgewählten Regionen auf die Periode zwischen 1950 und 1960 fiel. Eine Ausnahme bildet die Kernstadt Zürich, welche sich damals bereits am Ende der Wachstumsphase befand, welche um 1820 einsetzte und 1962 mit einem Stand von 445'313 EinwohnerInnen ihren Zenit erreichte (14). Besonders stark vom Bevölkerungswachstum betroffen war die Zone 1 zwischen 1950 und 1960, als sich die Einwohnerzahl dieser Gemeinden beinahe verdoppelte (Extremwert: Opfikon von 2613 auf 7749 EinwohnerInnen). Auch die Zone 2 erfuhr in dieser Dekade ein Bevölkerungswachstum von über 50%, was weit über demjenigen des Kantons oder der Agglomeration (15) mit je etwa 20% Zunahme lag (Extremwert Geroldswil: praktische Verdoppelung auf 844 EinwohnerInnen). Auch in den 60er Jahren war das prozentuale Wachstum in den beiden Flughafenzonen überdurchschnittlich hoch (Zone 1: +73%, Zone 2: +46%). Seither – und vor allem seit 1990 – ist auch das demographische Wachstum der Flughafengemeinden gehemmt. In den 80er Jahren lag das Schwergewicht der relativen Zunahme auf der Zone 2, während die Zone 1 in den 90er Jahren wie in den Jahren vor 1980 die stärkste Zunahme in den ausgewählten Regionen verzeichnet.

Es muss hier angefügt werden, dass die Flughafengemeinden trotz ihres massiven Bevölkerungswachstums lediglich 12% der Kantons- und knapp 15% der Agglomerationsbevölkerung (16) ausmachen, wie man in Abb. 2.7 erkennen kann.

Abb. 2.7: Vergleich der absoluten Bevölkerungsveränderung in den Zonen 1 und 2, des Kantons, der Stadt und der Agglomeration Zürich.

Wenn auch die Bevölkerungsentwicklung in den beiden Zonen sehr ähnlich verlief, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwischen den einzelnen Gemeinden in dieser Hinsicht eine grosse Variabilität besteht. Dies soll anhand von drei Beispielen erläutert werden (Beachte: Histogramme sind nicht massstabsgetreu):

Kloten:

Diese Gemeinde befindet sich heute in der Reifephase. Nach einem explosionsartigen Wachstum in den 50er und 60er Jahren, als sich die Bevölkerung innert 20 Jahren von 3'429 auf 16'388 beinahe verfünffachte (jährliches Wachstum: 7.5%) ist seit 1970 eine klare Stagnation festzustellen (jährliches Wachstum 1970-90: -0.1%). Zu dieser "Klasse" sind in der Zone 1 auch Höri, Opfikon und Rümlang, in der Zone 2 weniger ausgeprägt Geroldswil und Wallisellen zu zählen.

Neerach:

Bis in die 60er Jahre zeigte diese Gemeinde keine Anzeichen eines Bevölkerungswachstums. Seit etwa 1970 hat sich die Einwohnerzahl jedoch beinahe verdreifacht (Jährliches Wachstum 1941-70: 1.2%, 1970-90: 4.5%). Im geringeren Mass zeigen in der Zone 1 Buchs und Hochfelden, in der Zone 2 Lufigen und Rorbas ebenfalls diesen Verlauf. Diese Gemeinden sind auch heute noch im Wachstum begriffen. Gegenüber der "Klasse Kloten" geht jedoch in diesen Gemeinden das Wachstum langsam und stetig vonstatten.

Nürensdorf:

Hier handelt es sich um eine Gemeinde, deren Bevölkerungswachstum seit 1950 gleichförmig verläuft (Jährliches Wachstum 1941-70, sowie 1970-90: 3.4%). Obwohl im Gegensatz zur "Klasse Neerach" das Wachstum in den letzten Jahren gehemmt ist, wird dieses Reifestadium noch nicht erreicht. Ähnlich wie in Nürensdorf ging die Entwicklung in den Gemeinden Niederhasli (Zone 1) und Oetwil a.d.L. (Zone 2) vonstatten.

Neben diesen anhand obiger Beispiele gezeigten Kassen existieren in der Flughafenregion auch (ländliche) Gemeinden, welche bis heute nur ein sehr geringes Wachstum zeigen und noch nicht in den Sub- und Periurbanisierungsprozess einbezogen sind: Weiach und Stadel.

Ein Vergleich der arithmetischen Mittel des jährlichen Wachstums der beiden Zonen mit dem Kanton zeigt Folgendes:

 

1941-70

1970-90

Kanton

1.7

0.3

Zone 1

4.03

2.00

Zone 2

3.01

1.64

Tab. 2.3 Das durchschnittliche Bevölkerungswachstum in den beiden Flughafenzonen im Vergleich zu den Kantonswerten.

Die Flughafengemeinden folgen im Grunde der kantonalen Entwicklung und zeigen ein stärkeres durchschnittliches Bevölkerungswachstum vor 1970 als danach. In beiden Zeitperioden weist die Zone 1 einen deutlich höheren Wert auf als die Zone 2 und der Kanton, welcher wie bereits weiter oben erwähnt seit 1970 stagniert. Eine Gemeinsamkeit der beiden Zonen liegt nicht nur in der deutlich stärkeren demographischen Entwicklung gegenüber dem Kanton sondern vor allem darin, dass beide seit 1970 ein halb so starkes Wachstum aufweisen wie in der Zeitperiode davor, ein Wachstum das in etwa demjenigen des Kantons in den 40er bis 60er Jahren entspricht.

Schlussfolgernd kann man davon ausgehen, dass auch in naher Zukunft die Flughafenregion nach wie vor ein wichtiger demographischer Wachstumspol darstellen wird. Bei gleichzeitigem Weiterausbau des Flughafens und der damit verbundenen weiteren Industrialisierung und Tertiarisierung der Region werden die Flughafengemeinden auch zunehmend mit Problem der Bodenknappheit, des Pendelverkehrs und deren Auswirkungen konfrontiert werden – zusätzlich zur Hauptlast dieser Gemeinden: dem Lärm und der Abgasimmissionen welche der Flughafen direkt verursacht.

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3. Die 5. Ausbauetappe

3.1 Das Projekt Airport 2000

3.1.1 Was beinhaltet die 5. Ausbauetappe?

Peter Gutknecht von der Swissair bezeichnet die 5. Ausbauetappe des Flughafens Kloten "nicht als gigantisches Bauwerk, sondern vielmehr als ein Paket von Anpassungen und Modernisierungen verschiedener Anlagen". Begründet wird dies mit dem durch das Wirtschaftswachstum angestiegenen Nachfrage nach Mobilität, mit der der Flughafen Schritt halten muss um nicht international ins Hintertreffen zu gelangen. Die wichtigsten Komponenten der 5. Ausbauetappe sind das Fingerdock Midfield, der Bahnhofterminal, die Erweiterung der Frachtbauten, Doppelrollwege und Schilfteiche zur Reinigung von Abwässern.

Fingerdock Midfield

Dieses Dock zwischen den Rollpisten 16 und 28 soll Platz für 18 bis 27 zusätzliche Standplätze für Flugzeuge bieten. Indem die Maschinen direkt an das Gebäude andocken und über ein Leitungsnetz versorgt werden, können Fahrten mit Passagierbussen und Tankfahrzeugen eingespart werden. Die Energieversorgung wird nach dem gleichen Prinzip geschehen, wie bereits bisher in den Fingerdocks A und B. Das Dock soll auch über Warteräume, Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants verfügen. Ein sogenannter People Mover verbindet unterirdisch die Ankunfts-, Abflugs- und Bahnhofshallen. Gepäck, Fracht und Bordverpflegung gelangt über einen Strassentunnel ins Dock.

Bahnhofterminal

Heute benutzen rund 35% der Flugpassagiere die Bahn für die An- und Abreise. Dieser Anteil soll künftig auf bis zu 50% steigen. Über den Bahngleisen sollen 60 neue Check-in Schalter entstehen. Der Komfort der Bahnreisenden gegenüber den AutomobilbenützerInnen soll damit erhöht werden. Zusätzlich werden die Perronanlagen dem Verkehrszuwachs angepasst und die Busanbindung wird aufgewertet. In der Planung wurde somit ein starker Akzent auf den öffentlichen Verkehr gesetzt.

Fracht

Hauptbestandteil der Erweiterung des Frachtareals ist ein neues Importzentrum mit Verbindungsbauten zu den bereits bestehenden Anlagen. Lagerhallen für Güter, die nicht unmittelbar weitergeleitet werden können, sowie Speditionsräume werden integriert.

Doppelrollwege

Die Doppelrollwege sollen es erlauben den Flugzeugen künftig Überholmanöver auf den stark frequenzierten Startpisten 16 und 28 durchzuführen. Begründet wird dies damit, dass heute durch den immer dichter bevölkerten Luftraum Flugzeuge ihren Slot (Überflugzusage) bei starkem Luftverkehr verlieren und durch die damit verbundene Startverzögerung die folgenden Flüge blockieren. Wartende Flugzeuge mit laufendem Triebwerk belasten dann die Luft unnötig. Mit den Überholspuren soll das künftig verhindert werden.

Schilfteiche zur Reinigung von Abwässern

Damit soll eines der grössten Immissionsprobleme des Flughafens gelöst werden: die Belastung der Glatt mit Chemikalienrückständen aus der Enteisung von Flugzeugen und Pisten. Die künstlich angelegten Schilfteiche sollen künftig zur biologischen Vorreinigung dienen. Die Enteisungsabwässer werden im Wurzelbereich der Pflanzen auf natürliche Art abgebaut und das Wasser kann so "gereinigt" der Glatt zugeführt werden. Projektiert sind drei Schilfteiche und spezielle Enteisungsplätze.

3.1.2 Etappierung

Die zeitliche Etappierung der 5. Ausbauetappe ist wie folgt vorgesehen (wie in der Sonderausstellung, welche 1995 im Terminal B eröffnet wurde, vorgestellt):

  • Baubeginn 1995

  • 1997-2000: Midfield und Vorfeld, People Mover

  • 1999-2000: Airside Center

  • 1999-2002: Bahnhofterminal, Parkhaus C

  • 1997-2002: Landseitiger (17) Verkehrsanschluss

  • 2006: Fertigstellung der Frachtanlagen

3.1.3 Finanzierung

Die gesamten Investitionen bedeuten einen finanziellen Aufwand von rund 2.1 Milliarden Franken auf 10 Jahre verteilt (ab 1995). In der Abstimmung vom 25.5.1995 hat der Souverän einem Baukredit von 873 Millionen Franken, die der Kanton Zürich an die 5. Ausbauetappe beisteuern soll, zugestimmt (siehe Kapitel 3.3.2). Dieser Betrag stellt jedoch lediglich ein Darlehen des Kantons dar, der aus den Betriebseinnahmen des Flughafens verzinst in die Staatskasse zurückgeführt werden soll. Die Kostenverteilung des Projektes Airport 2000 setzt sich somit folgendermassen zusammen (Zahlen in Mio Fr.): (18)

Kanton 873

  • Rollwegflächen 246

  • Schilfteiche und zugehörige Infrastruktur 136

  • Vorfeldflächen Dock Midfield 148

  • Strassen- und Leitungstunnel zum Dock Midfield 141

  • Gepäck-, Catering-, Frachttransport 23

  • Landseitiger Verkehrsanschluss 106

  • Tiefbauten Fracht 19

  • Diverse Tiefbauten, Werkleitungen 35

  • Zuschläge inkl. Bauzinsen 19

 

FIG 975

  • Dock Midfield 197

  • Verbindungsbahn (People Mover) 170

  • Bahnhofterminal 126

  • Plaza, Busstation, Parkhaus C 102

  • Airside Center, Station People Mover 124

  • Landseitiger Verkehrsanschluss 20

  • Fracht 151

  • Zuschläge inkl.. Bauzinsen 85

Swissair 202

  • Technische Einrichtungen Dock Midfield 70

  • Gepäck-, Catering-, Frachttransport 98

  • Fracht, Diverses 34

SBB 43

  • Bahnhofshalle 25

  • Perronhalle 18

Total 2093

Für die Flughafenverantwortlichen waren vor der Verwirklichung des Projektes jedoch noch viele Hürden zu nehmen. Das nächste Kapitel soll nun der Geschichte und dem Umfeld der 5. Ausbauetappe gewidmet sein: In welche Zeit fällt diese Erweitung des Flughafens, was ging der Planung und Abstimmung voraus und wie sieht die Situation nach der Annahme des Rahmenkredites durch das Züricher Stimmvolk aus?

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3.2 Flughafeninitiative und Rahmenkredit-Abstimmung

3.2.1 Für einen massvollen Flugverkehr

Ein grosses Aufatmen ging am 26.9.1993 durch die Reihen der Flughafenverantwortlichen (welche 1987 die knappe Ablehnung eines Kredits für den Frachtausbau zu beklagen hatten) denn an diesem Datum hat sich das Zürcher Stimmvolk gegen die "Flugverkehrsinitiative und für den Flughafen entschieden", wie am Folgetag in der Neuen Zürcher Zeitung zu lesen war (19). Dieses Nein zu einem "massvolleren Flugverkehr" (Abstimmungstitel) bedeutete für den Kanton als Flughafenhalter sowie die Flughafen Immobilien Gesellschaft (FIG) den Startschuss für einen (beinahe) widerstandslosen Ausbau des Zürcher Flughafens und damit den Beginn des Projektes Airport 2000. Deshalb scheint es mir wichtig, diese Volksinitiative genauer zu beleuchten:

1992 erarbeiteten die Flughafenpartner unter der Führung der Flughafendirektion (FDZ) einen Masterplan zur geordneten Entwicklung der Betriebsanlagen aufgrund der Luftverkehrsprognose vom Januar 1990 über den am Flughafen Zürich in den nächsten 20 Jahren zu erwartenden Verkehr. Der Ausbau sollte unter gewissen Randbedingungen geschehen, wie: "ein gleichbleibendes Pistensystem ohne zusätzliche Nutzungseinschränkungen des angrenzenden Luftraumes, keine Ausdehnung des Nachtflugverbotes und die Möglichkeit, das Flughafengebiet, wie es heute im kantonalen Gesamtplan (...) ausgewiesen ist, überbauen zu können" (20). Laut diesem Masterplan soll der ausgebaute Flughafen eine jährliche Kapazität von 250'000 Bewegungen, 23 Mio Passagieren und 750'000 Tonnen Fracht erreichen (21). Im Detail umfasste dieser Masterplan in etwa alle im Kapitel 3.1 vorgestellten Erweiterungen wie zum Beispiel das Dock Mitte mit den People Mover. Für die Feinverteilung auf dem Flughafen und der Region waren eine Monorailbahn und zusätzliche Buslinien geplant um den Anteil der landseitigen Zu- und Wegfahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln von 25 auf über 40% zu erhöhen.

Daraufhin wurde von der durch die erwartete Mehrbelastung durch den Flughafenausbau betroffene Bevölkerung mit der finanziellen Unterstützung des Schutzverbandes (sbfz) eine Initiative lanciert, welche die Begrenzung des Flugverkehrs im ganzen Kanton Zürich verlangte und somit dem Weiterausbau und den Flugzeugimmissionen einen Riegel vorschieben würde. Folgende Bestimmungen sollten in die Kantonsverfassung aufgenommen werden: (22)

- Der Kanton Zürich setzt sich ein für eine Begrenzung des Flugverkehrs auf dem Kantonsgebiet, für eine Reduktion der Schadstoff- und Lärmimmissionen sowie eine Ausdehnung der Nachtflugbeschränkungen.

- Der Kanton Zürich verzichtet auf Ausbauprojekte, die der Kapazitätserhöhung der Flugplätze dienen.

Diese radikalen Vorschriften wurden sogleich von verschiedenen Seiten bekämpft, trotzdem kam die Initiative zustande und trieb am 26.9.1993 47% der Stimmberechtigten an die Urne. Im Vorfeld der Abstimmung wurde das Komitee "Flughafen-Abbau Nein" unter der Leitung des FDP-Kantonsrates Rolf Sägesser mit schlussendlich 14 Vorstands- und über 100 Einzelmitgliedern – zumeist aus wirtschaftlichen Kreisen – gegründet. An einer Pressekonferenz im August 1993 sprachen der Präsident von "in ihrer Wirkung vernichtenden Forderungen und (...) fundamentalistischer Haltung der Initianten" sowie davon, dass die diese "in unverantwortlicher Weise der kommenden Generation die Optionen für die künftige Gestaltung unseres Tors zur Welt verbauen" (23). Die Argumente – wenn auch hier für einmal aus der Defensive – erinnern an die Überzeugungsarbeiten der Flughafenbefürworter von 1946. Hinter dem Komitee stand auch die Swissair, welche gerade eine 2.3-Milliarden-Investition in die Europaflotte getätigt hatte, die Lärmemissionen auf die Hälfte senken möchte und die von den InitiantInnen vorgeschlagenen Verankerungen für überflüssig hielt. Neben den zumeist politisch oder wirtschaftlich orientierten Argumenten, gab aber wahrscheinlich noch ein anderer Faktor den Ausschlag für die mit 235'531 Nein gegen 112'476 Ja-Stimmen (24) sehr deutlich verloren gegangene Abstimmung: Die Initiative wurde in der Zeit der Hochkonjunktur lanciert, in der Zwischenzeit hat die Rezession schon eine beträchtliche Zahl von Arbeitsplätzen gefordert und das Argument des Direktors des Kantonalen Gewerbeverbandes, Bruno Zuppiger (SVP), dass durch die Annahme der Initiative Tausende von Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen würden, bereitete wohl vielen Stimmberechtigten Sorge – gerade in der Flughafenregion.

Durch die Volksabstimmung und der Diskussion, welche sie entfacht hatte, und trotz der Niederlage der InitiantInnen wurde jedoch erreicht, dass die Anliegen der Flughafenbevölkerung bei der 5. Ausbauetappe ernster genommen werden müssen, als bei der Präsentation des Masterplans ein gutes Jahr zuvor.

Am meisten verloren hat jedoch der Schutzverband durch sein (finanzielles) Engagement für die Initiative. Mehrere Gemeinden lagen miteinander im Clinch, da viele Leute vom Flughafen als Arbeitszentrum profitieren und eine konsequente destruktive Haltung gegenüber dem Hauptarbeitgeber der Region kontraproduktiv sei. Das Hauptargument war jedoch, dass wenn "der Verband trotzdem Steuergelder für eine 'extreme Initiative' einsetze, ohne die Bürger zu fragen, die Mitgliedschaft neu überprüft werden müsse" (25) wie einige Gemeinden gewarnt hatten. Auch von offizieller Seite erhielt der Schutzverband keine Unterstützung: Regierungsrat wie Kantonsrat lehnten die Initiative im Vorfeld der Abstimmung vehement ab. Kurz nach der Abstimmung meinten zehn Opfiker Gemeinderäte aus dem bürgerlichen Lager, der Schutzverband politisiere einseitig und undemokratisch und die Gründung einer Interessengemeinschaft flughafennaher Gemeinden als Alternative solle geprüft werden. Auf Ende Jahr hatte schon die Gemeinde Lufigen die Mitgliedschaft gekündet (26). Mit diesen ersten Gegenreaktionen auf den Schutzverband war die Flughafeninitiative mitunter auch dafür verantwortlich, dass heute die verschiedensten Interessengemeinschaften um den Flughafen bestehen, welche mit dem selben Ziel vor Augen – dem Schutz der Flughafenbevölkerung – doch nicht am selben Strick ziehen – sehr zum Vorteil der Flughafenverantwortlichen (siehe auch Kapitel 6.4).

3.2.2 Der Startschuss für den Airport2000

Durch die Ablehnung der Flughafeninitiative ermutigt, legte der Informationsdienst Flughafen Zürich (IFZ) bereits im Januar des folgenden Jahres in einer Pressemitteilung anlässlich ihres Jahresberichts die Notwendigkeit eines Flughafenausbaus dar und stellte gleich eine Grobfassung des Projekts 5. Ausbauetappe vor, inklusive eines Kostenvoranschlages von 2 Milliarden Franken, wovon der Kanton 800 Millionen übernehmen soll, über welche das Zürcher Stimmvolk zu entscheiden habe. Die FIG übernehme rund eine Milliarde, die Swissair 150 Millionen und die SBB 50 Millionen Franken. Der Flughafenausbau wäre laut den Flughafenpartnern erforderlich, weil damals bereits einzelne Bereiche während der Spitzenzeiten bis an die Leistungsfähigkeit ausgelastet seien, v.a. was die Flugzeugstandplätze und die Schalter für die Passagierabfertigung betreffe. Weiter schrieb der IFZ, dass bei den bereits bestehenden Engpässen angesichts der steigenden Nachfrage ein geordneter Betrieb in der Zukunft nicht mehr gewährleistet werden könne, was für die Volkswirtschaft des Kantons Zürich und der Schweiz mit schwerwiegenden negativen Folgen verbunden wäre. (27)

Auch die Swissair wurde sich der Platzknappheit bewusst und stellte vier Monate später ihre eigenen Investitionsvorhaben auf dem Flughafen vor, welche sie rund 300 Millionen kosten würden. Kernstück war die neue Flugzeugeinstellhalle neben dem bereits bestehenden Bogenhangar, welche zur Wartung der neuen Airbus-Flotte benutzt werden soll. Ebenfalls von der Swissair finanziert soll ein Catering-Neubau entstehen. (28)

Für die verschiedenen Bauobjekte und die Kostenabschätzungen dieser Ausbauetappe wurden 17 Ingenieurbüros beauftragt und am 22.6.1994 konnte der Regierungsrat die Kreditvorlage für den kantonalen Investitionsanteil verabschieden. Am 7.7. dessselben Jahres stellte der Regierungsrat zusammen mit den Flughafenpartnern an einer Pressekonferenz die Vorlage für die 5. Ausbauetappe des Flughafens mit dem Namen "Airport 2000" vor, für die mit einer Referendumsvorlage ein kantonaler Kredit von 875 Millionen Franken verlangt wird. Bereits damals wurde jedoch ironisch vom "Flughafen 2002" gesprochen, da die Betriebsaufnahme nicht vor diesem Jahr erwartet wurde. Die Kapazität, welche dieser neue Flughafen zu bewältigen hat, wurde gegenüber dem Masterplan von 1992 (siehe Kapitel 3.2.1) nach unten korrigiert: die 5. Ausbauetappe soll nun auf 220'000 Flugbewegungen, 20 Millionen Passagiere und 650'000 Tonnen Fracht ausgerichtet sein. Eine Hauptinvestition der Swissair zu dieser Zeit war die Anschaffung der neuen Airbus-Generation für den Kurz- und Mittelstreckenbetrieb. Diese Flugzeuge besitzen Triebwerke mit einem wesentlich geringeren Schadstoffausstoss als die früheren Modelle. Durch diese technischen Errungenschaften versprach die Swissair, dass trotz Mehrverkehr, welchen eine 5. Ausbauetappe mit sich bringt, die Luft in der Flughafenregion nicht zusätzlich belastet würde. Auch was den Fluglärm betrifft, gab man sich bei der Projektierung des Airport 2000 sehr optimistisch, da durch die Revision des Lärmgebührenmodells 1993 (siehe Kapitel 4.1.2) soll der Anteil der "lärmgünstigeren" Maschinen zunehmen und Strahlflugzeuge mit sehr hoher Lärmemission werden auf Grund einer Verordnung des Bundesrates in der Schweiz nicht mehr zugelassen. Man sprach also per saldo davon dass "der Flughafenausbau zu keiner Zunahme, sondern eher zu einer Verminderung der Lärmbelastung um den Flughafen führen soll, auch wenn eingeräumt wird, dass die subjektive Wahrnehmung dies nicht unbedingt registrieren werde". (29)

Mit den Faktoren Zunahme des Luftverkehrs und dem finanziellen Beitrag von 873 Millionen Franken von Seiten der SteuerzahlerInnen mitten in der Rezession war jedoch ein hektischer Abstimmungskampf für den Sommer 1995 vorprogrammiert. Die Flughafenbetreiber begannen im Januar mit einem Informationspavillon im Flughafenterminal B die Bevölkerung positiv auf die Abstimmung einzustimmen. Kritisch bemerkt jedoch das Tagblatt der Stadt Zürich: (30) "Ausführlich werden die diversen Umweltschutzbemühungen und der volkswirtschaftliche Nutzen der 5. Bauetappe herausgestrichen. Und in der Novemberausgabe der (...) Flughafenpostille ZURICHairport ist noch und noch von ökologischen Errungenschaften die Rede, die die 5. Bauetappe mit sich bringen wird (...). In keinem Satz wird hingegen der Zuwachs der Flugbewegungen erwähnt, dem sämtliche denkbaren Verbesserungen bei der Luft- und Lärmsituation gleich von vornherein wieder zum Opfer fallen".

Am 28.2.1995 stimmte der Kantonsrat dem Kredit zur Finanzierung des Projekts Airport 2000 mit 85 zu 44 Stimmen klar zu. Die in dieser Abstimmung unterlegenen ParlamentarierInnen der Grünen, des Landesrings und der Sozialdemokraten gründeten im Mai ein Komitee "Nein zum Milliardenausbau", welches sich nicht grundsätzlich gegen den Flughafen richtete, sondern vielmehr das Vorgehen beim Ausbau und die dahintersteckende Philosophie bekämpfen wollte. Ein Plädoyer dieses Komitees war zum Beispiel: "Über Kurzstrecken bis zu 700 km Distanz sollte der Luftverkehr ersetzt werden durch den Bahnverkehr auf einem europäischen Hochgeschwindigkeitsnetz". (31)

25.6.1995: Am Tag der Abstimmung befürwortet das Zürcher Stimmvolk (die Stimmbeteiligung lag mit 68% weit über dem kantonalen Schnitt) mit 224'668 Ja zu lediglich 105'855 Nein den kantonalen Rahmenkredit, entscheidet sich für die 5. Ausbauetappe und somit für die Vergrösserung des Flughafens mit allen positiven und negativen Konsequenzen. Ein wichtiger Faktor für die Zustimmung spielte sicher – wie bei der Flughafeninitiative knapp 2 Jahre zuvor – die unsichere wirtschaftliche Lage sowie der Glaube, dass der Wirtschaftsstandort Zürich zu einem grossen Teil seine Position der starken Anbindung ans internationale Luftverkehrsnetz verdanke.

3.2.3 Die Ernüchterung nach der Abstimmung

Nun liegt der Startschuss für den Airport 2000 bereits knapp 3 Jahre zurück, das grosse Volksfest zum 50 jährigen Bestehens des Flughafens Zürich-Kloten steht vor der Tür und wird am 23.8.1998 über die Bühne gehen – mit 100'000-200'000 BesucherInnen – in der Grössenordnung des Eröffnungsfestes. Wie haben sich die prognostizierten Entwicklungen und die gegebenen Versprechen in der Zwischenzeit bewahrheitet?

Das Hauptproblem scheint nach der Zustimmung darin zu liegen, dass die Lärmimmissionen den prognostizierten (tieferen) Werten bei weitem nicht entsprachen. Im Gegenteil: durch die Einführung der vierten Welle (32) und die in der Rahmenkonzession unberücksichtigte Verlegung von Langstreckenflügen der Swissair von Genf nach Zürich – rund 16'000 zusätzliche Bewegungen pro Jahr, stieg die Anzahl der Flugbewegungen 1997 überproportional an und stellte damit die Prognose von 240'000 jährlichen Bewegungen im Jahr 2005 in Frage. Diese Zahl wurde bereits 1996 auf 258'000 korrigiert und ein Jahr später zählte man über 276'000 Flugbewegungen, d.h. zwei Jahre nach der Abstimmung scheint der Airport 2000 – noch vor Baubeginn! – die Grenzen seiner Kapazität bereits überschritten zu haben. Aufgrund dieser für die Flughafenbevölkerung besorgniserregenden Entwicklung reichte der Schutzverband sowie weitere Gruppierungen vor Bundesgericht (nach der Rückweisung an der Vorinstanz) im Mai 1997 eine Beschwerde gegen die Rahmenkonzession für die 5. Ausbauetappe des Flughafens Zürich ein. Die verschiedenen beschwerdefürenden (schweizerischen und deutschen) Parteien stellten dabei die folgenden Hauptforderungen: (33)

Hauptanträge

Alle Beschwerdeführer:

Aufhebung der angefochtenen Rahmenkonzession und Rückweisung an die Vorinstanz zur rechtlichen Neubeurteilung; Erteilung der aufschiebenden Wirkung für die Beschwerde.

Opfikon, Wallisellen, Dietlikon:

Prüfung von Alternativen zur Verminderung der Umweltbelastung der südlichen Flughafengemeinden durch Verzicht auf vermehrte Starts auf der Piste 16 oder durch deren Verlängerung und Verlegung deren Startschwelle nach Norden um 1500 Meter.

Eventualanträge (falls Rahmenkonzession mit Auflagen bewilligt wird)

Alle Beschwerdeführer:

Limitierung der Zahl der Linien- und Charterbewegungen auf 240'000 pro Jahr.

Opfikon, Wallisellen, Dietlikon, Verkehrsclub der Schweiz (VCS):

Erlass eines rechtlich abgesicherten Konzeptes zur Förderung des öffentlichen Verkehrs mit gesicherter Finanzierung.

IG Nord (Glattfelden, Hochfelden, Höri, Kaiserstuhl, Stadel, Weiach):

Verzicht auf eine Erhöhung der Zahl der Starts in Richtung Norden; Nachtflugverbot zwischen 21 und 7 Uhr; Zusammenlegung des dreiteiligen Verfahrens zur Erteilung der Rahmen-, der Bau- und der Betriebskonzession in eine einzige Prüfung.

Schutzverband:

Zusage des Flughafenhalters, dass auf dem Flughafen keine wahrnehmbare Erhöhung der Nachtflugbewegungen geplant ist.

Die zusätzlichen deutschen Begehren

Landkreis Waldshut, deutsche Klettgaugemeinden (Hohentengen, Küssaberg, Klettgau, Lauchringen)

Anordnung einer vorsorglichen Massnahme zur Sicherstellung eines geordneten Flugbetriebs nach Betriebskonzession von 1951.

Landkreis Waldshut:

Völkerrechtliche Absicherung des Ausbauvorhabens unter Berücksichtigung der Verwaltungsvereinbarung mit Deutschland aus dem Jahre 1984.

Deutsche Klettgaugemeinden:

Zulassung von höchstens 80'000 Flugbewegungen pro Jahr über Deutschland; Nachtflugverbot von 20 bis 7 Uhr.

Die Angst vor weiteren Lärmimmissionen ist also nach wie vor stark vorhanden. Geschürt wird sie in erster Linie von dem noch nicht eingelösten Versprechen, trotz Mehrverkehr die Lärmwerte zu senken, dem angesprochenen weit überschrittenen Realitätswert gegenüber aller bisher errechneten Prognosen der Flughafenhalter und dem damit verbundenen starken Misstrauen gegenüber den zuständigen nationalen und kantonalen Gremien – nicht zum ersten Mal, wie die Geschichte des Flughafens gezeigt hat. Dem Phänomen Fluglärm, seiner Erhebung und Bekämpfung ist das nachfolgende Kapitel 4.1 gewidmet.

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4. Ökologische Probleme

4.1 Der Fluglärm

Obwohl der Fluglärm nicht die einzige Emission ist, mit der die Bewohner der Flughafenregion zu kämpfen haben, gilt er doch als Hauptanklagepunkt, wenn es um die negativen Auswirkungen auf die Umgebung des stetig im Wachstum begriffenen Flughafens geht und soll deshalb an dieser Stelle eingehend behandelt werden. Neben dem Fluglärm spielen des weiteren auch der CO2-Ausstoss der startenden Maschinen sowie die Entleerung der Flugzeugtanks bei der Landung und die Verschmutzung der Gewässer durch Chemierückstände aus der Enteisung eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Betrachtung ökologisch heikler Aspekte des Flughafens.

4.1.1 Definition des Fluglärms (34)

Wer von den störenden Einflüssen des Fluglärms spricht, hat zwar eine gewisse Vorstellung was er oder sie unter "Lärm" versteht, doch Lärm hat viele Facetten und ist nicht nur eine auf mehrere Arten messbare Grösse sondern besitzt vor allem auch einen subjektiven Charakter. Im Wohnumfeld können z.B. spielende Kinder genauso als Lärmquelle empfunden werden wie als Bereicherung der Lebensqualität. Was den Fluglärm betrifft wird jedoch niemand von einer solchen Bereicherung sprechen. Trotzdem muss auch diese Aussage relativiert werden, denn bei der Berliner Blockade wurde das Geräusch der Versorgungsflugzeuge (schwere Propellermaschinen, welche in drei-Minuten-Abständen landeten) noch als "Sound of Freedom" bezeichnet (35). In der heutigen Gesellschaft ist eine solche Perzeption nicht mehr im Bewusstsein der meisten Leute, v.a. nicht derjenigen, die sich täglich mit ihrer Wohnsituation im Einzugsbereich eines Flughafens konfrontiert sehen. Trotzdem wird von vielen Menschen diese Wohnlage bevorzugt, sei es aus steuerlichen Gründen oder wegen der Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes – oft der Flughafen selber oder mit ihm gekoppelte Betriebe. Der Fluglärm wird jedoch auch für diese Leute nicht als Wohltat empfunden und es tat und tut immer noch Not, das Umfeld des Flughafens lebenswert zu gestalten.

Für eine Lärmschutzplanung ist es vonnöten, die Art des Lärms erst zu definieren, um geeignete Massnahmen ergreifen zu können. Lärm wird in der Literatur vornehmlich als "unerwünschter, störender oder gesundheitsschädigender Schall" oder schwächer formuliert als "Geräuschemission, die das seelische, körperliche und soziale Wohlbefinden beeinträchtigt" beschrieben (36). Eine entscheidende Rolle beim Lärmempfinden ist neben dem oben erläuterten subjektiven Aspekten auch die Gewöhnung und die Gewöhnfähigkeit. Es werden sich somit niemals Diskrepanzen zwischen persönlichem Gestörtheitsgefühl und gesetzlichen Massnahmen wie Einhaltung von Grenzwerten vermeiden lassen.

Vom physikalischen Standpunkt aus setzt sich ein Geräusch aus folgenden Variablen zusammen: Schalldruck, Frequenz, Intensität, Impulshaltigkeit, Dauer und Häufigkeit des Ereignisses. Es ist noch nicht möglich, einen einzigen Allgemeinmesswert für alle diese Variablen zu finden, so basieren Lärmgrenzwerte in der Lärmschutzverordnung (LSV) lediglich auf Schallpegelwerten, welche in Dezibel (dB), einer logarithmischen Messgrösse, angegeben werden. Eine Annäherung an die unterschiedliche, individuelle Wahrnehmung verschiedener Frequenzbereiche wird mittels einer Bewertung (im Normalfall dB(A)) erreicht.

Was den Fluglärm betrifft, muss von zwei unterschiedlichen Hauptlärmquellen ausgegangen werden: der Lärm, welche die Triebwerke verursachen und denjenigen welcher von den Bauteilen des Flugzeugs ausgeht. Letzterer wird von Klappen und ausgefahrenen Fahrwerksteilen verursacht, welche in der entlangströmenden Luft Wirbel und somit auch eine Bremswirkung erzeugen. Durch die Verbesserung der Aerodynamik können solche Wirbel minimiert werden, was einerseits zu einem geringeren Energieaufwand führt und andererseits den Lärmpegel senkt. (37)

Die generelle Messung von Lärmwerten im Bereich eines Flughafens ist nicht einfach, da man dafür die unterschiedlichen Frequenzierungen und die Maschinentypen in Betracht ziehen müsste, v.a. die Spitzenbelastungen machen die Fluglärmbeurteilung schwierig. Deshalb wird innerhalb einer Zeitperiode eine statistische Mittlung der dB(A)-Einzelwerte einer Messreihe vorgenommen, die sowohl Maximalpegel als auch Dauer und Häufigkeit der Ereignisse berücksichtigt, den energieäquivalenten Mittlungspegel Leq. Eine v.a. im englischsprachigen Raum angewandte Messgrösse ist der Noise and Number Index (NNI), welcher auch bei der Fluglärmbeurteilung in der Schweiz verwendet wird (38). Der NNI wird aus dem durchschnittlichen Sptizenpegel und der Anzahl Flugbewegungen mit Spitzenpegeln über ca. 68 dB(A) berechnet (39). Wird der NNI-Wert um 20 bzw. das 1.4 bis 1.6-fache erhöht, so entspricht er dem ungefähren Leq-Wert in Dezibel.

Bereits in den 50er, aber v.a. in den 60er Jahren begann man zuerst in den USA, danach auch in Japan und Europa Erhebungen in der Umgebung der immer stärker frequenzierten Flughäfen durchzuführen um dem stetig wachsenden Fluglärm entgegentreten zu können. In Kloten wurde die Fluglärmdebatte mit der Ablösung der Propellerturbinen durch die damals vergleichsweise einiges lauteren Strahlantriebsmaschinen eröffnet, was 1967 zur Gründung des Schutzverbandes führte (siehe Kapitel 6.1). Durch die Verbesserung der Triebwerke gelang es bis heute den Verdichterlärm drastisch zu senken. Doch diese Verbesserungen im technischen Bereich hielten in etwa Schritt mit der starken Zunahme der Flugbewegungen und senkten den NNI im Flughafengebiet somit nicht wesentlich.

4.1.2 Lärmvorschriften für Zürich-Kloten

Lärmzonenpläne

Die ersten Lärmschutzmassnahmen gehen auf das Jahr 1961 zurück, als der Kanton als Flughafenhalter "Vorschriften für die Lärmbekämpfung auf dem Flughafen Zürich" erliess. 1970 stimmte das Volk dem kantonalen Fluglärmgesetz bei. Auf Bundesebene wurden die ersten Vorschriften zur Fluglärmbekämpfung 1968 bei der Revision des Luftfahrtgesetzes und der Luftfahrtverordnung diskutiert. 1974 erliess der Bund dann eine Vorschrift zur Festlegung und Gestaltung von Lärmzonen bei Flughäfen. (40)

Die Lärmzonenpläne, deren Anfänge ins Jahr 1968, auf einem EMPA-Bericht gründend, zurückreichen, wurden 1985/86 vom Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED) genehmigt. 1987 erlangten sie im Bundesgesetz über die Luftfahrt ihre Verbindlichkeit. Inhaltlich legen die Pläne Beschränkungen für Bauvorhaben innerhalb der stark vom Fluglärm betroffenen Gebiete fest. Im Klartext bedeutet dies, dass in den Lärmzonen keine Spitäler oder Pflegeheime gebaut oder erweitert werden dürfen; auch das Ausscheiden neuer Wohnzonen in diesen Gebieten ist untersagt. Bestehende Gebäude dürfen weiterhin genutzt werden; Umbauten müssen jedoch soweit wie möglich mit Schallschutzmassnahmen ausgestattet werden. Die Lärmzonen werden in drei Nutzstufen eingeteilt (siehe auch Abb. 4.1): (41)

Zone A: NNI > 65:

- Landwirtschaft
- Lagerhäuser
- militärische Bauten und Anlagen
- Flughafengebäude

Zone B: NNI 55-65:

- Gleiche Nutzungen wie in Zone A sowie:
- Industrie und Gewerbebauten
- Geschäfts- und Bürohäuser mit Schallschutz
- Abwartwohnungen mit Schallschutz

Zone C: NNI 45-55: 

- Gleiche Nutzung wie Zonen A und B sowie:
- Geschäfts- und Bürohäuser.

Das Lärmgebührenmodell

Eine zusätzliche Lärmschutzmassnahme trat 1981 für die Flughäfen Zürich-Kloten und Genf-Cointrin in Kraft: Gemäss einer Klasseneinteilung der strahlgetriebenen Flugzeuge werden pro Flugbewegung Lärmgebühren erhoben. Damit soll ein Anreiz für die Nutzung möglichst lärmarmer Flugzeuge geschaffen werden. 1993 wurde das Lärmgebührenmodell revidiert. Diese Revision definiert die Beurteilung der Lärmigkeit im allgemeinen strenger und die Gebühren wurden zum Teil massiv erhöht. Diese setzen sich heute folgendermassen zusammen: (42)

  • Klasse I Fr. 800.-

  • Klasse II Fr. 400.-

  • Klasse III Fr. 200.-

  • Klasse IV Fr. 100.-

  • Klasse V gebührenfrei

Bei Inkrafttreten des revidierten Lärmgebührenmodells waren jedoch nur noch 10% (davon entfielen auf die Klassen I und II je 1%) der Flüge gebührenpflichtig. 1981 waren es noch 80% und 1987 knapp 40% gewesen. Da die Einnahmen somit rapide sanken (von anfangs 5 auf 1.9 Mio Fr.) wurde die Revision notwendig, damit eine ähnliche Lenkungswirkung wie früher erreicht werden konnte. Seit der Revision 1993 stieg der Anteil der gebührenfreien Flüge von 49 auf 65%. Die Lärmklassen I und II machen heute gerade noch etwa 3% aus. (43)

Bis anhin hat der Kanton Zürich nur bei einzelnen öffentlichen Gebäuden (Kirche, Schulhaus oder Mehrzweckhalle) in der Lärmzone C Beiträge an Schallschutzfenster gewährt. Private Eigentümer erhielten keine Unterstützung. Am 29.1.1998 hat der Regierungsrat ein Schallschutzkonzept genehmigt, das dem EVED in Erfüllung einer Auflage der Rahmenkonzession für den 5. Flughafenausbau mit dem Baukonzessionsgesuch für das neue Dock Midfield (siehe Kapitel 3.1) eingerichtet werden soll. Dafür wurden neu provisorische Immissionsgrenzwerte festgelegt, bei deren Überschreitung der Kanton für die betreffenden Liegenschaften für die Kosten der neu einzubauenden Schallschutzfenster (inklusive bereits realisierter Lärmschutzmassnahmen) aufkommen muss. Davon betroffen werden nach der von der Flughafendirektion Zürich (FDZ) veranlassten Erhebung 750 Gebäude in 7 Gemeinden sein. Die Kosten hierfür belaufen sich auf insgesamt 109 Millionen Franken, welche aus einer weiteren Erhöhung der Lärmgebühren entnommen werden sollen. (44)

4.1.3 Nachbarschaftsprobleme

In Zusammenhang mit der 5. Ausbauetappe wurde 1995 die Diskussion über die Lärmbelastung der Gemeinden des deutschen Landkreises Waldshut wiederbelebt. Auseinandersetzungen um den Fluglärm in diesem Gebiet gibt es seit Jahrzehnten, meistens von Seiten der am stärksten betroffenen Gemeinden Hohentengen und Klettgau, unterstützt vom Gemeindeverwaltungsverband Küssaberg/Hohentengen, welche im Februar 1995 in einer "Stellungnahme unter anderem den Vorwurf erhebt, die Schweiz wolle zur Schonung der eigenen Bevölkerung den Fluglärm ins deutsche Nachbarland transferieren" (45). Bereits 1984 trat eine Verwaltungsvereinbarung in Kraft, welche die Bestimmungen über die Anflüge aus dem Norden regelt. Das Bazl gab darin ihre Zusicherung ab, sich um eine ausgewogene Benutzung der Pisten 16 und 14 zu bemühen. Generell ist die Benutzung des Luftraumes durch ein ICAO-Abkommen zwar weltweit gesichert, ohne jedoch auf Bestimmungen über Landeanflüge auf Flughäfen im Grenzgebiet einzugehen.

Im Dezember 1995 wurden der Landkreis Waldshut und die Gemeinden Hohentengen, Jestetten, Küssaberg, Lauchringen und Lottstetten vom Bazl zu einer Stellungnahme gegenüber dem EVED zur Rahmenkonzession für die 5. Ausbauetappe des Flughafens gebeten. Zu diesem Zeitpunkt erfolgten auf der Piste 14, welche die Startbahn (Westpiste) nicht kreuzt und deshalb als primäre Landepiste der Piste 16 vorgezogen wird, 90% der Landungen. Mit anderen Worten: pro Tag überfliegen 300-690 Maschinen Hohentengen in gebündeltem Anflug auf rund 700 Metern Höhe, was laut Landrat Wütz unter anderem zu einer starken Beeinträchtigung im Fremdenverkehrssektor führe. (46)

Im März 1996 (nach der Annahme der 5. Ausbauetappe durch das Zürcher Stimmvolk) wurde dann ein vom Flughafen entwickeltes, auf einer Computersimulation basierendes, System präsentiert, das der Problematik im süddeutschen Raum entgegenkommen soll: Ein Anflugmanagementsystem (47) soll Flugzeuge früher erfassen und leiten, um Warteschlaufen und Umwege zu vermeiden. Durch flüssiger gestaltete Anflüge sollen die Landungen gleichmässiger auf die beiden Landepisten verteilt werden können und somit die die süddeutschen Gemeinden stärker beeinträchtigende Piste 14 entlasten. Zudem soll der Sektor zwischen den beiden Pisten – zumindest auf deutschem Gebiet – nicht mehr überflogen werden. (48)

1997 fanden "nur" noch 85% der Landungen auf der Piste 14 statt,. Ausgegangen wurde von einem neuen Verhältnis von 2:1, was somit bei weitem nicht erreicht wurde. Um der ursprünglichen Vereinbarung entgegenzukommen, entwickelten die Flughafenpartner (Swisscontrol, FDZ, Bazl und SAir-Group) ein neues Verfahren, den sogenannten Side-Step-Anflug: Der Anflug soll bei guten Sichtverhältnissen auf deutschem Gebiet auf der Piste 16 erfolgen. Auf der Höhe von Glattfelden wird dann in einer langgestreckten S-Kurve im Sichtflug auf die Achse der Piste 14 gewechselt werden. Widerstand kam hier aus einem anderen Lager: die Swissair- und CrossairpilotInnen praktizierten schon seit längerer Zeit einen Side-Step-Anflug – jedoch um vom Anflug auf der Piste 14 auf die Piste 16 zu gelangen, von der aus die Standplätze bei den Terminals besser erreichbar sind und wodurch die Schadstoffbelastung durch Triebwerkabgase reduziert werden konnten – ein Aspekt der unberücksichtigt blieb. Der Side-Step-Anflug würde folglich auf Kosten der Luftqualität des Flughafengebiets gehen. (49)

4.1.4 Widerstand auch südlich des Flughafens

Die Einführung der sogenannten vierten Welle der Swissair 1996 und die dafür notwendig gewordene Öffnung der Piste 16 für Starts für Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge in Richtung Süden führte zu einer zusätzlichen Belastung der südlichen Flughafengemeinden (v.a. Opfikon, Rümlang und die nördlichen Quartiere der Stadt Zürich). Im Vergleich zum Vorjahr stiegen durch die Einführung der vierten Welle die Flugbewegungen in der Periode vom 1. Januar bis zum 31. August 1997 um 13'019 auf 184'573. Der Zuwachs der Starts in Richtung Opfikon in der gleichen Periode betrug 11'268 (auf 24'001), was beinahe einer Verdoppelung entspricht. Bisher erfolgten 16% der Starts auf der Piste 16, nach der Einführung der vierten Welle beträgt dieser Anteil nun 28%. Das führte dazu, dass der für die Messtation Glattbrugg errechnete NNI für die Zeit zwischen 6 und 22 Uhr seither auf 52-54 anstieg und somit eine höhere Lärmbelastung aufweist als der bisherige Spitzenreiter Rümlang, wo die Belastung um ein bis zwei NNI tiefer liegt. Der Leq-Wert erreichte in Rümlang 69, in Glattbrugg sogar 71 dB(A), während er in Höri immer noch unter 60 lag und in Wallisellen um 70 dB(A) pendelte.

Die Reaktionen aus den betroffenen Gemeinden liessen nicht lange auf sich warten: Opfikons Exekutive verlangte im Oktober 1997 die umgehende Aufhebung der Anordnung für zusätzliche Starts nach Süden zwischen 13:00 und 14:00, die ohne Anhörung der betroffenen Gemeinden erfolgt war. Auch wurde kritisiert, dass der Regierungsrat den Wachstumskurs eisern und entgegen seinen bisherigen Verlautbarungen einseitig auf dem Buckel der Wohnbevölkerung der südlichen Flughafengemeinden durchziehe (50). Klagen kamen auch von Seiten der Walliseller Bevölkerung, die der Gemeinderat ebenfalls an die FDZ weiterleitete. Die Gemeinden Opfikon, Wallisellen, Dietlikon und Bassersdorf, welche alle Mitglieder des Schutzverbandes sind, gründeten daraufhin die "Task Force Fluglärm" und luden am 22.10. 1997 zu einer Diskussion mit Spitzenvertretern des Flughafens und der Swissair. Die Brisanz des Themas in der Bevölkerung zeigte sich daran, dass neben den tausend Anwesenden an der Diskussion vor den Toren des vollbesetzten Walliseller Gemeindesaals hunderte von InteressentInnen abgewiesen werden mussten. Um die südlichen Flughafengemeinden zu entlasten, setzte sich der Regierungsrat für eine Verlängerung der Piste 16 nach Norden ein. Dadurch würde die Startschwelle nach Norden verschoben und die südlichen Wohngebiete würden nicht mehr so tief überflogen werden. Die Zeit des Provisoriums bis zur Eröffnung der verlängerten Piste setzte er auf 3 Jahre fest, was von Seiten der betroffenen Bevölkerung als eher optimistisch angesehen wurde. Weiter wurde angeführt, dass durch eine Reglementsänderung nach dem Start auf der Piste 16 auch nach Westen – oder aus der Sicht der PilotInnen nach rechts – gedreht werden kann ("Right Turn") und nicht wie bis anhin ausschliesslich nach Osten. Damit wäre aber mit zusätzlichem Widerstand aus den nördlichen Zürcher Quartieren zu rechnen (51). Da weitere 120'000 Leute unter zusätzlichem Fluglärm leiden müssten, wurde bereits 1996 – ebenfalls vom Regierungsrat – eine solche Möglichkeit verworfen.

Im Dezember 1997 verlangte der Zürcher Stadtrat in einem Schreiben an den Regierungsrat die Gleichstellung mit den übrigen Flughafengemeinden, z.B. die vorgängige Anhörung bei Änderungen in der Benützung des Pistensystems. Er äusserte zudem die Meinung, dass die Einführung des "Right Turn" keine Lösung für die Lärmprobleme des Flughafens biete und dass er versuchen würde, eine Mehrbelastung des Stadtgebiets mit allen Mitteln zu verhindern, da durch die zusätzliche Belastung bislang vom (Flug-) Lärm verschonter Quartiere der Trend zur Abwanderung der Bevölkerung noch verstärkt würde. Durch diese Stellungnahme des Zürcher Stadtrates erhielt die heftige Diskussion, welche bereits auch innerhalb der Flughafengemeinden zu Differenzen führte, eine neue Dimension (52). Es bleibt jedoch zu bezweifeln, dass in naher Zukunft eine Änderung von Seiten des Regierungsrates zu erwarten ist, denn in einem Absagebrief an den "Runden Tisch" der Task Force Fluglärm am 20.1.1998 erläuterte Volkswirtschaftsdirektor Ernst Homberger, "dass eine Schmälerung der Basis der SAir-Group oder gar eine Beschränkung der Bewegungszahl eine Entwicklung auslösen müsste, die schwerwiegende Konsequenzen auf das Unternehmen und weite Teile der Schweiz nach sich ziehen müsste". (53)

Inhalt

4.2 Schadstoffe in der Stratosphäre und in Bodennähe (54)

4.2.1 Probleme mit Stickoxiden und Wasserdampf

Die Auswirkungen der Emissionen der startenden Flugzeuge zeigen sich nicht nur in den unteren Atmosphärenschichten sondern tragen wesentlich zum Treibhauseffekt und dem Ozonabbau in der Stratosphäre (über 9 km über Boden an den Polen, über 16 km über dem Äquator) bei. Neben Raketen und Vulkanismus sind die auf einer Höhe von 10-12 km fliegenden Verkehrsflugzeuge (Concorde: bis zu 20 km) die einzigen Verschmutzer dieser kaum durchmischten und auch nicht mittels Regengüssen gereinigten Luftschicht. Durch die Stickoxide, welche von den Triebwerken ausgestossen werden, wird das Ozon in 10-16 km Höhe gebunden, was zu einem Abbau dieser – die Erde vor kurzwelliger Strahlung schützenden – Schicht führt. Einige Organisationen (darunter der VCS) haben sich deshalb zum Ziel gesetzt, die Verkehrsmaschinen aus diesen Luftschichten zu verbannen – bisher ohne Erfolg: Ein Concorde-Nachfolger (Supersonic-Jet) wird in naher Zukunft den Betrieb aufnehmen und weitere Maschinen, welche bis in eine Höhe von 36 km vorzudringen vermögen sind in Planung.

Ein weiterer Negativeffekt des Flugverkehrs ist der Ausstoss von Wasserdampf in diesen Höhen. Die Lufttemperaturen liegen in einer Höhe über 9 km zwischen -40 und -90°C, was dazu führt, dass nur wenig Wasser von der Luft aufgenommen werden kann. Der von den Triebwerken ausgestossene Wasserdampf bildet daher künstliche Eiskristall-Wolken (Cirren) welche eine reflektierende Wirkung auf die von der Erde kommende Wärmestrahlung haben. Das Sonnenlicht wird zwar durchgelassen und erreicht die Erde nahezu ungefiltert, durch die Reflexion wird die Erdwärme jedoch in den unteren Atmosphärenschichten gefangengehalten, man spricht vom Treibhauseffekt, zu dem der Flugverkehr somit wesentlich beiträgt – genaue quantitative Zahlen zu diesem Anteil konnten jedoch bis dato noch nicht evaluiert werden.

4.2.2 Die Auswirkungen auf die bodennahen Schichten

Gegenüber diesen eher globalen negativen Auswirkungen der Aviation sind jedoch die Immissionen in der Flughafenregion selber erstens früher wahrnehmbar und zweitens auch genauer zu erheben. Flugzeugtriebwerke produzieren pro kg verbranntem Kerosin durchschnittlich 3.15 g Kohlendioxid (CO2), welches gegenwärtig 55% an der zusätzlichen Erwärmung der Erde durch die Treibhausgase ausmacht. 14% des durch Treibstoffe in die Atmosphäre gelangenden CO2 wird von Flugzeugen erzeugt, was 2,6% des gesamten CO2-Anstiegs entspricht. Einen noch wesentlich höheren Anteil trägt der Flugverkehr zur NOx-Produktion bei: 20 g pro kg Treibstoff (zum Vergleich: Motorfahrzeuge mit Katalysator (55): 4 g, Ölheizungen: 1-3 g) sind die Regel. In Zürich gilt der Luftverkehr in den 90er Jahren noch als einziger grösserer Verursacher von Stickoxiden. "Sein Beitrag an die Gesamtemissionen im Kanton beträgt 1995 7%, im Jahr 2000 rund 9% und bei der Realisierung der Massnahmen in den übrigen Verursacherbereichen rund 14%" (56). Diese Berechnung aus dem Jahre 1990 ist aus heutiger Sicht bestimmt zu optimistisch, da sie von einer sehr geringen Wachstumsrate beim Flugverkehr ausging. Die Umweltbilanz des Flughafens errechnete bis zum Jahr 2010 einen NOx-Anstieg von 82% – ein doppelt so hoher Wert, wie der vom Kanton berechnete.

Gegenüber dem Ozonabbau in der Stratosphäre wird in den unteren Luftschichten durch den Ausstoss von Stickoxiden, welche sich mit Kohlenwasserstoffen unter UV-Strahlung verbinden, Ozon gebildet – ein Hauptbestandteil des Sommersmogs. Zudem trägt Ozon eminent zum globalen Treibhauseffekt bei.

Es wird auch oft darauf hingewiesen, dass bei Kurzstreckenflügen der Schadstoffausstoss pro Personenkilometer besonders gross ist, weil die Reisephase kurz und der Auslastungsgrad in der Regel schlecht ist. Durch die vermehrte Anbindung der grossen Flughäfen ans (europäische) Hochgeschwindigkeitsnetz könnten diese Flüge in Zukunft zunehmend von der Bahn substituiert werden, was nicht nur die Luftqualität verbessern und die Lärmimmissionen verringern, sondern auch im Wesentlichen zu einer geringeren Belastung des Flughafens führen würde, was Wartezeiten und Verspätungen entgegenwirkt.

Inhalt


5. Die Sozialstruktur der Flughafengemeinden

5.1 Auswahl der Sozialindikatoren

Im Zusammenhang mit der Immissionsfrage scheint es mir wichtig, die Frage nach der sozialen Zusammensetzung der betroffenen Bevölkerung zu klären. Für den einen Teil der AnwohnerInnen gilt der Flughafen in erster Linie als wichtiger volkswirtschaftlicher Faktor und grösster Arbeitgeber der Region, für die anderen steht die Lärmverursachung im Vordergrund. In diesem Kapitel interessiert mich jedoch weniger die Einstellung der AnwohnerInnen zum Flughafen selber, sondern vielmehr, ob die Flughafengemeinden sich in ihrer Sozialstruktur vom Durchschnitt der Zürcher Gemeinden, der als Referenzbasis dienen soll, abheben und falls ja in welcher Hinsicht.

Zu diesem Zweck nahm ich vier Sozialindikatoren zu Hilfe, die etwas über die Zusammensetzung der Bevölkerung aussagen sollen:

  • Die MittelschülerInnenquote (MS, Bildungsniveauindikator)

  • Der Anteil der leitenden Angestellten und der freien Berufe (LA) und

  • Der Anteil der ungelehrten ArbeiterInnen (UA) an der erwerbstätigen Bevölkerung (Indikatoren für Berufliche Stellung und indirekt für die Einkommensverteilung)

  • Der AusländerInnenanteil (A)

Obwohl diese Faktoren in der Regel miteinander korrelieren (siehe Kap. 5.2.2), lassen sie einzeln betrachtet auch einen Vergleich zwischen den Gemeinden zu. Eine hohe MittelschülerInnenquote ist z.B. noch kein Garant dafür, dass der Anteil der leitenden Angestellten in der entsprechenden Gemeinde überproportional hoch sein muss, da beispielsweise der Zuzug junger Kaderleute ohne Kinder in eine Gemeinde zwar den letzteren Faktor erhöhen, am ersten jedoch nichts ändern. Eine Korrelation zwischen den einzelnen Grössen ist folglich mit Vorsicht zu betrachten. Dass sich die ausländische Bevölkerung sowohl betreffend ethnisch/kulturellen Merkmalen wie auch Schichtzugehörigkeit sehr heterogen verhält, ist bei einer allfälligen Interpretation zu berücksichtigen.

Inhalt

5.2 Auswertung

5.2.1 Vergleich der Mittelwerte

Aus Tab. 5.1 wird ersichtlich, dass die beiden ausgeschiedenen Zonen eine leicht unterschiedliche soziale Struktur besitzen. Auffallend ist der Vergleich zum Kantonsmittel: Die MittelschülerInnenquote liegt mit 17.8 respektive 22.5% in beiden Zonen im Durchschnitt unter dem Kantonsmittel von 23.8%. In der Zone 1 weicht dieser Wert sogar um beinahe 25% von derjenigen des Kantons ab.

Gemeinde

Zone

Einwohner

MS

LA

UA

A

Bachenbülach

1

3015

14.3

7.2

23.4

28.4

Buchs

1

4010

13.9

12.3

16.3

16.5

Dällikon

1

2880

18.7

9.3

23.9

21

Hochfelden

1

1402

14.9

9.8

12.8

12.8

Höri

1

2079

3.3

4.3

26.4

32.9

Kloten

1

16089

12.8

8

18.5

24.2

Neerach

1

2072

23.4

20.8

5.9

6.8

Niederglatt

1

3435

26

9.4

15.8

17.3

Niederhasli

1

6632

17

9.5

19.2

18

Oberglatt

1

4656

16

6.6

24.7

27.4

Opfikon

1

11111

18

8.6

19.8

30.9

Regensdorf

1

13541

27.8

8.9

22.9

28.1

Rümlang

1

5231

12.6

8.4

17.1

20.1

Stadel

1

1531

18.4

12.2

14.4

6.9

Winkel

1

3000

29.6

15.5

9

10.1

Durchschnitt

Zone 1

80684

17.8

10.1

18

20.1

Bassersdorf

2

6892

24

11.1

15.9

18.6

Bülach

2

13600

19.1

9.4

16.6

20.9

Dietlikon

2

5834

25.6

14

14.1

19.1

Geroldswil

2

4598

16.7

15.7

14.5

13.4

Glattfelden

2

3261

13.4

7.9

22.7

18.3

Lufingen

2

1055

23.5

17.7

10.3

10

Nürensdorf

2

4242

23.7

17.1

9.7

11.2

Oberembrach

2

978

22.2

12.1

8.3

5.8

Oetwil a.d.L.

2

2091

16.7

23

12.2

10.7

Rorbas

2

2138

19

9.7

15.9

17.5

Wallisellen

2

11376

29.1

13.8

15

18.1

Weiach

2

905

16.1

6.2

18.5

9.5

Weiningen

2

3615

40.3

13.1

17.9

19.3

Zürich 11

2

52559

24.9

9.5

17.8

28.3

Durchschnitt

Zone 2

113144

22.5

12.9

15.0

15.8

Durchschnitt

Tot.

193828

20.1

11.5

16.5

17.9

Kanton

 

1176347

23.8

12.6

17.9

20.9

Tab. 5.1: Indizes zur Sozialstruktur der Flughafengemeinden. MS: Anteil der MittelschülerInnen 10.-12. Schuljahr in % der PrimarschülerInnen 4.-6. Schuljahr sechs Jahre zuvor; LA: Anteil der leitenden Angestellten an der Erwerbsbevölkerung; UA: Anteil der ungelehrten ArbeiterInnen, A: AusländerInnenanteil an der Gesamtbevölkerung. (57)

Bei den leitenden Angestellten liegt der Durchschnittswert der Zone 1 um knapp 20% unter dem Kantonsmittel von 12.6%, während derjenige der Zone 2 mit 12.9% in etwa diesem entspricht. Ein umgekehrtes Bild zeigt sich bei der Betrachtung des Anteils der ungelehrten ArbeiterInnen: Hier weicht der Mittelwert der Zone 2 um 16% vom Kantonsschnitt ab, dem der Wert der Zone 1 mit 18% ziemlich genau entspricht.

 

 

 

 

 


 

Abb. 5.1: Vergleich der Sozialindikatoren der Zonen 1 und 2 mit dem Kantonsmittel (in %). 1: MS, 2: LA, 3: UA, 4: A.

Noch deutlicher zeigt sich die Diskrepanz der beiden Zonen beim AusländerInnenanteil. Hier liegt der Mittelwert der Gemeinden der Zone 1 mit 20.1% nur um einige Promille tiefer als das Kantonsmittel von 20.9%, in der Zone 2 beträgt die Abweichung dieses Wertes nach Unten über 24%. Einen graphischen Vergleich der Mittelwerte der beiden ausgeschiedenen Zonen mit den Kantonsmitteln bietet Abbildung 5.1.

5.2.2 Extremwerte und Korrelationen zwischen den Indikatoren

Betrachtet man die Extremwerte innerhalb der beiden Zonen, so lassen sich grosse Unterschiede ausmachen. Bei der MittelschülerInnenquote in der Zone 1 liegen die Prozentwerte zwischen 3.3 (Höri) und 29.6 (Winkel), in der Zone 2 zwischen 13.4 (Glattfelden) und 40.3 (Weiningen).

Bei den leitenden Angestellten zeigt sich folgendes Bild: In der Zone 1 schwankt der Anteil zwischen 4.3 (Höri) und 20.8 (Neerach) wobei die Werte in der Zone 2 zwischen 6.2 (Weiach) und 17.1 (Lufigen) liegen. Die Werte der ungelehrten ArbeiterInnen verteilen sich in den Gemeinden der Zone 1 von 5.9 (Neerach) bis 26.4 (wiederum Höri), in der Zone 2 von 8.3 (Oberembrach) bis 22.7 (Glattfelden). Die beiden Beschäftigungs-Indikatoren korrelieren in beiden Zonen zusammen negativ (r = -1) miteinander. (58)

Betrachtet man die Extremwerte des AusländerInnenanteils zeigt sich folgende Verteilung: Der tiefste Prozentwert der Zone 1 weist Neerach mit 6.8 auf, den höchsten AusländerInnenanteil hat Höri mit 32.9. In der Zone 2 bewegen sich die Werte zwischen 5.8 (Oberembrach) und 28.3 (Zürich, Stadtkreis 11). Zwischen dem Anteil der ausländischen Bevölkerung und demjenigen der ungelehrten ArbeiterInnen besteht eine positive Korrelation von r = 0.8 (59). Die Korrelation zwischen dem AusländerInnenanteil und den leitenden Angestellten ist negativ, jedoch stärker mit r = -1. (60)

5.2.3 Zusammenfassende Betrachtung

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in bezug auf die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung in den stärker von Flughafenimmissionen beeinflussten Gemeinden der Zone 1 die MittelschülerInnenquote und der Anteil der leitenden – und somit auch besser verdienenden – Angestellten und in freien Berufen arbeitenden Berufstätigen im Kanton überdurchschnittlich tief ist, während sie in der Zone 2 eher dem Kantonsmittel entsprechen. Beim Anteil der ungelehrten - und somit schlecht verdienenden - ArbeiterInnen und dem AusländerInnenanteil zeigt sich , dass hier die Gemeinden der Zone 1 eher eine Angleichung an die Kantonsmittelwerte erfahren als diejenigen der Zone 2, welche in der Regel darunter liegen.

Inhalt


Fussnoten:

  1. Der Titel ist dem Plakat des Künstlers Bangerter zur Abstimmung über die Kreditvorlage von 1946 entnommen.

  2. Weiss, et al. (1996)

  3. Zitiert aus: NZZ (4.5.1996)

  4. Die Waldnutzung war damals noch ein ins Gewicht fallender kommunaler Einnahmeposten und hatte eine starke Einwirkung auf den Steuerfuss.

  5. In Anbetracht der später folgenden Immissionsdiskussion ist dies von grosser Bedeutung, da Starts wesentlich mehr Lärm und Abgase erzeugen, Landungen hingegen durch die Entleerung von Tanks Luft und Boden ebenfalls stark beeinträchtigen.

  6. Verweis auf die Ausgabe vom 23.10.1984 in: NZZ (24.5.1995)

  7. Siehe Kapitel 4.1.

  8. Nach: NZZ (4.9.1996)

  9. Definiert von: Merian (1979)

  10. Zahlen aus: Statistisches Amt des Kantons Zürich (1949-1987). Die Werte beziehen sich auf die eidgenössischen Betriebszählungen, welche alle zehn Jahre die Zahl der ArbeiterInnen am Arbeitsort erfassen.

  11. Statistisches Amt des Kantons Zürich (1997)

  12. Kaspar & Erni (1992)

  13. Die Zahlen bezeihen sich auf das Jahr 1989. Rezessions- und wachstumsbedingte Veränderungen in den letzten 9 Jahren konnten somit nicht berücksichtigt werden. Trotzdem kann man davon ausgehen, dass sich diese Aussagen im Wesentlichen auch auf die heutigen Verhältnisse übertragen lassen.

  14. Statistisches Amt des Kantons Zürich (1997)

  15. Als Basis dient hier die Definition der Agglomeration Zürich nach der Volkszählung von 1990.

  16. Anmerkung: die hier als Flughafengemeinden definierten Gemeinden Oberembrach, Stadel und Weiach wurden nach der Volkszählung von 1990 im Gegensatz zu den übrigen Gemeinden der Zone 1 und 2 nicht zur Agglomeration Zürich gerechnet. Da sie jedoch zusammen nur knapp 3500 Einwohner zählen, fallen sie statistisch gesehen nicht stark ins Gewicht.

  17. Unter landseitig wird der Bereich des Flughafens bis zur Zollabfertigung verstanden.

  18. Nach: Gutknecht (1995)

  19. NZZ (27.9.1993)

  20. Ruh (1992)

  21. 1992 wurden 233'031 Flugbewegungen durchgeführt, heute sind es bereits rund 242'000 (1997). Das Passagiervolumen betrug 13.1 Mio (1997: 18.3 Mio) und 345'000 (1997: 472'000) Tonnen Fracht wurden transportiert.

  22. Abstimmungstext zitiert aus Tages-Anzeiger (22.9.1993).

  23. NZZ (21.8.1993)

  24. Nur gerade Hüntwangen und die von einem neuen Abflugverfahren betroffenen Furttal-Gemeinden Dällikon, Regensdorf und Dänikon, sowie der Zürcher Stadtkreis 5 sprachen sich für die Initiative aus. Sogar in dem vom Fluglärm ebenfalls betroffenen Stadtkreis 11 wurde die Initiative deutlich abgelehnt. Aus: NZZ (27.9.1993)

  25. Tages-Anzeiger (2.7.1993)

  26. Tages-Anzeiger (22.10.1993)

  27. NZZ (18.1.1994)

  28. NZZ (25.5.1994)

  29. NZZ (8.7.1994)

  30. Tagblatt der Stadt Zürich (14.1.1995)

  31. Alt Kantonsrat Paul Stopper, LDU an einer Pressekonferenz vom 18.5.1995.

  32. Mit der Einführung der sogenannten vierten Welle 1996 haben sich markante Erhöhungen der Flugfrequenzen am frühen Morgen und am Abend ergeben, während der Verkehr am Nachmittag eher abgenommen hat. Die vierte Welle wurde nötig um die ehemals ab Genf abgehandelten Langstreckenflüge auf dem Zürcher Flughafen im Flugplan unterbringen zu können - zeitlich gesehen vorwiegend in der Mitte des Vormittags.

  33. Zusammengefasst in: NZZ (7.5.1997)

  34. Zum Teil aus: Vogel (1993)

  35. Heller (1985)

  36. Mager (1982)

  37. Nach: Oeser & Beckers (1987)

  38. Weitere häufig verwendete Belastungsmasse für Fluglärm sind der Beurteilungspegel Lr, und der mittlere Maximalpegel Lmax.

  39. Oeser & Beckers (1987)

  40. Nach: IFZ (1978)

  41. Flughafendirektion Zürich (1986)

  42. Aus: Vogel (1993)

  43. Statistsches Amt des Kantons Zürich (1997)

  44. NZZ (30.1.1998)

  45. NZZ (14.2.1995)

  46. NZZ (29.12.19951995)

  47. In Ergänzung soll ein Abflugmanagementsystem die Koordination zwischen der Startpiste und der sie kreuzenden Landepiste 16 gewährleisten um Verspätungen bei Starts zu vermeiden.

  48. NZZ (6.3.1996)

  49. NZZ (3.9.1997)

  50. NZZ (7.10.1997)

  51. NZZ (24.10.1997)

  52. NZZ (18.12.1997)

  53. NZZ (21.1.1998)

  54. Zusammengefasst in Meienberg (1991)

  55. Aus physikalischen Gründen sind Katalysatoren bei Düsentriebwerken nicht anwendbar.

  56. Kanton Zürich (1990)

  57. Zahlen aus: Amt für Raumplanung des Kantons Zürich (1997) und: Statistsches Amt des Kantons Zürich (1997)

  58. In der Zone 1 ist eine stärkere negative Korrelation der beiden Indikatoren festzustellen (r = -0.88) als in der Zone 2 (r = -0.67)

  59. Betrachtet man die beiden Zonen getrennt, fällt auf, dass hier in der Zone 1 mit r = 0.88 eine deutlich ausgeprägere Korrelation stattfindet als in der Zone 2 mit r= 0.62.

  60. Bei der separaten Betrachtung der Zonen ist festzustellen, dass auch hier der Korrelationskoeffizient in der Zone 1 mit -0.82 einiges ausgeprägter ist als das sehr schwache r der Zone 2 mit einem Wert von -38, wo man nicht mehr von einer eigentlichen Korrelation sprechen kann.

    Teil 2 ->

Last update: 06 Mrz 17

 

Editor

  Prof. Hans Geser
Soziologisches Institut
der Universität Zürich

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