Geld als Determinante der Moderne in
Georgs Simmels "Philosophie des Geldes"
Katja
Girschik 2000
Inhaltsverzeichnis
1.
Einleitung
2.
Kontext und Fragestellung der
Philosophie des
Geldes
2.1
Die Fragestellung der
Philosophie des Geldes und dieser Arbeit
3.
Analytischer Teil der Philosophie des Geldes:
Geld ist Relation
3.1 Die „Doppelrolle des
Geldes“
3.2
Überlegungen zum relativen
Wert des Geldes
3.3
Prozess der Preisbildung und
Zweifel am Wertrelativismus
3.4
Die Zeit als neue Dimension
4.
Synthetischer Teil der Philosophie des Geldes:
Geld hat Relation
4.1
Entwicklung und Wachstum der
Geldwirtschaft
4.2
Rationalisierung
4.3
Individualisierung
4.4
Soziale Differenzierung
4.5
Reflexivität und Freiheit
5.
Zusammenfassung und Fazit
6.
Bibliographie
6.1
Quellen
6.2
Darstellungen
1. Einleitung
Die Soziologie hat sich bis heute kaum für das Phänomen des
Geldes interessiert. Woher kommt das? Parsons beschreibt in seiner Abhandlung
über das soziale System Geld als „ein auf die ökonomische Systemfunktion der
Allokation von Gütern und Ressourcen spezialisiertes ‚symbolisch
generalisiertes‘ Kommunikationsmedium“ [Parsons, 1952, S. 124]. Mit dieser
Bestimmung von Geld übernimmt Parson die ökonomische Definition des Geldes als
ausschliessliches Tauschmittel. Lediglich durch die Suche nach funktionalen
Äquivalenten für Geld in anderen sozialen Teilsystemen der Gesellschaft [1]
versucht Parsons dieser Definition einen soziologischen Inhalt zu geben. „Das
Medium Geld wird funktional auf das ökonomische System bezogen, dieses wiederum
wird als ein Teilsystem der Gesellschaft betrachtet, das durch
Austauschbeziehungen verschiedener Art mit den anderen spezialisierten
Subsystemen verflochten ist“ [Parsons/Smelser, 1956], schreibt Parsons
weiter. Mit dieser Unterscheidung von Systemfunktionen hat Parsons eine
spezifische Arbeitsteilung zwischen Soziologie und Ökonomie festgelegt, die bis
heute einen bestimmenden Einfluss auf die Denkgewohnheiten von SoziologInnen und
ÖkonomInnen hat: Die Ökonomie befasst sich mit dem rationalen Adaptionshandeln
im ökonomischen System und ist somit auch für das Tauschmittel ‚Geld‘
verantwortlich. Die Soziologie hingegen untersucht den institutionellen Rahmen
des Wirtschaftssystems. Sie ist für die nicht-rationalen Kontextbedingungen
des wirtschaftlichen Handelns zuständig.
Obwohl auch Luhmann sich in den engen Grenzen der
Systemtheorie bewegt, hat er in die richtige Richtung gewiesen: „Alles
wirtschaftliche Handeln ist soziales Handeln, daher ist alle Wirtschaft immer
auch Vollzug der Gesellschaft“ [Luhmann, 1988, S. 8]. Auch Deutschmann
plädiert dafür, dass man dem Phänomen ‚Geld‘ erst gerecht werden kann,
wenn es nicht als nur als Träger eines spezialisierten Subsystems, sondern auf
der Ebene einer Gesellschaftstheorie diskutiert wird [Deutschmann, 1995, S.
380]. Dennoch gibt es bis heute kaum soziologische Abhandlungen und
Untersuchungen zu diesem wichtigen alltagsbestimmenden Phänomen der Neuzeit.
Georg Simmel ist - neben Marx - einer der wenigen Autoren,
die sich auf breiter gesellschaftstheoretischer Ebene mit dem Phänomen des
Geldes auseinander gesetzt haben. Simmels Philosophie des Geldes
erscheint erstmals im Jahre 1900. Dieses umfangreiche Buch ist ein Versuch auf
originelle Weise, das Phänomen des Geldes in seiner ganzen Breite zu erfassen. Simmel versucht, Phänomene der modernen gesellschaftlichen
Entwicklung am Leitfaden einer Geldtheorie zu erklären. Das Grundthema, das
auch in anderen Werken von Georg Simmel erscheint, ist das spannungsgeladene
Verhältnis zwischen Rationalisierung und gesellschaftlicher Differenzierung
und Individualisierung.
Inhalt
2. Kontext und
Fragestellung der Philosophie des Geldes
Simmel hat sich zwischen 1888 und 1900 kontinuierlich mit dem
Thema des Geldes auseinandergesetzt und verschiedene Aufsätze dazu verfasst. [2]
Er konzentriert sich darin - anders als beispielsweise Marx - vor allem auf die
psychischen und kognitiven Auswirkungen der Geldwirtschaft.
Simmels Schaffen wird üblicherweise in vier Phasen
eingeteilt [Siehe beispielsweise dazu: Von Flotow, 1995, S. 11]. Gemäss dieser
Einteilung setzt er sich in einer ersten Phase vorwiegend mit
evolutionsgeschichtlichen Aspekten auseinander, wobei er eine nominalistische
Position [3] einnimmt. In der
zweiten Phase beschäftigt sich Simmel mit werttheoretischen und transzendenten
Fragen und dem Problem der Objektivität. Die Entwicklung einer eigenen
Lebensphilosophie und die Vorstellung des Lebens als kulturellen Prozesses steht
im Zentrum der dritten Phase ab 1908. Die vierte Schaffensphase von Simmel ist
geprägt durch den Ersten Weltkrieg. Simmel wird sich bewusst, dass es für ihn
durchaus absolute Werte gibt. Er hofft, dass die ‚absolute Situation‘ dieses
Krieges die Absolutsetzung des Geldwertes als Illusion entlarvt.
Das Werk Simmels steht zwischen diesen beiden Polen der
frühen relativistischen und nominalistischen und der späteren Warnung vor
dem Verlust der absoluten Werte. Die Spannung dieser zwei Pole ist auch schon in
der Philosophie des Geldes spürbar: Obwohl Simmel von einer Position des
Relativismus ausgeht, beobachtet er Phänomene, für deren hinlängliche Deutung
und Erklärung der Relativismus nicht ausreicht.
Ausgehend vom Phänomen ‚Geld‘ verknüpft Simmel in der Philosophie
des Geldes erkenntnistheoretische, moralwissenschaftliche, soziologische
und ästhetische Überlegungen zu einem dichten Bild der modernen Gesellschaft.
Simmel geht dabei vom Gegenstand des Geldes aus, „um ihm durch seine
Erweiterung und Hinausführung zur Totalität und zum Allgemeinsten“
[Simmel, 1989, S. 148] zu führen. Diese Vorgehensweise ist Simmel als
Essayismus, Ästhetizismus oder sogar als Impressionismus vorgehalten worden [Rammstedt,
1993, S. 37].
Dieser ‚Makel‘ verbindet sich noch zu Lebzeiten Simmels
mit dem Vorwurf, er verfüge über kein theoretisches System. Simmel hat denn
auch seine Hauptlehren nie in einer Synthese zusammengefasst. Er war sich dessen
wohl bewusst und wusste auch um die Konsequenzen; so schreibt er am Ende seines
Lebens:
„Ich weiss, dass ich ohne geistigen Erben sterben werde
(und es ist gut so): Meine Hinterlassenschaft ist wie eine in barem Gelde,
das an viele Erben verteilt wird, und jeder setzt sein Teil irgend einen
Erwerb um, der seiner Natur entspricht: dem die Provenienz aus jener
Hinterlassenschaft nicht anzusehen ist.“ [Simmel, 1923, S. 1. Hervorhebung
im Original.]
Ich vertrete in dieser Arbeit die Meinung und versuche, diese
auf den folgenden Seiten zu stützen, dass diese ‚essayistische‘
Vorgehensweise dem Gegenstand des Geldes angemessen ist, und Simmel so
Erkenntnisse gewinnt, die einer ökonomischen Analyse verschlossen bleiben.
Inhalt
2.1 Die Fragestellung der Philosophie des
Geldes und dieser Arbeit
Die Verortung dieses Werkes, wie ich sie schon begonnen habe,
scheint mir sehr wichtig, denn schon die Wahl des Titels ist irritierend und
weckt Erwartungen, die Simmel gar nicht zu erfüllen trachtet. Die
Erklärungsbedürftigkeit dieses Titels scheint sich auch Simmel bewusst zu
sein. In der Vorrede zur Philosophie des Geldes begründet er diese Wahl
durch eine „Ortsbestimmung der Philosophie“ [Rammstedt, 1993, S. 17]: Die
Philosophie hat einerseits die Voraussetzungen wissenschaftliches Erkennen
darzustellen und zu untersuchen, und auf der anderen Seite sollte sie nach
Simmels Vorstellungen „die immer fragmentarischen Inhalte des positiven
Wissens [...] durch abschliessende Begriffe zu einem Weltbild [...] ergänzen
und auf die Ganzheit des Lebens [...] beziehen“ [Simmel, 1989, S. 9].
„Keine Zeile dieser Untersuchungen ist nationalökonomisch
gemeint“ [Simmel, 1989, S. 11], schreibt Simmel weiter in der Vorrede. Auch
wenn sich Simmel vordergründig [4] von
der Nationalökonomie abgrenzt, gerät er durch die Auseinandersetzung mit dem
Thema ‚Geld‘ in die innerökonomische Diskussion. Er greift denn auch
verschiedene ökonomische Fragestellungen auf. [5]
Was Simmel jedoch anstrebt, ist ein philosophisches
Erkenntnisziel, das über die ökonomischen Fragestellungen hinausgeht: Es geht
Simmel darum, „an einer Einzelheit des Lebens die Ganzheit seines Sinnes zu
finden, im Geld und vom Geld her das Leben, die Welt zu verstehen, und das Geld
selbst als Ausdruck der Welt zu verstehen“ [Von Flotow, 1995, S. 23f]. Oder
wie Simmel es formuliert:
„Wenn es eine Philosophie des Geldes geben soll, so kann
sie nur diesseits und jenseits der ökonomischen Wissenschaft vom Gelde
liegen: sie kann einerseits die Voraussetzungen darstellen, die, in der
seelischen Verfassung, in den sozialen Beziehungen, in der logischen Struktur
der Wirklichkeiten und der Werte gelegen, dem Geld seinen Sinn und seine
praktische Stellung anweisen. Das ist nicht die Frage nach der Entstehung des
Geldes; denn diese gehört in die Geschichte, nicht in die Philosophie“
[Simmel, 1989, S. 10].
Diesen Überlegungen folgt auch der Aufbau der Philosophie
des Geldes:
„Der erste Teil des Buches wird so das Geld aus
denjenigen Bedingungen entwickeln, die sein Wesen und den Sinn seines Daseins
tragen. Die geschichtliche Erscheinung des Geldes, deren Idee und Struktur ich
so aus den Wertgefühlen, der Praxis den Dingen gegenüber und den
Gegenseitigkeitsverhältnissen der Menschen als ihren Voraussetzungen zu
entfalten suche, verfolgt nun der zweite, synthetische Teil in ihren
Wirkungen, auf die innere Welt: auf das Lebensgefühl der Individuen, auf die
Verkettung ihrer Schicksale, auf die allgemeine Kultur.“ [Simmel, 1989; S.
10]
Oder anderes formuliert:
„Der eine [Teil] soll das Wesen des Geldes aus den
Bedingungen und Verhältnissen des allgemeinen Lebens verstehen lassen, der
andere umgekehrt Wesen und Gestaltung des letzteren aus der Wirksamkeit des
Geldes.“ [Simmel, 1989, S. 11]
Für Simmel kristallisieren sich also im Geld die
Grundstrukturen der modernen Gesellschaft. Diese Strukturen lassen sich jedoch
nicht durch eine einzelwissenschaftliche Abhandlung herausarbeiten. So nähert
sich Simmel mit seiner essayistischen Schreibweise von zwei Seiten seinem
Gegenstand. Er will deutlich machen, dass die Geldwirtschaft von den zwei Rollen
des Geldes geprägt ist: Der Rolle des Geldes ist sowohl diejenige eines
Tauschmittels und Wertes und als auch diejenige des entscheidenden Motors des
Wachstums. Paschen von Flotow hat dies in Anlehnung an Simmel die „Doppelrolle
des Geldes“ [Simmel, 1989, S. 126 und Von Flotow, 1995, S. 156] genannt. Von
Flotow hat mit diesem Konzept meiner Meinung nach einen fruchtbaren Ansatz
gewählt, um die Stärken und Schwächen von Simmels Philosophie des Geldes
herauszuarbeiten. Aus diesem Grund werde ich mich im Folgenden in groben Zügen
an diesem seinem Konzept der „Doppelrolle des Geldes“ orientieren, um
meinerseits den Reichtum an Ideen und Erkenntnissen in Simmels Philosophie
des Geldes zu erkennen und zu begründen, warum dieses hundertjährige Werk
gerade auch für die heutige Theoriebildung - in der Soziologie und der
Ökonomie - einen wichtige Quelle für Anregungen sein kann und soll.
So orientiert sich der Aufbau dieser Arbeit an der Struktur
von Simmels Philososphie des Geldes, wie ich sie eben erläutert habe.
Ich setze mich im nächsten Kapitel mit Simmels Begriff des Geldes
auseinander. Es zeigt sich, dass Geld nicht nur Relation ist, wie in der
ökonomischen Theorie angenommen, sondern, dass Geld auch Relation hat
und somit Auswirkungen auf die Menschen und die Gesellschaft zeigt. Im darauf
folgenden Kapitel konzentriere ich mich auf eben diese Auswirkungen. Ich
setzte mich schwergewichtig mit Simmels Verständnis von Individualismus,
Rationalität, Freiheit und sozialer Differenzierung auseinander. Ich
versuche, die Breite von Simmels Ideen und Ansätzen aufzeigen. Im letzten
Kapitel werden die wichtigsten Erkenntnisse nochmals kurz zusammengefasst und
versucht, die Perspektiven aufzuzeigen, die Simmels Untersuchung für die
heutige Theoriebildung immer noch bieten kann.
Inhalt
3. Analytischer
Teil der Philosophie des Geldes: Geld ist Relation
Im ersten ‚analytisch‘ genannten Teil der Philosophie
des Geldes, möchte Simmel „das Wesen des Geldes aus den Bedingungen und
Verhältnissen des allgemeinen Lebens verstehen lassen“ [Simmel, 1989, S. 11].
Er versucht zu klären, inwiefern Geld trotz seiner Objektivität, die er
zunächst als gegeben annimmt, als ein Produkt menschlichen Handelns aufgefasst
werden kann.
3.1 Die „Doppelrolle des
Geldes“
Mit seinem Begriff der „Doppelrolle des Geldes“ [Simmel,
1989, S. 126] greift Simmel eine Unterscheidung des Geldes
auf, die auf Aristoteles zurückgeht. Diese Unterscheidung stellt seitdem den
theoretischen und normativen Hintergrund für Theorien und Philosophien über
Geld dar. [6] Simmel entzieht
sich diesem engen konzeptionellen Rahmen, indem er darauf hinweist, dass Geld
eine Doppelrolle besitzt und somit auch Auswirkungen auf die realwirtschaftliche
Seite hat. Er versucht mit dem Begriff der „Doppelrolle des Geldes“ deutlich
zu machen, dass die Geldwirtschaft von den zwei Rollen des Geldes geprägt
ist. Die erste Rolle des Geldes besteht darin, als schlichtes Tauschmittel zu
dienen. Eine zweite Rolle hat Geld dadurch, dass es einen Wert an sich hat und
ein entscheidendes Glied in der Wirtschaft darstellt.
Simmels Hypothese in Bezug auf die „Doppelrolle des Geldes“
lautet:
„Dies ist die philosophische Bedeutung des Geldes: dass
es innerhalb der praktischen Welt die entschiedenste Sichtbarkeit, die
deutlichste Wirklichkeit der Formel des allgemeinen Sinns ist, nach der die
Dinge ihren Sinn aneinander finden und die Gegenseitigkeit der
Verhältnisse, in denen sie schweben, ihr Sein und Sosein ausmacht.“
[Simmel, 1989, S. 136]
Oder an anderer Stelle:
„Indem der Grundzug aller erkennbaren Existenz, das
Aufeinander-Angewiesensein und die Wechselwirkung alles Daseienden den
ökonomischen Wert aufnimmt und seiner Materie dieses Lebensprinzip erteilt,
wird erst das innere Wesen des Geldes verständlich. Denn in ihm hat der Wert
der Dinge, als ihre wirtschaftliche Wechselwirkung verstanden, seinen
reinsten Ausdruck und Gipfel gefunden.“ [Simmel, 1989, S. 121]
Im ersten Teil der Philosophie des Geldes geht Simmel
eben dieser „Doppelrolle des Geldes“ nach. Seine Hypothese, dass Geld nichts
anderes sei als ein Zeichen des relativen Wertes der Waren, entspricht Simmels
relativistischer Grundposition und zugleich auch derjenigen der ökonomischen
Theorie.
Ich möchte im Folgenden zeigen, wie Simmel seine
relativistische Argumentation entwickelt und warum er am Ende feststellen muss,
dass Geld dennoch mehr als ein Zeichen des relativen Wertes ist; eben eine
Doppelrolle besitzt.
Inhalt
3.2 Überlegungen zum relativen Wert des
Geldes
Zunächst möchte ich anhand eines Zitates aufzeigen, wie
Simmel zu der Überzeugung kommt, dass Geld ein relativer Wert ist oder in
seinen Worten ausgedrückt, dass „Geld Relation ist“ [Simmel, 1989, S.
131]:
„Wenn nun der wirtschaftliche Wert der Objekte in dem
gegenseitigen Verhältnis besteht, das sie, als tauschbare, eingehen, so ist
das Geld also der zur Selbstständigkeit gelangte Ausdruck dieses
Verhältnisses.“ [Simmel, 1989, S. 122]
Die Funktion des Geldes ist es also, die relativen Werte in
Geldeinheiten auszudrücken. Von Flotow sagt es mit Hilfe von Simmels Worten
sehr treffend: „‘Der so bestimmte reine Sinn des Geldes‘ ist es, ‚nichts
als der Ausdruck dieser Relativität‘ zu sein; die Relativität der begehrten Dinge [...] in sich darzustellen‘. Das Geld ‚seinem reinen
Begriff nach [...] ist nichts als die reine Form der Tauschbarkeit‘, die es
‚zu einem für sich bestehenden Gebilde kristallisiert‘.“ [Von
Flotow/Schmidt, 1999, S. 4f.] Geld ist reines Zeichen und hat lediglich die
Funktion, den relativen Wert der Ware und den relativen Preis auszudrücken.
Geld beinhaltet somit keinerlei konkreten Wert, denn der relative Wert der Ware
wird schon bestimmt, bevor dieser durch Geld dargestellt wird. Die
Wertbestimmung erfolgt allein im Tausch. [7]
Inhalt
3.3 Prozess der Preisbildung und Zweifel am
Wertrelativismus
Simmel geht bei seiner relativistischen Analyse über diese
quantitätstheoretischen Überlegungen hinaus. Er untersucht auch ökonomische
Phänomene, die sich der relativistischen Deutung entziehen.
Simmel beschäftigt sich beispielsweise mit dem ökonomischen
Konzept des abnehmenden Grenznutzens. Kleider und Nahrung sind Güter, die für
den Menschen zwar lebensnotwendig sind, deren Verlangen danach aber begrenzt
ist; das heisst, diese Güter sind dem Gesetz des abnehmenden Grenznutzens
unterworfen. Simmel jedoch merkt an, dass es verschiedene Güterkategorien gibt,
bei denen dieses ökonomische Gesetz nicht gilt. Das Begehren der Menschen nach
Luxusgüter und nach Geld ist nicht durch einen abnehmenden Grenznutzen
beschränkt, sondern ist an sich grenzenlos. Diese Beobachtung widerspricht dem
relativistischen ökonomischen Konzept.
Simmels Zweifel an der Neutralität des Geldes sind schwerwiegender Natur, denn hier greifen seine Fragen die
Grundfesten der ökonomischen (neoklassischen) Geldtheorie an. In der (idealen)
Tauschwirtschaft wird Ware gegen Ware getauscht. Geld ist in dem Sinne Relation,
als es die relativen Tauschwerte abbildet. Die Bewertung der Tauschgegenstände
vollzieht sich ohne Geld, das lediglich das Ergebnis des Bewertungssprozesses
abbildet. Diese Auffassung von Wirtschaft entspricht der oben beschriebenen
relativistische Position; Geld ist hier lediglich Relation.
Die Geldwirtschaft kann jedoch auch als Wirtschaft betrachtet
werden, in der Waren gegen Geld gekauft und verkauft werden. Das heisst, Waren
werden gegen Geld und Geld gegen Waren getauscht. In dieser Betrachtungsweise hat
Geld Relation, nämlich die sogenannte Geld-Ware-Relation [Siehe dazu auch Von
Flotow, 1995, S. 94]. Die Preise sind in diesem Konzept absolute Preise, also
Geldpreise. Hier wird Geld zum Teil des (Wirtschafts-) Prozesses.
In diesem Zusammenhang beschäftigt sich Simmel unter anderem
auch mit der Preisbildung. Dabei geht er von einem individuellen
Abwägungsprozess bei der Verwendung von Geld aus:
„Jede Ersparnis an jedem [Geld-] Opfer wird als ein
positiver Gewinn angerechnet. Allein sie ist ein Gewinn nur dadurch, dass sie
ermöglicht, dasselbe Opfer bei einer anderen Gelegenheit zu bringen.“
[Simmel, 1989, S. 155]
Diese Aussage bestätigt die Annahme, dass Geld die relative
Güterabwägung nicht beeinflusst. Simmel gerät jedoch in den schon oben
erwähnten theoretischen Konflikt. Er ist sich bewusst, das die Preisbildung
eine fortwährende Reihe von individuellen Kauf- und Verkaufsakten darstellt,
bei denen Waren gegen Geld und Geld gegen Waren getauscht werden. Hier zeigt
sich einmal mehr, dass Geld nicht nur Relation ist, sondern auch Relation
hat. Das heisst, Geld hat einen realen Einfluss den Prozess der
Preisbildung.
Simmel betont, dass beide Sichtweisen ihre Berechtigung haben
und vermeidet jegliche Entscheidung:
„Die Doppelrolle des Geldes ist, dass es einerseits die
Wertverhältnisse der austauschbaren Waren untereinander misst, andrerseits
aber selbst in den Austausch mit ihnen eintritt und so selbst eine zu messende
Grösse darstellt.“ [Simmel, 1989, S. 126]
Geld steht also nicht - wie im relativistischen Konzept
gedacht - ausserhalb des Wirtschaftskreises, sondern auch innerhalb desselben
[Simmel, 1989, S. 130].
Inhalt
3.4 Die Zeit als neue Dimension
Simmel führt mit Begriffen wie „Aktionsreihe“ [Simmel,
1989, S. 130], „Verlauf“ [Simmel, 1989, S. 129] und
„Strom“ [Simmel, 1989, S. 129] eine neue Perspektive
in sein Konzept der Geldwirtschaft ein. Sie bleibt nicht länger eine reine
Tauschwirtschaft, in welcher der Tausch ein zeitloses Ereignis darstellt.
Vielmehr betont Simmel nun die zeitliche Kontinuität und den Prozesscharakter
der Geldwirtschaft:
„Jede Konsumtion reisst zunächst eine Lücke in die
Stetigkeit der wirtschaftlichen Linie und ihr Verhältnis zur Produktion ist
zu wenig geregelt, zu sehr dem Zufall preisgegeben, um den Verlauf der Linie
in Ununterbrochenheit zu halten. [...] Indem ich für einen Gegenstand, den
ich konsumieren will, Geld hingebe, füge ich dieses in die Lücke der
Wertbewegung, die durch meine Konsumtion entsteht oder vielmehr entstehen
würde. Die primitiven Formen des Besitzwechsels, der Raub und das Geschenk,
lassen ihrer Idee nach diese Ergänzung der Kontinuität nicht zu, mit ihnen
stockt jedesmal der, man möchte sagen: logische Zusammenhang in jener
ideellen Linie der wirtschaftlichen Strömung. Erst der Tausch von
Äquivalenten weiss dem Prinzip nach diesen Zusammenhang herzustellen, und der
Tatsache nach erst das Geld, das jede im Naturaltausch nicht fortzuschaffende
Ungleichheit nivellieren kann und den Hiatus jener Linie stellvertretend
füllt, der durch das Ausscheiden des zu konsumierenden Objektes entsteht.“
[Simmel, 1989, S. 129]
Simmel weist in diesem Zusammenhang auf die Wichtigkeit der
Wertkonstanz des Geldes hin:
„Die Länge der wirtschaftliche Aktionsreihen, ohne die
es zu der Kontinuität, den organischen Zusammenhängen, der inneren
Fruchtbarkeit der Wirtschaft nicht gekommen wäre, hängt von der
Stabilität des Geldwertes ab, weil diese allein weitausschauende
Berechnungen, vielgliedrige Unternehmungen, langsichtige Kredite möglich
machen.“ [Simmel, 1989, S. 130]
Die Berücksichtigung des Faktors Zeit lässt entscheidende
Funktionen des Geldes neu erscheinen: Die Bedeutung des Geldes als wichtiges
Glied im wirtschaftlichen Prozess wird nun deutlich sichtbar.
Die Frage, warum die Wertkonstanz des Geldes und somit die
Kontinuität der Wirtschaft gesichert ist, beantwortet Simmel mit dem Hinweis
auf die Funktion des Geldes als Tauschmittel:
„Nur in dem Masse, in dem Geld, seinem reinen Wesen treu,
alledem entzogen ist, besitzt es Wertkonstanz, die also daran gebunden ist,
dass Preisschwankungen nicht Änderungen seiner Beziehung zu den
Dingen, sondern nur sich ändernde Beziehungen der Dinge untereinander
bedeuten, und diese wiederum involvieren, dass der Erhöhung des einen eine
Erniedrigung eines anderen korrespondiert.“ [Simmel, 1989, S. 131.
Hervorhebung im Original.]
Das heisst also, dass Simmel für die Begründung der
Funktion des Geldes in der Zeit auf seine Funktion ausserhalb der Zeit
zurückgreift.
Aus diesen Überlegungen resultiert das Wechseln Simmels
zwischen historischer und ahistorischer Betrachtung der Wirtschaftsreihen. Der
Begriff des Wertes und derjenige des Preises sind in der jeweiligen
Betrachtungsweise unterschiedlich zu verstehen.
Ausserhalb der Zeit, „ausserhalb [...] der Reihen der
konkreten Werte“ [Simmel, 1989, S. 125] ist Geld wertlos, denn es spiegelt
lediglich die Tauschrelationen. Diese ahistorische Betrachtung, die der
ökonomischen Argumentationslinie entspricht, geht folglich von relativen
Preisen aus, die lediglich den Tauschwert der Ware abbilden.
Innerhalb der Zeit oder „innerhalb der Reihen der konkreten
Werte“ [Simmel, 1989, S. 125] hat Geld einen Wert, den es von einem Zeitpunkt
zum anderen übertragen muss. Diese historische Betrachtungsweise kennt nur
Geldpreise, das heisst absolute Preise.
Hier wird das Problem sichtbar, das Simmel folgendermassen
beschreibt:
„Aus jener Doppelheit seiner Rollen - ausserhalb und
innerhalb der Reihen der konkreten Werte - gehen, wie gesagt, unzählige
Schwierigkeiten in der praktischen wie in der theoretischen Behandlung des
Geldes hervor.“ [Simmel, 1989, S. 125]
Wie Simmel mit diesen „unzähligen Schwierigkeiten“
umgeht und welche Erkenntnisse er dabei gewinnt - Erkenntnisse, die der
ökonomischen Geldtheorie abgehen - ist Gegenstand des nächsten Kapitels.
Inhalt
4. Synthetischer
Teil der Philosophie des Geldes: Geld hat Relation
Der zweite Teil der Philosophie des Geldes wird von
Simmel als ‚synthetisch‘ bezeichnet. In diesem Teil arbeitet Simmel heraus,
wie diese soziale Konstruktion des Geldes, die er im ersten ‚analytischen‘
Teil dargelegt hat, auf das Handeln und die Verhältnisse der Menschen
zurückwirkt. Die Wechselwirkungen zwischen der Geldwirtschaft und ihren
Rahmenbedingungen, oder - anders gesagt - die Auswirkungen der Geldwirtschaft
auf Mensch und Gesellschaft, stehen hier im Zentrum des Interesses. Dass dieser
‚synthetische‘ Teil der Philosophie des Geldes meist als der bessere
von beiden Teilen bezeichnet wird, hängt meiner Meinung damit zusammen, dass
zum einen Simmels Beweis der Objektivität des Geldes, den er im ersten Teil
anstrebt, scheitert. [8] Zum
anderen gelingt es Simmel hier, Zusammenhänge darzustellen, die sich der rein
ökonomischen und soziologischen Analyse aufgrund ihres angesprochenen
beschränkten Gesichtsfeldes entziehen. In diesen rund dreihundert Seiten des
zweiten Teils der Philosophie des Geldes kommt Simmels ganze
Erkenntniskraft zur Geltung.
Auf den folgenden Seiten sollen die Wirkungen des Geldes auf
das Innere der Menschen und somit auf ihren Wertbildungsprozess und ihr Handeln,
beleuchtet werden. Ich versuche die Bedeutung des Geldes für die kulturelle
Entwicklung der Moderne, wie Simmel sie sieht, zu verdeutlichen.
In den Grundzügen geht es dabei um die Aufzeichnung einer
spannenden Dichotomie zwischen Rationalisierung und Individualisierung in der
Moderne.
Inhalt
4.1 Entwicklung und Wachstum der
Geldwirtschaft
Simmel untersucht die Wechselwirkungen [9]
zwischen der Geldwirtschaft und ihren geistigen und institutionellen
Entwicklungen und den dazu nötigen psychischen Voraussetzungen. Seine These
geht dahin, dass die geldwirtschaftliche Entwicklung die „Selbstgenügsamkeit
feudaler Verhältnisse“ [Simmel, 1989, S. 226], die „anspruchslosere
Befriedigung an den einzelnen Lebensinteressen“ [Simmel, 1989, S. 304], die
unter naturalwirtschaftlichen Bedingungen herrschten, auflöst.
Zu den Voraussetzungen dieser Entwicklung gehört nach
Simmels Vorstellung die geistige Einstellung der Menschen. Von Flotow formuliert
diese grundlegende Sicht Simmels folgendermassen: „Geistige und ökonomische
Entwicklung sind ursächlich miteinander verknüpft, und zwar in der Weise, dass
es bestimmte geistige Haltungen gibt, Geistesarten, die sich in Wechselwirkung
mit den ökonomischen Verhältnissen entwickeln“ [Von Flotow, 1995, S. 118]. Simmel geht davon aus, dass die individuelle und psychologische
Voraussetzung für das Wachstum der Geldwirtschaft das nicht begrenzte
Begehren der Menschen nach Gütern und Geld ist. Dieses Begehren ist jedoch
keine historische Konstante, sondern wird von Simmel selbst in den Zusammenhang
der Geldwirtschaft gestellt.
Die Entgrenzung des Geldes thematisiert Simmel auf sehr
anschauliche Weise. Er zeigt auf, dass gerade wenn man den Begriff des Geldes
als Tauschmittel konsequent anwendet, diese Definition des Geldes über sich
selbst hinausführt: „In einer modernen Gesellschaft wächst der Kreis, der
nur für Geld beschaffbaren ‚Gegenstände‘ immer weiter an, zugleich
verlängern sich die gesellschaftlichen Zweck-Mittel-Ketten über alle
überschaubaren Endzwecke hinaus ins Unendliche“ [Deutschmann, 1995, S. 384].
Geld wird auf diese Weise zum ‚allgemeinen Mittel‘.
Gerade dadurch, dass es ‚allgemeines Mittel‘ wird, wächst Geld nach Simmels
Auffassung über seinen Mittelcharakter hinaus. Letztendlich vermittelt es
nichts mehr ausser sich selbst und gewinnt so eine selbstreferentielle
Qualität:
„Indem sein Wert als Mittel steigt, steigt sein
Wert
als Mittel, und zwar so hoch, dass es als Wert schlechthin gilt und das
Zweckbewusstsein an ihm definitiv Halt macht. Die innere Polarität im Wesen
des Geldes: das absolute Mittel zu sein und eben dadurch
psychologisch für die meisten Menschen zum absoluten Zweck zu werden, macht
es in eigentümlicher Weise zu einem Sinnbild, in dem die grossen Regulative
des praktischen Lebens gleichsam erstarrt sind.“ [Simmel, 1989, S. 298f.
Hervorhebung im Original.]
Dadurch, dass Geld die modernen Gesellschaft solchermassen
durchdringt, „wird es unwillkürlich zu dem Punkt, in dem alles soziale
Handeln zurückläuft“ [Deutschmann, 1995, S. 385]. Geld wird auf diese Weise
zum Zentrum eines eigenen gesellschaftlichen Wertsystems und wird - der Religion
ähnlich - zum Träger einer eigenen Ethik.
Die Entwicklung der Geldwirtschaft wird also getragen von
einem fundamentalem Wandel in der geistigen Haltung der Menschen. [10]
Dieser psychische Wandel lässt sich mit folgenden Begriffen charakterisieren:
Die oben angesprochene Entgrenzung, Quantifizierung und Entsubstantialisierung
sowie Rationalisierung [Siehe dazu auch Von Flotow, 1995, S. 126].
Die These, die Simmel in Bezug auf die historische
Entwicklung des Geldes entwirft, geht dahin, dass Geld entsubstantialisiert
wird. Der Wert des Geldes, die Substanz, wird allmählich überlagert und
ersetzt durch die Funktionen des Geldes. Das heisst, Geld entwickelt sich zu
einem reinen Tauschmittel, das in seiner Substanz wertlos ist.
Die Bedeutung des Geldes für die kulturelle Entwicklung
weist nach Simmel weit über seine technisch-ökonomischen Funktionen hinaus.
Geldwirtschaft ist nur möglich aufgrund spezifischer geistiger Bedingungen,
die wiederum Resultat der geldwirtschaftlichen Entwicklung sind: Die Doppelrolle
des Geldes in der ökonomischen Wirklichkeit entspricht einer im ökonomischen
Bewusstsein der Menschen. Simmel betrachtet nun die „Strukturverhältnisse des
Wirtschaftskreises“ [Simmel, 1989, S. 202]. Unter den Stichworten ‚Rationalisierung‘,
‚Individualiserung‘, ‚soziale Differenzierung‘ und ‚Freiheit‘
versuche ich in den folgenden Seiten die Entwicklung dieser Verhältnisse
gemäss Simmels Überlegungen zu skizzieren.
Inhalt
4.2 Rationalisierung
Deutschmann zufolge behandelt Simmel das Problem der
Beziehung zwischen Geld und rationalem Intellekt wissenssoziologisch
[Deutschmann, 1995, S. 390]. Das heisst, Simmel geht davon aus, dass die
Geldwirtschaft den Menschen „praktisch vor die Notwendigkeit des Vergleichens,
Messens und Rechnens stellte“ [Deutschmann, 1995, S. 390]. Die Beziehung
zwischen Geld und dem rationalem Intellekt formuliert Simmel nicht
deterministisch, sondern als „einen Prozess allmählicher Reflexion und
Formalisierung einer von den Menschen zunächst unbewusst befolgten Praxis“
[Deutschmann, 1995, S. 390]. Es sind die Erfordernisse des Alltags, die eine
solche Veränderung hin zu Abstraktion und Rechenhaftigkeit herbeiführen.
Diese Veränderung bleibt natürlich nicht ohne Auswirkungen auf die
ausserökonomischen Bereiche der Gesellschaft.
So verlangt die Geldwirtschaft eine innere Distanz anderen
Menschen und den eigenen Bedürfnissen und Wünschen gegenüber. Sie fordert
eine Ausbildung der „Langsicht“ [Pohlmann, 1987, S. 79] und
eine affektive Selbstkontrolle; es erfolgt eine Abstrahierung von den
emotionalen Endzwecken. Wie Deutschmann es formuliert: „Das Geldwesen setzt
das Verhältnis der Fremdheit in den sozialen Beziehungen voraus und erzeugt und
festigt es seinerseits“ [Deutschmann, 1995, S. 386].
Nach Simmels Vorstellung wird die in der Moderne immer
deutlicher hervortretende Rationalisierung durch die Geldwirtschaft
vorangetrieben. Merkmale dieser geldvermittelten Rationalisierung sind für ihn
neben dem Rückgang emotional geleiteter Handlungen, die Intellektualität,
die Reduktion der Emotionalität, die zur Ausbildung der ‚Langsicht‘ führt,
und die daraus resultierende Ausbildung des modernen Denkens.
Der Rückgang der emotional geleiteten Handlungen bewirkt,
dass der Mensch lernt, die Welt zu objektivieren und die Erfüllung eines
Wunsches aufzuschieben. Diese Fähigkeit bildet die Grundlage für das
Zweckhandeln und wird massgeblich durch den geldvermittelten Tausch weiter
ausgebildet. Im Gegensatz zum emotionalen Handeln, das sofort auf die
Befriedigung eines Triebes drängt, müssen die Akteure bei einem Tausch zwei
Voraussetzungen aufweisen: „Die Fähigkeit, den auf den Besitz einer Sache
gerichteten Wunsch aufzuschieben und die Fähigkeit zur Objektivation des
Wunsches an und mittels des Gegenstandes, den man für den begehrten wegzugeben
bereit ist“ [Pohlmann, 1987, S. 78].
Der Unterschied zwischen dem Naturaltausch und dem
geldvermittelten Tausch besteht darin, dass im geldvermittelten Tausch die
Objektivation des Handelns noch um eine Stufe weiterentwickelt wird. Der
Naturaltausch wird von Simmel als ‚privater‘ Vergesellschaftungsakt
aufgefasst, der sich in Aktion und Gegenaktion der Beteiligten erschöpft.
Der geldvermittelte Tausch beinhaltet jedoch eine neue
soziale Dimension: „Er ‚entprivatisiert‘ den Vergesellschaftungsvorgang;
denn das Geld verweist den Geldnehmer an die soziale Gesamtheit, auf weitere
Vergesellschaftungsakte mit anonymen Produzenten. Der geldvermittelte Tausch
macht die Befriedigung des eigenen Wunsches zu einer dreigliedrigen Aktion,
erlegt damit dem ‚Aneignungsimpuls‘ eine zusätzliche Phase des Aufschubs
auf und fügt der Antizipationsleistung des Handelns einen neuen Akt hinzu“
[Pohlmann, 1987, S. 78].
In der ausgebildeten Geldwirtschaft, vor allem beim Bestehen
einer kapitalistischen Produktionsstruktur, werden die Menschen zu Gliedern
von langen wirtschaftlichen „Abhängigkeitsketten“. [11]
In Gesellschaften mit geringer Arbeitsteilung sind die Menschen von einigen
wenigen qualitativ nicht auswechselbaren Individuen abhängig. In der
Geldwirtschaft bewirkt eine immer stärker ausgeprägte funktionale
Differenzierung, dass die Menschen für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse auf
eine grösser werdende Zahl anonymer wirtschaftlicher Funktionsträgern
angewiesen sind. Bei einer solch stark ausgeprägten Interdependenz erzwingt
das Eigeninteresse die Fähigkeit kalkulatorischer „Langsicht“: Das heisst,
richtiges Antizipieren dieser Handlungsketten ist neben richtigen Entscheidungen
Bedingungen für das erfolgreiche Bestehen in der Geldwirtschaft.
Diese kalkulatorische „Langsicht“ kann aber erst
ausgebildet werden, wenn die qualitativen Eigenschaften der Dinge einem durch
Quantitäten ausgedrückten Bezugssystem untergeordnet werden. Dieses (moderne)
Denken in abstrakt-quantitativen Relationen wird gemäss Simmel durch das Geld
begünstigt. In der Geldwirtschaft wird im Tauschakt von der qualitativen
Beschaffenheit der Objekte abstrahiert. Verschiedene Objekte werden durch einen
Preis, den Tauschwert, in reinen Quantitäten gemessen und in Relationen ihrer
Werte miteinander verglichen.
Das moderne Denken wird folglich charakterisiert durch
Rechenhaftigkeit und die Vorstellung der Beherrschung der Natur durch
Berechnung. So sieht Simmel einen Grundzug modernen Denkens darin, dass die
moderne Gesellschaft die Welt und ihre Inhalte durch Wechselwirkungen
verschiedenster Elemente in einer dynamischen Entwicklung zu verstehen sind. Die
Phänomene werden nicht mehr wie in traditionellen Gesellschaften als exogen
gegeben verstanden, sondern sie werden als in fortwährender Entwicklung
begriffen. Sie werden nun als veränderbar erfahren. Dabei werden die
beobachteten Wechselwirkungen soweit wie möglich auf quantitative Grössen
reduziert. Diese Entwicklung wird nach Simmels Vorstellungen durch das Geld
mitgeprägt:
„Die Geldwirtschaft bewirkt von sich aus die
Notwendigkeit fortwährender mathematischer Operationen im täglichen
Verkehr. Das Leben vieler Menschen wird von solchem Bestimmen, Abwägen,
Rechnen, Reduzieren qualitativer Werte auf quantitative ausgefüllt [...]
Die Exaktheit, Schärfe, Genauigkeit in den ökonomischen Beziehungen des
Lebens, die natürlich auf seine anderweitigen Inhalte abfärbt, hält mit der
Ausbreitung des Geldwesens Schritt [...]“ [Simmel, 1977, S. 499].
Diese Merkmale geldvermittelter Rationalisierung haben also
weitreichende strukturelle Wirkungen auf das individuelle und kollektive
Handeln. Die Geldwirtschaft steht in direkten Wechselwirkungen mit kognitiven
Vorgängen. Sie spielt eine wichtige Rolle in der Rationalisierung des
Handelns und des Denkens der Menschen. Parallel zu diesem
Rationalisierungsprozess findet eine zunehmende Individualisierung statt.
Rationalisierung und Individualisierung sind Differenzierungsprozesse der
modernen Gesellschaft, die Hand in Hand gehen.
Inhalt
4.3 Individualisierung
Für Simmel ist das frühe Stadium in der Entwicklung des
Menschen durch den sogenannten ‚Indifferenzzustand‘ [Simmel, 1989, S. 446] charakterisiert. Dieser Zustand weist noch keine Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt auf. Erst in der weiteren Entwicklung bilden sich
Subjekt und Objekt heraus, wobei „der Mensch zu sich Ich sagt und dass er
für sich seiende Objekte ausserhalb seines Ichs anerkennt“ [Simmel, 1989,
S. 30]. Über diese Entwicklung sagt Simmel:
„Die Entwicklung geht auf immer gründlichere, bewusstere
Scheidung zwischen den objektiven und den subjektiven Vorstellungen, die sich
ursprünglich in einem unklaren psychologischen Indifferenzzustand bewegten.“
[Simmel, 1989, S. 446]
Diese Unterscheidung geschieht auf der Subjektseite.
„Denn das Bewusstsein, ein Subjekt zu sein, ist selbst
schon eine Objektivierung. Hier liegt das Urphänomenen der
Persönlichkeitsform des Geistes: dass wir uns selbst betrachten, kennen,
beurteilen können, wie irgendeinen „Gegenstand“, dass wir das als Einheit
empfundenen Ich dennoch in ein vorstellendes Ich-Subjekt und Ich-Objekt
zerlegen, ohne dass es darum seine Einheit verliert, ja, an diesem inneren
Gegenspiel sich seiner Einheit eigentlich erst bewusst werden - das ist die
fundamentalste Leistung unseres Geistes [...]“ [Simmel, 1989, S. 10]
Diese Subjekt-Objekt-Differenzierung ist das Ergebnis eines
sozialen Prozesses: Die Widerstände des Objekts haben den Indifferenzzustand
schon im Ansatz aufgelöst; das Subjekt sucht, durch Verinnerlichung des
Objekts, des „Du“, diese beginnende Distanz wieder rückgängig zu machen
und konstituiert sich so als eine reflexive Struktur - als ein ‚Ich-Subjekt‘
und ein ‚Ich-Objekt‘, ein Selbst [Simmel, 1977, S. 8ff, S. 76f, S. 84].
In diesem Prozess wird Geld für Simmel zum Schrittmacher der
individuellen Freiheit. Das emanzipatorische Moment des Geldes besteht für ihn
darin, dass die persönlichen Bindungen durch anonyme Abhängigkeiten ersetzt
werden. Seine Aussagen gehen nicht dahin, dass Geld das Individuum aus der
Gesellschaft herauslöst. Vielmehr wird das Individuum durch das ungeheure
Wachstum und die Komplexität sozialer Interdependenzen auf sich selbst
zurückgeworfen. Das Individuum ist nicht bloss, „‘nicht abhängig‘,
sondern im positiven Sinne autonom“ [Deutschmann, 1995, S. 387]. Diese
Freiheit und die selbstreferentielle Identität sind die positiven Seiten der
Versachlichung der sozialen Beziehungen.
Inhalt
4.3.1 Die Kehrseite der
Individualisierung
Die Kehrseite dieses Individualisierungsprozesses zeigt den
zerstörerischen Einfluss auf traditionelle Gemeinschaften und Beziehungen. An
die Stelle dieser früher identitätsstiftenden Beziehungen treten neue,
künstliche, funktional differenzierte Sozialzusammenhänge, die das Individuum
nicht länger als ganze Person vereinnahmen: Die zweckgerichteten Verbände und
Assoziationen [Simmel, 1989, S. 464f.]. Simmel beschreibt diese neu entstandenen
Institutionen folgendermassen:
„[...] hat nun die Geldwirtschaft unzählige
Assoziationen ermöglicht, die entweder von ihren Mitgliedern nur Geldbeträge
verlangen oder auf ein blosses Geldinteresse hinausgehen: zuhöchst die
Aktiengesellschaft, bei der der Vereinigungspunkt der Teilhaber
ausschliesslich in dem Interesse an der Dividende liegt; so ausschliesslich,
dass es wohl jedem einzelnen ganz gleichgültig ist, was die Gesellschaft denn
eigentlich produziert.“ [Pohlmann, 1987, S. 465]
Simmel geht gar so weit zu fragen, ob die „gemeinschaftszersetzende
Kraft des Geldes wirklich am Individuum halt macht oder ob sich nicht vielmehr
weiter in das Individuum hineinfresse“ [Deutschmann, S. 387]. Als Beispiel
für die „Atomisierung der Einzelpersönlichkeit“ [Simmel, 1989, S. 463] führt er den modernen Lohnarbeiter an, bei dem er eine „innerhalb
ihrer vor sich gehende Individualisierung“ [Simmel, 1989, S. 463] zu
erkennen glaubt. [12]
Diese sondernde Entwicklung der objektiven und der
subjektiven Lebenspraxen verunmöglicht, dass die erscheinenden neuen Probleme
innerhalb der naturhaft-selbstverständlichen Formen bewältigt werden können.
Diese Verselbstständigung der Lebenspraxen bewirkte eine sukzessive Auflösung
der naiven Einheitsform, eine fortschreitende Verselbstständigung persönlicher und sachlicher Seiten des Lebens gegeneinander:
„In der Urzeit hatte die Personalität die dinglichen
Beziehungen überdeckt und verschlungen, in der Patrimonialzeit diese
umgekehrt jene. Die Geldwirtschaft differenziert beides, Sachlichkeit bzw.
Besitz und Persönlichkeit werden gegeneinander selbstständig.“ [Simmel,
1989, S. 450]
So entwirft Simmel die Menschheitsgeschichte auf der Seite
der gesellschaftlichen Objektivität als ein fortschreitender
Differenzierungsprozess der Formen der Lebenspraxen. Diese Lebenspraxen
entwickeln sich zu immer stärker voneinander abgetrennten, von der
Gesamtpersönlichkeit abgelösten und immer objektivierteren Teilsystemen.
Diese fortschreitende Verselbstständigung gegeneinander,
ihre Abtrennung von der Person als Ganzes hat ihre zunehmende Berechenbarkeit
zur Folge. Es ergibt sich so die Möglichkeit, diesen Teilsystemen immanente
Gesetze ausfindig zu machen und auszunutzen.
Diese personale Individualisierung wird nach den
Überlegungen von Simmel durch den Rationalisierungs- und
Differenzierungsprozess der Gesellschaft bedingt. Die Grundvoraussetzung dazu
ist die Auflösung ‚naturwüchsiger‘, die Person in ihrer Gesamtheit
einschliessender und kontrollierender sozialer Kreise. Erst die soziale
Differenzierung und Rationalisierung der Teilsysteme macht eine
Individualisierung möglich.
Inhalt
4.4 Soziale Differenzierung
Simmel entwickelt ein abstraktes, allein deskriptives Schema
gesellschaftlicher Entwicklung. Im frühen Stadium besteht eine enge,
unauflösliche Verbindung zwischen dem einzelnen Menschen und den
verschiedensten Aspekten seiner gesellschaftlichen Existenz. Der Mensch ist
sozusagen mit Haut und Haar, mit der Ganzheit seines Seins in die Gesellschaft
eingebunden. Dieser Zustand ist dem schon erwähnten Indifferenzzustand
ähnlich. [13] Auf Grund der
Kontrolle und Prägung des Menschen durch diese extremen Zugehörigkeit zu einer
Gruppe oder Gesellschaft, ist eine Ausbildung eines ‚Für sich‘
unwahrscheinlich.
In früheren Stadien seiner gesellschaftlichen Entwicklung
ist der Mensch eingebunden in
„eine Umgebung, die gegen seine Individualität relativ
gleichgültig, ihn an ihr Schicksal fesselt und ihm ein enges Zusammensein mit
denjenigen auferlegt, neben die der Zufall der Geburt ihn gestellt hat.“
[Simmel, 1989, S. 305]
Im Mittelalter sieht Simmel dieses Verhältnis durch die
Institution der Zünfte verwirklicht:
„Eine Zunft der Tuchmacher war nicht eine Assoziation von
Individuen, sondern eine Lebensgemeinschaft in fachlicher, geselliger,
religiöser, politischer und vielen sonstigen Hinsichten.“ [Simmel, 1989, S.
372]
Als Illustration dieses Differenzierungsprozesses führt
Simmel die Herausbildung von Zweckverbänden an. Früher wurde die ‚ganze‘
Person von Gemeinschaften und Verbänden vereinnahmt. In der Moderne bringen nun
Mitglieder oft nur einen kleinen, objektivierten Teil ihrer selbst in eine
solche Gruppe ein. Simmel nennt dies einen Zweckverband. Als extremstes Beispiel
beschreibt er die schon erwähnte Aktiengesellschaft. Bei ihr liegt
„[...] der Vereinigungspunkt der Teilhaber
ausschliesslich in dem Interesse an der Dividende; so ausschliesslich dass es
wohl jedem einzelnen gleichgültig ist, was die Gesellschaft denn eigentlich
produziert. Die sachliche Zusammenhanglosigkeit mit dem Objekt, an dem es ein
blosses Geldinteresse hat, spiegelt sich in seiner personalen
Zusammenhanglosigkeit mit den andren Subjekten, mit denen ihn ein
ausschliessliches Geldinteresse verbindet.“ [Simmel, 1989, S. 465]
Die Unterstützung einer Assoziationen war früher immer mit
eigenem Handeln verbunden. In der Moderne ist eine Unterstützung auch
ausschliesslich durch Geld möglich.
Wie am Beispiel der Zweckverbände gezeigt, löst sich dieser
Zustand der totalen Vereinnahmung des Individuum durch eine soziale Gruppe in
der Moderne immer weiter auf. Die Gesellschaft hat sich in zunehmend
differenzierte Teilsysteme gespalten. Diese steigende Differenzierung geht mit
der Rationalisierung der Teilsysteme, mit ihrer zunehmenden rechenhaften
Strukturierung einher. In diesem Differenzierungs- und Rationalisierungsprozess
wird das Individuum als Ganzes aus den ursprünglichen Gruppenzusammenhängen
herausgelöst. Das Individuum geht nur noch mit genau umgrenzten Teilen seiner
Ganzheit in die einzelnen gesellschaftlichen Handlungsbereichen ein. Es findet
eine Objektivierung der Verhältnisse statt.
Inhalt
4.5 Reflexivität und Freiheit
Geld schafft Distanz. Es stört und zerstört alte
Verhältnisse. Dadurch gehen nicht nur Verhältnisse verloren, sondern es
werden auch neue soziale Werte geschaffen. Erst mit der Distanzierung zur Sache,
die durch Geld ermöglicht wird, ergibt sich ein neues Verhältnis zu dieser
Sache, das auf der Distanz aufbaut. [14]
Auf der sozialen Ebene entsteht so Unabhängigkeit, auf der temporalen Ebene
entsteht Freiheit. Mit dieser Distanz setzt ein Differenzierungsprozess ein,
der auch in die Lebenswelten der Menschen hineinwirkt. Die Versachlichung der
politischen, sozialen und ökonomischen Beziehungen geht Hand in Hand mit der
zunehmenden individuellen Freiheit:
„So sehen wir die eigentümliche Parallelbewegung der
letzten drei Jahrhunderte: dass einerseits die Naturgesetzlichkeit, die
sachliche Ordnung der Dinge, die objektive Notwendigkeit des Geschehens immer
klarer und exakter hervortritt, und auf der anderen Seite die Betonung der
unabhängigen Individualität, der persönlichen Freiheit, des Fürsichseins
gegenüber allen äusseren und Naturgewalten eine immer schärfere und
kräftiger wird.“ [Simmel, 1989, S. 403]
Auf der Subjektseite entwickeln sich komplementär zur diesem
Differenzierungs- und Rationalisierungsprozess die Bedingungen für eine
spezifische Form der Reflexivität. Es werden die Bedingungen für die
Möglichkeit einer „Entwicklung [...] nach den Gesetzen des eigenen Wesens,
die wir Freiheit nennen“ [Pohlmann, 1987, S. 77] geschaffen. Im Sinne
einer historischen Tendenz schreibt Simmel:
„Dieses Herausbilden der Persönlichkeit aus dem
Indifferenzzustand der Lebensinhalte, der nach der anderen Seite die
Objektivität der Dinge aus sich hervortreibt, ist nun zugleich der
Entstehungsprozess der Freiheit“ [Simmel, 1977, S. 319], „der Betonung der
unabhängigen Individualität [...]“ [Simmel, 1977, S. 320]
„Wenn Freiheit bedeutet, nur den Gesetzen des eigenen
Wesens zu gehorchen, so gibt die durch die Geldform des Ertrages ermöglichte
Entfernung zwischen Besitz und Besitzer beiden eine sonst unerhörte
Freiheit.“ [Simmel, 1989, S. 451]
Geld bewirkt also eine soziale Differenzierung, welche
wiederum individuelle Freiheit ermöglicht. In diesem Zusammenhang sieht Simmel
auch die Entwicklung der Arbeitsverhältnisse, wobei er - im Gegensatz zur
Ökonomie, die von machtlosen Beziehungen ausgeht - die
Abhängigkeitsverhältnisse thematisiert:
„Die ökonomische Organisation der früheren
Jahrhunderte... ruhen auf dem Verhältnis persönlicher Unterordnung des
Gesellen unter den Meister [...]. Auf diesen Stufen vollzieht sich die
Wirtschaft durch ein Zusammenwirken von Faktoren, das durchaus
persönlicher-unmittelbarer Natur ist und in jedem einzelnen Fall im Geiste
der leitenden Persönlichkeit und mit Unterordnung der übrigen unter deren
Subjektivität verläuft. Dieses Verhältnis nimmt anderen Charakter an durch
das steigende Übergewicht der objektiven und technischen Elemente über die
personalen. Der Leiter der Produktion und der niedrige Arbeiter [...] sind nun
gleichmässig einem objektiven Zweck untertan, und erst innerhalb dieses
gemeinsamen Verhältnisses besteht die Unterordnung fort als technische
Notwendigkeit, in der die Anforderungen der Sache, der Produktion als eines
objektiven Prozesses zum Ausdruck kommen. Wenn nun auch dieses Verhältnis
nach manchen persönlich sehr empfindlichen Seiten für den Arbeiter härter
sein mag als das frühere, so enthält es doch ein Element der Freiheit, indem
seine Unterordnung nicht mehr subjektiv-personaler, sondern technischer Natur
ist.“ [Simmel, 1989, S.451]
Ich möchte nun näher auf den Gedanken eingehen, dass
geldvermittelte Sozialverhältnisse eine Entpersonalisierung der Abhängigkeit
und zugleich eine Zunahme der individueller Handlungschancen bewirken. Simmels
Grundgedanke geht dahin, dass in der modernen geldvermittelten Sozialstruktur
die gegenseitige Abhängigkeit sowohl gestiegen wie auch gesunken ist. Durch das
ungeheure Wachstum der bis ins letzte Detail ausdifferenzierten Arbeitsteilung
ist die gegenseitige Abhängigkeit enorm gestiegen. In der früheren
Naturalwirtschaft ist der einzelne Mensch nur von einer bestimmten Anzahl von
Personen abhängig. In der modernen Gesellschaft ist er allein für die
Befriedigung seiner elementarsten Bedürfnisse auf ein unübersehbares Netz
von spezialisierten Vorleistung angewiesen. Parallel zu dieser ungeheuren
Ausdehnung quantitativer Abhängigkeitsverhältnisse verändert sich die innere
Qualität dieser Ausdehnung - sie entpersonalisiert sich.
In der Naturalwirtschaft war es anders. Das geringe Mass an
quantitativer Abhängigkeit wird quasi kompensiert durch ein qualitatives Mehr
an konkreter Persönlichkeit, das das Abhängigkeitsverhältnis bestimmt.
„Es waren diese bestimmten, persönlich bekannten,
gleichsam unauswechselbaren Menschen, mit denen der altgermanische Bauer oder
der indianische Gentilgenosse, der Angehörige der slavischen oder
indianischen Hauskommunion in wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnissen
stand; um je weniger aufeinanderangewiesene Funktionen es sich handelt, um so
beharrender und bedeutsamer waren ihre Träger.“ [Simmel, 1989, S. 314]
Dagegen lässt
„die moderne Arbeitsteilung ebenso die Zahl der
Abhängigkeiten wachsen, wie sie die Persönlichkeiten hinter ihren Funktionen
zum Verschwinden bringt [...]“ [Simmel, 1989, S. 313].
Die modernen Abhängigkeitsverhältnisse sind nur unter
Voraussetzung von Geld möglich. Geld ist somit nicht nur einer der Faktoren,
der die moderne soziale Differenzierung hervorbringt, sondern zugleich das
Mittel, das den arbeitsteiligen gesamtgesellschaftlichen Kosmos zusammenhält.
Das Geld verweist den Einzelnen nicht an bestimmte Einzelne, sondern an die
Gesamtgesellschaft. Im Geld, das erst die vielen Einzelnen zu einer
wirtschaftlichen Einheit zusammenfasst, ist seinem Besitzer sozusagen jeder
Anbieter einer wirtschaftlichen Leistung ideell gegenwärtig. Die Möglichkeit
der Vergesellschaftung mit jedem Einzelnen hebt die Abhängigkeit von bestimmten
Einzelnen auf. Grundgedanke Simmels ist das geldbedingte Zurücktreten ‚qualitativer‘
Abhängigkeitsverhältnisse zugunsten von ‚quantitativen‘
Abhängigkeitsverhältnissen. Er braucht die Begriffe ‚Nähe‘ und ‚Distanz‘
als Metapher für den modernen Lebensstil.
„Die Verhältnisse des modernen Menschen zu seinen
Umgebungen entwickeln sich im ganzen so, dass er seinen nächsten Kreisen
ferner rückt, um sich den ferneren mehr zu nähern.“ [Simmel, 1989, S. 541]
Dies ist das abstrakte Muster dieses gegenläufigen Prozesses
der Distanzverringerung und der Distanzvergrösserung, mit Hilfe derer sich die
Dimensionen des modernen Lebens nach Simmels Vorstellung deuten lassen. Die
Überwindung von Distanz ergibt sich in der Eigenschaft des Geldes, die Welt
zu einem einzigen Wirtschaftskreis zu vereinen. [15]
Die gleichzeitige Konstitution der Distanz zeigt sich in der Auflösung von
ursprünglichen Interessensolidaritäten und naturhaft-organischer Kreise.
Dieses grundsätzlich nicht überwindbares
Spannungsverhältnis zwischen Individualität und rationalisierter Gesellschaft
gehört für Simmel zu den Erfahrungen des modernen Lebens. Pohlmann beschreibt
diesen Konflikt sehr treffend: „Der Rationalisierungsprozess erzeugt den
einzelnen als differenzierte Einheit, öffentliche Beziehungen aber fordern den
einzelnen nur als objektiviertes Partikel seiner Selbst“ [Pohlmann, 1987, S.
96]. Durch Differenzierung des Öffentlichen vom Privaten wird diese Spannung tragbar. Der einzelne Mensch entwickelt im
privaten Sein eine Distanz zum objektivierten öffentlichen Partikel seiner
selbst.
Simmel glaubt, dass der moderne Rationalisierungsprozess,
trotz der grundsätzlichen Unlösbarkeit dieses Konflikts, Tendenzen zu seiner
Reduktion ausbildet. Durch die Trennung von Privat und Öffentlich ist die
Ausbildung einer subjektivierten Distanz möglich. Der objektivierte
öffentliche Teil wird aus der Gefühls- und Erlebniswelt des qualitativen
Eigenseins der Person ausgegrenzt. In der privaten Sphäre entwickelt sich ein
‚Für sich‘, in das das öffentliche Selbst immer weniger hineinreicht. In
diesem Sinne bemerkt Pohlmann richtig, dass „was im Marxschen Sinne die
höchste Form der Entfremdung ist, ist für Simmel die einzige Möglichkeit
ihrer tendenziellen Überwindung.“ [Pohlmann, 1987, S. 90] [16]
Inhalt
5. Zusammenfassung
und Fazit
Die Entwicklung des Geldes ist nach Simmels Vorstellung die
Geschichte der allmählichen Verwirklichung der Idee der Relativität in der
Welt. Diese Entwicklung vollzieht sich in „ständiger Wechselwirkung zwischen
Geldformen, Wirtschaftsformen, gesellschaftlichen und staatlichen Organen,
psychologischen Einstellungen, Art der Geistigkeit und religiösem Gefühl“
[Von Flotow, 1995, S. 155]. Dieser Prozess zeigt das „Wirklichwerden des
Relativismus als allmähliche Ablösung der absolutistischen Weltformel durch
die relativistische Weltformel“ [Von Flotow, 1995, S. 155]. Die Entwicklung
der Vergesellschaftung, die Arbeitsteilung, die Rationalisierung und die
zunehmende Konkurrenz bestimmen zunehmend die funktionalen Wechselwirkungen und
Beziehungen der Menschen und deren Denken. In diesem Prozess wird das Geld
entsubstantialisiert, es wird zum ausschliesslichen Zeichen des Tauschwertes, zu
einer nominalen Recheneinheit. So formuliert Simmel seine relativistischen
Vorstellungen im ersten ‚analytischen‘ Teil der Philosophie des Geldes.
Dieser erste Teil der Philosophie des Geldes kann
Simmels erklärtes Ziel nicht erfüllen. Gemäss Deutschmanns These
[Deutschmann, 1995, S. 382] kann Simmel den Nachweis der sozialen Objektivität
der Geldform als „substanzgewordene Relativität“ [Simmel, 1989, S. 134]
nicht erbringen. Es gelingt ihm nicht, Geld ungeachtet seiner Objektivität
als Produkt menschlichen Handelns, als „soziale Konstruktion“ [Deutschmann,
1995, S. 381] zu erklären. Deutschmann benennt zwei
Gründe für das ‚Scheitern‘ des „Übergangs von einer Definition des
wirtschaftlichen Wertes als einer Relation zwischen einem Subjekt und einem
beziehungsweise mehreren ‚Objekten‘ zu seiner Bestimmung als Relation zwischen
Objekten, die den Begriff des Geldes vorbereiten soll“ [Deutschmann, 1995,
S. 382. Hervorhebung im Original.]: Erstens ist Simmels Analyse
bewusstseinsphilosophisch angelegt, das heisst er bewegt sich philosophisch im
neukantianischen Rahmen von Subjekt und Objekt und ökonomisch in der
subjektiven Nutzenlehre. Zweitens modelliert Simmel das Subjekt höchst
einseitig als kommunizierenden und geniessenden Konsumenten und nicht als sich
selbst und andere reproduzierende Produzenten. Simmel scheint diese
Unzulänglichkeit auch geahnt zu haben [Simmel, 1989, S. 727].
Trotz dieses angeblichen Scheiterns, auf das hier nicht
näher eingegangen werden soll, gelingt es Simmel zu zeigen, dass Geld „keineswegs
nur ein Instrument in der Hand der ökonomischen Akteure ist, sondern ein
symbolisches Medium, das auch ihre Intention, ihre innere Welt strukturiert“
[Deutschmann, 1995, S. 391].
Durch die Einführung der zeitlichen Dimension gelingt es
Simmel, eine historische Perspektive in Bezug auf das Phänomen des Geldes zu
entwickeln. [17] Diese
historische Dimension kann der ökonomischen Analyse durch ihre Konzentration
auf die Funktion des Geldes als Tauschmittel nicht gelingen. In dieser
Verbindung von historischen Prozessen mit philosophischen Deutungen der
Geschichte besteht auch Simmels unbestechliche Originalität. Er bezieht das
Ganze der Entwicklung auf ein Element, das Geld, und zugleich wird dieses
Element, das Geld, aus dem Ganzen heraus erklärt [Von Flotow, 1995, S. 116]. Darüber hinaus zieht Simmel Verbindungslinien zwischen verschiedenen
kulturellen Entwicklungen mit Hinweis auf ihre Wechselwirkungen.
Simmel erkennt, dass durch die Bildung von Kapital Geld
wachstumsfördernd wirken kann. Dies impliziert, dass Geldwirtschaft eine
wachsende Wirtschaft ist und nicht eine im Gleichgewicht ruhende, wie die
relativistische Theorie dies sieht. Die historische Entwicklung scheint diesem
Modell recht zu geben: „Das Geld, seiner Idee nach unbegrenzt, realisiert
diese Unbegrenztheit in der Geschichte in permanenter Wechselwirkung zwischen
den Formen des Geldes, der geistigen und der institutionellen Entwicklung“
[Von Flotow, 1995, S. 157]. Durch die Betonung dieser „Doppelrolle des Geldes“,
zeigt Simmel, dass die neoklassische Gleichgewichtstheorie und die
Quantitätstheorie von wesentlichen Eigenschaften des Geldes abstrahieren: Dem
Einfluss des Geldes auf den realen Wirtschaftsprozess einerseits und auf die
Gesellschaft andererseits.
Simmel hat somit die Kritik an der Arbeitsteilung zwischen
Ökonomie und Soziologie, wie ich sie in der Einleitung schon formuliert habe,
vorweggenommen. Geld bewirkt in seinen Augen mehr als nur die Koordination
sozialen Handelns hinter dem Rücken der Individuen. Vielmehr beeinflusst die
geldwirtschaftliche Verallgemeinerung der Mittel die individuellen Bedürfnisse
und Wertorientierungen und wirkt auf die Struktur von Personalität und
Sozialität selbst ein. Geld strukturiert die Möglichkeiten des Handelns und
somit die Möglichkeiten des gesellschaftlichen Wandels.
Es ist zu hoffen, dass die Münzen und Goldstücke, die
Simmel zeit seines Lebens gestreut hat, von denen aufgehoben und in seinem Sinne
Umlauf gebracht werden, die erkennen, wie reich und vielschichtig- für
Ökonomie und Soziologie gleichermassen - die Hinterlassenschaft dieses
Soziologen ist.
Inhalt
6. Bibliographie
6.1 Quellen
Simmel, Georg
(1989): Philosophie des Geldes. Frisby, David P./Köhnke, Klaus Christian
(Hrsg.). Gesamtausgabe von Ottheim Rammstedt. Band 6. Frankfurt am Main.
Simmel Georg (1977):
Philosophie des Geldes. Siebte Auflage. Gesammelte Werke. Berlin.
Simmel, Georg (1923):
Fragmente und Aufsätze aus dem Nachlass und Veröffentlichungen der letzten
Jahre. Kantorowicz, Gertrud (Hrsg.). München.
Inhalt
6.2 Darstellungen
Deutschmann,
Christoph (1995): Geld als soziales Konstrukt. Zur Aktualität von Marx und
Simmel In: Leviathan. Zeitschrift für Sozialwissenschaft. Heft 3. 1995. S.
376-393.
Luhmann, Niklas
(1988): Die Wirtschaft der Gesellschaft. Frankfurt am Main.
Parsons, Talcott (1952):
The Social System. London.
Parsons, Talcott/Smelser,
Neil J. (1956): Economy and Society. A Study in the Integration of Economic
and Social Theory. Glencoe.
Pohlmann, Friedrich
(1987). Individualität, Geld und Rationalität. Georg Simmel zwischen Karl
Marx und Max Weber. Stuttgart.
Rammstedt, Ottheim
(1993): Simmels Philosophie des Geldes In: Kintzelé, Jeff/Schneider, Peter
(Hrsg.). Georg Simmels Philosophie des Geldes. Frankfurt am Main. S. 13-43.
Von Flotow, Paschen
(1995): Geld, Wirtschaft und Gesellschaft. Georg Simmels Philosophie des
Geldes. Frankfurt am Main.
Von Flotow,
Paschen/Schmidt, Johannes (2000): Die Doppelrolle des Geldes bei Simmel und
ihre (fehlende) Entsprechung in der modernen Wirtschaftstheorie. Aufsatz
anlässlich der Georg-Simmel-Konferenz in Berlin 1999. Dazu erschienener
Tagungsband: Backhaus, Jürgen/Stadermann, Hans-Joachim (Hrsg.). Georg Simmels
Theorie des Geldes. Einhundert Jahre danach. Ohne Ort.
Inhalt
Fussnoten
[1] Ein Beispiel ein funktionales
Äquivalent ist ‚Macht‘ im politischen System.
[2] Der Aufsatz „Psychologie des Geldes“,
1888 erschienen, setzt sich mit der Frage auseinander, ob Geld ein Wert oder nur
das Symbol eines Wertes ist. Die Schrift „Über die sociale Differenzierung“
fragt nach den Entwicklungsgesetzen der Formen des Zusammenlebens und nach dem
Verhältnis von Kapital und Arbeit. Siehe dazu Von Flotow, 1995, S. 17-21.
[3] Simmel vertritt den Standpunkt, dass
Begriffe nichts als sprachliche Konstruktionen sind. Das Individuum und die
Gesellschaft bezeichnen nicht eine erkennbare Wesenseinheit eines
Erkenntnisobjekts, sondern sind vielmehr Benennungen von Wechselwirkungen. So
denkt Simmel auch die Gesellschaft als zusammengesetzt aus Wechselwirkungen
zwischen Individuen. Diese Individuen sind wiederum begriffliche Einheiten von
Wechselwirkungen, deren letzte Einheit das Atom ist. Siehe dazu ebenda, S. 14.
[4] Von Flotow, 1995,
S. 23, vermutet unter anderem, dass Simmel sich durch eine solche Abgrenzung
einer ökonomischen Beurteilung und dem Vorwurf ein Laie zu sein, der sich über
eine Wissenschaft ein Urteil anmasst, zu entziehen versucht.
[5] Beispielsweise versucht Simmel eine
ökonomische Definition des Wertes und des Geldes zu geben und fragt nach der
ökonomischen Funktion des Preises.
[6] Siehe dazu die Exkurse über Aristoteles‘
Geldtheorie in Von Flotow, 1995, S. 79-85 und 149-154. Wichtig hierbei ist die
normative Aussage Aristoteles‘, dass Geld nichts anderes als ein Rechen- und
Tauschmittel sein sollte. Die Rolle des Geldes als Geldkapital wird von ihm
scharf verurteilt. Diese Dichotomie zwischen realem Tausch und Geldillusion
stellt heute noch den engen analytischen Rahmen für ökonomische Analysen des
Geldes dar.
[7] Diese Überlegungen entsprechen der
ökonomischen Quantitätstheorie, die die Dichotomie zwischen realen und
monetären Grössen begründet und dem relativistischen Konzeption der Ökonomie
angemessen ist. Siehe dazu auch Von Flotow, 1995, S. 66f.
[8] Ich werde später darauf zurückkommen.
[9] Zum Begriff der Wechselwirkungen siehe
Simmel, 1989, S. 209f.
[10] In diesem Zusammenhang ist auch
Simmels Ankündigung „dem historischen Materialismus ein Stockwerk
unterzubauen“ (Simmel, 1989, S. 13) zu verstehen.
[11] In den Handlungsketten der
kapitalistischen Geldwirtschaft sind die qualitativ heterogenste Handlungsketten
miteinander verbunden. „In der kapitalistischen Geldwirtschaft ist das
Geldresultat einer Handlungskette nicht nur Mittel für eine gänzlich andere -
die auf einen qualitativ völlig anderen Zweck zielt -, sondern das Geld selbst
ist der Endzweck qualitativ heterogenster Handlungsketten, die es
miteinander verknüpft. Die tatsächliche Verkehrung des Mittels zum Zweck
führt auch psychologisch zur Setzung des Mittels zum Selbstzweck: Geld als absolutes
Mittel, als Mittel, mit dem das qualitativ verschiedenste erlangbar ist [...]“
Siehe dazu Pohlmann, 1987, S. 91.
[12] Ich werde auf dieses Beispiel im
Zusammenhang mit dem Prozess der sozialen Differenzierung nochmals aufgreifen.
[13] Siehe die entsprechenden Ausführungen
im Kapitel 4.3 dieser Arbeit.
[14] Rammstedt, S. 31. Ein Zitat von
Simmel, das diesen Gedanken sehr schön illustriert: „Dass erst die moderne
Zeit die Landschaftsmalerei ausgebildet hat - die, als Kunst, nur in einem
Abstand vom Objekte und im Bruch der natürlichen Einheit mit ihm leben kann -
und dass auch sie das romantische Naturgefühl kennt, das sind die Folgen jener
Distanzierung von der Natur, jener eigentlich abstrakten Existenz, zu der das
auf die Geldwirtschaft gebaute Stadtleben uns gebracht hat.“ Simmel, 1989, S.
666.
[15] Hier sei an das Zitat von Luhmann in der Einleitung zu
dieser Arbeit erinnert: „Alles wirtschaftliche Handeln ist soziales Handeln,
daher ist alle Wirtschaft immer auch Vollzug der Gesellschaft.“ Luhmann. 1988,
S. 8.
[16] Die Integration dieser verschiedenen
Objektivitäten kann gelingen oder auch nicht. Wenn sie nicht gelingt, dann ist
das Individuum durch diesen seelischen Dualismus von Zerreissung bedroht.
[17] Es sei hier nur am Rande angemerkt,
dass Simmel dadurch, einen Beitrag zur Überwindung des Methodenstreits zwischen
der Historischen Schule und der (österreichischen) Grenznutzenschule
beziehungsweise der Neoklassik leistet. Siehe dazu auch Von Flotow, 1995, S.
115.
Inhalt
|