Opferschutz und Verteidigungsrechte im Kontext von Strafrechtstheorie und symbolischer Rechtspolitik Heute denken wir bei der Bewältigung von Sexualstraftaten mittels Strafrecht die Position des individuellen Opfers als eine von der Rechtsgemeinschaft und dem von ihr mit der Strafverfolgung beauftragten Staat unabhängige Bezugsgrösse mit. Es erscheint uns nachgerade als selbstverständlich, dass die Strafverfolgung opferschonend, also unter Vermeidung einer Sekundärviktimisierung, zu betreiben ist und dem Opfer im Strafverfahren Gestaltungsrechte zustehen. Bei den Strafzwecken wird die Genugtuung des Opfers mit bedacht. Bei den Sanktionen werden, zumindest von der Theorie, solche bevorzugt, von denen das Opfer möglichst unmittelbar profitieren kann. Die Forderung nach durchgängig opferfreundlicher Ausübung des staatlichen Strafanspruches ist epochal neu, doch heute unbestritten. Dies verlangt nach einer Erklärung und einer Bestimmung der Auswirkungen auf den strafrechtlichen Rechtsgüterschutz, das Sanktionenrecht und das Strafverfahren. Hier werde ich mich auf den verfahrensrechtlichen Aspekt beschränken müssen[1] . Der historische Ausgangspunkt: Das täterzentrierte Strafverfahren und seine zwangsläufige Vernachlässigung des Opfers Staatliches Strafrecht entsteht mit der Neutralisierung des Opfers. Der Staat nimmt mit dem Strafmonopol dem Opfer das Recht, die Verletzung seiner Interessen beim Täter zu ahnden und stellt solches über eine eng gefasste Notwehrregelung sogar unter Strafe. Die staatlich gegen den Täter betriebene Strafverfolgung entfernt das Opfer aus der in der Tatsituation vorhandenen Polarität zum Täter und ersetzt dessen Interessen durch den staatlichen Strafanspruch. Der Staat kann sich einseitig auf den Täter fokussieren, weil in der staatlichen Reaktion die Opferinteressen im wesentlichen als bereits mit befriedigt gedacht werden. Die Vorstellung, dass die Opferinteressen im Strafverlangen aufgehen und deshalb dem Opfer nur die neutrale Rolle des Tatzeugen gebührt, ist durchaus ambivalent zu bewerten. Einerseits beruhte sie auf der verfehlten Annahme, der Staat sei der Schutzpatron des Opfers und dessen reale Interessen gingen in denen der Rechtsgemeinschaft auf [2] . Andererseits ist die Zurückdrängung des Opfers als kulturelle Errungenschaft zu verstehen: Der in ihrer möglichen Blindwütigkeit dubiosen privaten Rache des Opfers und derer, die sich mit ihm verbunden fühlen, wird so, und nur so, die Legitimation entzogen. Die Verhinderung von Lynchjustiz wird damit zu einem berechtigten Anliegen des Strafrechts [3]. Das im 19. Jahrhundert entwickelte rechtsstaatliche Strafverfahren verstärkte die Täterzentrierung noch und lieferte für diese eine weitere Begründung. Rechtsstaatliches Strafverfahren meinte im Kern strenge Formen des Prozedierens, welche verlässlich, überprüfbar und dazu bestimmt sind, trotz der Machtasymmetrie zwischen einem „kleinen“ Beschuldigten und den „übermächtigen“ staatlichen Strafinstanzen so etwas wie Berechenbarkeit und Objektivität der Beurteilung zu ermöglichen. Befürchtungen des Machtmissbrauchs waren im 19. Jahrhundert nicht unbegründet. Die staatliche Autorität war im Umgang mit „Untertanen“ nicht zimperlich. Angesichts verbreiteter staatlicher Willkür und Schludrigkeit konnten auch rechtschaffene Bürger rasch zu Unrecht in Verdacht geraten und einer im Wortsinne „peinlichen“ Befragung ausgesetzt werden. Die Wahrnehmung bürgerlicher Freiheiten war nicht selten mit Kerkererfahrung verbunden. Solchem strukturell angelegten staatlichen Systemunrecht trat das rechtsstaatliche Strafverfahren entgegen. Es entwickelte Prinzipien wie Unschuldsvermutung, Subjektstellung des Beschuldigten, Waffengleichheit, postulierte Beweisverbote und konkretisierte all dies zu strafprozessualen Regeln. Deren strikte Förmlichkeit verstand die Prozessrechtslehre des 19. Jahrhunderts als eine wohltuende, den Beschuldigten vor staatlichem Unrecht schützende Form. Dieser war im Erkenntnisverfahren und sogar noch im Bestrafungsvorgang nach Hegel als Person zu „ehren“ [4], wobei Person zu sein bedeutet, kommunikationstheoretisch eine Rolle [5] zu spielen haben, deren Stimme gehört werden muss, wenn es um „Wahrheitsfindung“ geht. Dieses, in dem Worten von Günther Jakobs, „alteuropäische Prinzipiendenken“ [6]des rechtsstaatlichen Strafverfahrens trug entscheidend zu dem epochalen Projekt bei, Strafrecht als ein „Bürgerstrafrecht“ zu konzipieren, welches dem Individuum eine von Kontrolle freie Zone zugesteht und daraus Konsequenzen für seine prozessualen Rechte und seine strafrechtliche Haftbarmachung ableitet [7] . Die einseitige Fokussierung auf den Beschuldigten lässt im klassischen Strafverfahren mit staatlichem Strafmonopol und förmlichen Regeln der Verfahrensfairness die Figur des Opfers verblassen [8]. Abgesehen von Privatklage-, Nebenklage- und Adhäsionsverfahren sind Opfer zur Wahrnehmung ihrer Interessen aus dem Strafverfahren verwiesen in das Zivilrecht, Sozialrecht und, neuerdings, in das Opferhilferecht. Die Begründung einer prozessualen Sonderstellung aus erlittener Opferschaft ist erkenntnistheoretisch problematisch. Im Strafverfahren von Opferschaft auszugehen heisst, etwas antizipiert als Tatsache zu akzeptieren, was Gegenstand der prozessualen Wahrheitsfindung im Urteil ist. Da im Strafverfahren für den Beschuldigten die Unschuldsvermutung gilt, steht eine Verletzung durch den Beschuldigten bis zur rechtskräftig festgestellten Schuld [9] noch gar nicht fest [10]. Opferrechte im Strafverfahren ergeben sich darum nicht aus erlittener Opferschaft, sondern aus dem abzuklärenden Anklagevorwurf, welcher die Hypothese enthält, dass erlittene Verletzungen dem Beschuldigten zurechenbar seien. Dem Beschuldigten als potentiellem Täter entspricht im Strafverfahren daher das Pendant der „potentiellen“ Opferschaft. Zwar ist ein von der strafrechtlichen Schuldfeststellung unabhängiger Opferbegriff möglich und wird etwa in der Schweiz im Opferhilfegesetz (OHG) [11] verwandt. Da aber dieses Gesetz sich spezifisch auf die Opfer von Straftaten bezieht, stellt sich auch dabei die Aporie eines strafrechtsunabhängigen Verständnisses strafrechtlicher Opferschaft [12]. Die Strafrechtsentwicklungen und -reformen seit den 70er Jahren haben die klassische Täterzentrierung eher noch verstärkt. Unter dem Eindruck kriminologischer Erkenntnisse, wonach Straftäter typischerweise am unteren Ende der sozialen Leiter stehen und von gesellschaftlichen Privilegien ausgeschlossen sind, wurde die Sanktionsschärfe abgeschwächt und damit die objektive Täterbelastung vermindert. In Verfolgung des Resozialisierungsanliegens bezogen Täter wegen ihrer typischen sozialen Defizite sympathisierende Aufmerksamkeit und Verständnis. Die neue Opferorientierung Seit den 80er, und deutlicher, den 90er Jahren hat sich das Blatt zugunsten der Opfer gewendet. In der Kriminologie entdeckte man bemerkenswerte Ähnlichkeiten des sozialstrukturellen Hintergrundes von Tätern und Opfern. Dies liess auch im Lager linker „Realisten“ das Verständnis für die gesellschaftlich benachteiligten Täter schwinden, da die typischen Opfer nicht minder benachteiligt erschienen [13]. Das Interesse für die empirischen Zusammenhänge des Opferwerdens kristallisierte zur neuen Forschungsrichtung „Viktimologie“ [14] . Der Feminismus analysierte weibliche Opferschaft als Ausdruck der strukturellen Benachteiligung der Frau [15] Kriminalpolitisch begünstigte die Aufmerksamkeit für Opfer von Straftaten Verschärfungen und Ausdehnungen des Strafrechts. Interessenverbände etablierten sich, die neben der finanziellen Opferentschädigung sich dem präventiven Schutz vor künftigem Opferwerden verschrieben und dies mit publikumswirksamen Forderungen nach härterer Bestrafung oder dauernder Verwahrung der Täter verbanden [16]. Im Strafverfahren wurden vielfältige Anstrengungen im Opferinteresse unternommen. Diese richteten sich wesentlich darauf, das Opfer von seiner neutralen und letztlich ohnmächtigen Rolle des Tatzeugen zu dispensieren und ihm aktivere Mitwirkungsmöglichkeiten zu geben [17]. Im Bereich der Alltagskriminalität im sozialen Nahraum gewann neben der traditionellen Privatklage die Mediation [18], also der aussergerichtliche Tatausgleich [19]zwischen Täter und Opfer in einem entformalisierten Vermittlungsverfahren, eine wachsende Bedeutung. Im materiellen Strafrecht wurden Möglichkeiten zur Verfahrenseinstellung bei Wiedergutmachung geschaffen [20]. In der Schweiz war das OHG ein Meilenstein. Das OHG regelt neben der Beratung und der Entschädigung bzw. Genugtuung auch den Schutz und die Rechte des Opfers im Strafverfahren [21]. Zum Schutz der Persönlichkeit des Opfers ist ein Ausschluss der Öffentlichkeit von den Verhandlungen bei überwiegenden Interessen des Opfers, bei Straftaten gegen die sexuelle Integrität bereits auf blossen Antrag des Opfers vorgeschrieben [22]. Eine Begegnung mit dem Beschuldigten ist nach Möglichkeit zu vermeiden und eine Konfrontation darf bei Sexualdelikten nur angeordnet werden, wenn „der Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör sie zwingend erfordert“ [23]. Im Vorverfahren haben Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Integrität Anspruch auf Einvernahme durch eine Person des gleichen Geschlechts [24]. Opfer können sich bei Verfahrenshandlungen ausser von ihrem Rechtsbeistand oder seiner Vertretung von einer Vertrauensperson begleiten lassen und Fragen zur Intimsphäre verweigern [25]. Als Verfahrensrechte stehen Opfern die Beteiligung am Strafverfahren, die Geltendmachung von Zivilansprüchen, die Anfechtung eines Einstellungsentscheids und, unter besonderen Voraussetzungen, die Anfechtung des Gerichtsentscheids zu [26]. Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Integrität können verlangen, dass dem urteilenden Gericht wenigstens eine Person des gleichen Geschlechts angehört [27]. Die Teilrevision des OHG vom 23. 3. 2001 [28] beschränkt eine Gegenüberstellung auf Fälle, in denen der Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör nicht anders gewährleistet werden kann oder wenn ein überwiegendes Strafverfolgungsinteresse sie zwingend erfordert. Bei Straftaten gegen die sexuelle Integrität darf eine Gegenüberstellung gegen den Willen des Opfers nur angeordnet werden, wenn der Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör nicht anders gewährleistet werden kann [29].Opfer, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Strafverfahrens weniger als 18 Jahre sind, dürfen in der Regel nicht mehr als zweimal unter bestimmten persönlichkeitsschutzbezogenen Bedingungen einvernommen werden [30]. Die künftige Schweizerische Strafprozessordnung wird die strafprozessrechtlichen Vorschriften des OHG obsolet machen [31]. Der Vorentwurf zu dieser Schweizerischen Strafprozessordnung (VE StPO) sieht, im wesentlichen in Übereinstimmung mit dem OHG, zur Vermeidung einer Sekundärviktimisierung durch das Strafverfahren ein Bündel von Massnahmen und Schutzrechten für Opfer vor [32]. Zusätzlich werden Einvernahmen von Kindern unter 15 Jahren und von geistig Abnormen unter Vermeidung mehrfacher Befragungen auf das Notwendige beschränkt. Die Einvernahme kann durch spezialisierte Behörden und unter Beizug von Angehörigen, Vertrauenspersonen oder Sachverständigen erfolgen [33]. Bei erheblicher Gefahr für Leib und Leben oder drohendem anderen schweren Nachteil können Verfahrensrechte des Beschuldigten und weiterer Parteien „angemessen“ beschränkt werden [34]. Ferner kann die Akteneinsicht beschränkt werden [35] und es kann notfalls die Person von der Zeugnispflicht befreit werden [36]. Die Privatklägerschaft und die Geltendmachung von Zivilforderungen werden eingehend und teils opferfreundlicher geregelt [37]. Die Expertenkommission für die Revision des OHG hat vorgeschlagen, die künftige Schweizerische Strafprozessordnung in einer Reihe von Punkten noch opferfreundlicher zu gestalten [38]. So soll das Opfer eines Sexualdelikts verlangen können, dass es im gesamten Verfahren in der Regel [39] von einem Angehörigen des gleichen Geschlechts einvernommen wird und für die Übersetzung eine Person des gleichen Geschlechts beigezogen wird, wenn dies ohne ungebührliche Verzögerung des Verfahrens möglich ist [40]. Bei Ausschluss der Öffentlichkeit auf Antrag eines Opfers von Sexualdelikten [41] sollen Gerichtsberichterstatter und weitere Personen nur bei Zustimmung des Opfers zugelassen werden. Zu Beginn der Einvernahme sollen Opfer auf ihre besonderen Rechte hingewiesen werden [42]. Schutzmassnahmen bei Einvernahmen, welche die Verfahrensrechte des Beschuldigten und weiterer Parteien beschränken, sollen nicht nur von der Verfahrensleitung angeordnet werden dürfen [43], vielmehr müssten bestimmte Schutzmassnahmen auf Verlangen des Opfers zwingend getroffen werden [44]. Ferner ist das Opfer umgehend über wesentliche Haftentscheide wie die Anordnung der Untersuchungshaft oder die Entlassung von Beschuldigten aus dem Freiheitsentzug zu informieren, wenn es dies verlangt hat [45]. Weitergehend werden in der Literatur u. a. Schutzrechte auch für Angehörige von Opfern, weitergehende Informationspflichten des Opfers etwa bei einer Flucht des Beschuldigten, mehr Mitwirkungsrechte auch ohne Konstituierung als Privatklägerschaft gefordert [46]. Diese Ideen zur opferfreundlicheren Gestaltung des Strafverfahrens können hier nicht ausführlich diskutiert werden. Beispielhaft soll auf zwei Vorschläge eingegangen werden: Die Rechte des Opfers auf Schutzmassnahmen und auf Information über wesentliche Haftentscheide. Die Expertenkommission für die Revision des OHG verlangt für das Opfer das Recht, Schutzmassnahmen bei Einvernahmen zu verlangen, welche die Verfahrensrechte des Beschuldigten und weiterer Personen beschränken, wie beispielsweise die Einvernahme in Abwesenheit des Beschuldigten [47]. Nach dem VE StPO können solche Schutzmassnahmen von der Verfahrensleitung hingegen lediglich bei Gefährdung des Opfers oder seiner Angehörigen optional verfügt werden [48]. Der programmatische Wechsel von einer Ermessensbefugnis der Verfahrensleitung zu einem diese verpflichtenden Anspruch des Opfers schafft vom individuellen Opferwillen abhängige Ungleichheiten der Verfahrensstellung des Beschuldigten. Wer als Beschuldigter das „Pech“ hat, mit einem hartherzigeren oder kühler seine Interessen verfolgenden Opfer konfrontiert zu sein, hat allein darum schlechtere Chancen, unbehelligt oder minder behelligt davonzukommen. Die Verpflichtung des dies verlangenden Opfers zur Information über wesentliche Haftentscheide, insbesondere die Haftentlassung [49], trägt dem „natürlichen“ Informationsinteresse der oder des unmittelbar Betroffenen Rechnung. Offen bleibt, was das Opfer mit dieser Information macht: Ob es sie für sich behält, Nachbarn unterrichtet, die Presse darüber informiert, die Haftentscheidung als Skandal präsentiert. Die Entscheidungsmacht des Opfers ist für den Beschuldigten folgenreich, kann sich doch infolge des Opferverhaltens eine resozialisierungsfeindliche Anprangerung des Täters, der mit dem Vollzug seiner Strafe seine Schuld abgetragen hat, vollziehen. Wiederum hängen die für den Beschuldigten folgenschweren Konsequenzen von dem nicht prognostizierbaren individuellen Opferwillen ab. Eine vergröbernde Bilanz dieser im Opferinteresse geschaffenen Vorschriften lautet meines Erachtens wie folgt:
Cornelius Prittwitz hat all dies wie folgt auf den Punkt gebracht:
Mit dieser Analyse verbindet sich kein Verdikt über den Rückgewinn von Verfahrensmacht des Opfers. Die neue Opferorientierung entspricht nicht nur gesellschaftlichen Bedürfnissen, sondern auch den Anliegen der Humanität und der Solidarität, die mit denen der Rechtsstaatlichkeit über weite Strecken deckungsgleich sind. Die Unvereinbarkeit von neuer Opferorientierung und überkommenen Prinzipien des Strafverfahrens ist Ausdruck der Unbeugsamkeit dieser Prinzipien. Insofern Strafrecht und Strafverfahren Teile der Gesellschaft sind, ist es für diese ein Problem, solch eiserne Prinzipien zu haben, welche einer konsequenten gesellschaftlichen Zweckausrichtung im Wege stehen. Nicht nur bei der Berücksichtigung von Opferbelangen, sondern generell ist das heutige Strafrecht im Spannungsfeld von gesellschaftlicher Funktionalität und klassisch-rechtsstaatlichem Prinzipiendenken befangen [58]. Die Wissenschaft empfiehlt zumeist, der gesellschaftlichen Funktionalität zu entsagen [59], während sich die praktische Kriminalpolitik das Gegenteil wünscht. Für die einen soll Strafrecht nicht zur Magd der Ordnungspolitik verkommen. Für die anderen soll der rechtsstaatliche Höhenflug nicht so hoch gehen, dass dabei die Bedürfnisse des bodenständigen Publikums aus dem Blick geraten. Straf- und gesellschaftstheoretische Hintergründe Wie kann man, so die mir gestellte Aufgabe, den Ausbau von Opferrechten und Opferschutz und den damit verbundenen Abbau von Verteidigungsrechten straf- und gesellschaftstheoretisch bestimmen? In welchen makrosozialen Rahmen fügt sich die neue Opferorientierung ein und welchen theoretischen Strömungen gibt sie Ausdruck? Nun, ich glaube, nicht nur einer. Man muss verschiedene Rahmen übereinander legen, damit das Bild annähernd passend gerät. Aktive Bewältigung von Opferschaft und Opferschutz durch Täterbelangung Zunächst spiegelt die neue prozessuale Stellung des Opfers als aktiver Verfahrensbeteiligter eine generelle Veränderung im sozialen und rechtlichen Verständnis von Opferschaft. War das Opfer früher jemand, der passiv erduldet hatte und dafür unser Mitgefühl verdiente, so ist das Opfer nunmehr jemand, dem Unrecht geschah und die selbst danach schaut, dass dies anerkannt und soweit möglich ausgeglichen wird. Mit dem Wandel des Opfers vom Objekt zum Subjekt der Bewältigung von Opferschaft verbindet sich eine Aufwertung der strafrechtlichen Viktimisierung im Vergleich zu den vielfältigen alltäglichen kleinen oder auch dauerhaften Opferschaften, die wir in der Gesellschaft erleiden. Das Opfer einer Straftat hat definierbares Unrecht, nicht bloss diffuses Missgeschick, erlitten und erlangt daraus rechtsverbindliche Ansprüche, welche die Verletzung als widerrechtlich ausweisen und den Selbstwert der Verletzten bestätigen. Jener Wandel hat das Opferrecht beeinflusst. War dieses zu Beginn der 90er Jahre vorwiegend ein solches der leistungsgewährenden Opferhilfe, so änderte sich das Konzept im vergangenen Jahrzehnt zu einem solchen der Hilfe zur Selbsthilfe, um nunmehr zunehmend zu einem solchen des Opferschutzes durch Ermöglichung von Täterbelangung zu werden. In der Praxis des OHG verlangten die zwingenden Vorgaben zum Schutz und zur Rechtsstellung des Opfers im Strafverfahren von den kantonalen Gesetzgebern und Justizbehörden oft mehr, als diese zu ändern für vertretbar hielten. Die daneben im OHG geregelten Bereiche der Beratung und besonders der Entschädigung bzw. Genugtuung entwickelten sich hingegen im Spannungsfeld von Opferfreundlichkeit und Missbrauchsbekämpfung nur zögerlich und kantonal uneinheitlich [60]. Die 1992 in Kraft getretene Revision des Sexualstrafrechts verbesserte den Opferschutz durch Ausweitungen der Strafbarkeit, etwa indem sie bei der sexuellen Nötigung [61] und der Vergewaltigung [62] die möglichen Tatmittel über den archetypischen Einsatz körperlicher Gewalt ausdehnte [63] und bei beiden Delikten die Tat unter Ehegatten auf Antrag für strafbar erklärte [64]. Für schwere Sexualdelikte und schwerste Delikte gegen Leib und Leben an Kindern unter 16 Jahren gelten nunmehr längere Verjährungsfristen von 15 Jahren, wobei die Verjährung frühestens mit der Vollendung des 25. Lebensjahres eintritt [65]. Die rechtspolitische Entwicklung geht weiter: Parlamentarische Initiativen verlangen, die Gewalt gegen Frauen im Rahmen der Körperverletzung [66] und die sexuelle Gewalt in der Ehe bei der sexuellen Nötigung [67] und der Vergewaltigung [68] künftig als Offizialdelikt auszugestalten [69]. Weitergehende Vorschläge richteten sich schon früher bei der sexuellen Nötigung [70] und der Vergewaltigung [71] auf den vollständigen Verzicht auf besondere Tatmittel und die Strafbarkeit auch der fahrlässigen Begehung sowie auf eine Glaubwürdigkeitsvermutung des weiblichen Opfers [72]. Inzwischen ist die häusliche Gewalt als spezifisches Problem erkannt [73]. Jährlich kontaktieren rund 10`000 in der Schweiz wohnhafte Frauen die Polizei, um Hilfe gegen die vom Partner erlittene Gewalt einzuholen [74]. Klassische Aktionen der Hilfe zur Selbsthilfe wie Nottelefone, Beratungsstellen und Frauenhäuser erwiesen sich in kritischer Selbstbeurteilung als unentbehrlich, aber politisch fragwürdig, wird damit doch dem Staat und der Öffentlichkeit eine Auseinandersetzung mit dem Problem männlicher Gewalt in Familie und Partnerschaft abgenommen [75]. Das Frauenhaus erscheint in der neuen Perspektive nicht mehr als sicherer Hafen, sondern als eine gegen die Anliegen der Frau gerichtete Institution, welche die Frau zum Verlassen der Wohnung veranlasst und den gewalttätigen „Herrn im Haus“ darin belässt. Statt Hilfe zur Selbsthilfe werden nunmehr Interventionen gegen Täter gefordert, wie sie in Grossbritannien [76], den USA [77] und in Österreich [78] praktiziert werden. In verschiedenen Kantonen werden derzeit rechtliche Möglichkeiten geschaffen, um Opferschutz offensiv durch möglichst rasch die Gewaltverursacher treffende Massnahmen zu betreiben. Dabei wird erstrebt, durch entschlossenes Vorgehen abzuschrecken und die Toleranz gegenüber Gewalt in der Gesellschaft zu senken. Im Kanton St. Gallen wurde zur Begegnung häuslicher Gewalt eine Revision des Polizeigesetzes in erster Lesung beschlossen, der zufolge bei ernsthafter unmittelbarer Eigen- oder Drittgefährdung ein polizeilicher Gewahrsam von bis zu 8 Tagen und bei ernsthafter Gefährdung von Mitbewohnern eine polizeiliche Wegweisung mit Rückkehrverbot von maximal 20 Tagen durch das Haftgericht angeordnet werden kann [79]. Der „Runde Tisch“ des Berner Interventionsprojekts gegen häusliche Gewalt befürwortet eine entsprechende Gesetzesänderung auch in diesem Kanton [80]. Meine erste erklärende These lautet also: Strafprozessuale Verbesserungen der Opferstellung liegen im Trend einer allgemeinen aktiven Bewältigung von Opferschaft und des Opferschutzes durch Täterbelangung. Generalisiertes Opferinteresse und punitive Strategien Die zweite erklärende These schliesst sich an: Strafprozessuale Verbesserungen der Opferstellung gehen einher mit einer neuen Wertschätzung der vergeltenden Funktion von Strafe. Diese These überrascht zunächst, weil sie einen Gleichklang von Opferinteressen und Vergeltungsinteresse mittels Strafe behauptet. Dem scheint zu widersprechen, dass Opfer mehrheitlich nicht an einer Bestrafung des Täters, sondern an der Feststellung des ihnen zugefügten Unrechts und seiner Wiedergutmachung interessiert sind [81]. Doch bezieht sich diese kriminologische Beobachtung auf individuelle Opfer, welche in ihrer breiten Masse auf die offizielle Opferpolitik nicht aktiv Einfluss nehmen. Prominente Opfer hingegen wie Jan Philipp Reemtsma befürworten plakativ die vergeltende Strafe, weil sie
Auch Einrichtungen der privaten Opferhilfe verstehen die Bestrafung als legitimen und in der Regel notwendigen Ausdruck der staatlichen Anerkennung von Opferschaft. Diese verbandsbetriebene Opferpolitik orientiert sich weitgehend nicht an individuellen, sondern an einem generalisierten Opferinteresse, das sich auf den Ausbau der Rechtsstellung und der Schutzansprüche von Opfern und ihre dauerhafte institutionelle Vertretung richtet. Die organisierte Opferschaft betreibt durchaus nicht nur Opferpolitik, sondern Kriminalpolitik, indem sie ein bedrohliches Bild der individuell schädigenden Kriminalität zeichnet, das jede und jeden als potentielles Opfer darstellt und Opferinteressen zu verallgemeinerungsfähigen Anliegen erklärt [83]. In dieser Perspektive ist das Strafverlangen Teil des generalisierten Opferinteresses, wie umgekehrt die Bestrafung zugleich Opferinteressen zu berücksichtigen hat [84]. Für das Zusammenspiel eines vergeltenden Strafverständnisses, einer zunehmend punitiver werdenden Strafpraxis und einer von machtvollen Verbänden betriebenen Opferpolitik bietet die neo-liberale Kriminalpolitik der USA ein Lehrstück [85]. Auch wenn wir in Europa weit davon entfernt sind, diese Entwicklung völlig nachzuvollziehen, sind doch auch in der Schweiz neo-liberale Elemente in der Kriminalpolitik nachweisbar, wie sogleich deutlich werden soll. Kalkulierte Sensibilität für Opferschaft und symbolische Rechtspolitik Doch liegt zunächst der Einwand nahe, alles sei viel einfacher: Die Bevölkerung sei schlicht sensibler für Leiden und damit für Opferschaft geworden. Gewiss ist die Renaissance des Opfers Ausdruck einer erhöhten Sensibilisierung für die körperliche Integrität und Selbstbestimmung sowie für die erhöhte Vulnerabilität, also Verletzlichkeit, von Frauen, Minderjährigen und Abhängigen angesichts struktureller Benachteiligung und geringerer Körperkraft. Diese Einsicht ist freilich nicht zureichend, wird damit doch ein erklärungsbedürftiges Phänomen mit einem ebenso erklärungsbedürftigen anderen „erklärt“. Empfindsamkeit ist nicht einfach ein Gefühl, das steigerungsfähig ist. Vielmehr dürfte seine Intensivierung und Ausrichtung auf die Verletzlichkeit vor allem weiblicher Opfer von Straftaten legitime, aber auch handfeste gesellschafts- und kriminalpolitische (Hinter-) Gründe haben. Die Fortschritte des Zivilisationsprozesses, in dem rohe Gewalt durch zunehmend kultiviertere Umgangsformen ersetzt wird, sind nach Elias generell Ausdruck politisch-ökonomischer Veränderungen [86]. So beruht auch die Ersetzung unmenschlicher durch „humanere“ Strafpraktiken nach Foucault nicht auf einer neuen Empfindsamkeit, sondern auf einem neuen rationalen Strafkalkül, das die Strafe nach ihrer Nützlichkeit zu bestimmen sucht [87]. Unterstellen wir, dass „die soziale Konstruktion von Sensibilität“ [88] generell einem rationalen Kalkül folgt, so fragt es sich, wie dieses in Bezug auf die neue Sensibilisierung für Opferbelange beschaffen ist. Eine eindeutige Antwort ist nicht möglich. Meine dritte erklärende These lautet: Die neue Sensibilität für die vorwiegend weibliche Opferschaft weist gesellschafts- und rechtspolitisch in zwei verschiedene Richtungen. Auf der einen Seite findet man sich im main stream der neo-liberalen spätmodernen Vorsorge- und Reaktionsstrategien gegen verunsichernde personengerichtete Kriminalität. Auf der anderen Seite wird dieser Trend ergänzt und teilweise unterlaufen durch eine vom Kommunitarismus beeinflusste frauen-bewegte Sensibilität, die gemeinschaftsfördernde und entformalisierte Problembewältigungen sucht und dabei rechtliche Interventionen sowie präventive Vorsorge nur als Zwischenschritte versteht. Die Verortung im gegenwärtigen main stream des Neo-Liberalismus bestätigt sich an drei Aspekten, welche die spätmoderne Kriminalpolitik kennzeichnen [89]: Erstens ist die neue Wertschätzung rechtlicher Interventionen zu nennen, die wegen ihrer Symbolkraft zur Bestärkung von Rechtsvertrauen und zum Abbau gesellschaftlicher Verunsicherung beitragen sollen. Mit der erwähnten Sensibilisierung geht eine Gesellschafts- und Rechtspolitik einher, welche die straf- und polizeirechtliche Kontrolle von Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung akzentuiert und präventiv Kampagnen gegen Männergewalt stützt. Quer durch das politische Spektrum, also auch bei traditionell eher instanzenkritischen Linken und Feministinnen, erfährt die förmliche rechtliche, insbesondere strafrechtliche, Sozialkontrolle eine neue Wertschätzung. Damit wird nicht ernsthaft die Erwartung verbunden, dass der Rechtszwang und die äussere Verhaltensbeeinflussung tauglich wären, die Probleme wirklich zu lösen, auf denen sexuelle Gewalt beruht. Statt dessen geht es, banaler, darum, demonstrativ ein klares Signal gegen Männergewalt zu senden – und welches Signal wäre eindrücklicher als das des Rechts und zumal seiner ultima ratio, des Strafrechts ? [90] Die neue Wertschätzung rechtlicher Interventionen beruht weniger auf einer erwarteten instrumentellen Nützlichkeit als vielmehr auf der unbestreitbaren Symbolkraft der zuspitzenden Rechtsform, die soziale Probleme auf singuläre Fälle reduziert, dabei die Verantwortung individuellen Verursachern zuordnet und die ermittelten Fälle als Beispiel eines grossteils im Dunkeln bleibenden und deshalb um so bedrohlicheren Phänomens szenisch präsentiert. Das Strafrecht wird so als ein „symbolisches Strafrecht“ verstanden. Zweitens zeigt sich der neo-liberale Einfluss im Verständnis der personenbezogenen Gewalt als Rechtsbruch par excellence, den es demonstrativ und vordringlich zu bekämpfen gilt. Mit der Fokussierung auf die individuelle strafrechtliche Opferschaft werden benachbarte Phänomene ausgeblendet: Auf der einen Seite die strafrechtlich nicht fassbare soziale Benachteiligung, auf der anderen Seite die gegen die Interessen der Allgemeinheit gerichtete „opferlose“ Kriminalität. Der gewählte Fokus bestätigt die traditionelle Deliktshierarchie, nach der die klassische gegen Personen gerichtete Gewalt, nicht etwa die Makrokriminalität [91] im weissen Kragen [92], am schlimmsten ist und deshalb zu recht zuoberst in der Rangordnung der sozialen Gefährlichkeit steht. Dies entspricht einer verbreiteten Alltagseinschätzung, die nach (be-)greifbaren Bedrohungen, personalisierbaren Gefahren und einem vermeintlich klaren Täterbild verlangt. Indem das Strafrecht solche für jede Frau hautnah nachempfindbare Gefahren an geschehenen Fällen aufarbeitet und mit der Sanktion Zeichen gegen sie setzt, leistet es einen symbolischen Beitrag zum Abbau verbreiteter Verunsicherung. Letztlich zeigt sich die neo-liberale Prägung der neuen Opfersensibilität darin, dass zum präventiven Schutz vor künftigem Opferwerden eine Eigenleistung durch private Vorsorge erwartet wird. Öffentliche Sicherheit wird nicht länger als Produkt eines staatlichen Leistungsmonopols verstanden. Vielmehr bietet der Staat nur eine Grundversorgung, welche durch private Beiträge zur persönlichen Risikominimierung steigerungsfähig ist. Die Anteilnahme an Verletzungen der sexuellen Integrität und die Befürchtung künftiger Übergriffe auch auf die eigene Person [93] begünstigen eine pro-aktive Eigenvorsorge, indem technische Schutzmassnahmen ergriffen, angenommene Risikosituationen gemieden werden und sich in vermeintlich sicherere privatisierte Zonen mit Zutrittsbeschränkung zurückgezogen wird. Solche geschützten Zonen, in denen Mann und Frau bei fehlendem Strafregistereintrag und goldener Kreditkarte Wohnung beziehen, ihre Freizeit und Ferien verbringen können, bieten Risikoarmut, indem sie Personen mit Risikomerkmalen den Zutritt verwehren. So bilden sich dank Eigenvorsorge Gemeinschaften, welche Chic mit Schutz verbinden und Exklusivität durch Ausgrenzung schaffen [94]. Die neue Sensibilität für Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung bewirkt damit Vorsorge- und Reaktionsstrategien, die vom Neo-Liberalismus beeinflusst sind [95]. Unabhängig davon findet freilich auch eine Verhaltensorientierung an der aktuellen gesellschaftstheoretischen Gegenströmung, dem Kommunitarismus, statt. Dieser betont die Gemeinschaftsbezogenheit des Individuums, den Wert partizipatorischer Lebens- und Wohnformen, die Notwendigkeit bürgernaher Konfliktschlichtung, welche die direkt Betroffenen an den runden Tisch bringt. Bei der kriminalpolitischen Umsetzung kommunitaristischer Ideen [96] stehen gemeinschaftsfördernde Rituale der Solidarisierung mit dem Opfer und der re-integrativen moralischen Beschämung des Täters [97] im Vordergrund. Dabei ändert sich die Perspektive vom Rechtsbruch zum Realkonflikt [98]. Diesen Konflikt gilt es nach Möglichkeit befriedend zu vermitteln, also zu mediatisieren [99]. Daneben, und häufig damit vermischt, findet sich ein feministisches Verständnis von Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung als Verlust persönlicher Autonomie, die nur durch Rückgewinn an persönlicher Situationsbeherrschung der Frau wettgemacht werden kann. Förmliche Interventionen staatlicher Autorität sind in diesem Verständnis nur ein erstes Mittel zum Zweck, Männermacht zu brechen und auf deren Ruinen sich des eigentlichen Konflikts selbstbewusst zu bemächtigen [100]. Die Bewältigung jedes einzelnen Konflikts wird als Stück auf dem Weg zum Abbau geschlechtsspezifischer Diskriminierung verstanden. Diese Bewältigung erfolgt solidarisch in der Gemeinschaft gleichgesinnter Betroffener und potentiell Betroffener. Jener feministischen Perspektive ist ein mehrfacher Verständniswandel von Männergewalt zu verdanken: Von der Strassengewalt (street crime) des fremden Unbekannten, der sich ein Zufallsopfer sucht, hin zur alltäglichen häuslichen Gewalt des Lebenspartners, sowie von der Personalisierung des Bösen hin zu dem Konzept eines strukturellen Gewaltklimas in der von Männern beherrschten Gesellschaft. Zusammenfassung und Ausblick: Vermittlung als Chance? Die neue Opferorientierung ist, zusammengefasst, zugleich Produkt wie Ausdruck der kriminalpolitischen Zeitgeschichte [101]. Die Entwicklung der Rechtsstellung und des Rechtsschutzes bei Opferschaft ist so etwas wie ein roter Faden, mit dem sich die Entwicklung der Kriminalpolitik pars pro toto nachverfolgen lässt. Strafprozessuale Verbesserungen der Opferstellung lassen sich übergreifenden straf- und gesellschaftstheoretischen Zusammenhängen zuordnen. Die „klassische“ rechtsförmliche Bewältigung von Rechtsbrüchen ist einem „alteuropäischen Prinzipiendenken“ [102] verhaftet, welches den Beschuldigten vor staatlichem Unrecht zu schützen sucht und dabei das Opfer vernachlässigt. Die Ausgrenzung des Opfers aus dem Prozess der Aufarbeitung des ihm geschehenen Unrechts ist unerträglich. Abhilfe wird auf zwei Wegen gesucht: Durch eine opferfreundlichere Gestaltung von Strafrecht und insbesondere Strafverfahren sowie durch vermittelnde Techniken der Konfliktbewältigung neben dem klassischen Strafverfahren. Da das rechtsstaatliche Strafverfahren auf die Rechte des Beschuldigten fokussiert ist, stösst der Ausbau von Opferrechten rasch an die Grenzen der vorgegebenen Verfahrensstruktur. So bleibt der Zuwachs an Verfahrensmacht des Opfers entweder unbedeutend oder bewirkt einen rechtsstaatlich problematischen Abbau von Beschuldigtenrechten. Darum richtet sich eine hohe Erwartung auf die Bewältigung der Folgen personengerichteter Kriminalität durch „Verhandlungslösungen“ ausserhalb des regulären Strafverfahrens, für welche die Mediation als prominentestes Beispiel steht. Versteht man strafrechtliche Mediation in einem weiten Sinne als auf Konfliktschlichtung angelegte Verhandlung unter Einbeziehung der (potentiellen) Opferschaft und ihrer Vertretung, so werden die Grenzen zu „Deals“ zwischen den Verfahrensbeteiligten, die nicht das Wie, sondern das Ob der Strafe betreffen [103], fliessend. Solche Verhandlungslösungen, für welche die Mediation hier beispielhaft genannt ist, gewährleisten die aktive Einbindung der Verfahrensbeteiligten im Interesse konstruktiver Konfliktbewältigung ungleich besser als förmliche autoritäre Entscheidungsprozeduren. Davon profitiert auch das Opfer. Über die Chance des finanziellen und emotionalen Ausgleichs der Tatfolgen hinaus findet sich das Opfer bei der Mediation in einer tatsächlich erlebten Subjektrolle [104], für die Beteiligungs- und Schutzrechte im förmlichen Strafverfahren nur ein partieller und stets unzulänglicher Ersatz bleiben. Das starke Gefühl, den Verfahrensausgang aktiv und autonom mitzugestalten und Entscheide auch „nach dem Herz“ und „im Bauch“ treffen zu dürfen, die objektiv unvernünftig anmuten mögen, ist wahrscheinlich die beste Möglichkeit, um dem Opfer seinen Anspruch auf Situationsbeherrschung zurückzugeben, der ihm mit der Tat bestritten wurde. Dies erleichtert bei Opfern eine Identifikation mit der Prozedur der Problemlösung und trägt zum Rückgewinn des durch die Viktimisierung gestörten Normvertrauens bei [105]. Wegen dieser Chancen werden Verhandlungsmodelle zuweilen im Sinne eines idealisierten Kommunitarismus zu einer Schule der Humanität überhöht [106]. Jedoch hat sich die vermittelnde Verhandlung aus ihren kommunitaristischen Wurzeln inzwischen gelöst und zu einer universellen pragmatischen Problemlösungstechnik entwickelt, die unter dem neutralen Stichwort des sachbezogenen Verhandelns nach dem „Harvard-Konzept“ [107] in den verschiedensten Bereichen der Konfliktvermittlung eingesetzt wird. Mediation ist damit eine zeitgemässe Form des Managements sozialer Risiken, das Freiwilligkeit, Ergebnisoffenheit und Hilfe zur Selbsthilfe mit einem geregelten, von einem neutralen Dritten moderierten Verfahren verbindet. Im Vergleich zum Strafverfahren ist die strafrechtliche Mediation minder formalisiert, weniger autoritär gelenkt und deutlich billiger. Doch ist sie weder formlos noch rechtsfrei. Stets wird sie im Schatten des Rechts praktiziert, das den Rahmen möglicher Mediation verbindlich vorgibt und für den Fall des Scheiterns der Mediationsbemühung den Wechsel auf rechtsförmliche Prozeduren vorsieht. Es entspricht durchaus auch neo-liberalen Vorstellungen, in geeigneten Fällen auf die souveräne staatliche Streitentscheidung zu verzichten und die Lösung einer von den Betroffenen selbst bestimmten Verhandlung zu überlassen, die von einer neutralen nichtstaatlichen Instanz moderiert wird. In Mediationsmodellen finden darum ansonsten gegensätzliche gesellschaftstheoretische Strömungen zusammen. Diese Modelle stehen exemplarisch für eine neue Form der indirekten Steuerung sozialer Beziehungen durch Vorgabe der Rahmenbedingungen eines im übrigen von den Betroffenen selbst gesteuerten Geschehens [108]. Foucault hat diese neue Form der Menschenführung auf Distanz als Gouvernementalität (gouvernementalité) bezeichnet [109]. Verhandlungsmodelle sind nicht nur zeitgemässer und ökonomischer als das überlieferte Strafverfahren. Sie sind auch konzeptionell überzeugender, insofern sie den das Strafverfahren prägenden Zielkonflikt zwischen staatlichem Strafanspruch, individuellen Opferinteressen und Schutz des Beschuldigten vor staatlicher Willkür nicht kennen. Die Sperrigkeit des rechtsstaatlichen Strafverfahrens gegenüber Opferbelangen, oder anders gesagt, die Sprengkraft der Opferperspektive für überlieferte rechtsstaatliche Formen ist eine Hypothek, die allein auf dem Strafprozess lastet. Bei der vermittelnden Verhandlung stellt es sich von vornherein als eine Aufgabe dar, was im Strafprozess als schwer vereinbar erscheint: Fair mit dem Beschuldigten wie auch mit dem Opfer umzugehen, Täter zu re-integrieren und zugleich zugefügte Verletzungen zu kompensieren, präventiven Schutz zu bieten ohne auszugrenzen. Wegen dieser Vorzüge werden Verhandlungsmodelle das aufwendige formstrenge Prozedieren im regulären Strafverfahren weiter zurückdrängen. Im Strafverfahren selbst werden informell ausgehandelte Verfahrenserledigungen vor der Hauptverhandlung nach dem Muster des u.s.-amerikanischen plea bargainings zunehmen [110]. Das förmliche Verfahren wird vermehrt Optionen zum Wechsel auf Mediationsmodelle vorsehen. Im Grenzbereich zwischen Strafverfahren und Mediation werden sich verschiedene Hybridformen ausbilden. All dies ist nicht unbedingt als Errungenschaft zu verstehen. Aushandlungsstrategien neigen dazu, sich in Bereiche des Alltagslebens zu erstrecken, die bis dahin der staatlichen Regulierung entzogen waren. Damit ist die Gefahr einer Erweiterung des Netzes der sozialen Kontrolle verbunden: Less law means more control
[111]. Zudem ist die relative Formlosigkeit des Mediationsverfahrens problematisch, weil es damit den Konfliktbeteiligten schwerer fällt, Erwartungsdruck zu begegnen und zu verhindern, dass Macht und Geld streitentscheidend wirken
[112]. Ob man bereit ist, diese Nachteile hinzunehmen, ist eine Frage der Ermittlung des kleineren Übels. Anmerkungen [1] Umfassender neuerdings Kilching M. (2002) Opferschutz und der Strafanspruch des Staates – Ein Widerspruch? NStZ 57-63. [2] Jung H. (1981) Die Stellung des Verletzten im Strafprozess. ZStW 93 1147-1176, 1152 [3] Hassemer W. (1990) Einführung in die Grundlagen des Strafrechts, 2. Aufl., 70 f.; Hassemer W. (2001) Im Zweifel für das Opfer. DIE ZEIT vom 3. 5. 2001, 9. [4] "Dass die Strafe darin als sein eigenes Recht enthaltend angesehen wird, darin wird der Verbrecher als Vernünftiges geehrt." (Hervorhebungen im Original) Hegel G.W.F. (1995): Grundlinien der Philosophie des Rechts § 100, Rn.98 S.96, Edition Felix Meiner Hamburg 1995. [5] Person ist also vom individuellen Subjekt als Träger dieser Rolleneigenschaft zu unterscheiden. [6] Jakobs G. (1995) Das Strafrecht zwischen Funktionalismus und „alteuropäischem“ Prinzipiendenken. ZStW 107, 843-876. [7] Jakobs G. (1985) Kriminalisierung im Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung. ZStW 97, 751-785, 753. [8] Zur Fragwürdigkeit privater Ermittlungen des Verletzten Hassemer W. / Matussek K. (1996) Das Opfer als Verfolger. Ermittlungen des Verletzten im Strafverfahren. [9] Art. 6 Abs. 2 EMRK. [10] Hassemer W. / Matussek K. (Fn. 8) 17. [11] Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz), SR 312.5 [12] Lösbar ist diese Aporie nur dadurch, dass Opferschaft im OHG funktional auf die drei Pfeiler des OHG (Beratung / Entschädigung bzw. Genugtuung / Schutz und Beistand im Verfahren) bezogen und differenziert verstanden wird. Dazu eingehend Kunz K.-L. / Keller P. (1999) Die Rechtsprechung zum Opferhilfegesetz in den Jahren 1993 bis 1998, http://bj.admin.ch/themen/opferhilfe/rechtsprechung.pdf, 6 ff.. [13] Kunz K.-L. (1997) Über Zusammenhänge und Distanzen zwischen Kriminologie und Kriminalpolitik. MschrKrim 165-182, 175 [14] Doerner W. G. / Lap S.P. (1998) Victimology, 2nd ed.; Lopez G. (1997) Victimologie; Victimology (1994). Ed. by Rock P.; Walklate S. (1989) Victimology. The Victim and the Criminal Justice Process. Kritisch: Fattah E. (1992) Towards a Critical Victimology. [15] Smaus G. (1998) Das Strafrecht und die gesellschaftliche Differenzierung. [16] So insbesondere in den USA, vgl. Elias R. (1986) The Politics of Victimization. Victims, Victimology and Human Rights; Fattah E. (1986) >From Crime Policy to Victim Policy. Institutionen hierzulande wie DER WEISSE RING sind in ihrer vergleichsweise massvollen Interessenpolitik damit nur bedingt vergleichbar. [17] Zusammenfassend etwa Burmann M. (1987) Reform des Strafverfahrens – Opferschutz; Changing Victim Policy. The United Nations Victim Declaration and Recent Developments in Europe (1989) HEUNI Publications Nr. 16; Fletcher G.P. (1995) With Justice for Some. Protecting Victims` Rights in Criminal Trials; Kaiser M. (1992) Die Stellung des Verletzten im Strafverfahren. Implantation und Evaluation des „Opferschutzgesetzes“; Kilching M. (1995) Opferinteressen und Strafverfolgung; Shapland J. / Willmore J. / Duff P. (1985) Victims in the Criminal Justice System; Weigend T. (1989) Deliktsopfer und Strafverfahren; Das Verbrechensopfer in der Strafrechtspflege. Psychologische, kriminologische, strafrechtliche und strafverfahrensrechtliche Aspekte (1982), hg. v. Schneider H.J.. [18] Vgl. die Empfehlung des Europarats über „Mediation in Penal Matters“, Recommendation Nr. R (99) 19. [19] So die österreichische Bezeichnung, vgl. österr. § 90g StPO, §§ 7, 8 JGG. In Deutschland: Täter-Opfer-Ausgleich, vgl. Gesetz zur verfahrensrechtlichen Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs und zur Änderung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen v. 20. 12. 1999 (BGBl I, 2491). [20] Künftig auch in der Schweiz: Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Allgemeine Bestimmungen, Einführung und Anwendung des Gesetzes) und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht vom 21. 9. 1998, Art. 53 E StGB. [21] Art. 5-10 OHG. [22] Art. 5 Abs. 3 OHG. [23] Art. 5 Abs. 4, 5 OHG. [24] Art. 6 Abs. 3 OHG. [25] Art. 7 OHG, entspricht Art. 163 Abs. 3 VE StPO. [26] Art. 8 Abs. 1 OHG. [27] Art. 10 OHG. [28] BBl 2001, 1341 [29] Art. 5 Abs. 4, Abs. 5 OHG, bei Personen unter 18 Jahren Art. 10b OHG [30] Art. 10c OHG. Vgl. dazu insgesamt auch die Empfehlung des Europarats über „Intimidation of Witnesses and the Rights of the Defence“, Recommendation Nr. R (97) 13. [31] Damit werden im OHG nur noch die beiden Pfeiler Beratung und Entschädigung bzw. Genugtuung erhalten bleiben. [32] Art. 164 Abs. 1 und 2 VE StPO [33] Art. 161 Abs. 1 VE StPO [34] Art. 161 Abs. 2 VE StPO [35] Art. 181 Abs. 3 VE StPO [36] Art. 125 ff. VE StPO. So ist nach Art. 132 Abs. 4 VE StPO neu auch bei einem Freispruch über die Zivilansprüche zu entscheiden, wenn der Sachverhalt liquid ist. [37] Expertenkommission für die Revision des Bundesgesetzes über die Hilfe an Opfer von Straftaten, Zwischenbericht 5. 2. 2001, 2 (VVE). [38] Art. 163 Abs. 2 VVE. Art. 163 Abs. 2 VE StPO sieht dies nur für das Vorverfahren vor. [39] Art. 74 Art. 5 VVE [40] Art. 78 Abs. 2 VE StPO [41] Art. 153 Abs. 4 VVE [42] Art. 161 Abs. 2 VE StPO [43] Art. 163 Abs. 1 VVE: „Das Opfer kann verlangen, dass Schutzmassnahmen nach Art. 161 Abs. 2 getroffen werden.“ [44] Art. 225 Abs. 4 VVE [45] Wyss Sisti E. (2002) Mehr Rechte für Opfer. Plädoyer, 27-29. [46] Art. 163 Abs. 1 VVE. [47] Art. 163 Abs. 2-6 VE StPO. Dazu insgesamt Schleiminger D. (2000) Konfrontation im Strafprozess, Diss. Fribourg. Zur Praxis in Bern Maurer T. (2000) Opferhilfe zwischen Anspruch und Wirklichkeit. ZBJV 136, 305-325, 314. [48] Art. 225 Abs. 4 VVE. Art. 225 Abs. 4 VE StPO sieht eine blosse Orientierung „in geeigneter Weise“ vor. Weitergehend ist etwa im Kanton Bern gemäss StrV 185 III das Opfer unverzüglich mündlich zu benachrichtigen, auch wenn es sich nicht als Privatklägerschaft konstituiert hatte. [49] Auch wenn es keinen festen rechtsstaatlichen Acquits des Beschuldigten geben mag, so Jung H. (2000) Zur Renaissance des Opfers – ein Lehrstück kriminalpolitischer Zeitgeschichte. ZRP 159-163, 161. [50] Naucke W. (1990) Über die Zerbrechlichkeit des rechtsstaatlichen Strafrechts. KritV 73, 244-259, 248 f. [51] Hassemer (Fn. 3), 75. [52] Jung (2000) (Fn. 2), 162 [53] Jakobs (1985) (Fn 7), 753, 783 f.. Vgl. bereits Rousseau J.-J. (1966) Der Gesellschaftsvertrag – Contrat Social. Hrsg. v. Weinstock H., Buch II, Kap. 5: „Überdies wird jeder Übeltäter dadurch, dass er das Gesellschaftsrecht verletzt, infolge seiner Verbrechen zum Aufrührer und Verräter an seinem Vaterlande ... In diesem Fall ist die Erhaltung des Staats mit der seinigen unvereinbar; einer von beiden muss zugrunde gehen, und wenn man den Schuldigen den Tod erleiden lässt, so stirbt er nicht sowohl als Bürger, sondern als Feind“. [54] So Jakobs nach Schulz L. (2000) „Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende“. Bericht von einer Tagung und Anmerkungen zum „Feindstrafrecht“. ZStW 112, 653-664, 660 f.. Die pointierte Begrifflichkeit von Jakobs täuscht freilich darüber hinweg, dass die Grenzen des Übergangs zum „Feindstrafrecht“ alles andere als klar sind und das Konzept darunter leidet, dass es das „Feindstrafrecht“ als zeitlich und örtlich begrenzte Notfallspur zulässt, vgl. [55] Jakobs (1985) (Fn. 7), 784. So auch Schulz (Fn.55), 662. [56] Reemtsma J. P. (1999) Das Recht des Opfers auf Bestrafung – als Problem, 10. [57] Prittwitz C. (2000) Opferlose Straftheorien? In Schünemann B. / Dubber M. D. (Hrsg.) Die Stellung des Opfers im Strafrechtssystem. Neue Entwicklungen in Deutschland und den USA, 51-73, 54. [58] Jakobs G. (1995) (Fn. 6). [59] So insbes. die sog. „Frankfurter Schule“ von Winfried Hassemer, Klaus Lüderssen und Wolfgang Naucke. Dagegen skeptisch etwa Stratenwerth G. (1993) Zukunftssicherung mit den Mitteln des Strafrechts? ZStW 105, 679-696. [60] Kunz K.-L. / Keller P. (Fn. 12) 8 ff. [61] Art. 189 StGB. [62] Art. 190 StGB. [63] Vgl. nur Trechsel S. (1997) Schweizerisches Strafgesetzbuch. Kurzkommentar, 2. Aufl., N 3 ff. zu Art. 189. [64] Art. 189 Abs. 2, Art. 190 Abs. 2 StGB. [65] Art. 70 Abs. 1 und 2 StGB, Änderung vom 5. 10. 2001, BBl 2000 2943. Bereits der weniger weitreichende Entwurf des Bundesrates zog Kritik auf sich, vgl. Jenny G. / Killias M. (1998) Verjährungsregelung bei Kindsmissbrauch: Fehlurteile programmiert. Plädoyer 28, 29. [66] Art. 123 StGB. [67] Art. 189 StGB. [68] Art. 190 StGB. [69] Nationalrat 94.464; 94.465. Bericht und Anträge der Kommission für Rechtsfragen vom 20 11. 2000. Vgl. Auch die Vernehmlassungsantwort der Schweizerischen Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten, Mai 2001 http://www.equality.ch/gewalt.html . [70] Art. 189 StGB. [71] Art. 190 StGB. [72] Sexualstrafrecht aus feministischer Sicht – was heisst hier Vergewaltigung (1988) Frauenfragen, 54-61. Zum deutschen Recht vgl. Gerstendörfer M. (1996) Die Reform des „Sexual“strafrechts aus psychologischer Sicht. STREIT 104-108; Mildenberger E. H. (1999) Änderungen im 13. Abschnitt des StGB durch das 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts: durchdachte Novellierung oder unsystematischer Reformeifer? STREIT 3-15. [73] Vgl. nur Cornel H. (2002) Häusliche Gewalt. Geschlechtsspezifische Gewaltanwendungen und darauf bezogene qualifizierte Interventionsprogramme. Neue Kriminalpolitik 20-23; Leuze-Mohr M. (2001) Häusliche Gewalt gegen Frauen – eine straffreie Zone?. Dies ist auch ein zentrales Thema des NFP 40 „Gewalt im Alltag und Organisierte Kriminalität“. [74] Gillioz L. / De Puy J. / Ducret V. (1997) Domination et violence envers la femme dans le couple. Demgegenüber erfolgen in der Schweiz jährlich nur rund 800 Verurteilungen wegen Sexualdelikten. Wegen sexuellen Handlungen mit Kindern wurden 1997 320 Personen verurteilt, vgl. Bundesamt für Statistik, http://www.statistik.admin.ch/stat_ch/ber/19/thema/durt1903.htm [75] Kantonale Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern, Bern (1998) Konzept für täterbezogene Massnahmen gegen Gewalt in Ehe und Partnerschaft im Kanton Bern [76] Gemäss dem Domestic Violence Act. [77] Insbesondere das Domestic Abuse Intervention Project (DAIP) von Duluth, Minnesota. [78] Logar R. (1999) Halt der Männergewalt – Wegweisende Gesetzte in Österreich. STREIT, 99-110; Kolbitsch C. /Vana-Kowarzik (1998) Der neue Opferschutz in Österreich. Gesetzliche Regelungen gegen Gewalt im Wohnbereich. STREIT 18-21. [79] Grosser Rat des Kantons St. Gallen vom 28./ 29. 11. 2001, Protokoll 22.01.07. [80] Berner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt. Runder Tisch (2001/ 2002) Konzept und Vorschläge zuhanden der Kt. Projektorganisation Erarbeitung eines Gesetzentwurfs betreffend polizeilicher Gewahrsam und polizeiliche Wegweisung / Rückkehrverbot. [81] Kunz K.-L. (2001a) Kriminologie. Eine Grundlegung, 3. Aufl., § 27 Rn 29; Kilching (Fn. 1), 62. [82] Reemtsma J. P. (1997) Im Keller, 216. [83] Elias (Fn.16); Fattah (Fn.16). [84] Im geltenden Recht die Verwendung zugunsten des Geschädigten, Art. 60 StGB. Nach dem neuesten deutschen Reformentwurf zum Sanktionenrecht sollen künftig 10% jeder Geldstrafe an eine Opferhilfeorganisation abgeführt werden, vgl. Referentenentwurf für ein Gesetz zur Reform des Sanktionenrechts vom 8. 12. 2000, www.bmj.de/inhalt.htm . [85] Näher dazu Kunz K.-L. (2001a) Kriminologie. Eine Grundlegung, 3. Aufl., § 33. [86] Elias N. (...) Der Prozess der Zivilisation, ... [87] Foucault M. (1976) Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, 117: „Diese »ökonomische« Rationalität muss die Strafe bemessen und die angemessenen Techniken vorschreiben. »Menschlichkeit« ist der ehrerbietige Name für diese Ökonomie mit ihren sorgfältigen Kalkülen“. [88] Garland D. (1990) Punishment and Modern Society, 213. [89] Ausführlich dazu Kunz K.-L. (2001a) Kriminologie. Eine Grundlegung, 3. Aufl., §§ 35-37. [90] Hassemer W. (1989) Symbolisches Strafrecht und Rechtsgüterschutz. NStZ 553-559, 554 erwähnt die Erhöhung des gesellschaftlichen Stellenwerts des Phänomens Gewalt gegen Frauen qua Verschärfung des Sexualstrafrechts als Beispiel. [91] Kunz K.-L. (2001a) (Fn. 89) § 9 Rn 21 ff.; § 39. [92] Kunz K.-L. (2001b) Zum Verständnis der Kriminalität des Weissen Kragens. Auf der Spur eines in Verruf geratenen Konzepts. In FS Schmid, 87-101. [93] Frauen weisen, auch in der Schweiz, eine deutlich höhere Viktimisierungsfurcht als Männer auf, vg. SCOPE / DEMOSCOPE (1993) Verbrechensfurcht und präventives Verhalten der Schweizer Bevölkerung. Ergebnisse einer repräsentativen quantitativen Befragung in den drei Haupt-Sprachregionen, 19 f.. [94] Kunz (2001a) (Fn. 89) § 37 Rn 3 ff.. [95] Kunz (2001a) (Fn. 89) § 34 Rn 11. [96] Kunz (2000) Liberalismus und Kommunitarismus in Straftheorie und Kriminalpolitik. In Kunz K.-L.: Bürgerfreiheit und Sicherheit. Perspektiven von Strafrechtstheorie und Kriminalpolitik, 35-52. [97] Braithwaite J. (1989) Crime, Shame and Reintegration, dazu Kunz (2001a) (Fn. 81) § 19 Rn 9 ff. sowie Schobloch K. (2002) Abolitionismus im Rechtsstaat.. [98] Grundsätzlich dazu Walther S. (2000) Vom Rechtsbruch zum Realkonflikt. Grundlagen und Grundzüge einer Wiedergutmachung und Strafe verbindenden Neuordnung des kriminalrechtlichen Sanktionensystems. [99] Bröckling U. (2002) Vermittlung als Befriedung. Über Mediation. KrimJ 2-20. [100] Die Vorstellung geht zurück auf Christie N. (1977) Konflikte als Eigentum. In Christie N.: Grenzen des Leids, 131-152. [101] Jung (2000) (Fn 50). [102] Jakobs G. (1995) (Fn.6). [103] Etwa gemäss § 153a Deutsche StPO. [104] Schüler-Springorum H. (1991) Kriminalpolitik für Menschen, 226. [105] Tyler T. (1990) Why People obey the Law; Schobloch (Fn. 97), … . [106] Etwa Bush R. A. B. / Folger J. P. (1994) The Promise of Mediation. [107] Fisher R. / Ury W. / Patton B. M. (1981) Getting to Yes, dt. (1984) Das Harvard-Konzept. [108] Bröckling 4, 17. [109] Foucault M. (2000) Die Gouvernementalität. In: Bröckling U. / Krasmann S. / Lemke T. (Hrsg.) Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen, 41-67. Dazu Lemke T. (1997) Kritik der politischen Vernunft. Michel Foucaults Analyse der modernen Gouvernementalität; Dean M. (1999) Governmentality. Power and Rule in Modern Society; speziell zu Mediation und Gouvernementalität Bröckling (Fn. 99). [110] Bedenken dagegen bei Schünemann B. (1990) Absprachen im Strafverfahren? Grundlagen, Gegenstände und Grenzen. Gutachten B für den 58. Deutschen Juristentag, München; Schünemann B. (1993) Wetterzeichen einer untergehenden Strafprozesskultur? Wider die falsche Prophetie des Absprachenelysiums. StV 13, 657-663. [111] Hofrichter R. (1987) Neighbourhood Justice in Capitalist Society, 88 f.. [112] Jung (2000) (Fn 50), 162; Schobloch (Fn. 97) . [113] Eindrücklich Schüler-Springorum (Fn. 103). Last update: 18 Okt 11 |
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