Universität Zürich Soziologisches Institut der Universität Zürich Prof. Dr. Hans Geser

 
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Georg Simmel: Das Wesen der Materie nach Kant's Physischer Mondadologie

Inaugural - Dissertation zur Erlangung der Doctorwürde von der philosophischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin genehmigt und Freitag den 25. Februar 1881 öffentlich verteidigt

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei, Berlin 1888, 34. S.

Meinem väterlichen Freunde
Julius Friedlaender
in Dankbarkeit und Liebe
gewidmet

Der streng naturwissenschaftliche Zug, der die erste Periode Kant's beherrscht, hält ihn sogar bis zum Jahre 1756 von einer prinzipiellen Erörterung des Wesens der Materie fern, nur aphoristisch wird der Gegenstand gestreift, gerade genug um erkennen zu lassen, dass Kant noch ganz in den Leibnitzischen Vorstellungen lebt, die er höchstens in den rein physikalischen Fragen durch das Studium Newton's und Euler's erweitert hatte.

Zur Charakterisierung seines Standpunktes in dieser Zeit mögen folgende Aussprüche genügen: Die Materie ist das bloss Leidende, aber gleich in Bestrebung sich zu bilden und zwar durch die Kraft der Attraktion und des chemischen Zusammenhangs (allg. Nat., 2. Thl. I. Kap.).

Diese Attraktion, ebensoweit ausgedehnt als die Koexistenz (ebenda 7. Kap.), wird schon durch diese allein zu Stande gebracht und bringt den Raum zu Stande, der für einfache Substanzen an sich nicht existiert (Prinzip. prim. cogn. Prop. XIII.).

Die Kraft der Materie liegt nicht in ihrer Bewegung, sondern in einer nicht weiter bestimmbaren Wirkung in andere Substanzen (Gedanken von der wahren Schätzung § 6), und die Berührung ihrer festen Molekülen findet nicht unmittelbar, sondern vermittelst einer ihnen beigemischten elastischen Materie statt (De igne, Prop. III.).

Eine sichere Darstellung von Kant's Überzeugungen lässt sich aber erst aus der Monadologia physica von 1756 schöpfen, deren Hauptzüge die folgenden sind: Die Körper bestehen aus einer bestimmten Anzahl einfacher Substanzen oder Monaden von endlicher Grösse, deren jede unbeschadet ihrer Einfachheit einen endlichen Raum erfüllt. Die unendliche Teilbarkeit des Raumes bedeutet nur die Teilung der äusserlichen Wirkung der Monade, nicht ihrer selbst; denn die Monade erfüllt ihren Raum durch die nach allen Seiten ausgeübte Kraft, andere Monaden von sich abzuhalten, die sogenannte Undurchdringlichkeit.

Dieser Kraft nun wirkt, um ein bestimmtes Volumen der Körper zu ermöglichen, eine Kraft der Anziehung zwischen den Monaden entgegen, die im umgekehrten Verhältnis der Quadrate der Abstände abnimmt, während die Repulsion im umgekehrten Verhältnis der dritten Potenzen der Abstände sich vermindert.

Diese Kräfte sollen in einer bestimmten Distanz äquivalent sein, und so den Umfang der äusseren Berührung, das Volumen der Körper fixieren.

Zu diesen Kräften kommt nun noch die sog. Trägheitskraft, die die einmal bewirkte Ruhe oder Bewegung eines Körpers zu erhalten strebt und in den verschiedenen Elementen sehr verschieden sein kann.

Diese ist die eigentlich bewegende Kraft der Körper, deren Verschiedenheit die Ungleichheit der Massen bei gleichem Volumen bewirkt; denn die Differenz der Dichtigkeiten und die Bewegung der Körper könnte sonst nur durch leere Räume erklärt werden, deren Annahme sich die grössten Bedenken entgegenstellen; die Elemente selbst sind absolut elastisch, da dem Gesetz ihrer Wirkungssphären zufolge die Repulsion an ihrem Zentrum unendlich stark sein muss, an jedem andern Punkte aber durch eine grössere endliche Kraft überwunden werden kann.

Es ist unsere Aufgabe, die einzelnen Stellen dieser Schrift, die unser Thema betreffen, ausführlich anzuführen und an jede derselben Erläuterung und Kritik, wo sie erforderlich scheinen, anzuknüpfen.

Sectio I

§1.

Eine einfache Substanz oder Monade ist eine solche, die nicht aus einer Mehrheit von getrennt existieren könnenden Teilen besteht; aus solchen bestehen die Körper.

Denn sie bestehen aus Teilen, die auch von einander getrennt existieren können.

Wenn aber alle Zusammensetzung aufgehoben wird, so muss das Übrigbleibende einfache Substanzen sein, aus denen also der Körper besteht (Prop. I und II.).

Dieser Beweis ist entweder eine petitio principii, wenn unter den im ersten Satz des Beweises erwähnten Teilen schon einfache Teile verstanden werden; oder er ist nicht stichhaltig, wenn sie die noch körperhaften empirischen Teile bedeuten sollen, weil, wie Kant später selbst erkennt, diese Teilung zu keinem Schluss über den in ihr erreichten Grad hinaus berechtigt, also von einer Aufhebung aller Zusammensetzung nicht die Rede sein kann.

Die Annahme der Möglichkeit einer solchen setzt schon das Bestehen der Körper aus einfachen Teilen voraus, da bei einem unendlich teilbaren Körper seinem Begriffe nach alle Zusammensetzung nicht aufgehoben werden kann.

§ 2.

Die Monaden dürfen ja nicht für unendlich klein gehalten werden, denn sonst würden ja zu jedem Ur-Teil der Materie (pars corporis primitiva) soviel weitere wie man wollte, hinzugefügt werden können, ohne dass ein endlicher Körper entstände.

Jeder Körper besteht also aus einer bestimmten Anzahl einfacher Elemente, (Prop. IV. Scholion und Coroll.).

Dass die Monaden nicht unendlich klein sind, liegt in ihrer Definition als einfache letzte Teile.

Der Beweis jedenfalls ist falsch, weil, wenn von Unendlichkleinem die Rede ist, es gar keine pars primitiva geben kann, und weil ferner, selbst wenn die Materie unendlich teilbar wäre, durch unendlich grosse Anzahl des Unendlichkleinen doch jede beliebige endliche Grösse erreicht werden könnte.

§ 3.

Jedes Element der Materie ist nicht nur im Raum, sondern erfüllt ihn auch unbeschadet seiner eigenen Einfachheit.

Denn da jeder Körper aus einer bestimmten Anzahl von Monaden besteht, der von ihm erfüllte Raum aber unendlich teilbar ist, so muss jede Monade einen noch weiter teilbaren Raumteil einnehmen, d. h. einen endlichen Raum erfüllen.

Da aber die Teilung des Raumes nicht Teilung der Wesen involviert, deren jedes eine selbstständige Existenz hat, sondern nur eine gewisse Mannigfaltigkeit in deren äusseren Beziehungen, so folgt offenbar aus Jener gar keine Mehrheit substantieller Teile; und da nur diese der substantiellen Einheit der Monade widerstreiten würde, so verträgt sich letztere durchaus mit der Teilbarkeit des Raumes (Prop. v.).

Gegen den ersten Teil des Beweises ist einzuwenden, dass man sich die körperbildenden Monaden ganz gut als Punkte denken kann, die durch leeren Raum getrennt sind; eine Erfüllung des Raumes brauchte gar nicht real, sondern nur in unserer Vorstellung stattzufinden, wie Leibnitz auch wollte.

Bestimmte Monadencomplexe zusammengenommen betrachtet (d. h. Monaden und leere Räume zusammen) wären dann die Körper, die alsdann als solche angesehen einen Raum einnehmen, der unendlich teilbar ist; das wahrhaft Reale wären an ihnen monadische Punkte in endlicher Anzahl, deren jeder an sich keineswegs einen Raum einzunehmen braucht.

Im zweiten Teil des Beweises wird wieder in ganz auffälliger Weise das vorausgesetzt, was erst bewiesen werden soll: cum vero divisio spatii non sit separatio der Monaden - so folgt schliesslich divisibilitatem spatii simplicitati monadis non adversari.

§ 4.

Die Monade erfüllt den Raum ihrer Gegenwart durch die Sphäre einer Kraft, welche die auf allen Seiten ausserhalb ihrer befindlichen Monaden von weiterer Annäherung abhält.

Der Grund der Raumerfüllung liegt nicht in der blossen Setzung der Substanz, sondern in ihrer Beziehung zu ausser ihr befindlichen Substanzen.

Da sie nun durch die Erfüllung eines Raumes jene an grösserer Annäherung an sie hindert und an deren Stellung etwas bestimmt, nämlich das Mass der Annäherung an sie, so übt sie offenbar eine Kraft aus und zwar nach allen Seiten und füllt also ihren Raum durch den Wirkungskreis ihrer Kraft. (Prop. VI.)

Ein eigentlicher Beweis wird auch hier nicht gegeben; das ganze gegenseitige Verhältnis der Monaden ist auch durch prästabilierte Harmonie möglich und bedarf der Kraft nicht unumgänglich.

Wenn die mensura propinquitatis durch eine Kraft bestimmt sein soll, so wird (hier unbewiesener Massen) vorausgesetzt, dass die Monaden das Bestreben grösserer Annäherung hätten; weil sie sonst schon ganz von selbst in ihren ursprünglichen Distanzen verharren.

Eine bedeutendere sachliche Schwierigkeit liegt in dem hier Konstatierten Begriffe der Raumerfüllung.

Die Monade in ihrem ruhenden Ansich erfüllt keinen Raum, sondern nur ihre Tätigkeit; nun ist es zwar wahr, dass jedes Ding nur da (oder richtiger dahin) wirkt, wo es nicht ist; aber die Wirkung auf das Objekt kann doch jedenfalls nur da stattfinden, wo dies sich befindet; wenn der Raum also relationis externae unitarum monadum phaenomenon ist, so kommen wir über die Monade nicht hinaus; jede wirkt von sich aus auf die anderen, aber sie bleiben das einzig Reale und der Raum zwischen ihnen kann nicht erfüllt sein, weil, damit eine Monade wirke, doch etwas da sein muss, worauf sie wirkt und dies können immer wieder nur die an sich raumlosen Monaden sein; ist die Raumerfüllung actio sive relatio der Monaden, so ist sie nichts reales, weil Beziehung zwischen zwei Dingen nicht etwas zwischen ihnen schwebendes, kein actus purus ist, nichts neues quantitativ schafft (besonders wenn diese Dinge wie hier überhaupt quantitativ unveränderlich sind, so dass man nicht etwa an eine gegenseitig bewirkte Ausdehnung denken könnte), sondern nur die nicht aus den Dingen heraustretende Veränderung ihrer Zustände bedeutet.

Mit einem Wort, die Vorstellung, die Monade erfülle den Raum durch ihre Wirksamkeit, ist unvollziehbar, weil diese Wirkung eben nur wieder Monaden treffen kann, die an sich raumlos sind.

§ 5.

Das Wirkungsgebiet der Monaden teilen bedeutet keineswegs die Teilung ihrer Substanz (Prop. VII.).

Wenn man überhaupt die sphaera activitatis im Kantischen Sinne zugibt, so ist dieser Satz richtig und man kann dann eine Skala so aufstellen: ein Körper, der aus mehreren Monaden besteht, lässt sich real teilen, aber nur endlich (d. h. jeder seiner Teile von jedem um eine beliebige Strecke entfernen); die Wirkungssphäre der Monade lässt sich gleich dem Raum unendlich teilen, aber nur ideal (d. h. da ihre Teile nicht substantiell sind, kann man sie nicht wirklich von einander entfernen, sondern sie nur geschieden denken, mit andern Worten: jene ersteren kann man durch dreidimensionale, diese nur durch zweidimensionale Raumgebilde trennen).

Die Monade selbst endlich ist weder real noch ideal zu teilen (in der Tat bildet erst das Atom den wahren Abschluss der philosophischen Atomistik, das seinem Begriffe nach nicht mehr geteilt werden kann).

§ 6.

Die Kraft, durch die die Monaden ihren Raum einnehmen, ist die sog. Undurchdringlichkeit, und zwar gibt es für diese gar keine andere Erklärung (Prop. VIII.).

Der Beweis für den ersten Teil des Satzes ist nichts als eine Zurückweisung auf Prop. VI., der für den zweiten Teil, sehr Konfuser Natur, ist falsch, weil die Monade zuerst als reiner Punkt angesehen werden soll, und dann plötzlich geleugnet wird, dass sie zwei Kreisen gemeinsam sein könnte.

Anm. Wie entschieden die Kantische Monade sich mit dem mathematischen Punkt identifiziert, geht recht aus dem Scholion zu Prop. X. hervor, wo sie ganz einfach stets als Kugelzentrum angesehen wird und noch deutlicher aus Prop. XIII., wo sie geradezu punctum genannt wird.

Auf die Undurchdringlichkeit hatte übrigens schon Euler den Grund aller Bewegungen in der Natur zurückgeführt.

§ 7.

Über die Frage, ob die Materie kontinuierlich oder durch leere Räume unterbrochen ist, wird im ersten Teil direkt nichts gesagt.

Die Monaden sind freilich als solche diskontinuierlich, aber die greifbare uns erscheinende Materie besteht doch nach Kant's Absicht offenbar aus den jene umhüllenden Kraftsphären, da wir die Materie nur durch ihre Undurchdringlichkeit empfinden können; eben der Kraft der Undurchringlichkeit halber können wir sogar nie bis zur Monade selbst dringen.

Da nun die Monade diese Kraft nach allen Seiten ausübt (Prop. VI.), so ist innerhalb dieser Materienteile Kontinuierliche Raumerfüllung; diese aber berühren sich unmittelbar, wie schon aus dem für sie angewandten Ausdruck contiguae und aus der Zeichnung zu Prop. VIII. hervorgeht; und aus der Stelle (eben da): - spatium quod corpus occupat (si partes ipsius absque vacuo intermisto quam proxime sibi adunatas concipias) conflatum esse spatiolis quae singula elementa simplicia implent.

Die erscheinende Materie muss also kontinuierlich sein; dass er in Prop. IX. vom vacuum spatium spricht, hindert dies nicht; der leere Raum, wo es sich um Attraktionsbeziehungen durch ihn hindurch handelt, braucht nur ein solcher Raum zu sein, durch den hindurch die Attraktion wirkt, als ob er leer wäre, von dem etwa darin Befindlichen nicht aufgehalten.

Sectio II.

§ 8.

Die Körper würden durch die Kraft der Undurchdringlichkeit zu keiner bestimmten Ausdehnung kommen, wenn ihnen nicht in gleicher Weise eine Kraft der Anziehung innewohnte, die mit jener zusammen das Mass der Ausdehnung bestimmt.

Denn da die repulsive Kraft jedem Elemente ursprünglich einwohnt, so kann zwar aus ihrem Wesen begriffen werden, weshalb die Intensität ihrer Wirkung sich im umgekehrten Verhältnis ihrer Ausbreitung vermindert, dass sie aber in einer bestimmten Entfernung gleich Null sei', kann so nicht begriffen werden.

Mit ihr allein also würde der Zusammenhang der Körper ganz au/hören, weil die Partikeln sich nur abstossen würden, und der Körper wäre ohne festumschriebenes Volumen.

Diesem Bestreben muss sich also ein anderes entgegenstellen, das ihm in einer bestimmten Entfernung äquivalent ist und so dem auszufüllenden Raume seine Grenzen bestimmt.

Diese Kraft, da sie der Abstossung entgegengesetzt gerichtet ist, ist die Anziehung.

Es bedarf also jedes Element ausser der Kraft der Undurchdringlichkeit noch eine anziehende (Prop. x.).

Die Attraktion damit zu beweisen, dass ohne sie die Repulsion ins Unendliche gehen würde, ist ein reiner Zirkel; denn die Repulsion ist Widerstandskraft (Prop. VI. et XIII.), beruht also auf einer unausgesprochen angenommenen Anziehung, weil sonst zu jenem arcere gar keine Kraft erforderlich wäre; es wird also immer eine Kraft auf Grund der andern angenommen.

Die Funktion des Einschränkens der repulsiven Kraft kann diese selbst versehen, sowie nur nicht angenommen wird, dass sich die Materie genau symmetrisch um einen Mittelpunkt gruppiert; ist dies nicht der Fall, so tun Gegenbewegungen der Zerstreuung Einhalt.

§ 9

Die Intensität der Wirkung der repulsiven Kraft vermindert sich im Verhältnis der Zunahme des Raumes, in dem sie sich ausbreitet; denn es kann keine von einem Punkte ausgehende Kraft in einer bestimmten Sphäre wirksam sein, wenn sie nicht allen Raum erfüllt, den der Durchmesser jener bestimmt.

Nämlich so: eine Kraft, die in graden Linien aus einer gegebenen Oberfläche heraus wirkt, wirkt im Verhältnis der Anzahl der Linien, die aus dieser Oberfläche herausgezogen werden können, d. h. im Verhältnis jener Oberflächen selbst; wenn diese also unendlich klein ist, so ist es auch die Kraft, und wenn sie ein Punkt ist, ist diese gleich Null.

Deshalb kann sich eine Kraft nicht von einem Punkte aus in divergenten Linien auf eine angebbare Entfernung hin verbreiten; deshalb kann sie nicht wirken, ausser wenn sie den ganzen Raum, in dem sie wirkt, erfüllt.

Sphärische Räume aber verhalten sich wie die dritten Potenzen der Entfernungen; wenn also eine sich ausbreitende Kraft sich im umgekehrten Verhältnis der betreffenden Räume vermindert, so tut die Kraft der Undurchdringlichkeit dies im umgekehrten Verhältnis der dritten Potenzen der Abstände von dem Mittelpunkte ihrer Gegenwart.

Da dagegen die Anziehung zwar Tätigkeit desselben Elementes, aber umgekehrt gerichtete ist, so ist die Kugeloberfläche, über die hin sie bei gegebenem Abstand wirkt, der terminus a quo; und da die Menge der Punkte derselben, von denen Linien nach dem Zentrum gezogen werden können und damit die Quantität der Anziehung bestimmt ist, so wird sie deshalb angebbar und nimmt ab im umgekehrten Verhältnis der Kugeloberflächen d. h. der Quadrate der Abstände.

Wenn also die Abstossung im Verhältnis der dritten Potenzen, also in einem weit grösseren als die Anziehung abnimmt, so müssen an einem Punkte des Umkreises Attraktion und Repulsion äquivalent sein; dieser Punkt wird die Grenze der Undurchdringlichkeit und den Umfang der äusseren Berührung oder das Volumen bestimmen; denn wenn sie durch die Attraktion überwunden ist, wirkt die Repulsion nicht mehr (Prop. X. Scholion).

Zunächst ist zum Beweise für die Repulsion zu bemerken: wenn eine Kraft aus einer Fläche heraus in Linien wirken und die Summe dieser Linien das Quantum der Kraft darstellen soll, so muss diese Fläche eine physische (der Kantischen Linie partibus materiae primitivis conflata entsprechend) sein, d. h. aus einer endlichen Zahl von Monaden bestehen, weil sich sonst aus ihr unendlich viele Linien ziehen lassen und die Kraft also unermesslich wäre; ist jenes aber der Fall, so ist es falsch, dass die Kraft gleich Null wird, wenn die Fläche zum Punkt zusammenschrumpft, denn wenigstens die eine Kraftlinie bleibt davon unberührt.

Dass sich eine Kraft nicht in divergenten Linien von einem Punkte aus soll verbreiten können, widerspricht geradezu Prop. VI und besonders Prop. XIII.

Der ganze Fehler entspringt offenbar daraus, dass die Kraft, welche doch nur eine Relation zwischen Monaden sein soll, förmlich zu einer ausgedehnten Substanz hypostasiert wird.

In der Tat gibt es gar keine Wirkung der Monaden, es sei denn in geraden Linien, weil sie, wenn man sie in der Raumform betrachtet, nur Punkte sein und Beziehungen zwischen Punkten nur in Linien stattfinden können.

Der Ausdruck, dass sie in kugelförmiger Ausbreitung wirkt, dürfte deshalb nichts reales bedeuten, sondern nur das Potentielle, dass, an welchem Punkte dieser von uns gedachten Kugel sich auch eine Monade befinden mag, sie von der als Mittelpunkt gedachten beeinflusst wird.

Nach dieser Vorstellung dagegen erscheint die Kraft wie ein unsichtbares Fluidum, das die Monade umgibt und alles was in dasselbe eintaucht, in gewisser Weise affiziert.

Jene Kugeln sind aber nur die geometrischen Örter für die in Beziehung stehenden Monaden, diese selbst bleiben einzig und allein das Reale und deshalb können die Verhältnisse der (idealen) Kugel nicht ohne weiteres für die realen Kräfte der Monaden bestimmend sein.

§ 10.

Bei diesem Gesetz der ursprünglichen Kräfte erkennt man, dass alle Elemente, wie verschiedener Art auch sie immer seien, gleiches Volumen besitzen.

Denn obgleich die Kräfte der Anziehung und Abstossung, da jede einen bestimmten Stärkegrad besitzt, in verschiedenen Monaden sehr verschieden sein können, hier stärker, dort schwächer, so müssen doch diese Kräfte in gleicher Distanz äquivalent sein, d. h. der Monade das gleiche Volumen bestimmen, so sehr sie auch im Grade von den Kräften anderer Elemente abweichen - da die doppelten Kräfte der Attraktion und Repulsion bei derselben Distanz doppelt wirken und mithin alle bewegenden Kräfte eines Elementes, das die doppelte spezifische Stärke hat, in demselben Verhältnis stärker sind (Prop. X. Coroll.).

Dass es in der Graden zwischen zwei Monaden einen Punkt gebe, wo Attraktion und Repulsion sich die Waage halten, ist nicht der Fall.

Denn sowie Attraktion und Repulsion zwischen zwei Monaden in verschiedenen Verhältnissen der Stärke wirken, so subtrahiert sich einfach die schwächere Kraft von der stärkeren und der Rest wirkt fort, ohne einen Ruhepunkt zuzulassen.

Diese bei gleichförmig in Verhältnissen der Entfernungen wirkenden Kräften unvermeidliche Schwierigkeit bewog offenbar Boskovich und Fechner dazu, alternierende Sphären von Attraktion und Repulsion um ihre punktuellen Atome anzunehmen.

Dieser angenommene Punkt nun soll die Grenze der Undurchdringlichkeit sein - die ebenso unmöglich ist wie er selber.

Grenze der Undurchdringlichkeit kann nur die Monade selbst sein, da jede Kraft von einer grösseren kann überwunden werden, wie Kant selbst Prop. XIII. anerkennt.

Man möchte fast glauben, dass der ganz oberflächliche Augenschein, dass jedes Ding ein festes Volumen habe, Kant zu jener Annahme bewog.

Bei seinen Grundanschauungen ist überhaupt eine feste Kraftsphäre um die einzelne Monade d. h. ein bestimmtes unveränderliches Volumen nicht denkbar, weil bei dem Einwirken von jeder Monade auf jede, wenn nur eine sich um den millionsten Teil eines Millimeters bewegt, eine Bewegung aller andern eintritt, die nie wieder zur Ruhe kommen kann, weil sie an verschiedenen Orten je nach der Entfernung von der zuerst bewegten verschieden stark und also verschieden dauernd ist, so daß, selbst wenn eine zur Ruhe kommen könnte, eine andere sich noch weiter bewegt und von dieser Bewegung das ganze Spiel von Neuem ansetzt; wollte man aber, um diese Schwierigkeit zu beheben, alle Monaden gleichzeitig mit gleicher Kraft bewegt setzen, so würde es, da es lauter gleiche und natürlich entgegengesetzte Bewegungen wären, zu gar keiner kommen.

Aber selbst angenommen, dass eine Bestimmtheit des Volumens, ein konstanter Zustand der Kraftsphären einmal einträte, so wäre damit jede Bewegung für alle Zukunft aufgehoben, weil dann kein Grund mehr für irgend eine Bewegung aufzufinden ist.

Anm. Die Schwierigkeit, überhaupt Bewegung in die Welt zu bringen, beschäftigt Kant in den »Gedanken von der wahren Schätzung« § 51; mit der betreffenden Stelle würde er sich allerdings hier retten können: »Die erste Bewegung in der Welt muss von einer unbewegten Materie ausgegangen sein; ist dies aber, so kann sich diese Bewegung auch, wo sie eingebüsst ist, durch solche tote Materie wieder herstellen« - wenn nur ein a i n h t o n i n o u n nicht ein Unding wäre.

Von besonderer Schwierigkeit ist der letzte Satz des Scholions: victa enim attractione vis repulsiva ulterius non agtit; derselbe schliesst schon sprachlich eine Zweideutigkeit ein; je nachdem victa als Ablativ oder als Nominativ gefasst wird, heisst der Satz: nach Besiegung der Attraktion wirkt die Repulsion nicht mehr oder: die Repulsion wirkt nicht mehr wenn sie (einmal) von der Attraktion überwunden ist.

Beides ist unklar, Attraktion und Repulsion sind von einander unabhängige, im Grade verschiedene Kräfte, und weshalb die Repulsion ihre Wirkung einstellen soll, wenn sie die der Attraktion überwunden hat oder weshalb, wenn die Attraktion Siegerin ist, sie sofort Frieden schliessen soll, ohne ihre Kraft noch über die Entscheidung hinaus zu zeigen, ist nicht abzusehen.

Damit fällt natürlich das Corollar, das schon an sich falsch ist; denn wenn auch bei beliebiger Stärke der Elemente die Verhältnisse von Repulsion und Attraktion dieselben bleiben, so ist es doch eben nur ihr Quotient, der sich nicht verändert, während ihre Differenz variiert; und diese ist es, die das Volumen des Körpers bestimmt.

Natürlich kann hier nur von dem Fall die Rede sein, den Kant selbst annimmt, dass die Elemente verschiedene Intensität besitzen; wenn sie alle die gleiche haben oder alle um den gleichen Grad wachsen, so ist es selbstverständlich, dass ihr Volumen dasselbe ist; jenes aber eben leugnet Kant.

Und wie lässt sich mit dem gleichen Volumen der Elemente ihre Zusammendrückbarkeit (Prop. XIII. Coroll.) vereinigen? Soll das omnium elementorum aequale volumen etwa nur die Grenze der Elastizität bedeuten, so vergisst Kant, dass auch diese nur durch die gegenseitige Begrenzung durch Repulsion, also durch etwas relativ Äusseres bestimmt wird (Prop. VIII.), also in der Monade selbst gar kein Grund einer bestimmt begrenzten Elastizität liegt, denn die Attraktion an sich kann die Repulsion nicht einschränken weil sich nicht denken lässt, dass sich die beiden Kräfte innerhalb einer allein stehenden Monade bekämpfen, sondern nur, dass sie durch das Verhältnis mehrerer, zwischen denen sie wirken, bestimmt werden.

Es kommt deshalb auf den Zirkel hinaus; die volumina der Monaden sind gleich, weil sie die gleichen Kraftsphären haben -und sie haben gleiche Kraftsphären, weil sie sich gegenseitig in gleicher Weise begrenzen d. h. gleiche volumina besitzen.

§ 11.

Die Trägheitskraft ist in jedem Element von bestimmter Quantität, die in verschiedenen sehr verschieden sein kann.

Denn ein bewegter Körper würde, wenn er auch einen andern trifft, wirkungslos sein und durch jedes unendlich kleine Hindernis zur Ruhe gebracht werden, ohne die Trägheitskraft, durch die er in seinem Bewegungszustand zu beharren strebt.

Es ist aber die Trägheitskraft eines Körpers gleich der Summe der Trägheitskräfte seiner Elemente (diese Summe heisst seine Masse); es würde also kein mit bestimmter Schnelligkeit bewegtes Element wieder bewegen können, wenn jene nicht durch die Trägheitskraft vervielfältigt würde.

Was aber mit einem andern multipliziert eine Grösse gibt, die grösser als jener andere Facto ist, ist selbst eine Grösse, die bald grösser, bald kleiner sein kann.

Deshalb kann in den Elementen verschiedener Art eine Trägheitskraft gegeben werden, die bald grösser, bald kleiner als die eines beliebigen andern ist.

Da alle Elemente, wie verschiedener Art sie auch seien, mit gleichem Volumen wirken, und also in gleichen vollständig erfüllten Räumen immer die gleiche Anzahl von Elementen enthalten ist: so können die Körper auch bei völligem Absehen von einer Beimischung des Leeren und bei vollständiger Erfüllung des Raumes doch bei demselben Volumen ganz ungleiche Massen enthalten, je nachdem ihre Monaden grössere oder kleinere Trägheitskraft besitzen.

Denn Masse der Körper ist nur die Quantität ihrer Trägheitskraft, durch die sie einer Bewegung widerstehen oder mit gegebener Geschwindigkeit bewegt, eine gewisse Bewegkraft ausüben.

Daher kann man von der in gegebenem Volumen enthaltenen geringeren Menge der Materie nicht auf geringere Dichtheit und grössere leere Zwischenräume schliessen.

Ein Körper kann ebenso viele leere Zwischenräume haben, oder eben so vollkommen dicht sein, wie ein anderer, und ihn doch weit an Masse übertreffen, auf Grund der Verschiedenheit in der Natur der Elemente selbst (Prop. XI. und Coroll. II.).

Hier wird nun eine neue Kraft eingeführt, die gleichfalls zum Wesen der Materie gehört, zu den bisher genannten Kräften aber in einem unfasslichen Verhältnis steht.

Offenbar liegt die Vorstellung zu Grunde, dass Attraktion und Repulsion nur den ersten Anstoss zur Bewegung geben, und dass die wirkliche messbare Bewegung erst durch die Trägheitskraft eintritt, die jene momentanen Anstösse aufnimmt und eine Zeitreihe hindurch fortführt.

Es handelt sich also um eine willkürliche und erkenntnisswertlose Zerspaltung der realen Kraftwirkung in zwei Faktoren, deren Nachweis wiederum bloss ein Zirkel ist: Die Trägheitskraft soll deshalb nötig sein, weil ohne sie der Körper A den Körper B nicht bewegen, seinen Widerstand nicht überwinden könnte; aber zu dieser Annahme wird sie eben schon vorausgesetzt, weil ohne Trägheitskraft der Körper B keinen Widerstand leisten würde! Und wiederum ist es die ganz rohe sinnliche Vorstellung, dass der Anstoss zur Bewegung noch von der wirklichen Bewegung zu unterscheiden ist, was die Annahme dieser Kraft veranlasste - roh deshalb, weil Kant nicht bedachte, dass der Anstoss zur Bewegung eines Körpers, wenn er von seiner Bewegung unterschieden werden soll, nicht als dem gestossenen, sondern dem stossenden Körper zugehörig betrachtet werden muss.

Es gibt, wo es sich um einen Stoss handelt, nur die beiden Körper und ihre Bewegungen; wie es kommt, dass die Bewegung des einen sich in eine des andern umsetzt, ist eben ein Rätsel, das nicht durch Dazwischenschieben irgend einer Kraft ex machina gelöst werden kann.

Und wenn die Notwendigkeit dieser Kraft daher geleitet wird, dass ohne sie kein Körper einen andern bewegen und kein noch so kleines Hindernis überwinden könnte, so ist auch dies falsch, weil die Kraft, die ein Körper einmal hat, an sich genau dieselbe bleibt, ob er sich widerstandslos durch den leeren Raum bewegt, oder ob er damit einen andern in Bewegung setzt, so dass zum letzteren Falle weder rationaler noch empirischer Weise eine neue Kraft erfordert wird.

Auf diese Kraft wird der Begriff der Masse zurückgeführt (vielleicht ist Kant in dieser Vorstellung von Euler beeinflusst, der in den Briefen an eine deutsche Prinzessin (No. 74) sagt: »Die Körper haben die Trägheit, insofern sie Materie enthalten.

Ja, wir beurteilen selbst die Quantität der Materie bloss nach seiner Trägheit oder dem Widerstände, den er gegen jede Bemühung zur Veränderung seines Zustandes leistet; und folglich ist die Trägheit eines Körpers um so viel grösser, je mehr Materie er enthält«).

Damit ist der entscheidende Schritt zum Dynamismus getan; nach der gewöhnlichen Vorstellung ist Masse des Körpers das Ruhende, das der auf ihn eindringenden Kraft einen passiven Widerstand entgegensetzt, der erst überwunden werden muss, ehe seine eigene Bewegung eintritt.

Von dieser Vorstellung, wie falsch auch immer sie sei, als gegebenem Problem geht Kant hier noch aus; und nun wird ihm das, was der Kraft Widerstand leistet, selbst zur Kraft.

Anm, In der »Naturgeschichte und Theorie des Himmels« (II. Teil, I. Hauptstück) heisst es: »- Die Materie, die bloss leidend und der Formen und Anstalten bedürftig zu sein scheint, hat in ihrem einfachsten Zustande eine Bestrebung, sich durch eine natürliche Entwicklung zu einer vollkommeneren Verfassung zu bilden.« Man kann nicht verkennen, wie viel unvollkommener und unklarer diese Ansicht ist, als die der um ein Jahr späteren Mon. phys. Das Bedeutende dieser liegt eben in der Energie, mit der sie ausspricht, dass die Materie eben nicht »bloss leidend« ist.

Es ist mir deshalb wahrscheinlich, dass Kant zu seiner dynamischen Grundanschauung in der kurzen Zeit von 1755-56 gekommen ist, dass dieselbe aber durch die Beschäftigung mit der Weltentstehung hervorgerufen, jedenfalls vorbereitet worden ist, weil diese ihn zum Nachdenken über das Wesen der Materie überhaupt bringen musste und ihm, was den Modus seines Dynamismus betrifft, zeigte, dass Attraktion und Repulsion die beiden wesentlichen dabei in Betracht kommenden Faktoren seien.

Damit bleibt für die elementaren Teile der Materie nichts spezifisch körperliches mehr übrig.

Hiermit harmoniert vollkommen der Satz des zweiten Corollar, dass man a minore materiae sub dato volumine comprehensae quantitate nicht auf minorem densitatem schliessen könnte; unter materia kann wohl hier nur die Schwere verstanden werden, da das Volumen und die Zahl der Elemente ausdrücklich davon unterschieden werden; dasjenige ist es, was Kant massa nennt, die der Summe der Trägheitskräfte der einzelnen Elemente gleich ist; die Materie also geht vollständig und an sich in Kraft auf, die Träger, die am Anfang der Schrift noch das wirklich Wesenhafte waren, werden immer wesenloser und führen nur noch ein unpalpables Schattendasein.

Dass diese Konsequenz Kant selbst nicht klar gewesen ist, ist bei der allgemeinen Unklarheit, in der sich diese Schrift bewegt, nur natürlich.

Ihm schwebt offenbar vor - und deshalb hat er die Trägheitskraft in diese II. Abteilung gebracht, die über das Wesen der Monade eigentlich nicht mehr handeln soll -, dass die Repulsion die Materie im Grossen und Ganzen fertig mache und nun käme die vis inertiae und operierte ihrerseits mit dem schon fertig vorliegenden Material.

Diese Vorstellung ist aber roh und falsch; wenn Materie überhaupt aus Kräften besteht, so darf man sie nicht mehr als rein passiven Stoff behandeln, an dem andere Kräfte ihr ungestörtes Spiel ausüben können; denn die Leistung jener Kräfte ist kein fertiges Produkt, sondern ein fortwährender Process, kein Sein, mit dem sich nun beliebig schalten lässt, sondern ein Werden, über das nicht einfach ein neues Werden gestellt werden kann, sondern das sich mit jedem solchen durchkreuzt, es zu Resultanten modifiziert; es gibt unter den Kräften keinen Rangunterschied.

Wenn Kräfte die Materie bilden, so muss sich eben jegliche Erscheinung der Materie aus diesen, den angenommenen Urkräften, erklären lassen; denn jede neu hinzukommende Kraft würde wieder eine Urkraft sein, weil sie nichts hat, woran sie haften, keine Substanz, an der sie Accidenz sein könnte.

Eine Kraft, die an einer andern Kraft als ihr subordiniert haftete, die zu ihr hinzu käme wie zu einem toten Stoff, ist nicht zu denken.

Mit einem Wort: wenn die Materie realistisch-dynamisch erklärt wird, so kann die Dynamik von der Mechanik höchstens in einer empirischen Naturwissenschaft (die eingestandenermassen auf eine vollständige Erklärung der Erscheinungen verzichtet), aber nie in einer metaphysischen getrennt werden.

Anm. Diese Trennung der fertig vorliegenden Materie von dem Material, aus dem sie das geworden ist, was sie jetzt ist, ist vielleicht noch das Residuum einer ganz entsprechenden Disjunction in der Naturgeschichte des Himmels: »Wenn man voraussetzt, dass die harmonierenden und sich aufeinander ordentlich beziehenden Bewegungen und Kreise der Himmelskörper eine natürliche Ursache als ihren Ursprung anzeigen: so kann diese doch nicht dieselbe Materie sein, die Jetzt den Himmelsraum erfüllt.

Also muss diejenige, welche ehedem diese Räume erfüllte und deren Bewegung der Grund von den gegenwärtigen Umläufen der Himmelskörper gewesen ist, nachdem sie sich auf diese Kugeln versammelt und dadurch die Räume gereinigt hat, die man anjetzt leer sieht oder welches unmittelbar daraus herfliesst, die Materien selber, daraus die Planeten, die Kometen, ja die Sonne bestehen, müssen anfänglich in dem Raume des planetischen Systems ausgebreitet gewesen sein und in diesem Zustande sich in Bewegungen versetzt haben, welche sie behalten haben, als sie sich in besondere Klumpen vereinigten und die Himmelskörper bildeten, welche alle den ehemals zerstreuten Stoff der Weltmaterie in sich fassen.« (8.Kap.)

Allerdings ist der Stoff, der vor jeglicher Bildung eines Weltkörpers von Kant angenommen wird, noch keine eigentliche erfahrungsmässige Materie, sondern liegt ebenso auf der Grenze zwischen Physik und Metaphysik, wie der rein dynamisch betrachtete Stoff (der Sectio I.) der Mon. phys. Überhaupt ist nicht zu verkennen, dass die ganzen Verhältnisse der Himmelskörper, mit denen sich Kant so lange beschäftigt hatte, durchaus bestimmend waren für die Gesetze, die er in den Urelementen der Materie statuiert, so in der Bestimmung des Verhältnisses der Attraktion, der grössten Dichtigkeit am Zentrum des Körpers u. a.; so präformiert sich hier dasjenige schon, was man später den »Metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaften« zu so bitterem Vorwurf gemacht hat, dass diejenigen Processe, aus denen nach ihnen Materie überhaupt erst entstehen soll, nur an schon fertiger Materie stattfinden können.

Auch Newton hatte zwischen dynamischer und mechanischer Ansicht geschwankt, oft absichtlich seine Überzeugung verhüllt, oft jene beiden als gleichberechtigt, aber doch immer sich ausschliessende neben einander gestellt. (Indem ich die Zentripetalkräfte als Anziehungen betrachte, obgleich sie vielleicht, wenn wir uns der Sprache der Physik bedienen wollen, richtiger Anstösse genannt werden müssten: Phil. nat. princ., übers. v. Wolfers, p. 167.) jene Tendenz des Kantischen Geistes in seiner ersten Periode, die Gegensätze der bestehenden Ansichten zu versöhnen, jede zu ihrem Rechte zu bringen, mag auch hier dazu beigetragen haben, dass er in seiner Ansicht beide Theorien, die dynamische wie die mechanische, wollte vertreten sein lassen, genau wie auch eigentlich der atomistische und der Kontinuitätsstandpunkt in ihr vertreten sind, zwischen denen Newton auch geschwankt hatte (a.a.0. nimmt er jenen P- 380, diesen p. 53 ein); die getrennt existierenden Monaden, aus denen die Körper bestehen, involvieren einen Atomismus, der durch das Substantiiren ihrer Kraftsphären und die ausdrücklichen Verwahrungen in Prop. XII. in die Kontinuitätslehre übergeht.

§ 12.

Die verschiedene Dichtheit der Körper kann ohne Verschiedenheit der Trägheitskraft in den Elementen selbst nicht erklärt werden.

Bei gleicher Trägheitskraft nämlich und gleichem Volumen bedarf es zum Verständnis der verschiedenen Dichtigkeiten leerer Räume zwischen den Teilen.

Denn in einem so ganz erfüllten Raume ist keine Bewegung möglich.

Um deshalb die unendlich verschiedene spezifische Dichtheit der Medien wie Äther, Luft, Wasser, Gold zu erklären, muss man blossen Vermutungen den grössten Spielraum gewähren, durch die man sich eine Konstruktion der Elemente, die unserm Verständnis sofern liegt, zusammen phantasiert, bald nach Art feinster Bläschen, bald gekrümmter Zweige und Windungen, wodurch man sich die Materie beliebig ausgedehnt und mit wenig Stoffen feinen grossen Raum umfassend denken kann.

Folgendes aber spricht dagegen: jene Fasern von unermesslicher Feinheit, jene Bläschen, die unter der dünnsten Haut ein im Verhältnis zur Materie enormes Leere umfassen, müssen durch die fortwährenden Stösse und Reibungen so zerrieben werden, dass ihre Bruchstücke endlich den leeren Raum ganz erfüllen, so dass in dem ganz erfüllten Weltraume jede Bewegung aufhören muss.

Ferner: da nach jener Ansicht die dünneren Medien aus den abstehenden und umfangreichsten Teilen bestehen müssen, wie können die Zwischenräume der dichteren Körper, die doch enger sein sollen, Jenen einen Durchgang gewähren, da doch bekanntlich das Feuer, das magnetische und elektrische Fluidum, die Körper durchziehen? Teilchen von grösserem Volumen können doch nicht Zwischenräume durchziehen, die enger sind als sie selbst!

Nur die Erklärung der verschiedenen Dichtigkeit der Körper aus der Verschiedenheit der einfachsten Elemente kann die Physik vor dieser Klippe retten (Prop. XII.).

Der erste Grund gegen die leeren Räume ist darum hinfällig, weil der Stoff, der das Leere umfassen Soll, genau ebenso unzerstörbar gedacht werden kann, wie Kant's Monaden, und ausserdem die Erscheinungen des Zerstossens und Zerriebenes der für uns angreifbaren Körper keinen Schluss auf jene unermesslich kleinen Partikeln gestatten, besonders da auch wir schon durch Teilung zu Körperchen gelangen können, die nicht mehr zerrieben werden können.

Der zweite Grund erledigt sich dadurch, dass die dünneren Medien, um die es sich hier handelt, nicht mehr als solche, sondern als molekulare Processe angesehen werden.

Gerade was als das stärkste Argument gegen den leeren Raum angesehen wird, dass die Möglichkeit der Wirkung durch ihn hindurch ganz unanschaulich und unbegreiflich ist, dessen bedient sich Kant nicht und kann es auch eigentlich nicht, weil seine ganze Ansicht auf einer solchen Wirkung durch den leeren Raum beruht, denn es lässt sich widerspruchslos denken, dass zuerst eine Monade ganz allein dagewesen sei, die also noch gar keinen Raum erfüllte, der Raum war also leer; wenn nun eine zweite dazu kam, die an einem andern Orte war, so musste ihre Relation mit jener notwendig durch den vorher doch durch nichts erfüllten, also leeren Raum stattfinden.

Anm. Denn dass der Raum etwa vor den beiden Monaden überhaupt nicht gewesen wäre, kann Kant offenbar trotz der Erklärung desselben als relationtis externae monadum phaenomenon nicht gedacht haben, weil er der Substanz an sich, wenn auch kein spatium so doch einen locum zuspricht und dieser ohne jenes umgebendes nicht denkbar ist.

Jene Stelle ist scheinbar nur eine ziemlich oberflächliche Reminiszenz aus Leibnitz und braucht nur zu bedeuten, dass der Raum, wenn er uns erscheint, es nur durch eine solche Tätigkeit der Monaden kann; an sich kann und muss er vor ihnen sein, da sie als getrennte Substanzen gesetzt werden, was nur möglich ist, wenn er schon da ist.

Aber selbst wenn man sich alle Monaden in ihren Relationen tätig denkt, ist die Raumerfüllung noch immer problematisch.

Sie sollen den Raum erfüllen durch Kräfte, die zwischen ihnen tätig sind; aber Kräfte können doch nur an den Substanzen sich äussern; wenn also eine Substanz so in die andere wirkt, dass sie sich ihr nähert oder von ihr entfernt, so ist das, was man gewöhnlich schlechthin Raumerfüllung nennt, dadurch noch nicht gegeben, noch erklärt.

Die Kräfte sind doch keine Monade zu Monade ziehenden Stricke, die real im Raume wären; es gibt nur Monaden und ihre Bewegungen und die Raumerfüllung kann deshalb eigentlich nur in der Vorstellung einer Monade existieren, die merkt, dass sie sich einer anderen nur bis zu einer gewissen Grenze nähern kann und dann repelliert wird, die ein Seiendes an dieser Stelle substituiert, wo an sich gar keines ist.

Dazu kommt, dass Beziehungen zwischen Monaden nur in Linien stattfinden können, durch die ein Raum nie erfüllt wird.

Am klarsten zeigt sich, wie unberechtigt die ganze Vorstellung ist, in der Zeichnung zu Prop. XIII., aus der hervorgeht, dass Kant einen wirklichen Stoss zwischen den Sphären um die Monaden herum annimmt; man kann sich allenfalls denken, dass durch irgend welche Kräfte zwei Monaden in gegenseitigem bewegendem Einfluss stehen, dass nun aber auf einmal dieses rein dynamische Verhältnis zu einem mechanischen wird, dass die die Monade umschwebenden Kräfte, die doch nichts sind als ein zur Vereinfachung der Erklärung des wirklichen Geschehens angenommener Hilfsbegriff, zu realen auf einander in fast selbständig zu nennender Weise einwirkenden Massen hypostasiert werden, kann nicht zugelassen werden.

Auch widerspricht er mit dieser Vorstellung einer These, die er ein Jahr vorher in der Nova dilucidatio (Prop. X.) aufgestellt hatte: Vis impressa non est nisi quaedam realitatis insitae limitatio sive directio.

Die mechanische Kraft ist hier, wie es sich überhaupt für eine dynamische Vorstellungsweise gehört, nur eine Modifikation der ursprünglich realen, die Körper ausmachenden Kraft.

Die Wirkung einer Monade kann doch nur auf eine andere erfolgen und nur dann, wenn ihre Kraftsphäre bis zu dieser reicht; dies ist aber durch die angenommene Undurchdringlichkeit der Elemente der Materie (d. h. der Monaden mit ihren Kraftsphären oder eigentlich nur dieser Letzteren) verwehrt, weil Kraftsphäre an Kraftsphäre stösst, sie begrenzt und wegstösst.

Diese gegenseitige Begrenzung, die eine die Monade umspielende Kraft mit Funktionen begabt, die den Begriff der Kraft ungerechtfertigter Weise zu etwas ganz anderem machen, als was man bis jetzt darunter verstanden, muss also wegfallen; weder Attraktion noch Repulsion sind zu begreifen, insbesondere da sie immer zwischen zwei Monaden gegenseitig sind,* wenn nicht die Kraftsphären, unter deren Bilde man sich immerhin die Totalität ihrer Wirkungen vorstellen mag, sich wirklich durchdringen, von einer zur anderen gehen.

* Wunderlich, dass Kant dies nicht bedachte, da er doch durch Newton wusste, dass der fallende Apfel genau so die Erde anzieht, wie die Erde ihn, was nicht möglich wäre, wenn nicht die prätendierten Wirkungssphären von jenem zu dieser ebenso wie von dieser zu jenem gingen.

Wenn dies also wie notwendig festgehalten wird: dass die Monaden und ihre Bewegungen das einzig reale sind, so fällt vor den Konsequenzen dieses Satzes jener Versuch der Materie des common sense durch Hypostase der Kraft nachzukommen, vollkommen zusammen.

Wären die Monaden von einer so undurchdringlichen Hülle umgeben, so könnten wir nichts von ihnen wissen, könnten nie zu dem einzig Realen gelangen und hätten also auch kein Recht, es anzunehmen.

Bedürfte es noch einer Bestätigung dieses Grundfehlers der Kantischen Schrift, darin bestehend, dass Funktionen, die doch nur in ihren Trägern und nicht ausserhalb derselben zu suchen sind, zu an sich existierenden, raumerfüllenden, materiellen Realitäten gemacht werden, so wird sie durch Prop. IX. gegeben.

Danach bedeutete Berührung die gegenseitige Ausübung der Kräfte der Undurchdringlichkeit mehrerer Elemente; d. h. aber, dass es Berührung gar nicht gibt; denn die Undurchdringlichkeit ist absolut (Prop. XIII.), es kann also Monade nie zu Monade kommen.

Es wäre unbegreiflich, wie Kant auf diese Vorstellung kommt, wenn ihm nicht vorschwebte, dass die sphaera activitatis wirklich ein solcher Körper ist, wie er dem Materialisten erscheint.

Anm. Die mögliche Lösung zu der diese Widersprüche drängen, ist ein transzendentaler Idealismus, der sich in diesem Falle mit der Monadologie vereinigen lässt.

Mögen die an sich raumlosen Monaden - zum Teil vorstellende, zum Teil nicht vorstellende - immerhin das einzig Reale sein, so können doch jedenfalls Bewegungsverhältnisse zwischen ihnen stattfinden; und mehr als diese fordert Kant später nicht für die Möglichkeit der Materie, die eben nur Vorstellung ist.

Von jeher geht durch Kants Überzeugung der allerdings von Leibnitz übernommene, aber doch schon echt kritische Zug, die Vorstellungen von Raum und Materie in Beziehungen, in gegenseitige Wirkungen der Substanzen aufzulösen; und es ist von Interesse, die verschiedenen Arten zu vergleichen, in denen Kant in seinen verschiedenen Perioden diese Verhältnisse und ihre Möglichkeit modifiziert.

So bedeutet in den Gedanken von der wahren Schätzung (§ 6) der Ort »die Wirkung der Substanzen ineinander«, die aber mit der Bewegung keineswegs identisch sein soll; woher sich erklärt, dass die Materie in der Seele, auf die eine blosse Bewegung nicht einwirken könnte, Vorstellungen hervorbringen kann.

8 Jahre später, als er das Unzulängliche dieser Ansicht erkannt hat, sucht er - wie er es später noch öfter tut - im Absoluten die Möglichkeit der Relationen. in der Principiorum etc. nova dil. (Prop. XIII) lässt er die in einander greifende Aktion und Reaktion der Substanzen den Begriff des Raumes bestimmen, jene aber nur dadurch möglich sein, dass sie gemeinsam in Gott sind.

Die kritische Ansicht endlich, die die Vorstellung äusserer Dinge in zwei Faktoren: ihre Materie und ihre Form, zerlegt, leitet jene einfach von der materiellen Substanz als die »der Empfindung korrespondiert« ab, durch deren Bewegung dann in uns die Idee des Materiellen entsteht, ein Zirkel freilich, der aber durch einen entschiedeneren und eigentlich involvierten Schritt zum Idealismus erhoben werden kann; wenn Materie überhaupt nur Vorstellung äusserer Sinne ist, so könnte man von einer wirklichen Berührung absehen und sie ganz so erklären, wie Kant es hier tut, durch Kraftwirkung, sogar in die Ferne; die Seelenmonade hat dann eine Vorstellung, deren Projektion nach aussen sie Materie nennt.

Erst dann wäre es möglich, die Kraft zur Materie zu machen; so lange sie (die Materie) etwas an sich Seiendes ist, bleibt der Raum zwischen den (monadischen) Trägern der Kräfte leer, so wie sie aber nur Vorstellung ist, ist es uns ganz gleichgültig, ob jener Raum an sich leer oder erfüllt ist, empirisch, d. h. unserer Vorstellung nach ist er jedenfalls erfüllt und das genügt einem transzendentalen Idealismus.

Wie ein an sich raumloses Element condensibile sein kann, ist gar nicht einzusehen; nur die räumliche Sphäre seiner Tätigkeit, die doch gar nichts reales ist, könnte es sein.

§ 13.

Die Monaden besitzen auch einzeln für sich eine bei verschiedenen verschiedene absolute elastische Kraft und bilden an sich, ohne Beimischung eines Leeren, ein vollkommen elastisches Medium.

Die einzelnen einfachen Elemente erfüllen den Raum ihrer Gegenwart durch eine bestimmte Kraft, die die äussern Substanzen von ihm fern hält.

Da aber jede endliche Kraft einen Grad hat, der von einer anderen grösseren überwunden werden kann, so kann offenbar dieser Repulsivkraft eine andere stärkere entgegengesetzt werden, die in den von jener erfüllten Raum bis zu einem gewissen Punkt eindringt, wenn die Kraft des Elementes nicht genügt, sie in der früheren Entfernung zu halten.

Aber da von einem Punkt ausgehende Kräfte, je näher an ihm, um so stärker sind, so muss die Repulsivkraft, je näher zu ihrem Zentrum eine andere dringt, um so stärker gegenwirken; am Punkte selbst muss sie in Folge dessen unendlich sein und das Element kann deshalb von keiner denkbaren Kraft ganz durchdrungen werden.

Es ist also vollkommen elastisch und mehrere dieser Art bilden mit ihren verbundenen Elastizitäten ein ursprünglich elastisches Medium.

Dass diese Elastizität verschieden sein kann, erhellt aus Prop. X. Corollar.

Die Elemente sind vollkommen undurchdringlich, d. h. sie können durch keine äussere Kraft aus ihrem Raume verdrängt werden, aber sie sind zusammendrückbar und bilden dergleichen Körper, die der äussern zusammendrückenden Kraft zum Teil nachgeben; daher der Ursprung der ursprünglich elastischen Medien oder Körper, vor allen des Äthers oder der Materie des Feuers (Prop. XIII.; Coroll.).

Aus dem Satz: Cum vero vis quaelibet finita gradum habeat, ab alia majori superabilem, in Verbindung mit der Zusammendrückbarkeit der Kraftsphären, ergeben sich doch Zweifel an der Verwahrung der Prop. IV., die Monaden ja nicht, für unendlich klein zu halten; wenn die Monade im Zentrum der Sphäre ruht und diese Sphäre unendlich zusammengedrückt werden kann, so muss doch ihr Zentrum unendlich klein sein, sonst würde es eine Grenze für die Zusammendrückbarkeit der Körper überhaupt geben, die es doch nicht geben kann, da das, was der Zusammendrückung widersteht, eine Kraft ist, und jede Kraft von einer grösseren überwunden werden kann.

Auch hier wieder rächt sich der von vornherein begangene Fehler, dass das monadische Kraftzentrum von seiner Wirkungssphäre nur unterschieden wird, um mit ihr verwechselt zu werden.

In dem Satze: elementa sunt perfecte impenetrabilia sed sunt condensibilia, bezieht sich das Erste eigentlich nur auf die Monade selbst, das Zweite auf ihre Wirkungssphäre; dass die Kraftsphären zum Teil durchdringlich sind d. h. aus ihrem Ort vertrieben werden können, gibt Kant zu; da man die durchdringende Kraft beliebig wachsen lassen kann, so kann die Monade also nur einen Raumpunkt einnehmen, da sie die Grenze der Durchdringlichkeit ist; sie allein ist also undurchdringlich, die Kraft in ihr ist so gross, dass sie nicht mehr überwunden werden kann, während die Kraft an jedem anderen Punkte ihres Umkreises überwunden werden kann; der Unterschied zwischen diesem Punkt und jenem ist also nur ein gradueller d. h. Monade und Kraft unterscheiden sich nicht mehr wie Substanz und Accidenz (Prop. VII.), sondern die Monade selbst ist zur Kraft geworden.

Es ist interessant zu beobachten, wie mit der immer genaueren Darstellung des Begriffes der Monade in der Abhandlung diese Konsequenz immer schärfer hervortritt; der Anfang scheint einer corpuscularen Atomistik zuzuführen: jeder Körper soll aus einfachen Teilen bestehen, die substantiell sind etc. etc. und Monaden heissen; dies sind also endliche Teile der greifbaren Materie des common sense, die nur tale quale zusammengesetzt zu werden brauchen, um jeden beliebigen Körper zu bilden.

Aber schon von Prop. V. an, wo der Lehrsatz aufgestellt wird, dass die Monade einen Raum erfüllt, und nicht nur in ihm ist, wird sie von einem wirklichen Teile des Körpers zu dem blossen Mittelpunkte eines Teiles degradiert; und wie so die Materie zur Kraft wird, wird die Kraft wieder zur Materie durch die Sätze über die Trägheitskraft, bis schliesslich durch den Satz: elementa sunt impenetrabilia sed condensibilia sich die Monade und ihre Wirkung als vollständig identisch ausweisen, indem nach dem ursprünglichen Begriffe das erstere nur von der Monade, das zweite nur von ihrer Sphäre gesagt werden konnte; so dass die Monade als Substanz immer mehr in das undurchdringliche Dunkel des Ansichseins gerückt wird.

Und in der Tat, wenn man sie streng als physischen Punkt fasst und es unterlässt, ihre Kraftwirkung zu hypostasieren, so ist eine Materie unmöglich, wenn sie nicht idealistisch gefasst wird; eine Objektive Materie ist aus den Monaden genau so wenig herauszupressen wie ein objektives Geschehen aus den Herbartischen Realen, die überhaupt in mehr als einer Beziehung mit jenen verwandt sind.

Hier wie dort Prozess und Resultat, Geschehen und Geschehenes nur auseinander gehalten, um wieder ineinander zu fliessen, jene »Mythologisierung«, die das Ansichseiende in eine Funktion auflöst, um schliesslich die Funktion als Ansichseiendes zu statuieren, hier wie dort metaphysisch Seiende, aus denen das objektive Geschehen nur mittelst Subreptionen hergeleitet werden kann, hier wie dort die einzige (bei Kant allerdings erst später vollzogene) Möglichkeit, die Widersprüche des Systems zu lösen, auf einem Übergange zum Idealismus (»zufällige Ansichten«) beruhend.

Anm. Wolff (vernünftige Gedanken von Gott etc. § 607) sagt: »Materie ist das, was dem Körper seine Ausdehnung und Widerstandskraft gibt«, hier wird die Materie vom Körper, d. h. also wohl von den Monaden, unterschieden, was im Wesentlichen ganz auf die Kantische Theorie hinausläuft; nur dass Wolff, in jener Denkart befangen, der das Phlogiston und die Lebensgeister entsprungen sind, die Kraft, die bei Kant direkt von der Monade ausgeht, wieder substantiiert.

Seine Materie ist genau das, was Kant's bei endlich kleinen Monaden unendlich kleine Kraftsphäre ist; denn »in der Materie als solcher gibt es keine unteilbare Teile« (a.a.0. § 613).

Etwas näher an die Kantische Modifikation dieser Vorstellung kommt sein Lehrer Knutzen (dem er übrigens auf naturphilosophischem Gebiet nicht so viel verdankt, wie, wenigstens nach J. B. Meyers bestreitbarer Ansicht, auf geistesphilosophischem); derselbe sagt in der Abhandlung »von der immateriellen Natur der menschlichen Seele«: Materie ist viel mehr Menge und Inbegriff vieler Substanzen, als eine Substanz selbst.

Dies hat auch Leibnitz schon angemerkt (Acta erudit. 1694 pag. 112): »Sie besteht aus vielen Sachen oder Substanzen, die ihrem besonderen Ort nach von einander abgesondert sind; sie besteht eigentlich nur in der Zusammensetzung der ersten Elemente, die eine wirkende Kraft und Trägheit besitzen.« -

Schon in den Gedanken von der wahren Schätzung hatte Kant einige Fesseln jenes substantiierenden Denkens gebrochen; die Bewegung wird dort rein als solche in richtiger Abstraktion betrachtet (§§ 9, 48, 51); aber in der Schrift De igne scheint wieder ein Rückfall in die überwundenen Vorstellungen einzutreten; dort heisst es (Prop. III und IV): Die harten wie die weichen Körper bestehen aus Molekeln, die nicht in unmittelbarer Berührung, sondern vermittelst einer gleichmässig zwischen ihnen befindlichen elastischen Materie zusammenhängen; durch diese Materie ziehen sich die Elemente der Körper gegenseitig an.

Dieser Stoff ist das reine Phlogiston; an keiner Stelle aber bei Kant tritt das Verderbliche dieser Theorie so klar hervor als in dieser, wo sogar die Atomkräfte mit ihm identifiziert werden.*

* Übrigens ist das hier wie vielfach sonst zu beobachtende Schwanken Kants in dieser seiner »heuristischen« Periode gerade das Zeichen des frei von jeder Dogmatik nach Wahrheit ringenden Geistes.

Dass das Feuer auf einem Stoff beruht, nimmt er dagegen in der Mon. phys. noch an (Prop. XIII.), ja offenbar bis an sein Lebensende, da in den erhaltenen Manuscript-Blättern seiner beabsichtigten »Metaphysik der Natur« (nach R. Reickes Mittheilung in der »Altpreussischen Monatsschrift« 1864) der Wärmestoff noch als der Urstoff genannt wird; obgleich, wie aus einer Stelle der von Rink herausgegebenen physischen Geographie (§ 14) hervorgeht, Kant mit den Arbeiten Lavoisier's nicht unbekannt war.

Ja, jene Ansicht, die dem Wärmestoff eine besondere Kraft zuschreibt, und ihn sogar als das ansehen möchte, was die Kraft nicht nur hat, sondern ist, spukt noch immer hier und da durch Kants Naturauffassung.

Es zeigt sich wieder hier einmal die magische Gewalt, welche seit Heraklits Zeiten das Feuer auf den spekulativen Geist ausübt.

In jenem Fragment ist dieser Urstoff »die Basis aller bewegenden Kräfte im Raum und in der Zeit« und in der KrV (von

dem regulativen Gebrauche der Ideen der reinen Vernunft) heisst es: und so bringt man alle Materien auf die Erden (gleichsam die blosse Last), Salze und brennliche Wesen (als die Kraft), endlich auf Wasser und Luft als Vehikeln etc.

Das ist natürlich eines Geistes Kind mit Newtons (Phil. nat. princ., am Schluss) spiritu quodam subtilissimo corpora crassa pervadente et in iisdem latente, cuius vi et actionibus particulae corporum ad minimas distantias se mutuo attrahunt et contiguae factae cohaerent.

Im Allgemeinen aber ist nicht zu leugnen, dass grade von dieser Anschauungsweise weg mit der Mon. phys. ein kühner, wie auch immer noch unklarer Schritt geschieht.

Wenn man noch bei Wolff (von den Wirkungen der Natur § 101) liest: »die ausdehnende Kraft rührt von einer subtilen Materie in den Zwischenräumen des Körpers her« - so muss man den Geist bewundern, der sich aus dieser mittelalterlich-realistischen Denkweise, in der er doch gebildet war, zu der entschiedenen Überzeugung aufschwingen konnte, dass die Erscheinungen der Ausdehnung und der Schwere, überhaupt der Körperhaftigkeit, auf Beziehungen beruhen - eine Überzeugung, die schon in dieser Schrift ihn dahin drängte, wenn er es auch noch nicht aussprach, vielleicht auch noch nicht klar ausdachte, die Träger als eine überflüssige Last zu eliminieren, und die unendliche substantielle Verschiedenheit der Materien, die er noch in der »Naturgeschichte des Himmels« statuiert, in eine nur funktionelle Differenz der Kräfte zu verwandeln; von jener Epoche an, die die Kraft zum Stoff machte, war es der notwendige Durchgangspunkt, dass der Stoff zur Kraft gemacht wurde, ehe ein über beiden stehender Gesichtspunkt ins Auge gefasst werden konnte, den du Bois-Reymond andeutet, wenn er findet, dass es im Grunde weder Kräfte noch Materie gibt, dass vielmehr beides nur von verschiedenen Standpunkten aus aufgenommene Abstraktionen der Dinge sind.

In dieser Kantischen Schrift schimmert so schon das tagverkündende Morgenrot, das der Sonne des kritischen Erkennens voranging, die in alle fernsten Winkel menschlichen Wesens erleuchtend und befruchtend eindringen sollte.

Die metaphysischen Anfangsgründe sind, was die Frage nach dem Wesen der Materie betrifft, nichts anderes als die Monadologie, von dem Standpunkt des Kritizismus aus betrachtet, für den die Monade, als das Ding an sich, verschwindet.

Nichtsdestoweniger kann dasjenige, was auf meine Sinne wirkt, nicht meine Vorstellung sein; ist aber andrerseits die Materie ganz und gar nur meine Vorstellung, wie Kant oft genug versichert: so folgt, dass dasjenige, wovon ich die Vorstellung der Materie habe, in der Tat nicht Materie ist.

Wenn also die Grundbestimmung eines Etwas, das ein Gegenstand äusserer Sinne sein soll, Bewegung sein muss (Met. A., Vorrede) und man sich »sogar die Undurchdringlichkeit immer nur als die Wirkung einer Kraft vorstellen muss, dazu uns das Subjekt fehlt« (Prol. § 46): so folgt, dass die Bewegung eben nicht der Materie, sondern dem Ding an sich zukommt.

In diesem von Kant selbst nie offen anerkannten Realismus weisen die Metaphysischen Anfangsgründe auf die Monadologie zurück, wie diese in ihrem dunkel involvierten Idealismus auf die kritische Periode hingewiesen hatte.

Die Ausführung jener Auffassung der Metaphysischen Anfangsgründe wird das Thema einer späteren Untersuchung sein.


 

Editorial:

Prof. Hans Geser
Soziologisches Institut
der Universität Zürich
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