Online Publications 

Sociology of Work and Organization 

 

Bibilographische Zitation:
Studer, Andrea-Martina:
Aufteilung von Beruf und Familie und der Arbeitsmarkt Schweiz. In: Sociology in Switzerland: Sociology of Work and Organization. Online Publikationen. Zürich, März 1998. http://socio.ch/arbeit/t_astuder.htm


 

Aufteilung von Beruf und Familie und der Arbeitsmarkt Schweiz

Gesellschaftlicher Diskurs und die Realitäten der Arbeitswelt

12. März 1998

Andrea-Martina Studer

 

"Bei theoretischer und praktischer Gleichberechtigung der Geschlechter im beruflich-wirtschaftlichen Leben wäre eine Pflicht des Ehemannes, ausschliesslich oder in erster Linie den Unterhalt seiner Kinder zu bestreiten und grundsätzlich seine Frau zu 'ernähren', unlogisch. Und nicht weniger unlogisch wäre es, die Frau allein oder vornehmlich mit der unmittelbaren Aufzucht der Kinder zu belasten. Wenn Frauen und Männer gleich leicht und gleich viel verdienen können, so liegt es auf der Hand, dass jeder sich selbst erhält und beide sich die für die Kinder nötigen Ausgaben teilen. Und wenn beide Eltern berufstätig sind, so liegt es ebenfalls auf der Hand, dass nicht die Frau ihre Freizeit aufs Kinderhüten zu verwenden hat, während der Mann sich aus dem Staube machen darf" (Iris von Roten. 1983: 222)

 

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 

2. Lebenswelt 

2.1. Die zunehmende Pluralisierung von Lebensformen 
2.2. Aufteilung von Beruf und Familie in der Schweiz: statistische Realitäten

3. Arbeitswelt 

3.1. Die gesellschaftliche Rolle von Arbeit 
3.2. Vollzeitarbeit und Teilzeitarbeit
3.3. Partnerschaftliche Aufteilung von Beruf und Familie 

4. Der Arbeitsmarkt Schweiz

4.1. Arbeitszeitmodelle und die Entwicklung in der Schweiz 
4.2. Hindernisse und Barrieren bei der Einführung und Durchsetzung individueller Arbeitszeitmodelle in der Schweiz

5. Fazit 

5.1. Diskrepanz zwischen gesellschaftlichem Diskurs und Realität 
5.2 Teilzeitarbeitende Familien: eine marginale Erscheinung 

6. Kommentar 

7. Bibliographie
 
 

1. Einleitung

Die Schweiz hat im vergangenen Jahr (1997) ziemlich genau 365 Milliarden Franken Bruttosozialprodukt erwirtschaftet und dafür 6, 5 Milliarden Stunden gearbeitet. Um diese Summe zu erreichen haben die Männer rund 4,3 und die Frauen rund 2,2 Milliarden Stunden gearbeitet. Frauen leisten dabei etwa 35% der bezahlten Arbeit und erhalten dabei einen gut um 20% tieferen Lohn, die Männer dagegen beanspruchen gut 70% der bezahlten Arbeit. Diese Angaben sagen jedoch nur bedingt etwas über die Arbeitsrealität in der Schweiz aus, so wird zum Beispiel unbezahlte Arbeit nicht in die Berechnung miteinbezogen.

Und dies, obgleich die Forderungen nach Gleichberechtigung und Gleichstellung von Mann und Frau in den letzten Jahrzehnten wiederholt formuliert wurden und der Gleichstellungsartikel seit rund 15 Jahren in der Bundesverfassung verankert ist.

Nichtsdestotrotz beginnen sich Rollenbilder und Konzepte aufzuweichen, Individualisierung und Geschlechteremanzipation lassen sich nicht aufhalten. 

Normbiographien werden je länger je mehr zur Ausnahme, persönliche Bedürfnisse, Vorstellungen, Werte und Ansichten treten in den Vordergrund. Diese Veränderungen sind nicht nur im gesellschaftlichen Wertewandel ablesbar, sondern auch in den aktuellen Tendenzen und Entwicklungen des Arbeitsmarktes.

Traditionelle, standardisierte Tages-, Wochen-, Jahres- und Lebensarbeitszeiten geraten ins Wanken, Zeitgestaltung und individuelle Freizeitgestaltung verlangen nach mehr Raum.

In der vorliegenden Arbeit richte ich den Fokus auf Familienmodelle, bei denen Berufs- und Familienarbeit partnerschaftlich aufgeteilt wird und die Teilzeitlösungen auf dem Arbeitsmarkt bedingen. Nebst statistischen Realitäten scheint es mir entscheidend, Konzepte, Werthaltungen und Vorstellungen von und über Familie, Beruf und Arbeit näher zu betrachten und zu diskutieren.

Gerade dort liegen meiner Ansicht nach Gründe und Ursachen, die individuelle Lösungen und Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt hemmen und zu einer marginalen Erscheinung machen. 

In diesem Kontext fordert auch die Beratungsfirma McKinsey & Company in ihrer Studie über individuelle Arbeitszeitmodelle ein vermehrtes Umdenken, um den neuen Anforderungen und Situationen im tiefgreifenden wirtschaftlichen Wandel gewachsen zu sein (McKinsey & Company:1996). Sie erläutern die Vorteile von Arbeitszeitflexiblisierungen und Teilzeitlösungen in einem unter Druck geratenem Arbeitsmarkt, aus einer weitaus volks- und betriebswirtschaftlichen Perspektive.

Massnahmen und Konzepte im Bereich der Arbeitszeitreduktion und Arbeitszeitflexiblisierung sollen jedoch nicht in einem rein wirtschaftlichen Umfeld betrachtet werden. Sie tangieren auch ausserberufliche Arbeitsbereiche, Partnerschaftssituationen, die Organisation von Familien- und Hausarbeit und das Angebot von Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Arbeitswelt und Lebenswelt sind eng miteinander verknüpft und voneinander abhängig, soziale, soziokulturelle und gesellschaftliche Aspekte sind bei einer Analyse zwingend miteinzubeziehen.

Inhalt


2. Lebenswelt

2.1 Gesellschaftliche Entwicklungen: die zunehmende Pluralisierung von Lebensformen

Durch den gesellschaftlichen Wandel der letzten Jahrzehnte wurden Lebens- und Familienformen in der Schweiz stark mitgeprägt. Dieser Wandel lässt sich mit zwei Stichworten umgrenzen: Individualisierung und Geschlechteremanzipation. Rollen, Normen, Werte und Identitäten werden anders interpretiert und gelebt, Menschen suchen nach Lebensformen, die ihren neuen, individuellen Bedürfnisse erfüllen, ihren Ansprüchen genügen (Straumann, Hirt, Müller 1996:17-20).

Gleichzeitig zu diesem Prozess entwickeln sich zahlreiche neue Familienformen, teilweise ähnlich der sogenannt traditionellen Kleinfamilie, teilweise alternativ zu diesem Modell. Familienformen ausserhalb der Ehe werden einerseits durch den hohen Prozentsatz von Scheidungen häufiger, andererseits auch durch die vermehrte Entscheidung zum Konkubinat. Daneben findet sich eine Vielzahl von weiteren Formen und Modellen: Wohngemeinschaften mit alleinerziehenden Müttern und Vätern, Einzelhaushalte, Stieffamilien, geteilte Elternschaft in zwei Haushalten. Angesichts dieser neuen Vorstellungen erhalten Merkmale wie Verwandtschaft und das Tragen gleicher Namen einen neue und relative Bedeutung (Bürgisser 1996:21-31).

Mit der Geschlechteremanzipation haben sich zudem Ansprüche und Bedürfnisse innerhalb von Partnerbeziehungen und Familie verändert, traditionelle Konzepte und Rollenbilder sind einem ständigen Wandel unterworfen. Sei das nun hinsichtlich der vermehrten Erwerbstätigkeit von Frauen, die sich nicht mehr nur als hinzuverdienende Hausfrauen und Mütter verstehen, sondern ihre Erwerbstätigkeit als einen festen Bestandteil ihrer Lebensplanung formulieren oder sei das eine langsame Emanzipation auf der Männerseite und eine Neudefinition von Beruf und Karriere, der Vaterrolle und den Aufgabe innerhalb des Haushaltes.

Hinzu kommt, dass sich auch Stellenwert und Gründung einer Familie im gesellschaftlichen Kontext stark gewandelt haben. Eine Entscheidung zum Single oder einer kinderlosen Partnerschaft gehört nicht mehr zur Ausnahme, Lebensentwürfe und Lebensformen werden nach veränderten Gesichtspunkten formuliert und gewählt. 

Diese Prozesse lassen sich in den veränderten Biographien von Frauen ablesen. Während in den 50er Jahren noch ein grosser Anteil von Frauen ihre Erwerbstätigkeit mit der Heirat unterbrach, wird heute dieser Wechsel, wenn überhaupt, beim ersten Kind vollzogen, und auch dann meistens nur für einen Unterbruch von einigen Jahren (Quack 1993:57-70). Der Wiedereinstieg oder Teilzeiterwerb neben der Familie wird zudem durch die sinkenden Kinderzahlen erleichtert. Die kleinere Familiengrösse bringt auch einen kleineren Zeitaufwand für Familien- und Hausarbeit mit sich und lässt weitere Berufe neben dem Hausfrau- und Mutterberuf zu (Bürgisser 1996:22).

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2.2. Aufteilung von Beruf und Familie in der Schweiz: statistische Realitäten

In der Schweiz sind 65% der Personen im Alter von 15 oder mehr Jahren erwerbstätig. Die Erwerbstätigkeit von Frauen liegt bei 54%, diejenige von Männern wesentlich höher bei rund 77%. Mit der Gründung einer Familie und der Präsenz von Kindern verändern sich Erwerbsmuster von Frauen stark. Erwerbstätige Frauen, die keine Kinder haben arbeiten zu 46% vollzeitlich, zu 54% teilzeitlich. Rund 22% der berufstätigen Frauen mit Kindern unter 15 Jahren arbeiten in einer Vollzeitstelle, die anderen 78% sind teilzeitlich erwerbstätig, reduzieren ihre Arbeitszeit demzufolge für die Betreuung der Kinder.

Die Situation der Männer stellt sich ganz anders dar. 97% der erwerbstätigen Männer mit Kindern unter 15 Jahren sind vollzeitlich angestellt. Männer ohne Kinder unter 15 Jahren arbeiten zu 89% Vollzeit, zu 11% Teilzeit. Die Präsenz von Kindern im Betreuungsalter scheint nach diesen Angaben keinen Einfluss auf das Erwerbsleben von Männern zu haben (Straumann, Hirt, Müller 1996:23-31).

Die Zahlen zeigen deutlich, dass die Familien- und Hausarbeit fast ausschliesslich von Frauen übernommen wird.

Dies erstaunt, betrachten wir die intensiven Diskussionen um den neuen Mann. Es scheint, als würden Schlagworte wie "die neuen Väter" oder "Emanzipation der Männer" überspitzt formuliert nur als Titel auf Frauenzeitschriften existieren. Die Statistiken zumindest unterstützen diese These.

Das Modell mit teilerwerbstätigem Vater und teilerwerbstätigen Mutter ist zahlenmässig betrachtet gesehen selten und wird nur von einer kleinen Randgruppe in die Realität umgesetzt. 

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3. Arbeitswelt

3.1 Die gesellschaftliche Wertung und Rolle von Arbeit

In einer 1987 durchgeführten Mehrländerstudie mit dem Titel "The Meaning of Working" (MOW:1987) zeigen die Ergebnisse ganz deutlich, dass Arbeit für die Mehrheit der Bevölkerung einen zentralen Stellenwert einnimmt. Im Arbeitsleben werden Sinngebung und Sinnerfüllung gesucht, geschieht die Zuweisung von Status und Prestige, werden Identitäten formuliert. Arbeit wird als zentraler Lebenswert angenommen. In einer Studie über die flexible Arbeitszeitmodelle aus dem Jahre 1998 gehen die Autoren jedoch von der Annahme aus, dass sich Konzepte von und über Arbeit mit der Veränderung von Arbeitsformen von diesen starren und traditionellen Denkmustern lösen werden (Ulich, Conrad-Betschart, Baitsch:1989). Als Konsequenz fordern sie Unternehmen auf, sich auf neue Wege zu begeben, konkrete Vorschläge sind Dezentralisierung, flache Hierarchien und ein hohes Mass an Flexibilität, um intrinsische Motivation zu fördern und Arbeit als einen Lebenswert zu erhalten. Ansonsten befürchten die Autoren Ulich, Conrad-Betschart und Baitsch, dass "innere Kündigung und Rückzug ins Privatleben - um dort zu finden, was man in der Arbeit vergeblich gesucht hat - (...)" um sich greifen werden (1989).

Betrachtet man aktuellere Studien, dann ist dieser Wertewandel nur bedingt ablesbar. Arbeit wird immer noch als zentraler Lebenswert gesehen, ein Rückzug ins Privatleben kann in dem Sinne nicht beobachtet werden.

In einer Studie des Wirtschaftswissenschaftlichen Institutes der Universität Basel wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in privatwirtschaftlichen Unternehmen in der Nordwestschweiz nach ihrer subjektiven Einschätzung von Erwerbsarbeit gefragt (Straumann, Hirt, Müller: 1996).

In der Analyse der Aussagen behält Arbeit den zentralen Stellenwert: wer arbeitet, nimmt eine gesellschaftliche Verantwortung wahr, erfüllt "seine Pflicht". Arbeit wird in diesem Kontext in den meisten Fällen mit Berufsarbeit gleichgestellt, unbezahlte Arbeit wird nicht miteinbezogen. Konsequenterweise ist vor allem Männerarbeit angesehen, im Gegensatz zur Haus- und Familienarbeit, die grösstenteils von Frauen verrichtet wird. 

Interessant sind zudem Äusserungen wie "wer nicht voll arbeitet, ist nicht vollwertig" (Straumann, Hirt Müller 1996:87), wo zum grundsätzlichen Faktum von Erwerbsarbeit auch noch der Vollzeitaspekt hinzukommt. 

In diesen Aussagen kann eine ganz klare Geschlechterdichotomie festgestellt werden. 75,3% aller Teilzeitstellen werden von Frauen besetzt, sie werden nicht als "vollwertig" angesehen.

Die Qualifikation zu sogenannt "wertvoller" Arbeit muss nun unter dem Aspekt von Voll- und Teilzeitarbeit näher betrachtet werden, denn hier lassen sich Akzeptanz und Chancen von alternativen Lösungen ablesen.

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3.2 Vollzeitarbeit und Teilzeitarbeit

Die Basler Studie zeigt klar auf, dass Teilzeitarbeit primär Frauenarbeit ist. Diese Aussage ist nicht abhängig von den statistischen Werten, sondern von den Vorstellungen der Beschäftigten. "Arbeiten", "nicht arbeiten" und "weniger arbeiten" werden unterschiedlich bewertet und die verschiedenen Bereiche, wo diese Arbeit verrichtet wird zusätzlich dazu differenziert betrachtet. Frauenarbeit wird in diesem Zusammenhang tendenziell als minderwertig angesehen. Teilzeitarbeit, die im allgemeinen als Frauenarbeit betrachtet wird, ist durch dieses Konzept ebenfalls negativ bewertet. Im Vergleich zur Vollzeitarbeit und der damit verbundenen gesellschaftlichen Pflichterfüllung wird Teilzeitarbeit als ein Entzug aus der gesellschaftlichen Verantwortung empfunden. Teilzeitarbeitende machen sich auf Kosten der Vollzeitarbeitenden ein schönes Leben und leisten sich mehr Freizeit. Man kann hier von einer Stigmatisierung von Teilzeitarbeit sprechen, Teilzeitarbeit als "nicht richtige oder nicht vollwertige Arbeit".

Trotzdem wird Teilzeitarbeit im traditionellen Rollenverständnis für Frauen als legitim betrachtet. Als Ergänzung zur Haus- und Familienarbeit oder als Wiedereinsteigerin, wenn die Kinder das elterliche Haus langsam verlassen. Bei Männern jedoch wird sie meist skeptisch aufgenommen, nicht nur von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterseite, sondern ebenfalls von Seite der Unternehmung. Oft wird von teilzeitarbeitenden Männern erwartet, dass sie nebenbei noch anderen Tätigkeiten, wie zum Beispiel einem politischen Mandat nachgehen, das heisst einer sogenannten männlichen Beschäftigung (Straumann, Hirt, Müller 1996:97-131). 

Dies hängt mit Bedenken seitens der "Männerwelt" zusammen. Der Ausschluss von Karrierechancen, die Angst, womöglich auf einen unattraktiven Arbeitsplatz versetzt zu werden und nicht mehr voll in den Betrieb integriert zu sein. Solche Nachteile werden auch bei einem zeitweiligen Wechsel auf Teilzeitarbeit erwartet. 

Erhebungen zeigen, dass Männer häufiger als Frauen berufliche und finanzielle Nachteile als Barrieren gegen die Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung nennen und sie deshalb nur selten die individuelle Reduzierung ihrer Arbeitszeit aktiv betreiben, während Frauen, die solche Nachteile ebenfalls zu befürchten haben, eher bereit sind, diese in Kauf zu nehmen, oftmals weil sie froh sind, überhaupt ein Teilzeitpensum gefunden zu haben (Hinrichs 1992:319).

Hinrichs erwartet darum kaum, dass trotz vermehrtem Aufweichen von Rollenmodellen, Männer in grösserer Zahl zu individuell verkürzten Arbeitszeiten zu wechseln werden. Die Befürchtung erwerbsbiographischer Nachteile und die Angst, bei der Realisierung auf Schwierigkeiten zu stossen, überwiegen (Hinrichs 1992:319).

Auf der anderen Seite fällt auf, dass in den letzten Jahren vermehrt Teilzeitstellen geschaffen wurden. Die schon mehrmals zitierte Basler Studie zeigt hier auf, dass sich von Hinrichs beschriebene Tendenz bestätigt. Teilzeitarbeitende Frauen stellen mehrheitlich den "pragmatischen Umgang mit der Vereinbarkeit der verschiedenen Lebensbereiche" in den Vordergrund. Mit der stärker werdenden Erwerbsorientierung von Frauen werden Erwerbsunterbrechungen minimiert und dafür aber die relativ geringeren Nachteile der Teilzeitbeschäftigung hingenommen, um auch in Phasen grösserer zeitlicher Beanspruchung durch Familienarbeit den Kontakt zum Arbeitsmarkt nicht zu verlieren.

Die wenigen teilzeitarbeitenden Männern hingegen betonen "die persönliche und emotionale Befriedigung, die sie aus einer Teilzeitsituation ziehen"(Straumann, Hirt, Müller 1996:97). Arbeit ist hier mit anderen Werten verbunden, mit einer Lebensauffassung, in welcher Arbeit nicht mehr dominierenden Lebensinhalt bedeutet.

Diese alternative Auffassung von Arbeit erschwert es teilzeitarbeitenden Männern, an ihrem Arbeitsplatz akzeptiert zu werden. Die Vorurteile sind gross, Bemerkungen wie "Hast du schon wieder frei" oder "gehst du schon wieder ins lange Wochenende" sind nicht selten und lassen teilzeitarbeitenden Männer spüren, dass sie oft nur als halbe Portionen wahrgenommen werden. Betroffene Männer sehen darin jedoch zuweilen auch Neid auf ihre Berufs- und Lebenssituation (Bürgissser:1996).

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3.3 Partnerschaftliche Aufteilung von Beruf und Familie

Die wenigen Paare, die sich bewusst für eine Aufteilung von Beruf und Familie entscheiden, tun dies aus unterschiedlichen Gründen. Bei Frauen steht mehrheitlich der Wunsch im Vordergrund, eine (möglichst kontinuierliche) Erwerbstätigkeit und familiäre Aufgaben miteinander zu verbinden (Quack 1993:98). Begründet wird dieser Wunsch mit der langen Ausbildung, dem interessanten Beruf und mit dem Bedürfnis, den Kontakt zur Berufswelt und Aussenwelt nicht zu verlieren (Bürgisser 1996:31). Als weiteren entscheidenden Aspekt formulieren Frauen das Verhindern einer unerwünschten Abhängigkeit, dies primär aus materieller Sicht, Bürgisser vermutet in ihrer Studie jedoch zudem, dass Frauen auch eine emotionale und soziale Abhängigkeit vermeiden wollen (1996:32). Mit der aktuellen Wirtschaftslage und der Möglichkeit einer drohenden Arbeitslosigkeit, wird zudem der Vorteil von zwei Teilzeitstellen hervorgehoben. Es ist eher unwahrscheinlich, dass beiden Partnern gleichzeitig gekündigt wird, eine grössere soziale Sicherheit ist so gewährleistet. 

Die Männer betonen zwar den nicht immer leichten Entscheid, auf Karriere zu verzichten, sie nehmen dies jedoch zugunsten von anderen Prioritäten - zum Beispiel der Kinderbetreuung - in Kauf, mit der Einschränkung, dass ihre Arbeit nicht an inhaltlicher Qualität verlieren darf. Als grosser Vorteil einer Teilzeitlösung wird der neu gewonnene Raum für weitere Tätigkeiten und Interessen angeführt (Bürgisser 1996:50-51).

Einer der wichtigsten Faktoren in der Entscheidungsfindung zu einer partnerschaftlichen Aufteilung von Beruf und Familie ist bei beiden Geschlechtern ihre bewusste Abkehr vom traditionellen Rollenbild und eine Neuformulierung von Aufgaben und Konzepten innerhalb und ausserhalb der Familie. 

"Ich habe nun ein paarmal gehört, die Frau hat die Kinder. Was ist eigentlich mit dem Mann? Der hat auch Kinder. Meine Frau ist nicht weniger vefügbar [ für den Beruf] , weil sie ein Kind hat. Ich bin genau gleich wenig verfügbar, wie meine Frau, denn ich habe auch ein Kind"(Straumann, Hirt, Müller 1996:108).

Eine Partnerschaft, in der beide teilzeitlich arbeiten, kann eine gleichberechtigte Arbeitsteilung zwischen den beiden Geschlechtern nicht garantieren. Und selbst bei bewusstem Abrücken von traditionellen Rollenvorstellungen ist eine partnerschaftlich gleichberechtigte Aufgabenteilung von den unterschiedlichen Rahmenbedingungen abhängig, wie zum Beispiel Arbeitszeitflexibilität, Einkommensunterschiede, Akzeptanz des Unternehmens gegenüber Teilzeitlösungen (Straumann, Hirt, Müller 1996:102).

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4. Der Arbeitsmarkt Schweiz

Die Deregulierung und Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen ist in der Schweiz, wie auch im übrigen Europa, voll im Gang. Während sich die Unternehmen mittels strategischer Netzwerke, Fusionen und fliegenden Allianzen versuchen auf die Verflüssigung und zunehmende Schnelligkeit der Wirtschaft einzustellen, fehlt vorerst eine grundlegende Neudefinition von Arbeit. 

Wie bereits diskutiert, ist die Arbeitswelt in einem grundsätzlichen Wandel begriffen. Die Vorstellung eines lebenslänglichen Berufes und einer Vollzeitstelle verschwinden vermehrt, statt dessen werden neue Modelle wie Temporärarbeit, Freelancer, Contingent worker oder Mobilzeitpopulärer. Diese Arbeitsformen werden teilweise von Unternehmerseite aufgegriffen, meist in Bereichen, in welchen die Vorteile überwiegen. 
 

 

4.1 Arbeitszeitmodelle und die Entwicklung in der Schweiz

Im internationalen Vergleich hat die Schweiz jetzt schon einen hohen Anteil an individuellen Arbeitszeitmodellen. Sie belegt hinter den Niederlanden mit 27,6% den zweiten Platz2, betrachtet man die Verbreitung von Teilzeitstellen. Ursachen für diese Quote sind das sehr hohe Durchschnittseinkommen in der Schweiz, welches erlaubt mit einer Teilzeitarbeit, den Lebensunterhalt zu verdienen. Daneben der hohe Anteil an erwerbstätigen Frauen und die grosse Zahl von Arbeitsplätzen im Dienstleistungssektor. Konjunkturbedingt kann auch der ausgetrocknete Arbeitsmarkt zu zusätzlichen Teilzeitstellen führen. 

In Zukunft sollen nach McKinsey & Company mindestens 50% der Arbeitsplätze Teilzeitstellen sein und weitere Formen von Flexibilisierungen vermehrt zunehmen. 

"Gleitzeit beispielsweise wurde in der Schweiz erst 1969/70 eingeführt; heute arbeiten fast ein Viertel aller Arbeitnehmer nach diesem Modell. Auch die Zahl der Arbeitsplätze mit Schicht- und Nachtarbeit hat seit dem Zweiten Weltkrieg markant zugenommen, und Experten erwarten ein weiteres Wachstum. Schliesslich ist auch im Temporärbereich eine weitgehende Flexibiliserung möglich: In den Niederlanden arbeiten ca. 3% der Erwerbstätigen temporär, in der Schweiz sind es nur 0,6% (McKinsey & Company, Inc. 1996:12)

Die potentiellen Vorteile individueller Arbeitszeitmodelle sind nach der Studie von McKinsey & Company enorm. Produktivitätsgewinne können seitens der Unternehmen erhöht werden, der vermehrte Wunsch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach grösseren Freiräumen, Freizeit und Familie kann erfüllt und einen bessere Verteilung der Arbeit auf mehr Menschen erwirkt werden (1996:18-21). 

In einer aktuellen Erhebung des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes bewerten Personalverantwortliche die Vorteile bezüglich Kosten/Nutzen-Verhältnis flexibler Arbeitszeitmodelle jedoch unterschiedlich.


SGB Dokumentation: Flexible Arbeitszeitmodelle: Verbreitung und Hürden. Oktober 1996

Die Unternehmen sehen die Vorteile vorwiegend in den klassischen Arbeitszeitmodellen wie frühzeitige Pensionierung oder traditionelle Teilzeitarbeitsstellen und zudem im Modell "Arbeit auf Abruf", welches für die Arbeitgeber erhebliche finanzielle Vorteile mit sich bringt. So zum Beispiel eine Verminderung der Sozialversicherungskosten und eine optimale Lösung für Unternehmen mit saisonalen Auftrags- oder Produktionsschwankungen. Betrachtet man die Zahlen über die Verbreitung von flexiblen Arbeitszeitformen figuriert die "Arbeit auf Abruf" hinter Teilzeitbeschäftigung schon auf dem zweiten Rang.  

 

SGB Dokumentation: Flexible Arbeitszeitmodelle: Verbreitung und Hürden. Oktober 1996

Diese Entwicklung betitelt Peter Gross mit dem Begriff "Verflüssigung der Arbeit" (Bilanz 7/1997) und erklärt damit eine, wie er es in Anlehnung an die Familienforschung formuliert "sukzessive Polygamie". Dazu gehören häufigere Arbeitsplatzwechsel, neue Formen von ortloserArbeit und in ausgeprägtester Form wohl Portfolio work.

Im Vergleich dazu wird das Modell des Job-Sharings immer noch mit grosser Skepsis bewertet und liegt mit 29% am Schluss der in Unternehmen verbreiteten flexiblen Arbeitszeitformen.

Obgleich also die potentiellen Vorteile individueller Arbeitszeitmodelle breit bekannt sind, die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen steigern und den Standort Schweiz stärken, werden in der Realität bis anhin erst Projektversuche durchgeführt, sind individuelle Arbeitszeitlösungen eine Ausnahme. Modelle, die in den letzten Jahren grössere Verbreitung fanden, sind diejenigen, die vor allem Vorteile für die Unternehmerseite bedeuten, nicht aber also faire sozialpartnerschaftliche Lösungen bezeichnet werden können.

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4.2 Hindernisse und Barrieren bei der Einführung und Durchsetzung individueller Arbeitszeitmodelle in der Schweiz

An diesem Punkt setzen McKinsey & Company an und fragen nach den Gründen, warum das Potential für individuelle Arbeitszeitmodelle nicht ausgenutzt wird. Sie machen dafür traditionell geprägten Vorstellungen und Haltungen von Unternehmen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und andere Organisationen verantwortlich. Als weitere Aspekte werden die sozialen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel die Form der Infrastruktur sowie rechtliche und vertragliche Bedingungen angegeben. 

Die Ursachen finden sich nach McKinsey & Company in der in der Schweiz vorherrschenden Führungsphilosophie, die nach wie vor stark auf command and control ausgerichtet ist. Dazu im Gegensatz stehen Modelle, die vermehrt Verantwortung einer Gruppe delegieren, so dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Gestaltung von Abläufen und in die Verteilung der Aufgaben eingebunden werden (McKinsey & Company:1996). Die Überlegung, dass es gerade in den Führungsetagen möglich wäre, Teilzeitstellen zu schaffen, stösst nach den Ergebnissen der Studie der Universität Basel auf wenig Resonanz. Ein Vorgesetzter muss präsent sein, denn Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Handlungsbereitschaft sind nach der Meinung der Befragten in einer leitenden Stellung unabdingbar. Akzeptiert wird hingegen, dass oberste Vorgesetzte oft abwesend sind, sie neben politischen Verpflichtungen und Mandaten in weiteren Unternehmen eigentlich ein Teilzeitpensum leisten. Diese Absenzen sind für die Unternehmung jedoch von Nutzen, so die Wahrnehmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denn hier werden die Interessen der Unternehmung in Kontakten nach aussen, in Sitzungen oder in Verwaltungsratsmandaten vertreten. Eine gute Führungskraft zeichnet sich demzufolge dadurch aus, dass sie immer da ist für die Unternehmung. In diesem Sinn ist sie auch da, wenn sie abwesend ist, denn sie setzt sich während dieser Zeit aktiv für die Firma ein. Die Vorstellungen und Konzepte über Arbeit treffen auch hier zu. Eine verantwortungsbewusste Führungsperson arbeitet Vollzeit, die Präsenz im Unternehmen bedeutet Interesse, Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit. Abwesenheit, im Rahmen von Teilzeitarbeit unumgänglich, werden als mangelnde Solidarität, fehlendes Verantwortungsbewusstsein und Unzuverlässigkeit interpretiert (Straumann, Hirt, Müller 1996:131-150). 

Die beschriebene Führungsphilosophie zeigt sich klar in den hierarchischen und funktionalen Strukturen, die in CH-Unternehmen vorherrschen. Diese hierarchisch funktionale Gliederung ist wiederum eng verbunden mit traditionellen, starren Berufsbildern und lässt so wenig Raum für die Realisierung von individuellen Arbeitszeitmodellen. Diese Hypothese wird durch die Ergebnisse der Gewerkschaftsstudie bestätigt. Betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in grossen Betrieben formulieren ihren Widerstand am klarsten. 45% der Befragten sprechen sich negativ gegen eine zunehmende Flexibilisierung aus, in kleineren Unternehmungen sind es 34%. Weitere 16% der Antwortenden nennen den Widerstand des mittleren Kaders als hauptsächliches Hemmnis, wohingegen die Personalveantwortlichen zu 30% gesetzliche Schranken als Hindernis betrachten für die Einführung von flexibleren Modellen.

Diese Haltungen und Einstellungen bezüglich Arbeit und Arbeitszeit haben nicht nur innerhalb der Unternehmen Konsequenzen, sondern gerade die von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwähnte schlechte soziale Infrastruktur hängt eng damit zusammen. Das traditionelle Rollen- und Familienmodell benötigt diese infrastrukturellen Rahmenbedingungen nicht, auch aus diesem Grund sind Kinderbetreuungsplätze in der Schweiz Mangelware. Wenn Paare mit partnerschaftlichen Aufteilung von Beruf und Arbeit ihre Arbeitszeiten nicht optimal aufeinander abstimmen können, sind sie auf Hilfe aus der Verwandtschaft angewiesen oder sind gezwungen auf teure Lösungen (zum Beispiel ein Kindermädchen oder Au-Pair) auszuweichen (Bürgisser:1996). 

Dieser Umstand bewegt nun vermehrt auch private Arbeitgeber, Betreuungsplätze für erwerbstätige Mütter zu organisieren (Harker 1996:49-62).

Um eine optimale Ausgangslage für weitere individuelle Lösungen in der Schweiz zu schaffen, fordert McKinsey & Company einige Anpassungen im schweizerischen Recht. Sonderbestimmungen und Verbote (Nachtarbeitsverbot für Frauen) sollen aufgehoben, die Arbeitsverhältnisse liberalisiert werden (McKinsey & Company 1996:36-38). Hier befürchten die Gewerkschaften, meines Erachtens zurecht, dass solche Massnahmen primär die Arbeitgeber stärken, die Arbeitnehmer jedoch in ihren Rechten schwächen. 

Zum Schluss wirft McKinsey & Company die berechtigte Frage auf, ob die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überhaupt bereit sind, den Einkommensverlust, der mit einem Teilzeitpensum verbunden ist, in Kauf zu nehmen. Nach einer Tages-Anzeiger Umfrage wären nur gerade 23% aller Teilzeitwilligen bereit, eine Lohnreduktion von 20% oder mehr in Kauf zu nehmen (1996:38). Meines Erachtens spielen bei diesem Aspekt einmal mehr Werthaltungen und der ganze Komplex von Vorstellungen in bezug auf Arbeit, Familie und Freizeit die entscheidende Rolle.

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5. Fazit

5.1 Diskrepanz zwischen gesellschaftlichem Diskurs und gesellschaftlicher Realität

Betrachtet man die zahlreichen Erhebungen und Analysen der vorgestellten Studien, fällt auf, dass die Diskrepanz zwischen den aktuellen Entwicklungen und Tendenzen auf dem Arbeitsmarkt Schweiz und dem gesellschaftlichen Diskurs bezüglich Arbeit und Familie sehr gross ist. Fordern Studien, Gewerkschaften und andere unabhängige Organisationen eine vermehrte Einführung von individuellen Modellen auf der Grundlage von sozialpartnerschaftlichen Lösungen, reagieren Unternehmen wie auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr zurückhaltend. McKinsey & Company fordert darum ein grundätzliches Umdenken, was traditionelle Haltungen und Einstellungen bezüglich diesen Modellen anbelangt.

"Unsere Diskussionen mit Pilotfirmen und anderen fortschrittlichen Unternehmen haben uns jedoch darin bestätigt, dass in traditionellen Haltungen und Einstellungen – sowohl bei den Mitarbeitern wie bei den Vorgesetzten – einer der Hauptgründe zu suchen ist. Solange hier kein Umdenken stattfindet, bleiben Teilzeit und individuelle Arbeitszeit ‚Insellösungen‘: einzelne Mitarbeiter, die sich durchsetzen, einzelne Vorgesetzte, die das unterstützen, und ein Umfeld, das die jeweilige Lösung mehr toleriert als unterstützt"(McKinsey & Company 1996:39).

Eine erfolgreiche zukünftige Entwicklung hängt demzufolge primär mit Konzepten in den Köpfen ab. Jedoch nicht nur Konzepten bezüglich Arbeit und Arbeitszeiten, sondern m.E. auch stark mit den gesellschaftlichen Normen und Werten bezüglich Familie und Beruf, konkret der Wertung und Akzeptanz von Familien- und Hausarbeit und in diesem Kontext unbezahlter Arbeit.

Ein weiteres Indiz für die nach wie vor traditionellen Haltungen ist das Faktum, dass Lohnkürzungen, die mit Teilzeitlösungen erwartet werden müssen, nur gerade von 20 Prozent aller Teilzeitwilligen in Kauf genommen würden. Bedürfnisse nach mehr Freiräumen und individuelleren Lösungen werden bei einer finanziellen Einbusse stark relativiert. Der monetäre Aspekt hat einen nicht unbedeutenden Einfluss auf den Entscheid, eine Teilzeitlösung zu wählen. 

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5.2 Teilzeitarbeitende Familien: eine marginale Erscheinung

Trotz der im Kapitel Lebenswelt bechriebenen zunehmenden Pluralisierung von Vorstellungen über Familie, Beruf und Rollenbilder zeigen die statistischen Erhebungen, dass Paare, die sich Beruf- und Familienarbeit aufteilen, zu einer kleinen Minderheit gehören.

In der vorliegenden Arbeit habe ich gezeigt, dass die Gründe dafür mehrheitlich in den traditionellen und zugleich starren Vorstellungen und Konzepten über Familie und Beruf liegen. Davon abhängig habe ich die nur langsamen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt erklärt.

Wagen Familien trotz allem den Schritt und entscheiden sich für eine sogenannt alternative Familienform, so werden sie mehrheitlich als Exoten betitelt und die Reaktionen aus dem Umfeld sind oft skeptisch. Dies läßt Margret Bürgisser in ihrer Studie vermuten, dass das Gelingen des partnerschaftlichen Rollenmodells davon abhängt, ob beide Partner grundlegend davon überzeugt sind und zudem genug stark, den häufig auftauchenden Problemen zu begegnen (1996:97). Diese zwingende Voraussetzung verhindert m. E. eine grössere Verbreitung dieses Modells, denn die daraus folgenden Konsequenzen sind vielschichtig und bedeuten einen erheblichen Mehraufwand für beide Partner bezüglich Arbeitsplatzsuche, Organisation der Familienarbeit, der Partnerschaft und des sozialen Umfeldes. Zwar werden solche Lösungen in Umfragen als Wunschvorstellungen formuliert, bei der Familiengründung wird aber mehrheitlich der "einfachere", traditionelle Weg gewählt und die Frauen ziehen sich zu einem grossen Prozentsatz teilweise oder gänzlich aus dem Erwerbsleben zurück.

Werden Frauen, die sich auf Familie und Beruf konzentrieren nach einem Wiedereinstieg gefragt, so beabsichtigen über 60% der Befragten sicher oder wahrscheinlich wieder ins Erwerbsleben zurückzukehren, lediglich 15% sind überzeugt, sicher nicht mehr eine geregelte Berufstätigkeit aufnehmen zu wollen. Als Gründe für einen beruflichen Wiedereinstieg werden der Kontakt mit anderen Menschen genannt, die Freude an der Berufstätigkeit, das erneute Wecken von Fähigkeiten und erst an vierter Stelle die finanzielle Besserstellung der Familie. Den grössten Stolperstein vermuten Frauen, die sicher wiedereinsteigen wollen, im Bereich des sozialen und öffentlichen Bereiches. Dabei werden vor allem fehlende Kinderbetreuungsmöglichkeiten beklagt. Als zweiter Punkte wird die Arbeitswelt angegeben und mehrheitlich die schlechte Konjunkturlage als problematisch angesehen. 

Diese Studie bestätigt erneut die Hypothese, dass zwar auf der Diskurs- und Konzeptebene die Bilder und Vorstellung bezüglich Familie, Beruf und Arbeit sich verändern, Rollen flexibler werden, dass aber die Umsetzung an den Schwierigkeiten, die dabei erwartet werden, scheitert. Seien dies Probleme bezüglich Arbeitsplatz, der Organisation der Familie oder Reaktionen des gesellschaftlichen Umfeldes. Das Modell Halbe – Halbe wird zwar vermehrt als Ideal gesehen, schnell aber zur Illusion gestempelt. Traditionelle Haltungen und Werte sind immer noch tief verankert, nicht nur in den Köpfen und im Portemonnaie, sondern wie gesehen auch in den ökonomischen Organisationsstrukturen und den rechtlichen Rahmenbedingungen. 

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 6. Kommentar

Um das Modell Halbe–Halbe oder anderen alternativen Familienformen eine grössere Chance zu geben, müsste es für Frauen und Männer gleichermassen möglich sein, ihre Berufs- und Familienarbeit unter einen Hut zu bringen. Das bedingt, betrachten wir den Arbeitsmarkt CH, eine grössere Flexibilität der Unternehmen und strukturelle wie ideologische Veränderungen in allen Etagen. Hand in Hand müssen vorhandene rechtliche und politische Hindernisse vermindert werden. McKinsey & Company betonen aber zurecht, dass die aktuellen Rahmenbedingungen in der Schweiz verhältnismässig günstig sind, vieles jetzt schon machbar ist, wenn Unternehmen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Arbeitnehmerorganisationen eng zusammenarbeiten (1996:48). 

Dabei genügt es nicht, einzig mehr Teilzeitstellen zu schaffen, die noch dazu in den typischen Frauenberufen angesiedelt sind. Qualifizierte Teilzeitarbeit für Männer und Frauen muss alltäglich werden, die im gesellschaftlichen Diskurs formulierten Bedürfnisse und Vorstellungen ernst genommen werden. 

Dieser Diskurs scheint aber noch nicht die Stärke und Intensität gewonnen zu haben, um den hier geforderten Prozess initialisieren zu können. Das gängige Argument, die Schweizerinnen und Schweizer seien halt einfach konservativ, kann und soll hier weder als Erklärung noch Begründung geltend gemacht werden. 

Tatsache ist, dass sich Familienformen, Arbeitsverhältnisse und Lebensentwürfe pluralisieren, und damit wirtschaftliche, ökonomische und gesellschaftliche Muster verändern. Dieser Pluralisierung soll genügend Raum und Möglichkeiten für eine weitere Entfaltung gegeben werden. Studien aus dem ökonomischen (McKinsey & Company), wie sozialwissenschaftlichen Bereich (Bürgisser; Straumann, Hirt und Müller zeigen die Vorteile solcher Entwicklungsperspektiven klar auf.

Ich habe in dieser Arbeit gezeigt, dass der springende Punkt auf der diskursiven Ebene liegt, bzw. beim Nichtüberwinden des Grabens zwischen Diskurs und Realität. Empfehlungen und Rezepte für die Zukunft abzugeben, macht wenig Sinn. Die ständige Auseinandersetzung mit der Thematik, das vermehrte Auftauchen alternativer Lebensformen, die formulierten Bedürfnisse nach mehr Individualität, die sozialen und ökonomischen Vorteile haben einen Prozess ausgelöst, der, so hoffe ich zumindest, zukünftig breitere Resonanz findet und weitere positive Entwicklungen unterstützten wird. 

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8. Bibliographie

1. Publikationen

Bürgisser, Margret. 1996. Modell HALBE/HALBE: Partnerschaftliche Arbeitsaufteilung von Beruf und Familie. Zürich: Werd Verlag.

Bundesamt für Statistik. Februar 1998. Die Erwerbsstatistik (ETS) Beschäftigungsstatistik (BESTA). Bern: Bundesamt für Statistik.

Goneya, Judith G. und Bradley K. Googins. 1996. The Restructuring of Work and Family in the United States, in Lewis, Suzan and Jeremy Lewis (eds): The Work-Family Challenge: Rethinking Employment, p 49-62. Sage Publications.

Gruppe Corso. 1992. Arbeits- und Arbeitszeitwünsche der nicht erwerbstätigen Frauen. Zürich: Gruppe Corso.

Harker, Lisa. 1996. The Family Friendly Employer in Europe, in Lewis, Suzan and Jeremy Lewis (eds): The Work-Family Challenge: Rethinking Employment, p 62-77. Sage Publications.

Hinrichs, Karl. 1992. Zur Zukunft der Arbeitszeitflexibilisierung: Arbeitnehmerpräferenzen, betriebliche Interessen und Beschäftigungswirkungen, in Soziale Welt 43, 1992, Seite 313-330.

Klauder, Wolfgang. 1990. Ohne Fleiss kein Preis: Die Arbeitswelt der Zukunft. Edition Interfrom.

McKinsey & Company, Inc. 1996. Individuelle Arbeitszeitmodelle: Gemeinsam gestalten/ Gemeinsam gewinnen. Zürich: McKinsey & Company, Inc.

MOW-Meaning of Working International Research Team. 1987. The Meaning of Working – an International View. London: Academic Press. 

Quack, Sigrid. 1992. Dynamik der Teilzeitarbeit: Implikationen für die soziale Sicherung von Frauen. Berlin: edition sigma.

Straumann, Leila D., Monika Hirt und Werner R. Müller. 1996. Teilzeitarbeit in der Führung. Studie des Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrums der Universität Basel. Zürich: vdf.

SGB Schweizerischer Gewerkschaftsbund. Oktober 1996. Flexible Arbeitszeitmodelle: Verbreitung und Hürden, in Dokumentation 38/1996.

Ulich, Eberhard, Hanspeter Conrad-Betschart und Christof Baitsch. 1989. Arbeitsform mit Zukunft: ganzheitlich-flexibel statt arbeitsteilig. Bern: Verlag Lang.

Von Roten, Iris. 1983 (4. Auflage) . Frauen im Laufgitter.Dortmund:eFeF-Verlag.
 
 

2. Zeitschriften und Zeitungsartikel

Cash 9/1998. Chrampfen zum Nulltarif. In der Schweiz verrichten Frauen doppelt so viel unbezahlte Hausarbeit wie Männer. 27. Februar 1998.

Context. 19/1997. Margrit Stucki. Arbeit nach Mass.

Bilanz 7/1997. Peter Gross. Steigerung des Jobholder value.

Bilanz 11/1997. Was war das – ein Arbeitsplatz?

Bilanz 8/1997. Die Arbeit-Geber.

Facts 3/1998. Arbeit der Zukunft: Die totale Verfügbarkeit. 15. Januar 1998.

Last update: 02 Feb. 15

 

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Prof. Hans Geser
Soziologisches Institut
der Universität Zürich
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