ZUR ORGANISATION DER MODERNEN STADT FÜNF BEISPIELE IN EUROPA Teil II 4. Basel 4.1 Drei Länder - eine Stadt Wer von Basel spricht, meint meistens die (nicht einmal ganz) auf den Halbkanton Basel-Stadt beschränkte Gemeinde mit ihren knapp 200'000 EinwohnerInnen oder zählt eventuell noch Industrieorte wie Muttenz oder Pratteln oder Schlafstädte wie Arlesheim oder Reinach funktional zur Stadt. Nach den Daten der Volkszählung von 1990 leben in der Agglomeration Basel 406'000 Menschen. Nicht dazugerechnet werden jedoch hierbei die Vororte, welche sich auf baden-württembergischem oder Elsässer-Gebiet befinden, und das (funktional sicher Basel-orientierte) Liestal, welches laut Bundesamt für Statistik den Kern einer eigener Agglomeration bildet: Eine (Halb-) Kantonshauptstadt als Vorort einer anderen Stadt zu sehen, scheint auch StatistikerInnen in Verlegenheit zu bringen. RaumplanerInnen und Mitglieder der privaten Interessengemeinschaft "Regio Basiliensis" gehen deshalb von einer eigenen Definition der Agglomeration Basels aus (Definition der Regio-Wirtschaftsstudie), welche auch international gebräuchlich ist. Nach dieser Definition zählt die Nordwestschweiz (NWCH), d.h. die beiden Halbkantone Basel, und Teile der Kantone Aargau und Solothurn, sowie des Landkreises Lörrach und des Départements Haut-Rhin zur Stadtregion (Tabelle 4.1 und Abbildung 4.1). In meinen weiteren Ausführungen werde ich mich an diese Definition halten. Tabelle 4.1: Angaben zur Grössenordnung der Agglomeration Basel [Wronsky, 1994].
Abbildung 4.1: Die Drei-Länder-Agglomeration Basel mit dem Metropolitanraum (äusserste Grenze). Quellen: Bundesamt für Statistik 1990, RBB 1996. Bei dieser Abgrenzungsmethodik sind auch periphere Gebiete und Kleinsiedlungen des Kantons Basel-Land enthalten, welche zusammen etwa 60'000 - 80'000 EinwohnerInnen zählen und nach schweizerischen Massstäben (nach den Kriterien des Bundesamtes für Statistik 1983 [1]) nicht dem städtischen Raum zugeordnet werden können. (siehe Tabelle 4.1).
Die Siedlungsstruktur wird in Basel weitgehend von den Verkehrsachsen geprägt sowie von den bewaldeten Gebieten, welche unter Schutz gestellt eine Art Kanalisation der Überbauung bewirken. Die Raumplanung hat sich dieser Entwicklung angepasst und sie damit noch verstärkt. Entlang dieser "Ausfallachsen" ist seit längerer Zeit ein starker Bauboom zu erkennen, da die schwächeren Funktionen wie Wohnungen, Kleinhandel, Gewerbe und Lager zentrifugal von den starken Funktionen Banken und Versicherungen etc. aus der Kernstadt verdrängt werden. Diese Suburbanisierung lässt sich anhand der Veränderung der Bevölkerungszahl aufzeigen: 1965 lebten 215'000 Menschen in der Stadt Basel, 1975 waren es noch 195'600 (Bär, 1979), 1995 zählte man noch 175'560 StadtbaslerInnen (Von Baratta, 1995). Das bedeutet, dass die Stadt innert 30 Jahren beinahe einen Fünftel der Bevölkerung verloren hat. 4.2.1 Aussichten Aufgrund der noch vorhandenen räumlichen Kapazitätsreserven soll sich nach Wronsky (1994) die Stadt innerhalb und entlang der Ausfallachsen entwickeln. Weitere Vorstellungen, welche die Siedlungsstruktur bestimmen müssen, sind:
- Auch ausserhalb der Kernstadt ist bei städtebaulichen Massnahmen der Gestaltung ein wesentlich grösseres Gewicht beizumessen als dies heute vielfach der Fall ist." Abbildung 4.2: Die Drei-Länder-Agglomeration: Künftige räumliche Entwicklung, nach Wronsky, 1994.
Obwohl keine Organisationsform der Agglomeration Basel auf politischer Ebene existiert, gibt es doch überregional aktive Gremien der öffentlichen Hand (z.B. die Regionalplanung Beider Basel) oder private Interessengemeinschaften wie die Regio Basiliensis. In diesem Kapitel werden einige Bereiche der überregionalen Zusammenarbeit im Grossraum Basel vorgestellt. Da besonders die Planung im grenzüberschreitenden Bereich auf allen Ebenen eine längere Tradition hat, wird ihr hier ein besonderes Gewicht zugewiesen. Vorneweg sollten die wichtigsten Gremien, welche im überregionalen Kontext wirken, kurz vorgestellt werden. Zum besseren Verständnis der verschiedenen im Text angesprochenen Kooperationsräume soll Abbildung 4.3 dienen. Abbildung 4.3: Oberrheinische Kooperationsräume, nach Werder, 1994. 4.3.1 Die Regio Basiliensis [2] Am bekanntesten, weit über die Grenzen des Grossraumes Basel hinaus, ist wohl die 1963 als Verein (im Sinne des Art.60ff des ZGB) gegründete Interessengemeinschaft Regio Basiliensis, kurz Regio genannt. Strukturell ist die Regio einheitlich organisiert und besitzt zwei Sektionen: Zum einen ist dies die Geschäftsstelle des Vereins, zum anderen die Internationale Koordinationsstelle (IKRB) im Staatsauftrag. Eine klare (personelle) Aufteilung der Arbeiten an und für sich hat dies jedoch nicht zur Folge, da Projekte und Aufgaben an die jeweiligen Fachkräfte verteilt weden. Getragen wird die Regio von rund 300 Einzel- und 220 Kollektivmitgliedern inklusive der Halbkantone Basel-Land und Basel-Stadt. Die Geschäftsstelle stellt Kontakte z.B. zu europäischen Instanzen her, organisiert Studien, Umfragen und Aktionsprogramme und koordiniert Projektgruppen. Die IKRB wurde 1970 gemäss Staatsvertrag zwischen den beiden Halbkantonen als halböffentliche Einrichtung der Geschäftsstelle der RB angegliedert. Eine der wichtigsten Traktanden der IKRB ist die Organisation der Oberrheinkonferenz. Auf europäischer Ebene hat die Regio an der Gründung der "Arbeitsgemeinschaft europäischer Grenzregionen" (Strassburg 1971) teilgenommen, bei der sie die Vizepräsidentschaft innehat. Im Rahmen des Europarates hat sie an der Gründung der "Versammlung der Regionen Europas" mitgearbeitet und an der "Conférence permanente des pouvoirs locaux et régionaux d'Europe" teilgenommen. Parallel zur schweizerischen Regio Basiliensis wurden 1965 die französische "Regio du Haut-Rhin" in Mulhouse und 1985 die deutsche "Freiburger Regio-Gesellschaft" mit den gleichen Zielen gegründet, welche seit 1991 unter der Bezeichnung "Koordinationsausschuss der drei Regio-Gesellschaften KAR" eng zusammenarbeiten. Zahlreiche private und öffentliche Institutionen arbeiten mit der Regio Basiliensis zusammen: Partner der Geschäftsstelle der Regio Basiliensis:
Partner der internationalen Koordinationsstelle der Regio Basiliensis:
Mit den oben erwähnten (und weiteren) Partnern ist die Regio Basiliensis Mitglied folgender Gremien für grenzüberschreitende Zusammenarbeit:
4.3.2 Die Oberrheinkonferenz Die Regionalausschüsse der D-F-CH-Regierungskommission (gegründet 1976) tagen seit 1991 gemeinsam unter dem Namen "Oberrheinkonferenz ORK", welche sich seither zweimal im Jahr trifft. Sie besteht aus einer je zwölfköpfigen deutschen und französischen, sowie einer acht Mitglieder umfassenden schweizerischen Delegation. Der Vorsitz der Konferenz hat jeweils ein Regierungsrat, resp. Regionalpräfekt des gastgebenden Landes/Kantons/Départements. Zur Zeit beschäftigen sich sieben ständige Arbeitsgruppen mit über 20 ExpertInnenausschüssen sowie zwei ad-hoc-Arbeitsgruppen mit der Projektarbeit der ORK (zu Themen, wie sie 1993 in Auftrag gegeben wurden und von der Regio Basiliensis bearbeitet, betreut, koordiniert oder beobachtet werden). Diese Arbeitsgruppen werden im folgenden kurz vorgestellt: [3] - Arbeitsgruppe "Umwelt" ExpertInnenausschüsse/Themenbereiche:
Einige Projekte konnten ins INTERREG (siehe daselbst)-Programm eingebettet werden und kommen so in den Genuss von EU-Finanzbeiträgen. - Arbeitsgruppe "Regionale Wirtschaftspolitik" ExpertInnenausschüsse/Themenbereiche:
Diese Arbeitsgruppe wurde vom Dreiländerkongress "Wirtschaftsraum Oberrhein" 1992 ins Leben gerufen. - Arbeitsgruppe "Regionale Verkehrspolitik ExpertInnenausschüsse/Themenbereiche:
Das Hauptanliegen dieser Arbeitsgruppe liegt bei der Diskussion um die Planung der Regio S-Bahn. Zusätzlich wurde 1993 zur Verfolgung der Entwicklung der Oberrhein-Flughäfen eine ad-hoc-Arbeitsgruppe eingesetzt. - Arbeitsgruppe "Bildung und Erziehung" Das Mandat für diese relativ junge Arbeitsgruppe wurde im November 1993 von der ORK genehmigt. Sie erarbeitete eine Bestandesaufnahme bereits vorhandener Koordinationsmodelle im Schul- und Bildungsbereich. Die Herausgabe einer Informationsbroschüre über LehrerInnenausbildung in der Region wird geprüft (1994). - Arbeitsgruppe "Neue Informations- und Kommunikationsformen" ExpertInnenausschüsse/Themenbereiche:
Weil im Tätigkeitsfeld dieser Arbeitsgruppe die Entscheidungskompetenz zum grossen Teil bei der jeweiligen nationalen Behörde liegt, fällt es ihr schwer, regionalen Projekten zum Durchbruch zu verhelfen, weshalb ihre weitere Existenz in Frage gestellt ist. Da sich das Projekt MAN für die EUCOR-Universitäten und die Wirtschaft am Oberrhein erfreulich entwickelt, und die regionalen Telecom-Direktionen als treibende Kräfte dieses Projekt begrüssen, wurde von einer Auflösung der Arbeitsgruppe abgesehen, welche das Projekt politisch begleitet, den Informationsaustausch gewährleistet und für die Kontaktvermittlung über die Grenzen sorgt. - Arbeitsgruppe "Kultur" ExpertInnenausschüsse:
Die Hauptaufgaben dieser Arbeitsgruppen liegen in der Bereitstellung technischer und praktischer Hilfsmittel zur Förderung des regionalen Kulturaustausches. Arbeitsgruppe "Raumordnung" ExpertInnenausschüsse/Themenbereiche:
Diese Arbeitsgruppe erarbeitete eine trinationale Bestandesaufnahme der vorhandenen raumordnerisch wirksamen Pläne und Programme und nahm die Erstellung eines grenzüberschreitenden Konzeptes für einen raumordnerischen Orientierungsrahmen in Angriff. Ziel dieses Vorhabens ist es, in realitätsnahen Szenarien die Entwicklungsmöglichkeiten des Oberrheingebietes auszuloten. Eine weitere Gruppe beschäftigt sich mit dem Thema Gesundheit, wobei vor allem der ad-hoc-Vorbereitungsgruppe "Suchtfragen" eine hohe Priorität eingeräumt wird. Desweitern gibt sie eine Broschüre über das Angebot der Spitzenmedizin und der spezialisierte Rehabilitation heraus und betreut das Institut für kardiologische Rehabilitationsforschung. 4.3.3 Die Regierungskommission Seit der Gründung der offiziellen Oberrheinkooperation 1975 bildet die deutsch-französisch-schweizerische Regierungskommission das institutionelle Dach der Oberrheinkonferenz. Diese Kommission wird von den Aussenministerien der drei Nationen getragen und offeriert den regionalen Partnern am Oberrhein Empfehlungen und Lösungsvorschläge für Probleme, welche vorläufig bloss auf nationaler Ebene gelöst werden können. An ihrer 12. Sitzung (in Bonn 1993) wurden folgende Punkte zur internationalen Zusammenarbeit festgelegt [4]:
Aus diesen Punkten geht deutlich hervor, dass die Regierungskommission keine (politische und wirtschaftliche) Kompetenz zur Massnahmenergreifung für einzelne Projekte hat, sondern die Fragen und Anliegen der Regionspartner aufnimmt, diskutiert und zur Prüfung (oft der Oberrheinkonferenz oder den Partnern selber) weitergibt. 4.3.4 Die Dreiländerkongresse 1985 bis 1986 fanden drei Symposien unter dem Titel "Universität und Region" in Freiburg, Strassburg und Basel statt. Diese Kongresse wurden unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, dem Präsident des elsässischen Regionalrates und je einem Mitglied der Kantonsregierungen der Basler Halbkantone für VertreterInnen aus dem Bereich der oberrheinischen Hochschulforschung und der Wirtschaft abgehalten. 1988 löste der Dreiländerkongress als Nachfolgeorgan dieser Symposien ab. Die Kongresse finden stets unter einem bestimmten Generalthema statt. Diese Themen waren: Verkehr (1988), Kultur (1989), Umwelt (1991) und Wirtschaft (1992). In den drei Ländern sind die bei der Regierungskommission vertretenen politischen Organe für die Förderung der Kongresse abwechselnd zuständig. Das bedeutet, dass somit auch die (im Staatsauftrag handelnde) Koordinationsstelle der Regio Basiliensis (IKRB) turnusgemäss bei jedem dritten Kongress als Organisatorin verantwortlich ist. Der letzte Kongress fand 1995 unter dem Thema Jugend/Bildung/Beruf statt. 4.3.5 Das INTERREG-Programm [5] Unter INTERREG versteht man eine Gemeinschaftsinitiative der EU zur finanziellen Unterstützung grenzüberschreitender Programme in verschiedenen europäischen Regionen. Obwohl die Schweiz kein Mitgliedsstaat der EU ist, laufen doch bereits 9 INTERREG-Programme mit Schweizerischer Beteiligung. Das INTERREG I-Programm "Oberrhein Mitte-Süd" bildete für die Arbeit der Regio Basiliensis einen klaren Schwerpunkt. Dieses Programm wurde von der EU mit 9.4 Mio ECU (15.5 Mio Fr.) unterstützt und lief von 1991-1995. Von den 39 realisierten Projekten des Programms, verliefen die folgenden 22 mit Schweizer Beteiligung (zusätzliche Finanzierung von den Kantonen Basel-Stadt, Basel-Land, Jura und Solothurn):
Die obige Liste zeigt die grosse Spannbreite an Interessensgebieten der Programmprojekte. Wie unschwer zu erkennen ist, handelte es sich dabei keineswegs bloss um die Wahrnehmung wirtschaftlicher Interessen in der Region, sondern vielmehr um ein multidisziplinäres Programm mit gezielten Massnahmenpaketen. Obwohl in dieser Arbeit nicht näher auf alle diese Themenbereiche eingegangen werden kann, möchte ich doch die folgenden drei Punkte näher beschreiben: Die Beratungsstelle INFOBEST Palmrain im Informationsbereich, der Regio-Wirtschaftsstudie zur Analyse der regionalen Standortgunst und den Regio-Tarifverbund als Beispiel im Verkehrsbereich, welche von der Regio Basiliensis geleitet wurden. INFOBEST Palmrain Diese Beratungsstelle ist 1993 in der ehemaligen Zollanlage am Rhein bei Huningue eingerichtet worden, also praktisch im Dreiländereck. Beteiligt an diesem Projekt waren neben der EU noch 13 Partner aus der Region. Geleitet wird die Stelle von einem 4-köpfigen trinationalen Team, das heute pro Monat rund 100 Anfragen von BürgerInnen aus der Region bearbeitet. Mit der Unterstützung des Nachfolgeprogramms INTERREG II kann das Projekt der Informations- und Beratungsstelle fortgesetzt werden. Regio-Wirtschaftsstudie Oberrhein Bei der Regio-Wirtschaftsstudie handelt es sich um eine alljährliche Veröffentlichung über Stärken und Schwächen der Wirtschaft im Regio-Gebiet am südlichen Oberrhein. Die von der EU gesetzte Frist ist zwar in der Zwischenzeit abgelaufen, aber mit der Unterstützung der Partner aus der Nordwestschweiz, Baden-Württembergs und der Région Alsace kann die Studie fortgeführt werden. Regio-Tarifverbund Das Projekt wurde bereits einmal lanciert, musste jedoch wegen Konsensfindungsproblemen 1992 aufgegeben werden. 1993 wurde das Konzept wieder aufgenommen, um die Grundlagen für einen grenzüberschreitenden Tarifverbund zu schaffen. Im Klartext bedeutet dies, dass das Verbundsgebiet für die Regio-S-Bahn definiert, das Potential ermittelt und die Verkehrsanbieter erfasst werden sollen. Aufgrund dieser Daten wird ein Verbundsmodell entwickelt, die Wirtschaftlichkeit beurteilt und die Etappierungsmöglichkeiten aufgezeigt. Konfinanzierungs-partner sind neben der EU die beiden Basel und Baden-Württemberg. Die französische Seite nimmt einen Beobachterstatus ein. Die operationelle Leitung des Projektmanagements liegt bei der IKRB unter der Schirmherrschaft des baselstädtischen Regierungsrates, während die materielle Leitung der Baselland Transport AG (BLT) und dem Chef des Tarifverbunds Nordwestschweiz (TNW), welchem ein Fachausschuss aus Tarifpraktikern aus allen drei Ländern zur Seite stehen, übertragen wurde. Dank der positiven Erfahrungen mit dem INTERREG I Programm, haben die EU-Kommissionen beschlossen, diese Form der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit verstärkt zu fördern und ein weiteres Programm (INTERREG II) mit deutlich grösseren finanziellen Mitteln zu unterstützen. Die Laufzeit der Projekte wurde dabei um fünf Jahre bis 1999 verlängert, Somit können neue Vorhaben, welche mangels fehlender Mittel in der letzten Phase zurückgestellt werden mussten, wieder neu aufgenommen werden. Bewährte Projekte wie INFOBEST Palmrain werden weiterhin unterstützt und gefördert. Für INTERREG II werden europaweit 2.4 Mrd. ECU zur Verfügung gestellt, 24.6 Mio davon entfallen auf die Region "Oberrhein Mitte-Süd", was etwa 39 Mio Fr. entspricht. 4.3.6 Der Regiorat Die Oberrheinkonferenz als Aushängeschild der Oberrheinkooperation ist staatlich strukturiert und befasst sich vorwiegend mit grossräumigen, überregionalen Themen. Um die Lösung lokaler Probleme besser angehen zu können, wurde im Januar 1995 der Regiorat als starke, von der Oberrheinkonferenz unabhängige Komplementärorganisation gegründet. Bis anhin ist es für andere Kooperationsformen sehr schwer gewesen, aus dem Schatten der politisch starken Oberrheinkonferenz herauszutreten und gewichtige Fortschritte zu erzielen [6]. Um die kommunale Zusammenarbeit zu fördern, wurden in mehreren Schritten das Regiorat-Konzept entwickelt.
Aus der Präambel der Statuten des Regiorates geht hervor: "Gemeinden, Gebietskörperschaften, Verbände und Wirtschafts- und Wissenschaftskreise am südlichen Oberrhein sind wichtige Träger und Partner der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Sie brauchen ein gemeinsames Handlungsinstrument, weil in der grossräumigen und staatlich geprägten Oberrheinkonferenz grenzüberschreitende Rechts- und Handlungsformen nur unzureichend vorhanden sind. Deshalb soll der Regiorat als Gemeinschaft für grenzüberschreitende Zusammenarbeit und zur Beratung bestehen." Ob sich der Regiorat in den drei Teilgebieten des südlichen Oberrheins als ergänzendes Glied oder als Konkurrenzunternehmen zur Oberrheinkonferenz entwickelt, ist abzuwarten. Sicher scheint jedoch, dass der Vorteil dieses Gremiums in der Praxisnähe liegt und der Regiorat deshalb gezielte projektbezogene Ausschüsse lancieren kann.
In der Schweiz wird die Regionalplanung stark von den föderalistischen Strukturen geprägt, das heisst, dass regionale Planungsentscheide zwischen politisch gleichberechtigten Partnern (Kantone, Gemeinden) durch Verhandlungen erarbeitet werden müssen. Dies scheint gerade im Fall Basel auf den ersten Blick beinahe unmöglich zu sein, da sich in dieser Region 4 Kantone auf nationaler und 3 Staaten auf internationaler Ebene gegenüberstehen. Durch diese Struktur erhalten auch die Gemeinden eine grosse Selbständigkeit und Unabhängigkeit sowohl gegenüber dem Kanton wie voneinander. So absolut ist die Situation jedoch nicht, denn auf regionalplanerischer Ebene schreibt das Raumplanungsgesetz vom 22.6.1979 vor, dass alle Kantone einen Richtplan ihres Territoriums vorlegen, welcher vom Bundesrat genehmigt werden muss. Diese Richtpläne sollen jedoch in den Grenzgebieten auf die Verhältnisse abgestimmt sein. Der Kanton Basel-Stadt hat sich also nach dieser Vorlage auch an den Richtplänen des Kantons Basel-Land, wie den Raumordnungsplan des Bundeslandes Baden-Württemberg und des Départements Haut-Rhin zu orientieren. Für die entsprechenden Planungsabsprachen verfügt der Kanton Basel-Stadt über zwei Institutionen [7]. Die Internationale Koordinationsstelle der Regio Diese Planungsstelle befasst sich vorwiegend mit Pilotprojekten wie zum Beispiel der Entwicklung der Regio S-Bahn. Dieses Gremium kann jedoch nur Empfehlungen und Planungsvorschläge abgeben, der Vollzug bleibt in der Hand der Staaten, Kantone (resp. Bundesländer und Départements) und der Gemeinden. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Innovation dieser Koordinationsstelle ist das regionale Abonnement- und Fahrkartensystem der öffentlichen Verkehrsbetriebe der Agglomeration. Weniger erfolgreich verläuft die Koordination im medizinischen Sektor: Da viele ausländische Gemeinden und der Kanton Basel-Land allmählich beginnen, eigene Kliniken zu bauen, wird ihre Koordination schwierig, obwohl sie aufgrund der Kostenexplosion im Gesundheitswesen (nicht nur in der Schweiz) notwendig wäre. Die Regionalplanungsstelle beider Basel Diese von den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Land partnerschaftlich getragene Stelle bearbeitet Planungsfragen in diesem Teil der Agglomeration und hat unter anderem den Landschaftsplan beider Basel herausgegeben (Regionalplanung beider Basel 1976), welcher zum Schutz der noch unverbauten Landschaft dienen soll. Der Landschaftsplan ist jedoch nicht unanfechtbar, da sich in Streitfällen die Kantone auf ihre Autonomie berufen können, was den Vollzug kantonsübergreifender Planungsinhalte verzögert oder sogar verunmöglicht. Alternative Planungsstellen Der Aspekt der Umweltproblematik, v.a im Bereich der Verbesserung der Lebensqualität in städtischen Agglomerationen, macht neue Planungsinstrumente erforderlich. Basel hat in diesem Bereich auf Quartierebene mit der Erhaltung und Planung von Freiräumen begonnen, so existieren auch bereits Quartierrichtpläne einzelner städtischer Quartiere. Da jedoch der politische Föderalismus nicht bis in die Quartiere vordringt, ist der Vollzug vom Interesse und den Mitteln der Quartierbevölkerung abhängig. Das Interesse ist aber, wie einige Beispiele beweisen, vorhanden. So setzen sich (bereits Anfang der 80er Jahre) immer mehr politisch unabhängige Quartiervereine, Quartiersektionen der Parteien und projektbezogene Bürgerinitiativen für eine bessere Lebensqualität in ihrem städtischen Umfeld ein. [8] Die Institution Ökostadt wurde zum Beispiel aufgrund der Chemiekatastrophe von Schweizerhalle (1986) gegründet, welche sich in einem breites Spektrum der städtischen Umweltprobleme engagiert, vor allem aber im Bereich (Strassen-)Verkehr. Das bekannteste Beispiel ist hier wohl das Nordtangentenprojekt in Basel-Nord, eine Nationalstrassenumfahrung mit Anschluss an das deutsche und das französische Autobahnnetz zur Entlastung der Innenstadt vom Transitverkehr.
Auf den ersten Blick scheint die Agglomeration Basel trotz ihrer politischen Zersplitterung ein Vorzeigebeispiel für grenzüberschreitende Koordination und Planung zu sein. Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass einige Gremien und Kooperationsversuche v.a auf politischer Ebene Schiffbruch erlitten, wie z.B. die Bürgermeisterkonferenz. Andere wiederum konnten sich wegen Interessenlosigkeit oder Finanzierungsproblemen gar nie entfalten. Noch nicht ausgereift scheint mir die Koordination zwischen den Gremien, Interessensgemeinschaften und Projektleitungen in der Region zu sein. Ein weiterer Schwachpunkt liegt wohl auch darin, dass sich zwar zahlreiche Institutionen mit grenzüberschreitenden oder lokalen Fragen befassen, jedoch selten mehr als einen Beobachterstatus einnehmen oder über eine Analyse der Anliegen nicht hinauskommen. Ein weiteres Hemmnis ist gerade in diesem Beispiel (Basel) die Diversität der Organisation staatlicher Einrichtungen in den drei Nationen und die entsprechende unterschiedliche "Entfernung" von Volk und Wirtschaft zu den Ämtern und der Politk im Allgemeinen: In der Schweiz besitzen beispielsweise die kleinräumig angelegten Kantone grosse Autonomie während in Frankreich die Départements erst seit 1982 durch die Übertragung gewisser Funktionen (im Sinne eines Exekutivorgans) an den Präfekten (vom Ministerrat ernannter Verwalter eines Départements), als eigentliche Gebietskörperschaften gelten [9]. Eine Konferenz mit VertreterInnen dieser in ihrem politischen Einfluss ungleichen staatlichen Gremien kann zwar Vorschläge zur Verbesserung ausarbeiten und intern geltende Beschlüsse fällen, deren Umsetzung wird jedoch von Nation zu Nation schwierig bis unmöglich sein ein Problem, mit dem bereits die EU intern zu kämpfen hat. Auch ist der Einfluss von Volk und Interessengemeinschaften auf die politischen Instanzen in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich. Trotzdem zeigt das Beispiel Basel, wie sich die Zukunft eines (polynationalen) Ballungsraumes präsentieren könnte: Die Probleme (ob ökologischer, ökonomischer oder kultureller Art) sollen da gelöst werden, wo sie entstehen. Bei grenzüberschreitenden Anliegen können Informations- und Beratungsstellen ein wichtiges Glied zwischen AnfragerInnen und politischen Gremien darstellen. Politische Institutionen sollen nicht zum Hindernis für Bevölkerung, Wirtschaft oder Umwelt werden, sondern produktiv mit den Interessensgemeinschaften kooperieren. Dass dies nicht bloss ein schöner Wunschtraum einiger IdealistInnen ist, sondern verwirklicht werden kann, zeigt die langjährige Arbeit der Regio Basiliensis, welche auch ihre Resultate und Studien periodisch veröffentlicht. Es muss jedoch gesagt werden, dass die Regio Basiliensis als Verein fungiert und nicht in einen demokratisch-politischen Kontext eingebunden ist. VertreterInnen können nicht gewählt oder abgewählt werden und die Kompetenzen des Vereins sind relativ gering. 5. Frankfurt/Main 5.1 Die Frankfurter Region Die Stadt Frankfurt am Main mit ihren rund 600'000 EinwohnerInnen und ebensovielen Arbeitsplätzen auf einer Fläche von 250 km2 stellt das wirtschaftliche wie sozial-kulturelle Zentrum der Rhein-Main-Region dar, welche als "urbane Grossregion Frankfurt" mit über 3 Millionen EinwohnerInnen und rund 1.6 Millionen Arbeitsplätzen bezeichnet werden kann. Die Region umfasst neben der Agglomeration Frankfurt (statistisch: 1.86 Mio EW [10]) auch diejenigen von Mainz/Wiesbaden (795'000) im Westen, Aschaffenburg (145'000) im Osten, Giessen (160'000) im Norden und Darmstadt (305'000) im Süden, sowie die ländlichen Gebiete dieser Region mit einer Gesamtfläche von über 5000 km2. Als Schnittpunkt überregionaler Verkehrssysteme (Autobahn, IC und ICE, Flughafen) bildet das Rhein-Main-Gebiet eines der wichtigsten Distributionszentren Europas mit einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung. Im folgenden werde ich mich neben den Planungsproblemen der Rhein-Main-Region hauptsächlich mit der Stadt Frankfurt sowie dem Gebiet des Umlandverbandes Frankfurt, welcher 43 Gemeinden der Agglomeration zusammenfasst und Kompetenzen in den Bereichen Flächennutzungsplanung, Abfallbeseitigung und Wasserversorgung besitzt, beschäftigen. Von Interesse sind für mich auch die Ursachen und Auswirkungen der Eingemeindungen von Vororten in das Stadtgebiet von Frankfurt. 5.1.1 Probleme bei der Planung in der Region Nach Albert Speer [11]strebt man danach, eine europäische Metropole neuen Stils, eine sogenannte "polyzentrale Metropolregion" zu formen. Betrachtet man die Region, kommt man bald zu dem Schluss, dass dieses Ziel wohl bereits erfüllt ist, wenigstens was das Wirtschaftsgeflecht und die Siedlungsfläche betrifft. Die Region wird zwar als einheitlicher Wirtschaftsraum verstanden, was aber ihre politische und organisatorische Struktur betrifft, kann auf keinen Fall von einem einheitlichen Gebilde gesprochen werden. Auch bei dieser (polinukleonen) Agglomeration [12] verlaufen die Grenzen der Verwaltungseinheiten und somit den planerischen Zuständigkeiten auf allen Ebenen mitten durch die Siedlungsstruktur der Region, in ähnlichem Masse, wie bereits am Beispiel Basel diskutiert (abgesehen von der intronationalen Lage der Rhein-Main-Region). Hier überlappen sich auf oberster administrativer Ebene drei Bundesländer (Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern) und somit auch drei verschiedene, voneinander unabhängige Raumordnungsregionen. Die südhessische Planungsregion z.B. umfasst bereits einen grösseren Verwaltungsbereich als der hessische Teil der Rhein-Main-Agglomeration. Eine solche Planungsregion erarbeitet den Raumordnungsplan, welcher den Rahmen absteckt, in welchem sich die Kommunen und Kreise, z.B. bei der Ausscheidung von Wohnungs- und Gewerbeflächen, bewegen können. Den Gemeinden werden vom Raumordnungsplan sogar Vorgaben für den detaillierten Flächennutzungsplan gemacht, dem die einzelnen Bebauungspläne untergeordnet werden. Für die Regionalplanung im Rhein-Main-Gebiet sind das Regierungspräsidium Darmstadt und die Regionale Planungsversammlung Südhessen zuständig. Letzterer gehören 100 KommunalpolitikerInnen an, welche von den Kreistagen, den Stadtverordnetenversammlungen und dem Parlament des Umlandverbandes (siehe Kapitel 5.3) bestimmt werden, und welche in der Regel dreimal im Jahr tagen. Der Plan, der von dieser Versammlung aufgestellt wird, bedarf jedoch vor seinem Inkrafttretens der Zustimmung des Bundeslandes (Hessen), das seinerseits nicht an die Beschlüsse dieses Gremiums gebunden ist.
Eine organisationspolitische Besonderheit im Rhein-Main-Gebiet bildet der Umlandverband Frankfurt. Anstelle der geplanten Eingemeindungen, wie sie in der Vergangenheit (z.B. für Gross-Berlin oder auch in Frankfurt bis in die 70er Jahre) üblich waren, hat sich hier keine zentralistisch strukturierte Regionalstadt (vergl. Kapitel 5.2.11971)herausgebildet. In den Gremien des 1975 gegründeten Verbands sitzen Delegierte aller 43 Mitgliedsgemeinden, wobei die Kernstadt Frankfurt weniger als die Hälfte aller Delegierten stellt, um eine mögliche Dominanz der Metropole zu verhindern [Ronneberger, 1993]. Im folgenden Kapitel soll zuerst eine Übersicht der historischen Entwicklung sowie der Voraussetzungen zur Gründung des Umlandverbandes gegeben werden. 5.2.1 Die Entwicklung der interkommunalen Kooperation in der Region [13] Vorausschickend muss erwähnt werden, dass Frankfurt in seiner Stadtgeschichte zwei Besonderheiten aufweist: Zum Ersten erlebte die Stadt in der Gründerzeit nach der Reichsgründung 1871 einen wirtschaftlichen und sozialen Niedergang, da alle wichtigen politischen und administrativen Funktionen auf die Hauptstadt Berlin konzentriert wurden und in diesem Zuge auch die in Frankfurt beheimatete Rothschild-Bank 1901 ihren Hauptsitz zugunsten der neuen Hauptstadt aufgab. Diese multinationale Grossbank hatte für die Entwicklung der Frankfurter Region im letzten Jahrhundert die zentrale Rolle gespielt und die Stadt zu einem der damals wichtigsten Finanzzentren gemacht. Nach diesem Ereignis verlor auch die Frankfurter Börse an Bedeutung. In der Zeit, als die meisten europäischen Grossstädte ihren grössten Wirtschaftsboom und als dessen Folge eine starke Zuwanderung erfuhren, verfiel Frankfurt in einen ökonomischen Tiefschlaf. Dass die für europäische Städte typischen Gründerzeitviertel am Rande des (präindustriellen) Stadtkerns in Frankfurt relativ klein ist, liegt in diesem Tatbestand begründet. Die zweite Besonderheit betrifft die sehr frühe Suburbanisierung in der Frankfurter Region: In der Zeit der Industrialisierung fand kein explosionsartiges Wachstum der Kernstadt auf Kosten der Peripherie statt, wie dies andernorts der Fall war: In Hessen gilt die Realteilung der Landwirtschaft. Die in der Industrie geschaffenen Arbeitsplätze in der Stadt wurden grösstenteils von Teilzeitbauern besetzt, welche in der Stadt arbeiteten, ihr Land jedoch behielten und weiterhin im Umland wohnhaft blieben. Die daraus resultierenden starken Pendelströme wurden durch den massiven Ausbau des regionalen Verkehrsnetzes ermöglicht. Um die Jahrhundertwende wuchsen die Vorortsgemeinden nicht nur durch Zuwanderung entfernter Landbevölkerung, sondern zusätzlich durch die Stadtflüchtigen meist ehemalige Junggesellen, welche in die Stadt gezogen waren und nun im Zuge des Familienzyklus in die Vororte wechselten. Im Rhein-Main-Gebiet sahen sich damals die Planungsbehörden mit demselben Problem konfrontiert wie 50 Jahre später auch z.B. in Zürich. Die Idee für einen interkommunalen Verband oder zumindest einen Raumordnungsplan (von 50 km Radius um die Stadt Frankfurt) kam bereits in den 20er Jahren auf. 1929 wurde ein "Rhein-mainischer Regionalplanungsverband" unter dem Vorsitz des Frankfurter Oberbürgermeister gegründet, welcher als eine offene Arbeitsgemeinschaft, jedoch ohne weitergehende Kompetenzen agierte. Sein Ziel lag eher in der Wirtschaftsförderung als bei der koordinierten Siedlungsentwicklung und betraf "nur" die Grossstädte der Region. 1947-1950, als Frankfurt auch als neue Hauptstadt Deutschlands gehandelt wurde und sogar bereits einige bauliche Vorhaben zur Unterbringung von Ämtern und Ministerien in Angriff genommen wurden (das "Regierungsgebäude" beherbergt heute den Hessischen Rundfunk) begann der neue Aufschwung der Stadt. Auch nach dem Scheitern der Hauptstadtpläne, versuchte die Stadtregierung die Rolle Frankfurts als zentralen Ort auszubauen, indem sie sich bemühte, die "Bank Deutscher Länder" (Vorläufer der Bundesbank), den Buchhandel und die Rauchwarenindustrie, sowie AEG und Hoechst in der Stadt anzusiedeln mit Erfolg. 1962 ging man im Zuge der oben erwähnten Neuzentralisierung von einem Wachstum des engeren Untermaingebietes von 285'000 bis 360'000 EinwohnerInnen und 180'000 Arbeitsplätzen bis ins Jahr 1980 aus. Um diesen Boom planerisch leiten zu können, wurde als kommunale Arbeitsgemeinschaft die "Gesellschaft für Raumordnung" gegründet, welche jedoch auf freiwilliger Basis beruhte. 1965 erfolgte die Etablierung der Gesellschaft für Raumordnung als Zweckverband und Träger der Regionalplanung in der "Regionalen Planungsgemeinschaft Untermain" (RPU) zur Bewältigung der Suburbanisierungsprobleme. Dazu gehörten die Städte Frankfurt, Offenbach und Hanau, sowie die Landkreise Friedberg, Hanau, Obertaunus, Offenbach, Usingen und Teilgebiete von Dieburg und Maintaunus. 1970 wird das hessische Landesplanungsgesetz novelliert: Planungsgemeinschaften für das gesamte Land werden als Pflichtverbände aufgenommen und gebietlich abgegrenzt. Das Gewicht des ländlichen Raumes in der RPU wird dadurch verstärkt, dass die im Osten von Frankfurt gelegenen Landkreise Büdingen, Schlüchtern und Gelnhausen hinzukommen. Die Regionalplanung entfernte sich damit von dem Ursprungsgedanken, Ebene und Instrument zur Lösung von Stadt-Umland-Problemen zu sein. 1971 wurden von einer Arbeitsgruppe Stadtentwicklung und Regionalplanung des Magistrats der Stadt Frankfurt (insbesondere vom späteren Oberbürgermeister Möller) neue Überlegungen vorgestellt, da aus Sicht der Stadt Frankfurt die RPU für die Lösung der anstehenden Probleme unbefriedigend arbeitete, da sie lediglich (nach ihrer Erweiterung eher ländlich orientierte) Planungsaufgaben auf regionaler Ebene zu erfüllen hatte. Der sogenannte Möllerplan sah eine "Regionalstadt" vor, eine Konstruktion nach dem Muster von Berlin und Hamburg in zwei oder drei Ebenen: Das gesamte Gebiet der Regionalstadt (des heutigen Umlandverbandes ohne die Gebiete jenseits des Taunus) sollte in Bezirke unabhängig vom Verlauf der jeweiligen Stadtgrenzen unterteilt werden. Eine Art Senatsverwaltung hätte die interkommunale Finanz-, Investitions- sowie die Planungshoheit innegehabt, alle übrigen Aufgaben sollten im wesentlichen von den Bezirksstädten wahrgenommen werden. Diese Weltstadtidee wurde weiter untermauert durch die Planung einer erweiterten U-Bahn im Rahmen eines grossflächigen Personennahverkehrsnetzes. Die Regionalstadtidee scheiterte jedoch am Widerstand des Umlandes und den Frankfurter BürgerInnen, welche die negativen Auswüchse der Metropolenentwicklung bereits anhand der Zerstörung der Wohnviertel im Westend durch die Büronutzung erkennen konnten. Als Gegenmodell wurde im gleichen Jahr das "Stadtkreismodell", entstanden aufgrund einer Initiative des Kelkheimer Bürgermeisters Dr. Stephan, der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Stadtkreismodell sah zwei Verwaltungsebenen vor: Die Gemeindeebene und die Landkreisebene (der Stadtkreis sollte ähnliche Funktionen ausüben wie die Landkreise). Das Modell wurde insbesondere vom Hessischen Städtetag unterstützt. Die beiden letzten Modellvorschläge fielen in eine Zeit der Umstrukturierung: im Zuge der Gebietsreform wurden Kreise und Gemeinden mehr oder weniger freiwillig zusammengeschlossen, z.B. wurden auch einige Gemeinden im Norden Frankfurts in die Stadt eingemeindet. 1975 wird dann als Kompromissvorschlag der "Umlandverband Frankfurt" (UVF), ein Mehrzweckpflichtverband (sogenannter Zwick-Zwack-Verband) durch Landesgesetz gegründet (siehe Abbildung 5.1). Ihm wurden folgende Kompetenzen und Trägerschaftsaufgaben übertragen:
Wie bei der Regionalplanung ist die Vertretung der Stadt Frankfurt in den Gremien, insbesondere der Gemeindekammer ihrer (wirtschaftlichen und demographischen) Bedeutung nicht angemessen. Abbildung 5.1: Der Umlandverband Frankfurt als Teil des Regierungsbezirks Darmstadt. Quelle: Hessisches Landesvermessungsamt, Verwaltungsgrenzenausgabe, 1990. 1977 wurden die Aufgabenbereiche (zusammen mit 35 MitarbeiterInnen) der RPU-Verwaltung der Geschäftsstelle des UVF übertragen. Die Organisationselemente (Verbandsdirektor, Verbandsvorstand und Verbandsversammlung) blieben bis zur Auflösung der RPU 1981 bestehen 1981 wurden im Zuge der Novellierung des hessischen Landesplanungsgesetz die fünf Regionen des Landes auf drei reduziert und die Abgrenzung der Regionalpräsidien angeglichen. Die Region Südhessen wurde damit einiges grösser als die Rhein-Main-Region und damit endgültig nicht mehr eine Verwaltungsebene zur Lösung von Stadt-Umland-Problemen im Frankfurter Raum. Die Planungs- und Verwaltungsgeschäfte der RPU werden fortan vom Regierungspräsidenten übernommen. Eine Plenarversammlung entscheidet über die Aufstellung und Fortschreibung der Raumordnungspläne. Das Problem der Plenarversammlung als parlamentarisches Gremium besteht darin, dass die Delegierten aus Städten und Kreisen mit völlig unterschiedlichen Problemstellungen kommen, was aufgrund des Fehlens eines gemeinsamen Problemfeldes zur Motivationskrise führt. 5.2.2 Aufgaben und Organisation des Umlandverbandes Das Umlandverbandsgesetz vom 11.9.1974 stellte folgenden Aufgabenkatalog zur Bewältigung der Stadt-Umland-Problematik zusammen; nach dem Scheitern der Regionalstadtidee sollte zumindest ein starker Verband (einen Teil) der Aufgaben wahrnehmen:
Die Kompetenzen des Umlandverbandes sollten ursprünglich noch weiter reichen: Regionale Aufgabengebiete wie Bodenbevorratung, Errichtung und Betrieb von Schlachthöfen sowie die Abstimmung der Interessen der Energiewirtschaft und Krankenhausträgerschaft wurden fallengelassen. Der Umlandverband ist in seiner Körperschaft in drei Organe aufgeteilt: den Verbandsausschuss, den Verbandstag und der Gemeindekammer. Die Verwaltungsspitze des Verbandes bildet der 14-köpfige Verbandsausschuss unter der Leitung des Verbandsdirektors. Verbandstag und Gemeindekammer bilden die beiden parallelen parlamentarischen Gremien. Die 105 Abgeordneten des Verbandstages, welcher für den Flächennutzungsplan verantwortlich ist, werden direkt im Zuge der Kommunalwahlen vom Volk gewählt (Die Anzahl der ParlamentarierInnen ist proportional zur Bevölkerung), während die Gemeindekammer eine Delegiertenversammlung der VertreterInnen der 43 Städte und Gemeinden (je ein Abgeordneter / eine Abgeordnete) darstellt. Neben diesen offiziellen Organen verfügt der Umlandverband auch über eine in vier Dezernate eingeteilte Geschäftsstelle mit 190 MitarbeiterInnen. Die Finanzierung des Verbandes geschieht über die Städte und Gemeinden: 1988 wurden zum Beispiel von den Kommunen im Durchschnitt 13.85 DM pro EinwohnerIn erhoben. Im Durchschnitt deshalb, da bei der von den Kommunen zu entrichtenden Summe nicht nur von der jeweiligen EinwohnerInnenzahl ausgegangen, sondern auch die Wirtschaftskraft berücksichtigt wird. 5.2.3 Kritik am Umlandverband Da der Umweltverband den einen KritikerInnen anscheinend zu klein, den anderen zu schwerfällig wirkt, ist er umstritten: Er umfasst, wie wir gesehen haben, nur einen Teilbereich der Rhein-Main-Region, welche sich über drei Bundesländer und somit auch über drei verschiedene Raumordnungsregionen ausdehnt. Durch die räumliche Begrenzung des Umlandverbandes wird dessen Handlungsspielraum empfindlich eingeschränkt. Auf der anderen Seite wird seine komplizierte und fragmentierte Struktur kritisiert. Gewichtige wirtschaftliche und politische Akteure betrachten ihn als ein entscheidendes Hemmnis für die weitere Entwicklung Frankfurts. [14] In Anbetracht dieser Kritik sieht sich der Leser und die Leserin wohl mit einem gewissen Déjà-vu-Erlebnis konfrontiert: Obwohl politisch nicht gleichbedeutend, sind hier doch unmittelbare Parallelen zum vorher diskutierten Beispiel London nicht vom Tisch zu weisen.
Auf verschiedenen Ebenen werden wegen der Infragestellung des Umlandverbandes und auf der Suche nach einer Alternativregionalisierung konzentrierte Aktionen in die Wege geleitet zur Entwicklung von Denkmodellen zur künftigen Zusammenarbeit, wie die folgenden:
Die meisten dieser und weiterer Ideen zielen darauf ab, die Eigenverantwortung der Region und der Gemeinden durch eine kommunal verfasste Regionalplanung zu stärken. Am häufigsten diskutiert wird ein möglicher Regionalverband Rhein-Main auf der Basis des Umlandverbandes, jedoch territorial und inhaltlich besser organisiert. Dieser würde die regionalplanerischen Vorgaben liefern, aber auch selber regionale Aufgaben bewältigen, wie etwa den öffentlichen Nahverkehr, die Wasserversorgung (bisher Umlandverband) und eine Wirtschaftsförderung. Noch nicht geklärt ist die künftige Stellung der einzelnen Gemeinden in einem solchen Regionalverband: welche Einschränkungen bei der Reorganisierung der Planungsstruktur müssten sie entgegennehmen und in welchem Masse würden die Partizipationsmöglichkeiten der Bevölkerung noch geboten? [15] Das Hauptanliegen bei der Herstellung der Rhein-Main-Region und damit verbunden eines Regionalverbandes zielt vor allem darauf, die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Region gegenüber anderen Ballungsgebieten zu stärken, das Problem der sozialräumlichen Disparitäten wird kaum thematisiert. [16] Ein kohärentes Entwicklungskonzept für eine Restrukturierung der Region existiert jedoch noch nicht. Die Frankfurter GesellschaftswissenschaftlerInnen gehen, was die Zukunft der Rhein-Main-Regionalplanung betrifft, von vier konkurrierenden Entwicklungsvorstellungen aus, welche je von homogenen Gruppierungen getragen werden: [17]
Als Teil der polynukleonen Stadtregion Rhein-Main und gleichzeitig wichtigste Wirtschaftsmetropole des mitteldeutschen Raumes schwebt die Entwicklung Frankfurts zwischen regionaler Integration und Stärkung der Eigenständigkeit im Zeichen des Konkurrenzkampfes der Weltmetropolen. Bis in die 70er Jahre profitierte vor allem die Frankfurter Wirtschaft von der Bonn-gesteuerten Eingemeindungspolitik, der sogenannten Gebietsreform: Gemeinden, welche ein gewisses Minimum an Strukturausstattung (Schulen, Ver- und Entsorgung etc.) nicht bieten konnten, hatten sich entweder einer Stadt oder anderen Gemeinden anzuschliessen. Das hat dazu geführt, dass einerseits wichtige Industriezonen wie Hoechst in die Stadt einverleibt wurden und dass sich andererseits Gemeinden, welche in einigen Kilometern Entfernung voneinander lagen, zusammenschlossen, wenn sie gemeinsam die Erwartungen erfüllen konnten. Die Partizipation der Bevölkerung in diesen Fragen ist in Deutschland marginal, denn die Behörden bestimmen über die Zukunft ihrer Gebietseinheiten; die Auswirkungen ihrer Entscheide spüren sie erst indirekt bei der nächsten Wahl. Seit 1929 wird in der Region Rhein-Main nach Ansätzen zu einer koordinierten Planung der Region gesucht. Vor allem seit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt Frankfurt nach dem Zweiten Weltkrieg und unter zunehmendem Konkurrenzdruck im Kampf um metropolitane Zentralörtlichkeit im Netz der Weltstädte in den letzten 20 Jahren hat sich die Stadt mehr der Entwicklung der näheren Agglomeration zugewendet denn einer Integration in der Region. Die Idee, welche diesem Aspekt wohl am meisten Rechnung trug, war der Möllerplan und die damit verbundene Regionalstadt, wobei Frankfurt und seine Vororte in Bezirke unterteilt worden wären, und eine Senatsverwaltung die interkommunale Finanz- und Planungshoheit innegehabt hätte. Nach dem Scheitern dieses Planes und des Parallelvorschlages, dem Stadtkreismodell, wurde 1975 als Kompromissvorschlag der Umlandverband Frankfurt gegründet, welcher jedoch mit sehr geringen Kompetenzen ausgestattet wurde (Ver- und Entsorgung, Flächennutzungsplanung und Unterhalt von Freizeiteinrichtungen) und stets heftiger Kritik vor allem aus dem Lager der Wirtschaft, welches in ihm ein Entwicklungshemmnis sieht ausgesetzt ist. Das Umlandparlament wählt den Vorstand des Umlandverbandes und besteht momentan aus einer starken Koalition zwischen CDU und SPD. Die Grünen fordern seit geraumer Zeit die Abschaffung dieses Gremiums. Im Bereich der Neustrukturierung der Rhein-Main-Region lässt sich noch keine klare Tendenz abzeichnen, die Entwicklung weist aber deutlich auf einen stark wirtschaftlich ausgeprägten Weg hin: 1995 haben VertreterInnen von 50 Kommunen und Landkreisen den Verein zur "Wirtschaftsförderung Region Frankfurt/Rhein-Main e.V." gegründet. Sein Ziel ist es, die starren Verwaltungsstrukturen der Region zu überwinden, indem die beteiligten Institutionen die Anfragen ansiedlungswilliger Unternehmen austauschen und weiterleiten. Vertreten sind unter anderem die Industrie- und Handelskammern aus Darmstadt, Frankfurt, Offenbach und Wiesbaden, die Handelskammer Rhein-Main und die Vereinigung der hessischen Unternehmensverbände, die Flughafen AG und die Energieversorgung Offenbach AG. Die "Wirtschaftsinitiative Frankfurt Rhein-Main" will sich in die Strukturdebatten über Zuschnitt und Verwaltungsreform des Rhein-Main-Gebiets einmischen. Man plädiert v.a. für eine Stärkung der polyzentrischen Struktur der Region und lehnt ein Gross-Frankfurt mit weiteren Eingemeindungen ab. Die Initiative setzt sich jedoch auch für regionale Kulturförderung ein und versucht mittels einer Werbekampagne auch Investoren aus dem Ausland anzulocken. Vertreten sind neben drei Grossbanken, der Hoechst AG und Siemens auch die Deutsche Bahn und der Flughafen Rhein-Main. Neben diesen wirtschaftlichen, eher privatrechtlichen Verbänden ist vor allem noch der 1995 in Betrieb genommene Rhein-Main-Verkehrsverbund zu nennen. Dieser gilt als flächenmässig grösster seiner Art in Europa und strebt eine effiziente Regulation der regionalen Verkehrsströme an. Die Gründung eines Regionalverbandes Rhein-Main, welcher die Aufgaben des Umlandverbandes Frankfurt in umfangreicherem Mass und für die gesamte Region übernehmen soll, ist noch nicht abzusehen. Der am konkretesten verfasste Ansatz ist hier wohl der sogenannte "Jordanplan": Der Arbeitskreis um den ehemaligen hessischen Landesentwicklungsminister Jordan (SPD) sieht eine Stärkung der Gemeinden in einem Regionalverband durch Zuweisung zusätzlicher Aufgabenbereiche und Kompetenzen vor. Die hoheitlichen Kompetenzen des heutigen Umlandverbandes, der Landkreise und des Regierungspräsidiums Darmstadt würden auf die Kommunnen sowie auf den Regionalverband aufgeteilt werden. Der Regionalverband soll demokratisch durch ein Parlament gewählter Abgeordneter und eine Gemeindekammer kontrolliert werden. Dieser Plan wird auch vom Arbeitskreis der Hochtaunus-SPD und dem Planungsdezernat der Stadt Frankfurt unterstützt. Fussnoten: [1] Siehe dazu: Frey, R.L. (1990): Städtewachstum-Städtewandel. Basel, Frankfurt: Helbing & Lichtenhahn. S.21. [2] Siehe auch: C.J. Haeflinger: Die Regio Oberrhein - Ein Modell in Europa! Ein Modell für Europa? in: Wirtschaft am Oberrhein, Neckarzimmern, 1995. [3] Auflistungen nach Werder 1994. [4] RBB 1996. [5] Siehe auch: INTERREG-Vorlage an den Landrat des Kantons Basel-Landschaft vom 19. Sept. 1995. [6] Das beste Beispiel dazu ist wohl die 1990 auf Initiative von Mulhouse und Freiburg gegründete Bürgermeisterkonferenz, welche sich nie richtig ins Bewusstsein breiter Kreise zu rücken vermochte und nun kurz vor ihrer Auflösung steht. [7] Vergleiche Rossé 1992. [8] Siehe Weber 1982. [9] Cueni 1995. [10] Zahlen nach einer offiziellen Schätzung des statistischen Amtes 1987. [11] Speer, A.: Zielvorstellungen für die Gestaltung des engeren Verdichtungsraumes Rhein-Main zum Jahr 2000 und Handlungsstrategien zur Verwertung, Frankfurt, 1990. [12] Vergleiche auch Amsterdam, Kapitel 3.1. [13] Nach Rautenstrauch 1990. [14] ZAS 1993, S.312. [15] Nach Ronneberger 1993, S.42. [16] Ab Januar 1997 wird sich eine gesellschaftswissenschaftliche Studie der J.W.Goethe-Universität unter Prof. Dr. Siegel mit der Thematik "Regionale Entwicklungsmodelle und sozialräumliche Disparitäten. Zur Um- und Neubewertung des Rhein-Main-Gebietes" auseinandersetzen. [17] Nach: Antrag auf Gewährung einer Sachbeihilfe: Ziele und Arbeitsprogramm. Prof. Dr. Tilla Siegel, 1996. Last update: 03 Feb 15 |
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