Demokratie am Arbeitsplatz unter dem Regime des Neuen Kapitalismus

Carin Raggenbass-Malloth

September 2006

 

„Ich frage mich, warum es über die dramatischen Folgen der modernen Arbeitsorganisation keine öffentliche Debatte gibt.“

Richard Sennett in DIE ZEIT vom 26.11.1998


 Inhaltsverzeichnis 

1. EINLEITUNG

2. „NEUER KAPITALISMUS“ UND „DEMOKRATIE AM ARBEITSPLATZ“ – VERSUCH EINER BEGRIFFSKLÄRUNG

2.1 Neuer Kapitalismus
2.2 Demokratie am Arbeitsplatz

3. DIE KONZEPTION DER „DEMOKRATIE AM ARBEITSPLATZ

3.1 Zu den Anfängen
3.2 Zum Postulat der Gleichberechtigung
3.3 Zum Postulat des Entfremdungsabbaus
3.4 Zum Postulat der Emanzipation
3.5 Zur aktuellen Forderung des Bürgerstatus am Arbeitsplatz

4. DEMOKRATIE AM ARBEITSPLATZ HEUTE

4.1 Die rechtliche Situation in Europa

4.1.1 „Vorreiter“ Deutschland
4.1.2 „Sonderfall“ Schweiz

4.2 Die Grundproblematik der Gewerkschaften
4.3 Die Strategien der Arbeitgeber

5. EINFLUSS DES NEUEN KAPITALISMUS AUF DIE DEMOKRATIE AM ARBEITSPLATZ AM BEISPIEL DER FLEXIBILISIERUNGSSTRATEGIE

5.1 Zum Begriff der „Flexibilität“
5.2 Flexibilität als neues Machtsystem

5.2.1 Diskontinuierlicher Umbau der Institutionen
5.2.2 Flexible Spezialisierung der Produktion
5.2.3 Konzentration der Macht ohne Zentralisation
5.2.4 Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse

5.3 Vor- und Nachteile der Mitbestimmung für die Durchsetzung der Flexibilisierungsstrategie
5.4 Zusammenfassung

6. ZUKUNFTSSZENARIO: DIE MODERNE ARBEITSPLATZDEMOKRATIE IN EINER FLEXIBILISIERTEN ARBEITSWELT

6.1 Leitwerte Freiheit und Demokratie
6.2 Adaptiertes Arbeitsrecht
6.3 Menschenrechte und Bürgerstatus auch am Arbeitsplatz
6.4 Direkte und indirekte Beteiligung
6.5 Arbeit und Kapital als gleichberechtigte Partner
6.6 Arbeitsplatzdemokratie und Flexibilisierung als Tandem

7. ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNG

LITERATURNACHWEIS


1. EINLEITUNG

In einer Zeit, in der auf der einen Seite Entlassungen, Angst vor Arbeitsplatzverlust, zunehmende Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse und auf der anderen überrissene Managerlöhne und riesige Unternehmensgewinne tagtäglich öffentliches Thema sind; in der Schlagworte wie „Globalisierung“, „Flexibilisierung“, „Deregulierung“, „Sozialabbau“ den wirtschaftlichen Diskurs regieren, mag die Frage nach Demokratie am Arbeitsplatz schon beinahe anachronistisch, ja geradezu weltfremd erscheinen.

Denn was nützt Demokratie am Arbeitsplatz, wenn es diesen gar nicht mehr gibt und wie soll Demokratie am Arbeitsplatz funktionieren, wenn die Angst vor dessen Verlust wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen schwebt? Demokratie am Arbeitsplatz – wie auch immer man sie definieren mag (vgl. dazu II.2), insinuiert in jedem Fall eine Art von Mitsprache bei der Arbeit. Und eben die scheint unter den angetönten Umständen wohl eher Teil der luxuriösen und damit keineswegs unverzichtbaren Seite des Arbeitsverhältnisses zu sein.

Andrerseits wäre die Frage nach Demokratie am Arbeitsplatz gerade heute von grösster Bedeutung. Im Gefolge der genannten Schlagworte ist sie jedoch fast vollständig untergegangen. Seitens organisierter Arbeitnehmervertretungen sind nebst den aktuellen Problemen wie Entlassungen, Arbeitszeitregelungen, Tarifverhandlungen u.ä. offensichtlich keine Kapazitäten für die Weiterentwicklung der Mitbestimmungsthematik mehr vorhanden; seitens Arbeitnehmerschaft fehlt begreiflicherweise und aus verschiedensten Gründen [1] die Motivation dazu.

Im Gegensatz dazu schreitet das neue kapitalistische Regime, nach dem Niedergang des Sozialismus völlig ohne Konkurrenz, sehr motiviert voran. Und während die Arbeitnehmervertretungen noch die einzelnen Wunden zu verbinden suchen, haben die Arbeitgeber längst auf globalem Niveau eine neue Wirtschaftsordnung eingeläutet, in der die klassische Arbeitsbeziehung und der damit erkämpfte Erfolg der Lohnarbeit zunehmend in die Peripherie abzugleiten droht.
Die Relevanz des Themas liegt auf der Hand und wir möchten versuchen, einige der Fragen, die es beinhaltet, mit der vorliegenden Arbeit zu beantworten. Ziel ist es, die aktuelle Lage von Demokratie am Arbeitsplatz sowie die möglichen Folgen des neuen Kapitalismus für die demokratische Arbeitsplatzorganisation aufzuzeigen und sie zum Schluss in einen gesamtgesellschaftlichen Rahmen zu stellen. Mangels aktueller empirischer Studien zum Thema [2] liegt das Schwergewicht auf einer theoretischen, sozialrechtlichen Ebene. In einem ersten Schritt werden in Kapitel 2 die Begrifflichkeiten geklärt; Kapitel 3 befasst sich mit der Grundkonzeption von Demokratie am Arbeitsplatz; in Kapitel 4 folgt eine Bestandesaufnahme der heutigen Situation, mit Schwerpunkt auf die deutschsprachigen Länder; Kapitel 5 versucht den Einfluss des neuen Kapitalismus auf die Demokratie am Arbeitsplatz am Beispiel der „Flexibilisierung“ aufzuzeigen und Kapitel 6 schliesslich skizziert ein Zukunftsszenario der modernen Arbeitsplatzdemokratie.

Inhalt


2. „NEUER KAPITALISMUS“ UND „DEMOKRATIE AM ARBEITSPLATZ“ – VERSUCH EINER BEGRIFFSKLÄRUNG

2.1 Neuer Kapitalismus

Griffige Definitionen für den „neuen“ Kapitalismus lassen sich keine finden, aber immerhin konstante Begleiter wie Globalisierung und in deren Gefolge die Standortdebatte, Deregulierung, Shareholder value, neues Akkumulationsregime und Flexibilisierung. Letztes ist für Richard Sennett das hervorstechendeste Merkmal des „neuen“ Kapitalismus. Er nennt ihn deshalb bewusst den „flexiblen“ Kapitalismus (1999, S. 10) und sieht ihn ihm nicht nur eine simple Mutation eines alten Themas – wie das bisher der Fall war – sondern ein neues „Machtsystem“, welches sich dem Menschen nur nach und nach als solches zu erkennen gibt, sofern es überhaupt je als solches zu durchschauen ist. Ein System, das den Maximen Kurzfristigkeit, Risikofreudigkeit, Regelunabhängigkeit und Informalität gehorcht. Mit der Betonung der Flexibilität werde zunehmend die Bedeutung der Arbeit selbst verändert und da diese konstitutives Element der persönlichen Identität ist, letztendlich auch der Charakter des Menschen. Das neue, flexible System gibt vor, mehr Raum für Gestaltung zu lassen. In Tat und Wahrheit jedoch sind lediglich neue, schwerer zu durchschauende Kontrollen und Regeln entstanden, die jedoch, weil als „Challenge“ und „Incentive“ verkleidet, nur selten als solche wahrgenommen werden. (Vgl. Sennett, 1999, S. 58.)

Auch Boltanski/Chiapello (2003) äussern sich in ihrer Studie „Der neue Geist des Kapitalismus“ ähnlich: Berufssicherheit, Planbarkeit von Karrieren sowie verlässliche Strukturen werden aufgelöst und durch undurchsichtige Netzwerke ersetzt. Das Paradoxe am neuen Kapitalismus sei zudem, dass er im Grunde ursprüngliche Veränderungswünsche respektive Kritik seitens Arbeitnehmender wie z.B. nach mehr Freiheit, Autonomie, Kreativität, Mitverantwortung am Arbeitsplatz aufgenommen, diese aber eigenmächtig für seine Zwecke umgestaltet habe – die ehemals positiv besetzten Termini kommen nun in neuem kapitalistischen Gewand daher und heissen u.a. Flexibilisierung, Employability oder Empowerment. Managementkonzepte, mit denen versucht wird, den Arbeitnehmenden die neuen Unternehmenspraktiken schmackhaft zu machen. Die aber, aufgrund der völlig veränderten sozialen Lage, die zunehmend Wirtschaft vor Gesellschaft stellt, auch massive Auswirkungen auf die gesamte Konstruktion der Gesellschaft haben. Die soziale Realität wird sukzessive ökonomisch uminterpretiert, auf dass sie mit der neuen Konzeption des Kapitals kompatibel werde. Oder in letzter Konsequenz und mit den Worten von Michel Albert: „Nous sommes entrés dans la troisième phase [du capitalisme] qui est celle du capitalisme à la place de l’’Etat [3] (1999, S. 293).

Zusammenfassend könnte man sagen, dass es der neue Kapitalismus dank Globalisierung und neuen Technologien geschafft hat, einen Paradigmenwechsel innerhalb der Gesellschaft herbeizuführen. Die vormaligen Grundpfeiler des Gesellschaftsvertrags, sozial gerechte Lebens und Arbeitsverhältnisse, die nicht zuletzt auch Grundstock seines Erfolgs waren, sind am Bröckeln und eine Ersatz ist nicht in Sicht. Die Kraft des neuen Kapitalismus zur weltweiten Durchsetzung wurzelt ja gerade darin, dass er sein Denksystem nie ausformulieren musste und in diesem Sinne auch gar keinen Ersatz anbieten kann (vgl. Forrester, 1998, S. 59-80).

Inhalt

2.2 Demokratie am Arbeitsplatz

Die Grundbedeutung von Demokratie liegt in der „Volksherrschaft“, d.h. in einer Herrschaftsform, bei der die Machtausübung bei allen Bürgern und Bürgerinnen einer Gemeinschaft liegt. Eine grundlegende Voraussetzung für Demokratie ist gemäss Aristoteles die Freiheit. Wesentliches Element der Freiheit wiederum ist der Umstand, dass man wechselweise beherrscht wird und selber herrscht und dass man so leben kann, wie man will - im Unterschied zur Sklaverei. Da dies nicht immer möglich ist, soll es mindestens wechselseitig geschehen, nach der Art von Herrschen und Beherrscht werden (vgl. Schmidt, 1997, S. 26.)
In diesem Sinne dürfte also auch am Arbeitsplatz strenggenommen erst dann von Demokratie gesprochen werden, wenn obige wesentlichen Forderungen erfüllt werden. Das möchten wir im folgenden denn auch tun. Wohlwissend, dass diese Art von Demokratie am Arbeitsplatz gerade im Hinblick auf die Freiheitsforderung praktisch nie erreicht wird. Sie soll jedoch mindestens als Idealvorstellung über den aktuellen demokratischen Errungenschaften am Arbeitsplatz, im Betrieb, im Unternehmen [4] schweben. Unter idealer Demokratie am Arbeitsplatz wäre demnach gleichberechtigte Teilhabe auf allen Ebenen und in allen Bereichen seitens Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zu verstehen.

Im deutschsprachigen Raum wird eher selten von Demokratie, dafür umso mehr von „Mitbestimmung“ gesprochen, da sie seitens Gewerkschaften als wesentlichstes Vehikel zur Demokratisierung der Wirtschaft angesehen wird. Je nach dem wie das Konzept der Mitbestimmung ausgestaltet ist, kommt es der ursprünglichen Idee von Demokratie aber nahe (vgl. Kap. IV). Das „Amöbenhafte“ [5] , das der Demokratie generell anhaftet, bleibt aber auch der „Mitbestimmung“ erhalten, da auch hier jeweils ein unterschiedlich breites Spektrum von Mitbestimmungsformen mitgemeint sein kann. [6]

Die Termini „Mitwirkung“ und „Beteiligung“ erscheinen vielfach als Oberbegriff für Partizipationsformen verschiedenster Natur: aktive, passive, direkte, indirekte – so schliessen sie z.B. das einfache Recht auf Information (=passiv, direkt oder indirekt, ohne Mitentscheidungsrecht) ebenso ein wie das Mitbestimmungsrecht auf Unternehmensebene (aktiv, direkt, mitentscheidend).

Zusammenfassend lassen sich unter Demokratie am Arbeitsplatz somit je unterschiedliche Grade von Mitwirkung auf verschiedenen Funktionsebenen und für unterschiedliche Geltungsbereiche subsumieren. Ferner lassen sich persönliche/direkte sowie organisierte, institutionelle/indirekte Mitwirkungsformen unterscheiden. Insgesamt wird Demokratie am Arbeitsplatz auch als Teil der Humanisierung der Arbeitswelt begriffen (vgl. Gärtner/Luder, 1979, S. 97-100). Dazu gehören nebst rechtlichen Normen selbstredend auch firmeninterne Regelungen, die ohne gesetzliche Handhabe Formen von Mitwirkung und Mitbestimmung zulassen. Da diese jedoch sehr volatil sein können und empirisch umfassend nicht belegt sind, beschränken wir uns in dieser Arbeit auf die gesetzlich geregelte Mitbestimmung, denn hier lassen sich Veränderungen wie sie als Folge des flexiblen Kapitalismus auftreten können, deutlicher aufzeigen. Nachfolgende Graphik dient der Veranschaulichung des Gesagten.

Inhalt


3. DIE KONZEPTION DER „DEMOKRATIE AM ARBEITSPLATZ“

3.1 Zu den Anfängen

Die Forderung nach Mitbestimmung am Arbeitsplatz ist so alt wie die Industrialisierung selbst. Es waren Frühsozialisten wie z.B. Robert Owen, die sich als erste der Thematik annahmen. Owen (1771-1858) versuchte zu beweisen, dass man auch mit humanen Arbeitsbedingungen Erfolg haben kann. In der langfristigen Umsetzung scheiterten zwar viele seiner Ideen, der Grundgedanke jedoch wurde weitergetragen, so u.a. die Vorstellung, dass die Arbeitskraft selbst einen Kapitalwert darstelle und entsprechend zu behandeln sei. Auch das Fabrikgesetz von 1819 und die Entstehung der Gewerkschaftsbewegung gehen auf Owen zurück.

Einen weiteren, wichtigen Beitrag lieferte die katholische Soziallehre mit ihrer Enzyklika Rerum Novarum im Jahre 1891. Grundannahme hier war ebenfalls, dass auch Arbeit ihren Wert habe und deshalb nicht nur das Kapital allein alle Macht ausüben dürfe. Papst Leo XIII plädierte mit seinen Ausführungen „Zur Arbeiterfrage“ für Kooperation zwischen Kapital und Arbeit anstelle von Klassenkampf. Er war keineswegs für eine Verstaatlichung des Eigentums, jedoch dafür , dass ein jeder das Recht auf Eigentum habe, also auch der einfache Arbeiter. Kapital ohne Arbeit sei wertlos, allein schon deshalb gebiete es der Anstand, dass die Produktionsmittelbesitzer auch dem Arbeiter die Chance böten, zu einem kleinen Eigentum zu kommen und damit seiner Emanzipation zu dienen. Besitz und gerechter Gebrauch desselben seien in der katholischen Lehre die zwei Seiten der gleichen Medaille.

Mit der Mitbestimmungsforderung wurde und wird somit insbesondere ein Ziel verfolgt: Zunehmende Gleichberechtigung von Arbeit und Kapital und damit verbunden Emanzipation und Entfremdungsabbau.

Inhalt

3.2 Zum Postulat der Gleichberechtigung

Arbeit hat - ebenso wie Kapital - einen entscheidenden Anteil am Produktionsergebnis.
Gleichberechtigte Teilhabe hätte zur Folge, dass die Arbeit des Arbeitnehmers und der Arbeitnehmerin ebenso am Unternehmen beteiligt wäre wie das Kapital des Arbeitgebers, d.h. das Machtgefälle zwischen Arbeit und Kapital würde aufgehoben, Entscheidungen würden gemeinsam getroffen. So bedeutet Mitbestimmung oder eben Demokratie am Arbeitsplatz in letzter Instanz denn auch: “[...] gleichberechtigte Teilhabe (Partizipation) auf allen Ebenen des Unternehmensgeschehens [...]“ (Sonderegger, 1979, S. 2).

Mit der Mitbestimmung eröffnet sich dem Arbeitnehmer die Chance, ohne Produktionsmittel- bzw. Realkapitalbesitz wirtschaftlichen Einfluss auszuüben. Oder - um es mit den bereits eingeführten Termini (vgl. II.2) auszudrücken - es würde wechselseitig geherrscht. Dies erklärt die Bedenken der Arbeitgeber resp. Kapitaleigner, die naturgemäss wenig erbaut sind von einer Idee, die ihre aus Kapitaleigentum abgeleiteten Rechte einschränken würde. In der Folge wurden und werden denn auch bereits kleinste Forderungen immaterieller Natur [7], die in Richtung Mitbestimmung zielen, insbesondere, wenn diese rechtlich abgesichert würden, in vielen Ländern Europas aufgrund der bestehenden Herrschaftsstrukturen erfolgreich abgeblockt.

Inhalt

3.3 Zum Postulat des Entfremdungsabbaus

Nach Marx produziert der Arbeiter, der seine Arbeitskraft verkauft, nicht mehr für sich selbst, sondern für den Produktionsmittelbesitzer, d.h. für das Kapital. Er entfremdet [8] sich so von seinem Produkt und von seinen Mitmenschen. Durch zunehmende Arbeitsteilung wird auch der Produktionsprozess selbst noch zerlegt, was zusätzliche Distanz resp. Entfremdung schafft. Der Arbeiter wird zum Rädchen im Getriebe ohne Einfluss und Übersicht über die Gesamtzusammenhänge. Entfremdete Arbeit führt zwangsläufig zur Unmöglichkeit, sich selber zu verwirklichen.

Die durch fremde Verwertung und zunehmende Differenzierung hervorgerufene Entfremdung lässt sich zwar nicht mehr aufheben, aber immerhin abbauen durch entsprechende Veränderungen in den Besitz- und Produktionsverhältnissen. Ersteres ist wie gesehen schwieriger als das Zweite, welches sich durch entsprechende „humanisierende“, in diesem Fall identitätsstiftende Massnahmen realisieren lässt. Ein Maximum an Entfremdungsabbau wäre dann erreicht, wenn der Mensch im grösstmöglichen Ausmass partizipativ in das Entscheidungsgeschehen am Arbeitsplatz, im Betrieb und im Gesamtunternehmen eingebunden ist. So würde die vielfach als sinnlos wahrgenommene Arbeit durch ihre Einbettung in grössere Zusammenhänge wieder mit Sinn gefüllt, Herrschaftsstrukturen würden aufgelöst, Befehle durch Diskurs ersetzt usw.. In letzter Konsequenz wäre damit eine Umgestaltung der Entscheidungsordnung und der Eigentumsordnung verbunden. (vgl. Gärtner/Luder, 1979, S. 65-77.)

Festzuhalten bleibt, dass das Entfremdungsphänomen als Erkenntnisgegenstand der marxistischen Theorie für die orthodoxe Markttheorie nicht existiert und demzufolge auch nicht als Problem des Arbeitnehmers und der Arbeitnehmerin erfasst wird; Selbstverwirklichung und Aufgehen in der allgemeinen Wohlfahrt geschieht auf dem freien Markt automatisch als Ergebnis vollkommener Konkurrenz (Gärtner/Luder, 1979, S. 73).

Inhalt

3.4 Zum Postulat der Emanzipation

Demokratische Strukturen würden helfen, dass ein jeder und eine jede sich entwickeln kann, indem er und sie an der Entscheidung öffentlicher Angelegenheiten teilnimmt (vgl. Schmidt,1997, S.40) oder wie es der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in seiner Konzeption von 1984 übertragen auf den Arbeitsplatz formuliert: „ [Mitbestimmung am Arbeitsplatz soll beitragen,] den Arbeitnehmern einen wirksamen Einfluss auf die Gestaltung ihrer eigenen Arbeit einzuräumen und damit ihr Selbstbewusstsein und ihre Selbstverwirklichung fördern“ (Gesa Müller, 2003, S. 143). Der Emanzipationsgedanke für den Arbeitsplatz ist eng verknüpft mit der Rolle der Arbeitnehmer als Staatsbürger. Bereits John Stuart Mill (1806-1873) sah „worker ownership“ und „control of the workplace“ als wesentliches Element für die vollständige Entwicklung als eigenständige Persönlichkeit (vgl. Schweizer, 1995, S. 362). Während ihm im politischen Bereich die volle Souveränität als einzigartiges Subjekt zugestanden wird, muss er sich im Arbeitsbereich vollständig unterordnen und wird zum reinen Objekt degradiert. Eine Gleichung, die letztendlich nicht aufgehen kann: Entweder das politische Subjekt rebelliert am Arbeitsplatz oder das arbeitende Objekt bleibt auch Objekt in der Politik. So findet sich in Vilmars Studie „Mitbestimmung am Arbeitsplatz“, unter Berufung auf Alexis de Tocqueville (1805-59), folgender Schlüsselsatz: „ [...] Von einem Menschen, der in seinem Betrieb gezwungen wird, Objekt und passiver Befehlsempfänger zu sein, kann nicht erwartet werden, dass er als verantwortlicher Staatsbürger eine demokratische Gesellschaft mitträgt und mitgestaltet“ (1971, S. 53). [9]

Inhalt

3.5 Zur aktuellen Forderung des Bürgerstatus am Arbeitsplatz

Heute mehr noch als früher muss Demokratie am Arbeitsplatz in engem Zusammenhang mit Demokratie auf Staatsebene gesehen werden. Es ist nicht einzusehen, weshalb dort, wo der Mensch einen Grossteil seiner wachen Zeit verbringt, wo wesentliche Sozialkontakte stattfinden, wo Identität mitgebildet und über den Status in der Gesellschaft entschieden wird, eben dieser Mensch keinerlei oder nur marginalen Einfluss auf die Ausgestaltung der Verhältnisse nehmen kann; weshalb Demokratie und Freiheit – die oft zitierten Grundpfeiler der westlichen, modernen Gesellschaften - vor den Unternehmenstoren halt machen sollen, nur weil die Konzeption des neuen Kapitalismus eine entsprechende Ausweitung nicht vorsieht. Die Zweiteilung in einen freien, mündigen, stimmberechtigten Bürger auf der einen und einen unmündigen, abhängigen, nichtteilhabenden Arbeitnehmer auf der anderen Seite ist in einer modernen Gesellschaft wahrhaft ein Paradoxon.

So plädiert denn auch der deutsche Staatsrechtler und Politiker Carlo Schmid für eine umfassende „gesellschaftliche“ Demokratie. Er fragt sich, wie infolge Weisungsbefugnis seitens Arbeitgeber, „von den Angehörigen der Betriebe Gehorsam verlangt werden kann, ohne dass der Betriebsinsasse das Recht hat, die Lebensordnungen im Betrieb mitzubestimmen. ... Demokratie als eine den ganzen Bereich des Staates überwölbende Lebensform, wird unglaubhaft, wenn dort, wo unzählige Bürger den Schwerpunkt ihrer Existenz haben, sie ohne den Schutz einer von ihnen gewählten Interessevertretung bleiben sollen“ (Schmid, 1972, zit. nach Sonderegger, 1979, S. 130).

Die Autoren der Studie „Arbeit 2000“ sehen als Orientierungspunkt für die normative Gestaltung des zukünftigen Arbeitsverhältnisses ebenfalls klar die Anerkennung eines „generalisierten Status der Beschäftigten als Bürger und Bürgerinnen im Betrieb“. Eine „demokratisch modernisierte Gestaltung der Arbeitsbeziehung“ ist in deren Augen produktionsstrukturell vielfach möglich, scheitere aber oft an der Trägheit der Leitungsebene und an der Resistenz der unteren Vorgesetzten, welche die Machteinbussen zuallererst zu spüren bekämen. (Matthies et al. 1994, S. 248 ff.).

Inhalt


4. DEMOKRATIE AM ARBEITSPLATZ HEUTE

4.1 Die rechtliche Situation in Europa [10]

Im europäischen Verfassungsprozess bildet die Arbeitnehmerbeteiligung ein Dauerthema. Im Sinne von Anhörung und Unterrichtung wurde sie bereits 1961 in Artikel Zwei der Europäischen Sozialcharta verankert; 1989 erneut in der Charta der sozialen Grundrechte von Arbeitnehmern (Punkte 17 und 18, die auch ein Mitwirkungsrecht vorsehen) sowie im Jahr 2000 in Artikel 27 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Auch im Europäischen Verfassungsentwurf ist vorgesehen, das Recht auf Information und Konsultation am Arbeitsplatz als ein Grundrecht von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gesetzlich zu verankern (vgl. Kluge, 2006).

In der Realität jedoch gibt es zwischen den einzelnen Ländern sehr grosse Unterschiede, von einer Harmonisierung der Arbeitnehmerbeteiligung in Europa kann noch keine Rede sein. Die meisten der 25 EU-Mitgliedsländer kennen gesetzliche Regelungen für Arbeitnehmerbeteiligung, sei es auf Niveau Arbeitsplatz, Betrieb oder aber an der Unternehmensleitung. In 18 von 25 Ländern ist eine Arbeitnehmerbeteiligung auf Unternehmensebene garantiert. [11]

4.1.1 „Vorreiter“ Deutschland

Deutschland verfügt zurzeit innerhalb Europas über das am besten ausgebaute, d.h. rechtlich institutionalisierte Netz an Mitbestimmungsmöglichkeiten für Mitarbeitende. Seit 1951 existiert das Montanmitbestimmungsgesetz, das den Arbeitnehmern in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen- und Stahlindustrie Mitbestimmungsrechte einräumt. 1952 wurde das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verabschiedet, welches in den Jahren 1972 und 2001 revidiert wurde. Dieses Gesetz regelt die institutionalisierte Mitbestimmung im Betrieb, d.h. diejenige via Betriebsräte. Mit der Revision von 2001 sollte insbesondere die Mitbestimmung in kleinen und mittleren Betrieben, welche inzwischen auch in Deutschland infolge Tertiarisierung einen immer grösseren Anteil in der Gesamtwirtschaft stellen, gestärkt werden [12]. 1976  wurde das Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) verabschiedet, dass den Arbeitnehmern aller Branchen [13]  ein paritätisches Mitbestimmungsrecht im Unternehmen, d.h. auf Aufsichtsratsebene einräumt. Die Vertretung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen kann hier direkt aus der Arbeitnehmerschaft rekrutiert werden, ohne Umweg über Betriebsräte. Das Gesetz gilt jedoch erst ab einer Unternehmensgrösse von 2000 Mitarbeitern.

Sämtliche Vor- und Nachteile des deutschen Modells zu evaluieren würde den Rahmen dieser Arbeit und auch die Sachkenntnis der Schreibenden sprengen, festzuhalten ist jedoch, dass dieses Modell von den Nachbarländern immer wieder als äusserst fortschrittlich gelobt wird. Die in IV.2 beschriebene Grundproblematik trifft aber selbstredend auch hier oder eben gerade hier zu: Eine Ausweitung der Mitbestimmung, wie sie für den Aufsichtsrat existiert, auf Betriebsebene und auf Arbeitplatzebene ist bis dato nur selten erfolgt, d.h. den Arbeitnehmenden fehlen nach wie vor individuelle, direkte Einflussmöglichkeiten.

Am 30. August dieses Jahres wurde in Berlin unter dem Slogan „Demokratisierung der Wirtschaft“ das 30jährige Jubiläum des deutschen Mitbestimmungsgesetzes gefeiert. Bundeskanzlerin Merkel lobte die Mitbestimmung ausdrücklich als erfolgreichen und konstitutiven Teil der Sozialen Marktwirtschaft, fügte jedoch an, sie müsse im Hinblick auf die Herausforderungen der Globalisierung „flexibler“ gestaltet werden – im Originalton: „Nur wer zu Veränderungen bereit ist, kann die Substanz dessen erhalten, was erhaltenswert ist“ (Regierung Online, 2006). Zurzeit ist die Deutsche Mitbestimmungskommission unter der Leitung von Kurt Biedenkopf daran, Vorschläge für eine Weiterentwicklung zusammenzutragen, welche der Regierung bis Ende 2006 vorgelegt werden sollen. Das Schicksal der deutschen Mitbestimmung unter dem neuen Machtsystem wird sich dann entscheiden.

4.1.2 „Sonderfall“ Schweiz

In der Schweiz – der traditionellen Hochburg politischer Demokratie – sind die Instrumente der Arbeitsplatzdemokratie interessanterweise nur sehr rudimentär ausgebildet. 1976 wurde eine Initiative zur Mitbestimmung auf Betriebs- und Unternehmensebene sowie der Gegenvorschlag der Bundesversammlung für die Betriebsebene allein vom Schweizer Volk in Bausch und Bogen verworfen [14]. Seit 1994 ist nunmehr ein äusserst schwaches Mitwirkungsgesetz [15] in Kraft, dass den Arbeitnehmern das Recht auf Information, Anhörung und gegebenenfalls Mitberatung auf Betriebsebene zugesteht. Schweizerische Arbeitnehmervertretungen, sofern es sie überhaupt gibt, haben deutlich weniger Rechte als beispielsweise deutsche Betriebsräte, insbesondere können sie keine eigene Auffassung durchsetzen oder eine bestimmte Entscheidung erzwingen (Muri, 2006). Kurz: Rechtlich abgesicherte und damit dauerhafte Mitbestimmung am Arbeitsplatz ist in der Schweiz schlicht inexistent. Die Diskrepanz zwischen Bürgerstatus, mit der Möglichkeit der direkten Einwirkung und Arbeitnehmerstatus tritt hier somit am virulentesten zutage.

Inhalt

4.2 Die Grundproblematik der Gewerkschaften

Nebst der bereits genannten, verbreiteten Aversion gegen Mitbestimmung seitens Arbeitgebern [16] existiert ein zweites Grundproblem, das bis dato einer Verbreiterung von Demokratie am Arbeitsplatz entgegensteht – die gewerkschaftlichen Bedenken betreffend eine direkte Mitbestimmung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Direkte Mitbestimmung steht seit den späten 1940er Jahren auf der Agenda der Gewerkschaften und war eigentlich das erklärte Ziel, welches mit der Forderung nach Mitbestimmung erreicht werden sollte. Trotzdem konnten sich die Funktionäre nie so richtig zu einer konkreten Umsetzungsforderung durchringen, da befürchtet wurde, die Arbeitnehmer würden sich dann allzu leicht von der Arbeitgeberseite auseinanderdividieren, sich von egoistischen Motiven leiten lassen - dies zum Nachteil der Schwächeren und des Gesamtarbeiterwohls. Daneben war die Angst vor Machtverlust auch hier eine nicht unwichtige Triebfeder. (Vgl. u.a. Martens, 1990, sowie Sonderegger, 1979.)

Das Taktieren der Gewerkschaften hatte insbesondere zwei schwerwiegende Folgen: Erstens versuchte vermehrt die Arbeitgeberseite in die Bresche der direkten Partizipation zu springen und übernahm mit speziellen, mitarbeiterorientierten Managementkonzepten [17] klar die Themenführerschaft und zweitens schwand das Vertrauen seitens Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in die gewerkschaftlich organisierte Vertretung zusehends, denn mit deren zunehmend bürokratischen Habitus setzte sie ja nicht gerade ein nachahmenswertes Beispiel für Demokratie. Dazu kommt, dass die gewerkschaftlich organisierte Arbeit den veränderten Lebensverhältnissen und damit zusammenhängend der Individualisierung der Arbeitnehmerschaft nur sehr bedingt Rechnung trug und trägt.

Gewerkschaften haben für die Arbeitnehmenden viel erreicht. Damit das Erreichte gehalten und ausgebaut werden kann, ist jedoch nach Meinung von Fachleuten (vgl. u.a. Matthies et al., 1994, Sonderegger, 1979, Vilmar, 1971) dringend eine Umorientierung punkto interner Demokratie vonnöten. Vereinzelte Arbeitnehmer haben mit Sicherheit keine Chance, dauerhaft Demokratie am Arbeitsplatz zu etablieren; Gewerkschaften haben sie, wie gesehen, sofern sie über den nötigen Rückhalt bei der Arbeitnehmerschaft verfügen.

Inhalt

4.3 Die Strategien der Arbeitgeber

Seitens Unternehmen wurde der Wunsch der Arbeitnehmenden nach direkter Partizipation am Arbeitsplatz und individuellen Arbeitsoptionen sehr früh erkannt und in verschiedensten Unternehmenskonzepten und Managementstrategien angeboten, zu nennen wären beispielsweise Qualitätszirkel, Gruppenarbeit, aber auch materielle Beteiligungsformen. Allerdings denken Arbeitgeber bei der Einführung ihrer Konzepte eher weniger an Gleichberechtigung und Emanzipation, denn solches hätte eine Ausweitung von Arbeitnehmerrechten zur Folge, sondern vielmehr an eine Optimierung ihrer Führungsmethoden, die Motivationsschübe, erhöhte Produktivität oder verbesserte Weitervermittlung bewirken sollen. Dies zeigt sich gerade in den sogenannt „individualorientierten“ Unternehmensstrategien, die da heissen: Beschäftigungsfähigkeit, Empowerment, Lebenslanges Lernen, Personaltransfer oder Selbst-GmbH. [18]

Es soll hier nicht in Abrede gestellt werden, dass einige der Konzepte durchaus positive Aspekte auch für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen enthalten können; im grossen Ganzen unterhöhlen sie jedoch vormals wichtige Faktoren wie Loyalität, Sicherheit, Berufsstolz und schliesslich auch Identität. Bereits 1962 äusserten sich junge Pfarrer, die in der IG Metall gearbeitet hatten, in einem Thesenpapier wie folgt zu den Grundsätzen des „modernen“ Personalmanagements: „Die heute geübten und propagierten Grundsätze moderner Menschenführung im Betrieb führen über die Manipulation des Arbeitnehmers nicht hinaus. Sie berücksichtigen menschliche Anlagen, ohne dem Menschlichen gerecht werden zu können. Die Manipulation wird verfeinert, aber sie wird nicht aufgehoben. [...]“ (Vilmar, 1971, S. 53). Ihre These – obwohl über vierzig Jahre alt - ist unserer Ansicht nach immer noch sehr aktuell, auch wenn die Konzepte oder Grundsätze nunmehr neugewandet daherkommen. Ein weiterer Erfolgsfaktor der Arbeitgeberstrategien zur „Demokratisierung“ der Arbeit liegt darin begründet, dass diese weltweit identisch sind und den Arbeitnehmern gesamthaft aufoktroyiert werden, während auf Arbeitnehmerseite klare Gegenstrategien nach wie vor fehlen. [19]

Inhalt


5. EINFLUSS DES NEUEN KAPITALISMUS AUF DIE DEMOKRATIE AM ARBEITSPLATZ AM BEISPIEL DER FLEXIBILISIERUNGSSTRATEGIE

5.1 Zum Begriff der „Flexibilität“

Der Begriff Flexibilität hat seinen Ursprung im Lateinischen (=flectere) und ist gleichbedeutend mit „Biegen“, „Beugen“. Verbunden damit ist die Vorstellung, dass eine Sache oder ein lebendes Wesen (z.B. eine Pflanze) via Eingriff von aussen verformt werden oder sich selbst verformen kann, dass es aber danach auch wieder in seine ursprüngliche Haltung zurückkehren kann.

In der heutigen Arbeitswelt variiert der ursprünglich positiv besetzte Begriff je nach Sichtweise des Individuums: Flexibilität kann freiwillig (=positiv) oder unfreiwillig (=negativ) erfolgen, zu eigenen Gunsten – weil man sich einer Situation anpassen will (=positiv) oder zu eigenen Ungunsten – weil man sich anpassen resp. sich dem Flexibilitätsbegehren eines anderen beugen muss (=negativ). Auch ausgeglichene Situationen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sind möglich, d.h. für beide Teile gewinnbringende Varianten. Diese scheinen aber derzeit eher ins Hintertreffen geraten zu sein und gesamtgesellschaftlich vielfach wenig nutzbar (vgl. dazu Firlei, 1995, S. 83-84).

Inhalt

5.2 Flexibilität als neues Machtsystem

Das neue „Machtsystem Flexibilität“ besteht nach Sennett aus drei Grundpfeilern: dem diskontinuierlichen Umbau von Institutionen, der flexiblen Spezialisierung der Produktion und der Konzentration der Macht ohne Zentralisation (1999, S.59). Alle drei zusammen verändern die traditionellen Arbeitsstrukturen massiv und zwar dahingehend, als dass sie Sicherheit und langfristige Perspektiven durch Unsicherheit und Kurzfristigkeit ersetzen. Das hat entsprechende Folgen für Demokratie am Arbeitsplatz, die sich in einem solchen Klima nur schwer entwickeln kann. Vertrauen, Sicherheit, sich auf den (Arbeits-)Partner verlassen zu können, Loyalität, Versprechen auf die Zukunft - das sind Werte, auf denen Demokratie aufbaut; fehlen sie, fehlt jegliche Basis überhaupt. Arbeitsplatzsicherheit und eine familiäre Atmosphäre im Unternehmen sind die Grundlagen jeglicher Demokratie am Arbeitsplatz (vgl. u.a. Bussel, 1997, S. 9). Sie beide laufen jedoch dem flexiblen System ziemlich exakt zuwider, denn dieses baut mit seiner Netzwerkstruktur deutlich mehr auf Risiko und Konkurrenz auf, als auf Sicherheit und Kooperation.

Die neue Wirtschaftsordnung versucht mit Flexibilität dem „Übel des alten Kapitalismus – der Routine“ entgegenzutreten. Routine ist alt und vormodern, Flexibilität neu und ideal auf die moderne oder postmoderne Gesellschaft zugeschnitten, d.h. im Gegensatz zur Monotonie der Routine entspricht sie den Bedürfnissen eines hochgradig individualisierten und selbstbestimmten Arbeitsindividuums. (Vgl. Sennett, 1999.) Dies zumindest die „Aura“, die über der aktuellen „Arbeitsgesellschaft“ schweben soll. In Tat und Wahrheit jedoch dient Flexibilität primär dazu, die Kostenstruktur des Unternehmens auf Kosten der Arbeitnehmer zu verbessern sowie verlorene Macht, gerade auch im Hinblick auf Mitarbeitermitbestimmung, zurückzugewinnen. Anhand der Sennett’schen Architektur werden die wichtigsten Konsequenzen des flexiblen Machtsystems für die Mitbestimmung nachfolgend aufgezeigt.

5.2.1 Diskontinuierlicher Umbau der Institutionen

Nach Sennett gibt es primär zwei Arten von Wandel – den kontinuierlichen, bei dem ein Zusammenhang mit dem Vorausgegangenen mindestens zu bestehen scheint und den diskontinuierlichen, bei welchem ein Bruch eintritt durch Handlungen, die das Leben unwiderruflich verändern [20]. Der flexible Wandel, der als Ziel hat, Bürokratie und Routine aufzulösen und durch Flexibilität, Kreativität, Risiko usw. zu ersetzen, ist von der zweiten Art, denn nur so können Institutionen „entscheidend und unwiderruflich verändert werden, sodass keine Verbindung zwischen Gegenwart und Vergangenheit mehr besteht“ (Sennett, 1999, S. 60).

Ein solcher Umbau von Institutionen bringt – nebst den menschlichen und gesellschaftlichen oft schwerwiegenden Konsequenzen – auch Folgen für den Arbeitsplatz und damit die Mitbestimmung mit sich. Die vormals vertikalhierarchisch gegliederten Unternehmen werden zunehmend zu offenen Netzwerken umgebaut. Netzwerke seien weniger dichte Gebilde als hierarchisch aufgebaute Pyramiden; man könne einzelne Teile eliminieren, versetzen, verselbständigen, auslagern, wieder hereinholen u.v.m. ohne dabei andere oder den Gesamtzusammenhang, der selbstredend ebenfalls variabel ist, zu zerstören - so zumindest die Idee der Netzwerkverfechter. Und darin liegt der erklärte Reiz der Netzwerkstrategie für Unternehmen: Netzwerke erfordern keine Kontinuität, besitzen keine Identität und ihr Rechtsstatus ist infolge Neuwertigkeit und oft auch infolge Intransparenz zurzeit noch im luftleeren Raum angesiedelt. (Vgl. Firlei, 1995, Matthies et al., 1994, Sydow, 1997.)

Für die Arbeitnehmer, insbesondere jene, die nicht die oberen Positionen besetzen, haben solche Umbauten unterschiedliche Konsequenzen, die je nach Art des Umbaus zusätzlich variieren. Bei „internen“ Umbauten, d.h. die Netzwerkstruktur bleibt innerhalb des angestammten Unternehmens erhalten, verändern sich Arbeitsbedingungen, -organisation und –produktion zwar massgeblich, aber infolge Aufrechterhaltung der rechtlichen Struktur ist hier die Mitbestimmung weniger stark betroffen als im „externen“ Fall. Bei Unternehmensumbauten, bei denen Produktionsbereiche oder Abteilungen teilweise oder komplett ausgelagert werden, sind die Folgen für Mitbestimmung infolge Reduzierung der Belegschaft oft gravierend, nebst dem unternehmerischen Risiko, das in solchen Fällen ebenfalls extern mitvergeben wird [21]. Diese Art von Flexibilisierung bildet den eigentlichen Kern des neuen Kapitalismus. Während interne Flexibilisierung zwar zu Kostensenkungen infolge Effizienzerhöhung führen kann, erfolgt mit der externen Flexibilisierung die eigentliche Umstrukturierung des Wirtschaftssystems, von der die Mitbestimmung Gefahr läuft, ausgeschlossen zu werden.

Der konkrete, wirtschaftliche Nutzen von solchem Handeln bleibe dahingestellt. Einige Ökonomen vertreten jedenfalls die Ansicht, dass sich Umbauten im Namen von grösserer Effizienz, von Kampf gegen die Übel der Routine oft nur bedingt oder eben überhaupt nicht positiv auf längerfristiges Wachstum und Produktivität auswirken. Hingegen scheint die Rechnung mit dem „symbolischen“ Nutzen durchaus aufzugehen: Eine derart tiefgreifende Reorganisation einer Institution sendet ein Signal aus, der Wandel sei echt, und solche Signale werden vom Markt äusserst positiv aufgenommen – die Aktien steigen. In diesem Sinne ist schon jeder Wandel allein erstrebenswerter als das Bisherige und wenn es sich um einen abrupten, diskontinuierlichen Wandel handelt, umso besser in den Augen der Anleger. (Vgl. Sennett, 1999, S. 62-63.)

5.2.2 Flexible Spezialisierung der Produktion

Die Netzwerkstruktur kommt auch dem zweiten Grundpfeiler des flexiblen Kapitalismus sehr entgegen, der flexiblen Produktspezialisierung. Eine breitere Produktpalette muss immer schneller auf den Markt gebracht werden – das bedeutet nebst polyvalent einsetzbaren resp. programmierbaren Maschinen, jederzeit polyvalent einsetzbare, kleine, selbständige Arbeitssysteme, -gruppen oder –teams. Diese Art von Arbeit setzt hohe Flexibilität und Qualifikation seitens Arbeitnehmerschaft voraus, da sie sich sehr schnell und immer wieder neu auf unterschiedliche Aufgaben einstellen muss. Der Druck auf die einzelnen Gruppen und damit die einzelnen Gruppenmitglieder wächst ständig an, damit bietet diese Art von Arbeit nur einem Teil der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen eine Perspektive. Eine zunehmende Segmentierung ist die Folge, auf welche das politökonomische Modell einer Gesellschaft zwar noch korrigierend einwirken kann, die Frage ist jedoch, wie lange und wie umfassend das möglich ist. [22]

5.2.3 Konzentration der Macht ohne Zentralisation

Mit der Konstruktion von Netzwerkunternehmungen anstelle der bisherigen, meist hierarchisch gegliederten wird das Ziel verfolgt, starre Routine aufzubrechen, Hierarchien in durchlässige, nichthierarchische Beziehungen umzuwandeln, Bürokratie zu eliminieren. Die Strukturen jedoch, die vormals in der Unternehmensorganisation drin lagen, werden durch das Netzwerk aber keineswegs weniger oder gar abgeschafft, sondern ganz einfach in die Arbeitnehmer, einzelne oder Gruppen, hinein transferiert – so die Theorie Harrisons zur „concentration without centralization“ (vgl. Sennett, 1999, S. 71).

Netzwerke sind schwer durchschaubar; wer die Strukturen nicht kennt und nicht richtig einschätzt, läuft Gefahr, ins Abseits zu geraten und damit aus dem Arbeitsprozess auszuscheiden. Für Sennett ist die organisierte Macht in Netzwerken „zugleich effizient und formlos“ (1999, S. 71). Mitbestimmung in einem solchen Umfeld wird schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Die fehlende zentrale Entscheidungsinstanz lässt betriebliche und überbetriebliche Mitbestimmung ins Off laufen, da ein Ansprechpartner fehlt. Betriebliche und unternehmerische Mitbestimmung hat als Basis das Recht, die neue Netzwerkform entzieht sich jedoch zurzeit den rechtlichen Regeln in verschiedenster Hinsicht, so sind z.B. Organisationsgrenzen nicht klar, wirtschaftliche und rechtliche Handlungseinheiten können nicht genau lokalisiert werden u.ä. (vgl. dazu Sydow, 1999, S. 171-179).

Einen weiteren wichtigen Punkt betrifft die interne Segmentierung bei Netzwerken: Durch die spinnennetzförmige Struktur werden auch Bewährungsproben, die für Lohn und Aufstieg bisher entscheidend waren, umstrukturiert resp. oft intransparent gemacht: „Outsider“ stehen „Insidern“ gegenüber und es entstehen zunehmend zwei Felder, diejenigen, die (zu-)arbeiten und die anderen, die sich auf diese Arbeit abstützen und weiterkommen oder anders gesagt die „Verlierer“ und die „Gewinner“. Löhne und Festlegung von Bewährungsproben, bisher ein wichtiger Einflussbereich der organisierten Mitbestimmung, werden dieser somit entzogen. (Vgl. dazu auch Boltanski/Chiapello, 1999, Kapitel IV.2.)

Nach Sydow ist die Existenz komplexreziproker Beziehungen nach der Art der Netzwerke keineswegs neu, neu sei allerdings, dass „diese Beziehungen Gegenstand und Ergebnis von Strategien „Systemischer Rationalisierung“ [...] sind, in deren Folge gerade auch Entscheidungen über mitbestimmungsrelevante Fragen der Arbeitsorganisation, der Arbeitszeitgestaltung, des Personaleinsatzes und der Personalentwicklung systematisch der unmittelbaren Einflussnahme der Interessenvertretung entzogen werden, und zwar unabhängig davon, ob dies beabsichtigt oder bloss unintendierte Folge anders motivierter Entscheidungen ist“ (1999, S. 188).

Des weiteren können bei netzwerkartigen Strukturen auch Über- resp. Unterkapazitäten via Netzwerkpartner ausgeglichen werden können, was je nach hierarchischer Struktur des Netzwerks prekäre Folgen für die Zuliefer- und Abnehmerbetriebe haben kann. Auch das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern verändert sich in Netzwerkunternehmen, anstelle von Kooperation tritt zunehmend Konkurrenz – was der eine Knoten nicht schafft oder schaffen will, übernimmt ein anderer zu „besseren“ Bedingungen. Aufgaben werden so verlagert und unterschiedliche Arbeitsbedingungen vermischen sich, was eine einheitliche Interessenvertretung verunmöglicht.

5.2.4 Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse

Mit der Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen können ähnlich wie bei den strukturellen Veränderungen der Unternehmensorganisation, arbeitsrechtliche Schranken unterlaufen und die Unternehmensflexibilität erhöht werden. Zu unterscheiden ist zwischen interner und externer Flexibilisierung.

Interne Flexibilisierungsmassnahmen im Rahmen von Arbeitszeitoptionen haben zum Zweck, den Kapitaleinsatz zu optimieren, indem Personalkapazitäten an Auftrags- und Absatzschwankungen angepasst sowie Ausfälle besser kompensiert werden können. Diese bilden keineswegs ein neues Phänomen. Mit den veränderten Wirtschaftsverhältnissen (=internationaler Wettbewerb, erhöhter Kostendruck, Verlagerung von der Massenproduktion hin zur spezialisierten Produktion) ist jedoch der Druck zur Flexibilität gestiegen. (Vgl. dazu Matthies, 1994, S.155.)

Externe Flexibilisierung verfolgt zusätzlich das Ziel, den Personalbedarf noch schneller sowie quantitativ und qualitativ präziser an den jeweiligen Bedarf anzupassen. Ferner lässt sich durch externe Flexibilisierung eine grössere Unverbindlichkeit in Arbeitsverhältnissen errreichen, welche dem üblichen Arbeitsschutz nicht unterstehen, sondern die Risiken weitgehend auf den Arbeitnehmer oder in Falle eines Misserfolgs auf Arbeitslosenversicherung und Sozialhilfe umlagern. Unternehmen versuchen denn auch zunehmend Normalarbeitsverhältnisse in atypische Verhältnisse [23] umzuwandeln resp. gleich zu Beginn, z.B. bei Neugründungen solche zu etablieren. Kissler (1997, S. 60) nennt bereits für das Jahr 1997 eine Quote von 30% Nichtnormalarbeitsverhältnissen gegenüber 3% im Jahr 1977 und auch Firlei (1995, S. 72) spricht für die Zukunft von bis zu 50%. [24] Gesetzliche Regelungen zur Mitbestimmung, die derzeit noch immer auf das Normalarbeitsverhältnis abstellen, können so elegant umgangen werden. Insbesondere bei der Beschäftigung von Leiharbeitern und Selbständigen kann das Interesse an Schwächung der kollektiven Interessenvertretung sehr gezielt eine Rolle spielen. (Vgl. Matthies et al., 1994, S. 203.) Wo eine Erweiterung atypischer Arbeit als Flexibilisierungspotential erschöpft ist, bleibt immer noch der wirkmächtige Hinweis auf eine Standortverlagerung, was weiteres arbeitsrechtliches Potential in Schlüsselbereichen wie Arbeitszeit, Kündigungsschutz und Löhnen freisetzen würde. (Vgl. Firlei, 1995, S. 94.)

Zusatzeffekt: Durch die Verlagerung der Arbeit in atypische Verhältnisse erhöht sich der Druck auf diejenigen Mitarbeiter, die im Normalarbeitsverhältnis stehen, sowohl psychologisch als auch arbeitstechnisch. Auch sie werden in diesem Sinne zum „Flexibilisierungspotential“ gemacht.

Inhaltt

5.3 Vor- und Nachteile der Mitbestimmung für die Durchsetzung der Flexibilisierungsstrategie


Unternehmen plädieren dafür, Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen je einzeln auszuhandeln, um so Mitbestimmung und Flexibilität optimal aufeinander abstimmen zu können. Arbeitnehmer werden in diesem Sinne als von Natur aus konservativ und systemerhaltend gesehen, während sich die Arbeitgeber selbst der innovativen, dynamischen und flexiblen Seite zurechnen. Eine Argumentation, die keineswegs neu ist, deren Beweiskraft aber sehr zu wünschen übrig lässt, wenn man sich die aktuellen Innovationsschübe näher betrachtet, die mit Ausnahme von Restrukturierungen im Personalbereich nicht allzu viel zu bieten haben.

Auf der anderen Seite belegen zahlreiche Studien, dass der Mitbestimmung am Arbeitsplatz nebst deren gesellschaftspolitischen, sozialintegrativen auch eine volkswirtschaftliche Bedeutung zukommt. So schreibt zum Beispiel die deutsche Kommission Mitbestimmung: „Untersuchungen zeigen, dass der Mitbestimmung eine positive Wirkung auf die Struktur der deutschen Wirtschaft zuzuschreiben ist.“ [25] Und es gibt durchaus auch Arbeitgeber der unterschiedlichsten Sparten, die der Mitbestimmung Positives abgewinnen können. Insbesondere dort, wo Mitbestimmung seit längerer Zeit praktiziert wird, erhält die Zusammenarbeit mit Arbeitnehmern und Betriebsräten seitens der Arbeitgeber meist gute Noten (vgl. Bunk, 2006). Auch international vergleichende Studien belegen immer wieder, dass Unternehmen aus der institutionalisierten Mitbestimmung relative Wettbewerbsvorteile ziehen können (vgl. Martens, 1990). Der am meisten genannte Negativpunkt „verlängerte Entscheidungsfindung“ kehrt sich nach Meinung der Arbeitgeber vielfach wieder ins Positive, wenn es um die allgemeine Akzeptanz und Umsetzung unpopulärer Beschlüsse geht. Ein nicht unwichtiger Faktor, wenn es beispielsweise um die Umsetzung der Flexibilisierungsstrategie geht.

Die Einführung und Durchsetzung moderner Managementkonzepte wie Qualitätszirkel, Gruppenarbeit, Human Ressource-Massnahmen ganz generell wird nachweislich erleichtert, wenn Beschäftigte und Interessenvertretungen rechtzeitig in die Planung einbezogen werden. Zudem leistet Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmung einen Beitrag zur Vertrauensbildung; und Vertrauen wiederum gilt als geradezu konstitutiv für die Unternehmenskooperation und die Konstitution vom Netzwerken. (Vgl. dazu u.a. Sydow, 1999.)

Inhalt

5.4 Zusammenfassung

Insgesamt kann heute von einer Erosion der Mitbestimmung infolge veränderter Unternehmensstrukturen durch Flexibilisierung gesprochen werden. Mitbestimmung gründet mehrheitlich auf arbeitsrechtlichen Grundlagen und diese wiederum stellen ab auf das "klassische Normalarbeitsverhältnis" den "klassischen Betrieb", das "klassische Unternehmen", die bis vor einiger Zeit immerhin die Mehrheit in der Arbeitswelt stellten. Durch den Wechsel in netzwerkartige Strukturen und atypische Arbeitsverhältnisse können Arbeitgeber ihr Flexibilisierungspotential optimal nutzen; sie sind dann frei für eine Vertragsgestaltung, für die auch Mitbestimmungsgesetze nur noch sehr bedingt gelten resp. sehr schwierig durchzusetzen sind.

Inhalt


6 ZUKUNFTSSZENARIO: DIE MODERNE ARBEITSPLATZDEMOKRATIE IN EINER FLEXIBILISIERTEN ARBEITSWELT

6.1 Leitwerte Freiheit und Demokratie

Die moderne, westliche Gesellschaft definiert sich durch ihre Grundpfeiler Freiheit und Demokratie. Von diesen können wir tagtäglich hören, lesen und sie noch zusätzlich am Bildschirm live mitverfolgen. Wenn wir davon ausgehen, dass diese Leitwerte auch tatsächlich umgesetzt werden - im politischen Leben (=Staatsbürgerrechte), im Konsumentenleben (=freie Marktwirtschaft mit freier Wahl; Konsumentenrechte) ) so wäre es wohl an der Zeit, auch in einem so wichtigen Bereich wie dem Arbeitsleben Freiheit und Demokratie durchzusetzen. Aber wie gezeigt, blickt diese Forderung auf eine jahrzehntelange Tradition zurück, der bis dato nur in wenigen Ländern Teilerfolge beschieden waren. Andrerseits ist es eine Tatsache, dass die aktuelle Wirtschafts- und damit auch die Arbeitslogik in einer Sackgasse steckt, welche sich u. E. allenfalls noch mittelfristig durchsetzen lässt. Dies könnte Chancen eröffnen für eine umfassendere Reorganisation von Arbeit, Wirtschaft und Politik. An einen Rückgang der Flexibilisierung ist derzeit wohl nicht zu denken, an ihre Umlenkung in positive, sozialverträgliche Bahnen hingegen durchaus. In solchen Bahnen würde sich dann auch für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, selbst für solche in weniger spezialisierten Bereichen, Flexibilität auszahlen, beispielsweise punkto Arbeitssicherheit, Integration, Weiterbildungsmöglichkeiten und Lebensqualität.

Inhalt

6.2 Adaptiertes Arbeitsrecht

Grundvoraussetzung für eine "soziale Flexibilisierung" wäre ein adaptiertes Arbeitsrecht, das allen Arbeitsformen gerecht wird, also auch genügend Schutz für die heutigen "atypischen" Verhältnisse bietet.[26] Der Anreiz für Unternehmen in diese Bereiche auszuweichen, würde sich dann vermindern resp. würde auf diese Weise eine Verlagerung nicht nur zulasten der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen erfolgen. Von beiden Seiten gewünschte und ausgehandelte Flexibilität könnte sich so gewinnbringend für alle Parteien, inkl. die gesamte Gesellschaft ausgestalten. Unternehmensinterne Lösungen allein, d.h. ohne rechtliche Grundlagen, wie sie von Arbeitgeberseite angestrebt werden, böten diesen Schutz eben gerade nicht.

Inhalt

6.3 Menschenrechte und Bürgerstatus auch am Arbeitsplatz

Ferner müssten Grundrechte resp. allgemeine Menschenrechte auch am Arbeitsplatz Gültigkeit haben. Zurzeit gilt im klassischen Arbeitsverhältnis noch immer das personenrechtliche Gemeinschaftsverhältnis, das dem Arbeitgeber ein beinahe unbeschränktes Direktionsrecht zugesteht. Persönliche und Bürgerrechte haben dahinter in der Regel zurückzustehen. Demokratische Beteiligung als Grundrecht des Menschen ist jedoch in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie in der Europäischen Menschenrechtscharta enthalten. Das Äusserungs- und Wahlrecht werden dort als wesentliche Bestandteile der menschlichen Integrität betrachtet. In einzelnen Ländern scheint dieses Recht auf Betriebsebene bereits institutionalisiert, so in Italien im "statuto dei lavoratori" oder im französischen "droit d'expression"[27] (Matthies et al. 1994). Vilmar sieht in einer deutschfranzösischen Kombination eine mögliche Zukunft: Also die deutsche Betriebsratsidee und die französische Idee der "groupes d'expression" [für ihn ist das französische droit d'expression ganz nah dran an der Mitbestimmung am Arbeitsplatz, Anmerk. d. Verf.] zusammengefasst zu einem neuen besseren Ganzen, im Hegelschen Sinne also "aufgehoben", das schiene mir eine Kernstruktur zu sein mit der wir ein wirklich internationales, sehr solides System der demokratischen Partizipation erreichen könnten." (zit. nach Kissler et al. 1997, S. 160). In dieselbe Richtung zielen auch Matthies et al., 1994. Demokratisches Beteiligungsrecht ist unabhängig von Gewerkschaftsmitgliedschaft und somit losgelöst von irgendwelchen politischen Ideologien zu sehen. Damit verliert es seinen "marxistischen" Makel für die Wirtschaft und eine Ausweitung in Richtung Bürgerrechte am Arbeitsplatz würde möglich. Ein Bürgerstatus am Arbeitsplatz hätte den weiteren Vorteil, dass die heutige Situation von "Verlierern" und "Gewinnern"[28] für erstere abgefedert werden könnten, indem - wie im politischen Bereich - ein Schutznetz von Sicherheit und Integration aufgebaut würde.

Inhalt

6.4 Direkte und indirekte Beteiligung

Demokratie am Arbeitsplatz muss auf zwei Säulen stehen – nur durch direkte, individu-elle Beteiligung wird Emanzipation möglich oder mit den Worten von Vilmar: „Das Gesamtkonzept der Mitbestimmung – in allen gesellschaftlichen Bereichen steht und fällt mit der Verwirklichung der direkten Mitwirkung und Mitbestimmung der Betroffenen am Arbeitsplatz. Ohne Mitbestimmung am Arbeitsplatz bleibt jede Mitbestimmungskonzeption ein Koloss auf tönernen Füssen.“ (1971, S. 5) und nur durch repräsentative Arbeitnehmervertretung lassen sich wichtige Themen und Probleme überhaupt anstossen und Lösungen finden, die dem Gemeinwohl dienen. Organisierte Arbeitervertretung braucht es weiterhin, denn direkte Beteiligung stellt keine Macht dar. Gewerkschaften müssen sich wieder vermehrt der Mitbestimmung annehmen. In den 60er und 70er Jahren zeigten sie grossen Einsatz für dieses Anliegen. Heute sind Arbeitsbeziehungen individualisiert, Tarifverhandlungen dezentralisiert, Entlassungen sind an der Tagesordnung, usw. - Gewerkschaften müssen sich verzetteln und verlieren dabei ihr eigentliches Ziel aus den Augen. Tarifverhandlungen und Mitbestimmung müssen sich gegenseitig keineswegs ausschliessen. Individuelle (d.h. direkte) und institutionalisierte (d.h. indirekte) Beteiligung sollten auf allen Ebenen rechtlich verankert werden.

Inhalt

6.5 Arbeit und Kapital als gleichberechtigte Partner

Das Recht auf demokratische Beteiligung am Arbeitsplatz sollte seinen Ursprung in der Arbeit und nicht im Eigentum am Kapital haben. Es begründet sich aus der faktisch wahrgenommenen Verantwortung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz, welche einen wesentlichen Beitrag zum Produktionsergebnis beisteuert. (Vgl. Vilmar, 1971, S. 98.) Kapitalbeteiligungsmodelle sind zwar sicher positiv zu sehen, nur ist hier eine auch nur annähernd paritätische Verteilung selbst für die fernste Zukunft nicht zu erwarten. Eine Machtparität von Kapital und Arbeit hätte zur Folge, dass Arbeitnehmer auch ohne Realkapital- resp. Produktionsmittelbesitz wirtschaftlichen Einfluss ausüben könnten. Das ursprüngliche Gebot: "One man, one vote" wäre somit auch auf wirtschaftlicher Ebene erfüllt. Das Optimum an Demokratie in der Wirtschaft wäre dann erreicht, wenn bei Bedarf allenfalls auch weitere Parteien an für die Öffentlichkeit wichtigen Entscheiden mitwirken könnten; was Sonderegger mit einem Definitionszusatz zur Mitbestimmung erreicht: "Die Mitbestimmung akzeptiert an sich den Dualismus von Arbeit und Kapital, was nicht ausschliesst, dass z.B. das öffentliche Interesse als weiterer Teilhaber hinzukommen kann" (1979, S. 2).

Inhalt

6.6 Arbeitsplatzdemokratie und Flexibilisierung als Tandem

Selbstbestimmung und Mitbestimmung am Arbeitsplatz stehen einer Flexibilisierung der Arbeitswelt keineswegs entgegen. Mittel- und längerfristig profitieren auch die Unternehmen von einem emanzipierten Arbeitsbürger, der mitverantwortlich sozial austarierte Flexibilisierungsmassnahmen mitträgt. Ideale Demokratie bedeutet wechselseitiges Herrschen und Beherrscht werden; das Ideal von Flexibilität könnte ähnliches bedeuten - wechselseitiges Biegen und Gebogen werden, ohne dabei die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen oder gar die (Arbeits-)Gesellschaft insgesamt zu zerbrechen.[29]

Otto Jacobi, Mitautor der Studie 21, jedenfalls zeigt sich in seinem Schlusswort vorsichtig optimistisch (zumindest für den von ihm untersuchten Bankensektor): „Gruppenarbeit und direkte Partizipation haben Zukunft, weil den Arbeitgebern aus betriebswirtschaftlichen Gründen, den Arbeitnehmern im Interesse von mehr Selbstbestimmung in der Arbeit und Betriebsräten wie Gewerkschaften aus Gründen einer erweiterten Mitbestimmungskultur an ihrer Fortentwicklung gelegen ist. Es ist deshalb auch nicht auszuschliessen, dass diese Thematik zum Verhandlungsgegenstand zwischen den Tarifparteien werden könnte“ (1997, S. 127).

Inhalt


7. ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSFOLGERUNG

Demokratie am Arbeitsplatz, wie wir sie eingangs dieser Arbeit als Ideal skizzierten, nämlich als umfassende, paritätische Mitbestimmung auf allen Ebenen und in allen Bereichen eines Unternehmens, existiert zurzeit nicht, mit Ausnahme vielleicht von Kooperativen [30], welche wir hier jedoch infolge fehlender gesetzlichen Verankerung beiseite gelassen haben. Teildemokratie, d.h. Mitbestimmung auf einzelnen Ebenen sowie verschiedene andere Mitwirkungsrechte finden sich hingegen unterschiedlich ausgebildet in vielen Ländern Europas. Am weitesten gediehen resp. auf höchster Ebene vertretungsmässig paritätisch angesiedelt ist das deutsche Modell der Unternehmensmitbestimmung. Die Folgen des derzeitigen Reformvorhabens in Richtung Europa- und Zukunftstauglichkeit sind jedoch noch offen. Die Mitbestimmungsfrage und damit auch die Forderung nach demokratischen Strukturen am Arbeitsplatz, im Betrieb und im Unternehmen ist somit noch heute insgesamt ungelöst resp. nicht eingelöst, was deutlich zeigt, dass sich die alten Macht- und Herrschaftsverhältnisse über die Zeit gehalten haben. Die neuen von Unternehmerseite eingeführten Management- und Organisationsmethoden, die den Arbeitnehmern Freisetzung von alten Zwängen und mehr Selbstbestimmung versprachen, helfen letzten Endes lediglich den Arbeitgebern wie eh und je Kapital anzuhäufen und Mehrwert zu produzieren. Die Arbeitgeberschaft hat das Zepter über die direkte Beteiligung am Arbeitsplatz übernommen und die  Gewerkschaften haben ihnen dieses - gerade in der heutigen Zeit der Individualisierung - so wichtige Feld infolge Unentschlossenheit überlassen.

Zusätzlich aber, und das ist der entscheidende Punkt, unterlaufen die neuen Unternehmensstrategien zunehmend, wie am Falle der Flexibilisierung gezeigt, auch bereits erreichte Positionen im Mitbestimmungskampf auf Betriebs- und Unternehmensebene. Diskontinuierlicher und abrupter Unternehmensumbau und damit einhergehend neue Arbeitsorganisation und –strukturen (Stichworte: Netzwerke, atypische Arbeitsverhältnisse) laufen dem Arbeits- und Mitbestimmungsrecht, das noch auf die alten Strukturen des „klassischen Unternehmens“ und des „klassischen Normalarbeitnehmerverhältnisses“ in einem „klassischen, national fundierten Wirtschaftsumfeld“ gründet, davon oder anders ausgedrückt: „Wo Entscheidungen fallen gibt es keine Mitbestimmungsrechte, wo Mitbestimmungsrechte bestehen, werden keine Entscheidungen mehr getroffen“ (Kissler, 1997, S. 58).

Mitbestimmung wird in einer globalisierten Wirtschaft von den Arbeitgebern klar als ein Wettbewerbshindernis betrachtet, das wertvolle Flexibilisierungsressourcen verschliesst. Mit der aktuellen Standortdebatte versucht die Wirtschaft auch hier zum Teil schon recht erfolgreich „flexible“ Lösungen durchzusetzen. Die positiven Seiten einer Arbeitermitbestimmung gerade auch für die kapitalistische Strategie der Flexibilität werden zwar in verschiedenen Studien immer wieder belegt, scheinen aber wenig Eindruck zu hinterlassen. Einmal mehr rückt damit die 150 Jahre alte Idee, Arbeitnehmer, kraft ihrer Arbeit paritätisch an allen Entscheiden auf allen Ebenen des Unternehmensgeschehens teilhaben zu lassen in weite Ferne.

Die bisherige Diskussion ging davon aus, dass die Rechte des Arbeitnehmers und der Arbeitnehmerin in einer modernen, demokratischen Gesellschaft denjenigen des Staatsbürgers und der Staatsbürgerin anzugleichen wären. Mit dem neuen flexiblen Machtsystem jedoch scheint auch die entgegengesetzte Entwicklung möglich – Staatsbürgerrechte schreiten in Richtung Arbeitnehmerrechte voran, d.h. ihr Einflussradius nimmt ab. Wichtige Aufgaben der Öffentlichkeit werden privatisiert, d.h. in den wirtschaftlichen Bereich verschoben (Bildung, medizinische Versorgung, Energie, Wasser, öffentlicher Raum u.v.a.) und entziehen sich so dem Einfluss der Allgemeinheit. Nach der erfolgreichen Verteidigung der Machtkonstellation innerhalb der Wirtschaft durch verweigerte Demokratie am Arbeitsplatz, gelingt es der neuen Form des Kapitalismus nun auch zunehmend, die Bevölkerung von der politischen Teilhabe auszuschliessen, in dem das politische Feld verkleinert wird. Die Vorstellung, dass die Wirtschaft sich den Arbeiter nach ihrem Gusto formt [31], würde nun in seine Endphase treten und gesamtgesellschaftlich ausgeweitet oder anders gesagt: Die gesellschaftspolitische Realität wird so uminterpretiert, dass sie mit den wirtschaftspolitischen Konzeptionen des flexiblen Machtsystems übereinstimmt [32]. Deren Idee wäre somit keineswegs, die Einführung von (mehr) Demokratie am Arbeitsplatz, sondern infolge Gefahr mangelnder Übereinstimmung von politischer und wirtschaftlicher Demokratie, das Zurückdrängen von ersterer.

Der flexible Kapitalismus übernimmt die Rolle des Hüters der Demokratie in Arbeitswelt und Politik. Demokratie als Wert wird bleiben, denn sie ist wohl ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Sie wird lediglich kapitalistisch uminterpretiert, auf dass die zwei Hälften demnächst optimal zusammenpassen: Weniger Demokratie am Arbeitsplatz, weniger Demokratie im Staat - dies unsere zugegebenermassen pessimistische These, für die empirische Belege zu erbringen, nicht einfach sein dürfte, stossen doch bereits Langzeitstudien zur Mitbestimmung am Arbeitsplatz allein wie gesehen auf grösste Schwierigkeiten.

„Der Kapitalismus ist drauf und dran, nicht nur gegenüber dem „Sozialismus“ zu siegen, sondern auch gegenüber der Demokratie und dem Staat [...]. Können und wollen wir es uns wirklich leisten, dass als Gestalter der Geschichte (neben dem immer schwächer werdenden Nationalstaat) nur mehr die Wirtschaft, anonyme Marktkräfte und das Finanzkapital übrigbleiben?“

Klaus Firlei in „Hat das Arbeitsrecht überhaupt eine Zukunft?“, 1995..

Inhalt


LITERATURNACHWEIS

Albert, M. (1991). Captalisme contre capitalisme. Paris: Editions du Seuil.

Berliner Zeitung online. (2006). Industrie fordert Reform der Mitbestimmung. http://www.berlinonline.de (3.9.2006)

BFS. (2006). Teilzeitarbeit in der Schweiz. http://www.statistik.admin.ch

Boltanski L./Chiapello E. (2003). Der neue Geist des Kapitalismus. Konstanz: UVK. (Original: Le nouvel Esprit du Capitalisme 1999)

Bunk, C. (2006). Betriebliche Mitbestimmung vier Jahre nach der Reform des BetrVG. www.uni-lueneburg.de/vwl/papers No.21.

Bussel, R. (1997). „Business without a boss“: the Columbia Conserve Company and workers control, 1917-1943. Business History Review. Autumn/1997.

Charta der Grundrechte von Arbeitnehmern. (1989). http://www2.fh-fulda.de/CuRs/normenarchiv/unternationalrecht/Arbeitnehmersozialegrundrechte.htm

Charta der Grundrechte der Europäischen Union. (2000). www.europarl.europa.eu/charter/default_de.htm

Europäische Sozialcharta. (1961). http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/035.htm

Enzyklika RERUM NOVARUM. (1891). Über die Arbeiterfrage. http://theol.uibk.ac.at/leseraum/quelltext/320.html

Firlei, K. (1995). Hat das Arbeitsrecht überhaupt eine Zukunft? (S. 69-109). In Bydlinski, F./Mayer-Maly, Th. (Hrsg.). Die Arbeit: ihre Ordnung – ihre Zukunft – ihr Sinn. Wien: Wilhelm Braumüller Universitätsverlag.

Forrester, V. (1998). Der Terror der Ökonomie. München: Goldmann. (Original: L’horreur économique, 1996, Librairie Fayard, Paris)

Gärtner, U./Luder, P. (1979). Ziele und Wege einer Demokratisierung der Wirtschaft. Diessenhofen: Verlag Rüegger.

Gesa Müller, S. (Hrsg.) (2003). Der Mensch im Mittelpunkt. Beschäftigtenorientierte Unternehmensstrategien und Mitbestimmung. Frankfurt am Main: Bund-Verlag.

Helfert, M./Trautwein-Kalms G. (2000). Arbeitspolitik unter Bedingungen der Flexibilisierung und „Globalisierung“. WSI-Mitteilungen der Hans-Böckler-Stiftung. 53. Jahrgang. 1/2000..

Kissler, L./Greifenstein, R./West, K. (Hrsg.) (1997). Erneuerung der Mitbestimmung durch demokratische Partizipation. Marburg: Schüren Presseverlag..

Kluge, N. (2006). Mitbestimmung auf Unternehmensebene. European Trade Union Institute (ETUI_REHS), www.seeurope-network.org (3.9.06)

Kromphardt, J. (1980). Konzeptionen und Analysen des Kapitalismus. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Martens, H. (1990). Mitbestimmung und Demokratisierung. www.gmh.dgb.de/main/jahresin/1990/jahres-9008.html

Matthies, H./Mückenberger, U./Offe, C./Peter, E./Raasch. (1994). Arbeit 2000. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

Muri, P. (2006). Arbeitsrecht Schweiz. www.muri-anwaelte.ch (4.9.06)

REGIERUNGonline. Betriebliche Mitbestimmung zukunftsfähig machen. www.bundesregierung.de/.../2006/08/2006-08-30-betriebliche mitbestimmung-zukunftsfähig-machen.html (4.9.06)

Ribolits, E. (1995). Die Arbeit hoch? Wien, Profil Verlag

Rothschild, J./Whitt, J. (1986). The cooperative workplace. Cambridge: University Press.

Schmidt, M. (1997). Demokratietheorien. Opladen: Leske+Budrich.

Sennett, R. (1999). Der flexible Mensch. Berlin: Berlin Verlag. (Original: The Corrosion of Character 1998))

Sonderegger, A. (1979). Mitbestimmung als Gewerkschaftsforderung. Diessenhofen: Verlag Rüegger.

Sydow, J. (1999). Mitbestimmung in Unternehmungsnetzwerken: Eine betriebswirtschaftliche Analyse. (S.171-222). Frick, B./Kluge, N./Streeck, W. (Hrsg.). Die wirtschaftlichen Folgen der Mitbestimmung. Frankfurt/Main: Campus.

Inhalt


Fussnoten

[1] Die Wichtigsten seien hier kurz angetönt: Angst vor Arbeitsplatzverlust, schlechte oder gar keine Erfahrungen mit organisierter Mitbestimmung oder aber Angst die eigene Karriere zu gefährden.

[2] Vgl. dazu auch Kissler, 1997; in seiner Bestandesaufnahme macht er deutlich, dass im deutschen Kontext Forschung zur demokratischen Partizipation v.a. in Form von Gruppenarbeitsforschung im Automobilsektor daher kommt. Repräsentative Querschnittuntersuchungen sowie Längsschnittuntersuchungen für andere Kontexte fehlen, sowie Frick et al., 1999, die über das weitgehende Fehlen einer Mitbestimmungsforschung für den deutschen Raum klagen.

[3] Die ersten zwei Phasen wären gemäss Albert „Le capitalisme contre l’Etat“ (1791-1890) sowie danach „Le capitalisme encadré par l’Etat“ (1891-1990).

[4] Wenn im folgenden des öfteren nur von „Demokratie am Arbeitsplatz“ die Rede ist, so geschieht dies aus textökonomischen Gründen, „Demokratie im Betrieb“ und „Demokratie im Unternehmen“ sind jedoch ebenfalls darin eingeschlossen, d.h. der Terminus „Arbeitsplatz“ ist in der Regel umfassend zu verstehen. Dort, wo Gesetzgebungen ins Spiel kommen, wird die Ebene jeweils explizit benannt.

[5] Begriff zitiert nach Prof. Hans Geser, Seminar Demokratie und Oligarchie, SS 2006, Universität Zürich.

[6] Vielfach wird der Begriff „Mitbestimmung“ auch ganz bewusst verwirrlich verwendet, so geschehen zum Beispiel im Zuge der Abstimmungskampagne zur Mitbestimmung von 1976 in der Schweiz (vgl. Sonderegger, 1979, S. 316).

[7] Vgl. dazu Gärtner/Luder, die eine materielle (=die Eigentumsordnung betreffende) und eine immaterielle (=Entscheidungen betreffende) Komponente von Demokratie am Arbeitsplatz unterscheiden. (1979, S. 75)

[8] Zum ausführlichen Begriff der Entfremdung vgl. „Karl Marx, Frühe Schriften“, Pariser Manuskriptfragmente, 1844, sowie Gärtner/Luder, 1979 S. 65-127.

[9] Über den konkreten Einfluss von Demokratie am Arbeitsplatz auf das Verhalten als Staatsbürger wurde bereits verschiedentlich geforscht. Das Resultat ist keineswegs einheitlich. Wir schliessen uns hier der Meinung von Steven, L. Schweizer, 1995, an, der eine Wirkung entscheidend abhängig macht von der Art der Demokratie resp. davon, wie sie am Arbeitsplatz und im politischen Bereich ausgestaltet ist, ob sie direkt oder repräsentativ einzuordnen ist. Grösste Wirkung geht nach Schweizer von der direkten Form auf beiden Seiten aus, dort, wo konkrete Einflussmöglichkeit erlebt wird. Bei der Emanzipationsforderung geht es zudem ganz generell um eine Befähigung zur Selbstentwicklung, nicht um ein etwaiges späteres Wählerverhalten.

[10] Aus arbeitsökonomischen Gründen beschränken wir uns hier auf einen kurzen Überblick über die Situation in Europa.

[11]Die Übersichtskarte im Anhang gibt näheren Aufschluss über den Grad der Beteiligung in den einzelnen Ländern.

[12] Neu kann nun ab fünf Arbeitnehmern ein Betriebsrat bestellt werden.

[13] Ausnahmen: Montanindustrie sowie Unternehmen, die überwiegend politischen, konfessionellen, karitativen, wissenschaftlichen Zwecken u.ä. oder Zwecken der Berichterstattung dienen.

[14] Zu Geschichte, Gründen und Argumentationen zum Thema vgl. die Dissertation von Alfons Sonderegger, 1979.

[15] Bundesgesetz über die Information und Mitsprache der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben (Mitwirkungsgesetz), SR 822.14 vom 17. Dezember 1993.

[16] Aktuelle Beispiele: die Stellungnahmen des Bundesverbands der Deutschen Industrie sowie der FDP zum „Mitbestimmungs-Jubiläum“. Man spricht von „Isolation im europäischen Wettbewerb“, von „Standortnachteil“ und „Behinderung bei der Schaffung von Arbeitsplätzen“ (vgl. Berliner Zeitung online, 30.8.06)

[17] Ausführlicher dazu IV.3.

[18] Zu Definition und Bewertung dieser Konzepte vgl. Gesa Müller, 2003, S. 153-176.

[19] Vgl. dazu auch Helfert/Trautwein, 2000, „Arbeitspolitik unter den Bedingungen der Flexibilisierung und Globalisierung“.

[20] Sennett (1999) stützt sich hier auf Erkenntnisse des Anthropologen Edmund Leach, vgl. S.59.

[21] Eine weitere Variante stellen Netzwerke dar, die durch ein mehr oder weniger enges Zusammengehen vormals unabhängiger Unternehmen entstehen. Auch hier sind je nach Konstrukt Implikationen auch für die Mitbestimmung zu erwarten. Des weiteren entstehen auch oft Mischformen, die sich der Transparenz noch weiter entziehen.

[22] Zu den sozialen Folgen und Gegenmassnahmen vgl. Sennett, 1999, S.66-67 sowie Albert, 1991, Kap. 5.

[23] Darunter fallen Teilzeitarbeit, Leiharbeit resp. Temporärarbeit, befristete Arbeit, Scheinselbständigkeit, neue Formen von Heimarbeit u.ä..

[24] In der Schweiz ist die Zahl der unfreiwillig teilzeit Arbeitenden von 11'000 im Jahr 1991 auf 78'000 im Jahr 2005 gestiegen. In dieser Zahl sind diejenigen Arbeitnehmenden noch nicht enthalten, welche gerne mehr, aber nicht 100% arbeiten möchten. (Quelle: BFS, Arbeit und Erwerb, Juli 2006)

[25] Kommission Mitbestimmung 1998; Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung 2002 zit. nach Gesa Müller, 2003, S.16. Ähnliche Aussagen finden sich auch bei Bunk, 2006, sowie bei Martens, 1990.

[26] Matthies et al., 1994, schreiben in diesem Sinne von „arbeitsrechtlicher Unübersichtlichkeit statt Normalarbeitsverhältnis“ im Recht.

[27] Konkrete Textauszüge dazu finden sich im Anhang.

[28] Vgl. dazu Kap. V.2.3.

[29] Immer vorausgesetzt, die “Arbeitsgesellschaft” als solche soll erhalten bleiben; denkbar wären auch andere Gesellschaftsmodelle, die nicht ausschliesslich auf Lohnarbeit basieren.

[30] Vgl. dazu u.a. Rothschild & Whitt, The cooperative workplace, 1986.

[31] Vgl. dazu auch Erich Ribolits, 1995, „Die Arbeit hoch?“

[32] Vgl. dazu Kromphardt, 1980, S. 200.

Last update: ;03 Feb 15

 

Contact:

 

Prof. Hans Geser
Soziologisches Institut
der Universität Zürich
Andreasstr. 15  8050 Zürich
hg@socio.ch