Universität Zürich Soziologisches Institut der Universität Zürich Prof. Dr. Hans Geser


presents:

Georg Simmel im 21. Jahrhundert
Textinterpretationen aus heutiger Perspektive

  Sociology in Switzerland   Georg Simmel Online Georg Simmel im 21. Jahrhundert

 

Georg Simmel und die Frauen: Macht - Körper - Wissen

 

Beat Bächi  2003

 

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sach- und Personalelement oder: Geld und Zeit

3. Beweis und Existenzberechtigung

4. Objektivität und Wahrheit

5. Das Erkenntnisleben der Frauen

6. Informelles Traditionswissen: die Kolonisierung der häuslichen Lebenswelt

7. Schluss

8. Bibliographie

 

1. Einleitung

«Die künstlerischen Forderungen [...] die Gerechtigkeit des praktischen Urteils und die Objektivität des theoretischen Erkennens [...] all diese Kategorien sind zwar gleichsam ihrer Form und ihrem Anspruch nach allgemein menschlich, aber in ihrer tatsächlichen historischen Gestaltung durchaus männlich. Nennen wir solche als absolut auftretenden Ideen einmal das Objektive schlechthin, so gilt im geschichtlichen Leben unserer Gattung die Gleichung: objektiv = männlich.»[1] Mit diesem Zitat aus Georg Simmels Schrift ‘Das Relative und das Absolute im Geschlechter-Problem’ beginnt ein Kapitel in Evelyn Fox Kellers Buch ‘Liebe, Macht und Erkenntnis. Männliche oder weibliche Wissenschaft?’. Damit stand Simmel, so Fox Keller, ausserhalb der Konvention des akademischen Diskurses seiner Zeit - und Fox Keller selbst stellt sich, allerdings ohne näher darauf einzugehen, auf die Seite derjenigen Feministinnen, die durchaus die ‘fortschrittlichen’ Seiten Georg Simmels anerkennen, dessen zahlreiche Schriften zur Geschlechtersoziologie sehr unterschiedlich rezipiert wurden. Zentral für die neueren Arbeiten zu Simmels (lange Zeit vernachlässigtem) Beitrag zur Soziologie des Geschlechterverhältnisses ist ein Aufsatz von Lewis A. Coser, der rege Diskussionen aus­löste.[2]

Wichtiger Bezugspunkt für Simmels Analyse des Geschlechterverhältnisses ist seine Theorie der sozialen und kulturellen Differenzierung. Entscheidend für die gesellschaftliche Stellung der Frau war seiner Ansicht nach jene geschlechtsspezifische Form der Arbeitsteilung, die im Verlaufe der Neuzeit zu einer Verselbständigung der auf den Markt ausgerichteten Produktion führte und diese im Rahmen einer entfalteten Geldwirtschaft immer mehr in einen Gegensatz zu traditionellen Formen der Hauswirtschaft brachte. Entsprechend der allgemeinen Logik der kulturellen Differenzierung entstanden dadurch unterschiedliche Spielräume für die jeweilige gesellschaftliche Position der Geschlechter. Die Produktion für den Gelderwerb und der öffentliche Raum blieben im wesentlichen den Männern vorbehalten, wohingegen die Frauen nach wie vor auf den häuslichen Bereich, den privaten Raum, verwiesen waren und dort ihren Platz für soziale Betätigungen fanden. Mit der industriellen Revolution ging ein Bedeutungs­verlust der traditionellen Form der Hauswirtschaft einher, da der Haushaltung alle wichtigen ökonomischen Funktionen genommen und zum Gegenstand von eigens dafür ausdifferenzierten gesellschaftlichen Institutionen wurden, was zu einer Verschärfung der geschlechtskodierten Trennung in öffentliche und private Räume führte.

Simmels Rekonstruktion dieses übergreifenden soziokulturellen Differenzierungsprozesses verdankt sich der Frage, was man gewinnt, zugleich aber auch verliert, wenn man das traditio­nelle Verhältnis der Geschlechter einer radikalen Gleichheitsforderung unterstellt. Bei der Integration der Frauen in die Struktur der gesellschaftlichen Arbeitsteilung (als eine mögliche Form der Emanzipation) wäre nach Simmel kein unverwechselbarer Beitrag der Frauen zur Vermehrung der objektiven Kultur, keine spezifisch weibliche Form der Produktivität möglich. Sein Interesse galt deshalb weniger den Emanzipationsvorstellungen der proletarischen Frauenbewegung. Mit seinen Beiträgen zum Geschlechterverhältnis und zur Geschlechter­differenz steht er demjenigen Teil innerhalb der bürgerlichen Frauenbewegung der Jahr­hundertwende nahe, welcher neben der Forderung nach einer rechtlichen, politischen und so­zialen Gleichstellung der Frauen besonders die Frage nach einem unverwechselbaren, eigenständigen weiblichen Beitrag zur zukünftigen Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse für wichtig erachtete.[3]

Diese Arbeit versucht folgende Aspekte in Simmels heterogenem Werk zur Geschlechter­soziologie in den Blick zu bekommen: Was sagt uns der Beweis über das soziokulturelle Geschlecht der Wissenschaft? Gibt es objektive Kultur jenseits von männlich und weiblich? Weshalb hat ‘das andere Geschlecht’ die Möglichkeit, anderes und anders zu sehen? Oder anders gefragt: was haben das biologische Geschlecht (sex), das soziokulturelle Geschlecht (gender)[4] und Erkenntnis miteinander zu tun? Welche Rolle spielt das Haus im Konflikt zwi­schen den Geschlechtern und in demjenigen zwischen subjektiver und objektiver Kultur? Die Behandlung dieser Fragen bedeutet freilich auch, dass auf zahlreiche andere Themen in Simmels umfangreichem Werk zum Verhältnis der Geschlechter nicht näher eingegangen werden kann, wie beispielsweise auf seine Ausführungen zur «Koketterie»[5], zur Prostitution[6], zur «Soziologie der Familie» oder zur Geldheirat[7].

Die Arbeit ist so aufgebaut, dass zunächst nach der Umgrenzung dessen gesucht wird, was für Simmel das ‘Weibliche’ ist. Daran anschliessend soll versucht werden zu beschreiben, welche Rolle dem Beweis für die Differenz zwischen dem ‘Männlichen’ und dem ‘Weiblichen’ zu­kommt. Davon ausgehend wird zu fragen sein, welchen Wahrheitsbegriff Simmel vertritt und welche Rolle er dem biologischen Geschlecht (sex) und dem sozialen Geschlecht (gender) bei der Erkenntnisproduktion zuweist. Bei der Erörterung der kulturellen Formation des Hauses im Hinblick auf das Geschlechterverhältnis und die geschlechtsspezifischen Rollen gilt es, die Bedeutung des informellen Traditionswissens für die häusliche Lebenswelt zu untersuchen.

Inhalt

2. Sach- und Personalelement oder: Geld und Zeit

Als objektive Kultur bestimmt Simmel «all das Ausgesprochene und Geformte, das ideell Bestehende und real Wirksame, dessen Komplex den Kulturbesitz einer Zeit ausmacht».[8] Gemeint ist damit die Gesamtheit der historischen Produkte, materielle und immaterielle, im weitesten Sinne Resultate von Tätigkeit und schöpferischer Produktion. Dazu zählen auch gesellschaftliche Verkehrsformen und Wechselwirkungen wie z.B. das Geld als Funktion und Abstraktion gesellschaftlicher Beziehungen. Das zentrale «Problem» stellt jedoch für Simmel die Frage dar, «in welchem Masse, nach Ausdehnung und Intensität, die Individuen an jenen Inhalten [des objektiven Geistes] teilhaben». Dies ist das «Problem der „subjektiven Kul­tur“».[9]

Entsprechend der Logik der kulturellen Differenzierung bildeten sich verschiedene gesellschaftliche Räume aus.[10] Diesbezüglich stellt sich die Frage, weshalb vorwiegend Männer im arbeitsteilig organisierten ökonomischen Systems und im öffentlichen Raum in Erscheinung treten. Simmels nicht weiter begründete Antwort auf diese Frage lautete: «Arbeitsteilung aber ist, wie die ganze Geschichte der Arbeit zeigt, offenbar dem männlichen Wesen unvergleich­lich viel adäquater als dem weiblichen.»[11] Den Frauen weist Simmel aufgrund ihrer «Natur» die Rolle der Hausfrau und den privaten Raum der häuslichen Lebenswelt zu: «Noch heute, wo gerade sie dem Haushalt eine grosse Anzahl differenter Aufgaben, die früher in seiner Einheit erfüllt wurden, entzogen hat, ist die Tätigkeit der Hausfrau eine mannigfaltigere, weniger spezialistisch festgelegte, als irgend ein männlicher Beruf. [...] Diese männliche Fähigkeit, sich durch eine arbeitsteilige, keine seelische Einheit in sich tragende Leistung gerade deshalb sein persönliches Sein nicht zerreissen zu lassen, weil er die Leistung in die Distanz der Objektivität stellt - gerade diese scheint der weiblichen Natur zu mangeln [...]».[12] Die Frauen scheinen bei Simmel durch ihr biologisches Geschlecht, durch ihre «Natur», endgültig festgelegt zu sein. Simmel versucht nirgends zu zeigen, dass es gerade nicht historisch gewachsene Verhältnisse und ihre Rückwirkungen auf die Persönlichkeit sind - wie er dies hinsichtlich der Männern durchaus beachtet -, die er als «überhistorische» Eigenart festsetzt. In ‘Weibliche Kultur’ hatte er jedoch geschrieben, dass die Beschränkung der Tätigkeitssphäre der Frauen auf das Haus historisch sei.[13] Und, obwohl Simmel die Frauen mit Zeit assoziiert, liest er aus dem «fundamental einheitlichere[n] Wesen der Frau» ab, dass diese «notwendig das unhistorischere [...]»[14] Geschlecht seien.

Hinsichtlich der Männern erachtet er die Stellung in der Gesellschaftsstruktur, die ‘Klassenzugehörigkeit’, als durchaus wichtig für ihre individuelle Persönlichkeit. Nicht zu­letzt die Werkzeuge - besonders die Maschine als «Totalität»[15] - wirken auf die Persönlich­keit des Arbeitenden zurück. Da die Frauen nicht in die arbeitsteilig organisierte (Waren-) Produktion integriert sind, ist es ihnen nicht möglich, die «Distanz der Objektivität» zu errei­chen. Sie können keine Waren für den Markt herstellten; sie bleiben innig mit den von ihnen geschaffenen Leistungen verbunden. Von dem, was sie erzeugen, können sie sich nicht über ein Medium wie das Geld trennen - zumal das von ihnen erzeugte für Simmel wesentlich das ‘Gezeugte’[16] ist.

Simmel sah die moderne Arbeitsteilung geprägt von der entschiedenen «Prärogative» des «Sachelements» vor dem «Personalelement».[17] Diese Entgegensetzung geht einher mit weiteren dichotomischen Gegenüberstellungen wie derjenigen von Form und Leben[18], von objek­tiver und subjektiver Kultur, von Individuum und Typus, von Dauer und Verfliessen. Welche der jeweiligen Kategorien den Frauen zugewiesen wird, macht die folgende Stelle deutlich: «Alle Kulturgebilde, nach deren Produktion hier gefragt wird, haben den Charakter der Dauer, sie stehen ihrem Sinne nach jenseits des individuellen Lebens und seines zeitlichen Verfliessens. Vielleicht aber ist diesem Schaffenstypus die ganze Art und der Rhythmus des weiblichen Wesens prinzipiell fremd. Er trägt vielleicht, viel stärker als der Mann, den Charakter des Fliessenden, in der Forderung des Tages Aufgehenden, auf das bloss individuelle Leben Gerichteten.»[19] Über diese Bestimmung des weiblichen Wesens verläuft auch Simmels Begründung, weshalb die Frau Hausfrau ist beziehungsweise sein soll: «Daß man sich die so angedeutete kulturelle Formation des Hauses nicht oft klar gemacht hat, liegt an den flüssigen, labilen, dem Tage und den Personen dienenden Einzelheiten seiner Erscheinung worüber man die objektive Kulturbedeutung der Form, in der das Haus die Synthese dieser fließenden, ver­fließenden Leistungen vollzieht, übersehen hat. Immerhin ist das, was das "Haus" über die Summe seiner momentanen Leistungen hinaus und als deren eigenartige Formung an Dauerwerten von Einwirkungen, Erinnerungen, Lebensorganisation besitzt, in einer radikaleren Weise mit dem variablen und persönlichen Leben von Stunde und Jahr verknüpft, als es bei objektiven Kulturleistungen männlicher Herkunft der Fall ist.»[20]

Analog der konfliktiven Grundstruktur zwischen objektiver und subjektiver Kultur bestimmt Simmel den Mann als versachlichtes, spezialisiertes, objektives Individuum, weshalb ihm Geld«das zur Substanz erstarrte Gelten»[21] - zugeordnet wird. Die Frau als Typus trägt «den Charakter des Fliessenden», sie ist mit dem «persönlichen Leben von Stunde und Jahr verknüpft». Die Frau als Mutter wird modelliert als Mittlerin - sozusagen als Nabelschnur - zwischen subjektiver und objektiver Kultur. Diese Funktion kann sie jedoch nur erfüllen, wenn ein Rest von unentgeldlichter Zeit als dem Austauschmedium menschlicher Beziehungen, das sich in seiner Unreduzierbarkeit und Universalität - noch - dem allgemeinen Austausch­medium Geld und seiner Dominanz am Markt widersetzt, erhalten bleibt. Denn es gibt Residuen von Beziehungen, in denen die Naturwährung Zeit nur gegen Zeit getauscht werden kann und in denen die Norm der Reziprozität den Grundton des menschlichen Beisammenseins bestimmt. Hierzu ist die persönliche Anwesenheit eine Vorbedingung; die Vermittlung von gekaufter Ersatzzeit über Geld ist hier nicht ohne weiteres möglich. Indem sich einige Augenblicke mitmenschlicher Zeit dem Geldnexus zu entziehen vermögen, erhalten sie eine Bedeu­tung, welche sie als unverwechselbar herausheben. «Was die Frauen geben, ist, paradox gesagt, ein Unmitteilbares, ein in ihnen verbleibendes Sein [...]».[22] Die Vermittlung über Objektivierung ist im privaten Raum des Hauses nicht möglich; was hier gegeben wird, ist sowohl unmitteilbar als auch unmittelbar. Die Frauen leben bei Simmel «ihre Lebensinhalte nicht in eine gleichsam ihr äußere Form»[23] hinein. Die Männer gelten durch das Medium des wirtschaftlichen Systems, das Geld, dem zur Selbständigkeit gelangten Ausdruck des wirtschaftlichen Verhältnisses[24], während die Frauen aus sich selbst heraus gelten; der «weiblichen Natur» entspricht Zeit als Naturwährung persönlicher Verhältnisse.

Inhalt

2.1 Das andere Geschlecht

Simmels Erörterung der Geschlechtersoziologie ist nicht von der Frage nach der Möglichkeit einer quantitativen, sondern nach derjenigen einer qualitativen Mehrung der Kultur getragen. «Nach dem - sicherlich sehr großen - praktischen und sozialen Wert des weiblichen Arztes, der eben dasselbe kann und tut wie der männliche, steht hier nicht die Frage, sondern ob von ihm eine solche qualitative Mehrung der medizinischen Kultur, wie sie durch männliche Mit­tel nicht erreichbar ist, zu erwarten ist.»[25] Diese Feststellung trifft aber nicht nur auf der prak­tischen Ebene zu: «Hier könnten also vielleicht auch in rein theoretischem Sinne die Frauen vermöge ihres Geschlechtes etwas leisten, was dem Manne versagt ist.»[26]

Wie Simone de Beauvoir hervorgehoben hat, muss die Männlichkeit die Frau als das ‘Andere’ konstruieren, während Weiblichkeit (als Konstrukt) all das in sich aufnimmt, was als nicht-männlich definiert wird. Dies trifft auch auf Simmels Erörterungen des Geschlechterverhältnisses zu. Für Simmel ist «das Weibliche als solches, das, was kein Mann kann».[27]«Freilich kann hier konsequenterweise nur ein ganz radikaler Dualismus helfen: nur wenn man der weiblichen Existenz als solcher eine prinzipiell andere Basis, eine prinzipiell anders gerichtete Lebensströmung als der männlichen zuerkennt, zwei Lebenstotalitäten, jede nach einer völlig autonomen Formel erbaut - kann jene naive Verwechslung der männlichen Werte mit den Werten überhaupt weichen.»[28] Hier zeigt sich, dass Simmel eine prinzipielle, un­überwindliche Verschiedenheit zwischen dem «männlichen» und dem «weiblichen Prinzip»[29] als unumstössliche Tatsache ansieht. Dabei unterscheidet er jedoch scharf zwischen Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit. «Je radikaler auf diese Weise männliches und weibliches Wesen auseinandertreten, desto weniger folgt aus dieser Spaltung die - gewöhnlich von ihr abgeleitete - Deklassierung der Frauen, desto autonomer erhebt sich ihre Welt auf einem völlig eignen, mit der männlichen Welt nicht geteilten und von ihr nicht entlehnten Baugrund [...]».[30]

Für die weitere Rekonstruktion der Ansichten Simmels hinsichtlich des Geschlechterverhältnisses gilt es zu beachten, dass Simmel vom «Baugrund» beziehungsweise von der «Basis» spricht. Meint er damit den Körper, die Organe als Materialisierung des biologischen Geschlechts? Auffällig ist zudem, dass er die Autonomie der beiden Geschlechter betont. Diesbezüglich stellt sich die Frage, ob er die Frauen von den gesellschaftlichen Wechsel­wirkungen ausnimmt. Wenn die fortschreitende Differenzierung der Gesellschaft die Ursache der Differenzierung der Individuen ist, dann müsste eine solche Entwicklung an jedem Mitglied der Gesellschaft zum Ausdruck kommen, da alle gemäss Simmels soziologischer Theorie der Wechselwirkungen zueinander in wechselseitiger Beziehung stehen. Somit würde sich auch die durch die arbeitsteilig organisierte Produktionsweise bedingte Spezialisierung und Vereinseitigung der männlichen Gesellschaftsmitglieder, vermittelt über den gesellschaftlichen Umgang mit ihnen ausserhalb des ökonomischen Systems, auf die Frauen auswirken, womit nicht erst die Erwerbstätigkeit eine Veränderung des Gefühlslebens «von ganz unberechenbaren Folgen»[31] bewirken würde.

Inhalt

3. Beweis und Existenzberechtigung

«Vollkommen aber zeigt sich die Eingestelltheit des Mannes auf den "Beweis" erst in ihrer Erstreckung über das theoretische Gebiet hinaus: er muß nicht nur die Welt sich, sondern auch sich der Welt beweisen, mit Taten, Werken, Wesensoffenbarungen. Mag hierin das Verlangen nach einer tief ethischen Rechtfertigung seines Anspruchs auf Existenz liegen; allein die Form - und wahrscheinlich mehr als die Form - dieser Rechtfertigung ist logischer Natur, ganz ab­weichend von dem unmittelbaren, beruhigten Wissen um das Sein und sein Recht, wie es den Frauen über sich selbst und über andere eigen ist. Darum lächeln sie oft über die Leidenschaft des Mannes, sich zu beweisen, besonders wenn er damit Eindruck auf sie zu machen glaubt.»[32] Den Frauen spricht Simmel offenbar ihr «Wissen um das Sein und Recht» ihrer Existenz vermittels der biologischen Tatsache zu, dass sie Kinder gebären können, weshalb ihre Rechtfertigung des Anspruchs auf Existenz für Simmel unmittelbar ist. Somit könnte man sagen, dass Simmel nicht von einem ‘Penisneid’ ausgeht, sondern sozusagen von einem ‘Gebärneid’, der die Männer dazu treibt (und weiterhin treiben wird), einen formalen, logi­schen Beweis für ihre Existenzberechtigung zu liefern. Dieser Existenz-Beweis liegt im die Welt sich beweisen. Damit zeigt sich für Simmel, dass Wissenschaft (als Sich-die-Welt-be­weisen) und der soziokulturelle, männliche Existenzbeweis (das Sich-der-Welt-beweisen) wechselseitig aufeinander verweisen. Die Sublimierung der «männlichen Energien» führte zur Etablierung eines Wissenschaft genannten theoretischen Gebietes. Wissenschaft ist nach Simmel also deshalb männlich, weil nur die Männer ihren Anspruch auf Existenz logisch rechtfertigen, beweisen müssen. Dies führt auch dazu, dass Wissenschaft für Simmel eine soziale, kulturelle Tätigkeit ist. Durch diese Einsicht ergibt sich für ihn die Möglichkeit, Wis­senschaft soziologisch zu erforschen, wobei er der Rolle des Geschlechts - die Frage, ob es sich hier um das biologische oder das soziale Geschlecht handelt, soll weiter unten genauer erörtert werden - im Prozess der Erkenntnisproduktion eine zentrale Bedeutung zumisst. Um Simmels Ausführungen zum Zusammenhang von Geschlecht und Erkenntnis besser nach­vollziehen zu können, müssen wir uns zunächst seinen Ausführungen zu «Objektivität» und «Wahrheit» zuwenden.

Inhalt

4. Objektivität und Wahrheit

«Die Erkenntniskritik hat die Falschheit und Oberflächlichkeit jenes Realismus herausgestellt, für den die wissenschaftliche Geschichte eine möglichst photographische Wiedergabe des Geschehens ist, "wie es wirklich war", ein Hineinschütten der unmittelbaren Realität in das wissenschaftliche Bewußtsein.»[33] Was das erkennende Subjekt als ‘Realität’ wahrnimmt, ist keine photographische Wiedergabe, keine Spiegelung der Dinge an sich. Erkenntnisse und Wissensbestände sind nicht ein Abbild von Realität. Erkennen ist Interaktion mit der Umwelt. Eine naturalistische Repräsentation oder Reproduktion von Wirklichkeit ist unmöglich; der Gegenstand ergibt sich für die Betrachterin oder den Betrachter erst in der gedanklichen Be­schäftigung mit ihm. «Aber auf der Basis des bisher Angedeuteten scheint nun das weitere festzustehen: daß unbezweifelte äußere Tatsachen eine prinzipiell überhaupt nicht begrenzte Zahl psychologischer Unterbauten zulassen; innerhalb eines Spielraums, den freilich phan­tastische und in sich brüchige Konstruktionen umgeben, wird das gleiche äußere Bild in ver­schiedenen Seelen verschiedene innere, d.h. jenes Äußere vom Seelischen her deutende Bilder hervorrufen können, die alle gleich berechtigt sind.»[34]

Nach Simmel ist «Wahrheit» ein «Verhältnisbegriff» oder ein «Relationsbegriff».[35] Oder etwas provokativer gewendet: «Relativität» ist das «Wesen der Wahrheit selbst».[36] Erkennen sei «ein freischwebender Prozess, dessen Elemente sich gegenseitig ihre Stellung bestim­men».[37] Somit können wir niemals wissen, «welches nun diese absolute Erkenntnis sei», so dass die uns zugänglichen Inhalte der Gesetzlichkeiten «immer historisch bedingt sind».[38] Dass die Inhalte einem historischen, kulturellen Wandel unterliegen, begründet Simmel evolutionstheoretisch. Die Welt leiste uns auf unser praktisches Handeln bestimmte Rückwirkun­gen «in der richtigen, d.h. uns nützlichen Weise, wie sie eben solche auch den Tieren leistet, deren Verhalten durch völlig abweichende Bilder von eben derselben Welt bestimmt wird. [...] Dies ist doch eine höchst auffallende Tatsache: Handlungen, auf Grund von Vorstellun­gen vorgenommen, die mit dem objektiv Seienden sicherlich keinerlei Gleichheit besitzen, erzielen aus diesem Erfolge von einer solchen Berechenbarkeit, Zweckmässigkeit, Treff­sicherheit, dass sie bei einer Kenntnis jener objektiven Verhältnisse, wie sie an sich wären, nicht grösser sein könnten, während andere Handlungen, nämlich die auf „falsche“ Vor­stellungen hin erfolgenden, in lauter reale Schädigungen für uns auslaufen.»[39] Ohne Simmel eine platte Gleichsetzung des Wahren mit dem Nützlichen[40] unterstellen zu wollen, kann den­noch festgehalten werden, dass die Handlungsrelevanz des Erkennens ein zentraler Bezugs­punkt seiner erkenntnistheoretischen Konzeption darstellt. Deshalb gibt es für Simmel kein anderes «definitives Kriterium für die Wahrheit einer Vorstellung vom Seienden, als dass die auf sie hin eingeleiteten Handlungen die erwünschten Konsequenzen ergeben.»[41] Die Gültig­keit der Erkenntnisse ergibt sich «nur in Beziehung auf bestimmte physisch-psychische Orga­nisationen, ihre Lebensbedingungen und die Förderlichkeit ihres Handelns.»[42] Die Erkenntnisse sind somit vom Wesen des erkennenden Subjekts abhängig, wobei die physisch-psychi­sche Organisation des erkennenden Organismus’ selbst wiederum von der Umwelt, mit welcher er interagiert, abhängig ist.[43]

Wenn als absolut auftretende Ideen («das Objektive») und die «Objektivität des theoretischen Erkennens» in seiner tatsächlichen historischen Gestaltung nicht allgemein menschlich, son­dern männlich sind[44], heisst das, dass es keine geschlechtslose objektive Kultur gibt be­ziehungsweise geben kann? «Hier gilt es nun zunächst die Tatsache festzustellen, daß die Kultur der Menschheit auch ihren reinen Sachgehalten nach sozusagen nichts Geschlechts­loses ist und durch ihre Objektivität keineswegs in ein Jenseits von Mann und Weib gestellt wird. Vielmehr, unsre objektive Kultur ist, mit Ausnahme ganz weniger Gebiete, durchaus männlich.»[45] Im Gegensatz zur griffigen Formel «objektiv = männlich» tönt hier Simmel an, dass es durchaus Ausnahmen gibt. «Die Mathematik besitzt eine Abstraktheit, die über alle psychologische Differenziertheit der Menschen hinaus ist [...]»[46]; oder wie er in der über­arbeiteten Version von ‘Weibliche Kultur’ von 1911 schreibt: «[...] das sublimierteste Gebilde der Geisteskultur, die Mathematik, steht vielleicht mehr, als irgend ein anderes Geistesprodukt jenseits von Männlich und Weiblich, ihre Gegenstände geben nicht den geringsten Anlaß zu differentiellen Reaktionen des Intellekts.»[47] Es gibt nach Simmel also ein Kontinuum von «Gebilden der Geisteskultur», das von «männlich» bis allgemein menschlich reicht, wobei die Erkenntnisse auf dem Gebiete der Mathematik am ehesten als unbeeinflusst vom Geschlecht des Wissenschaftlers beziehungsweise der Wissenschaftlerin erscheinen.

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5. Das Erkenntnisleben der Frauen

Es gibt zahlreiche Gebiete hinsichtlich derer Simmel seine Gleichung «objektiv = männlich» aufrechterhielt. Diesbezüglich soll nun gefragt werden, inwiefern Simmel die Ergebnisse dieser Wissenschaftszweige als durch das Geschlecht beeinflusst sieht. «Von derselben Voraus­setzung aus, daß von einem verschiedenen Sein auch ein verschiedenes Erkennen getragen wird, könnte die weibliche Psyche der historischen Wissenschaft mit spezifischen Leistungen dienstbar werden.»[48] In Anlehnung an Marx’ Feststellung, dass das Sein das Bewusstsein bestimme, stellt Simmel fest, dass das Sein die Erkenntnis bestimmt. Aber in welchem Sinne ist hier ‘Sein’ zu verstehen? Geht es Simmel um die Stellung des erkennenden Subjekts in der Gesellschaftsstruktur oder um die Abhängigkeit der Erkenntnisproduktion vom biologischen Geschlecht?

«Die Frauen als solche haben nicht nur eine andere Mischung jener Gleichheit und Ungleichheit mit den historischen Objekten, als die Männer und dadurch die Möglichkeit, anderes zu sehen als diese, sondern durch ihre besondere seelische Struktur auch die Mög­lichkeit, anders zu sehen.»[49] Es geht Simmel also um die Distanz, welche die Frauen infolge ihrer Stellung innerhalb der Gesellschaft zu den historischen Objekten haben, und deren Aus­wirkungen auf die (historische) Erkenntnis. Nicht zuletzt bedeutet dies, dass der soziale Ort im Gesellschaftsgefüge einen Einfluss auf das Erkennen und das Erwerben von Wissensbeständen hat. Die durch die «Machtstellung der Männer» gegebene marginale Stellung, die Distanz zu den Zentren der verschiedenen Gesellschaftssysteme, verändert die Perspektive und die Sicht auf die Erkenntnisobjekte. Nicht nur die Genusidentität ist kulturell vermittelt und entfaltet sich im Sozialisationsprozess, sondern auch «Objektivität»«Das praktische Verhältnis zu den Dingen [...] erzeugt eine ganze andere Art von Objektivität».[50] Das über das soziokulturelle Geschlecht vermittelte «praktische Verhältnis zu den Dingen» wirkt auf das Objektivitätsverständnis der erkennenden Subjekte zurück. Auch das Erkenntnisinteresse ist ein anderes. Nicht nur was zum Objekt der Wissenschaft wird ist durch das soziale Geschlecht bestimmt, sondern auch die blinden Flecken der Wissenschaft. Frauen stellen andere Fragen als Männer und interessieren sich für andere Aspekte, weshalb sie die Möglichkeit haben, «anderes zu sehen». Outsider sehen anderes (und anders) als insider.[51] In den folgenden Ab­schnitten soll der Frage nachgegangen werden, was Simmel meint, wenn er sagt, dass die Frauen die Möglichkeit hätten, «anders zu sehen».

Zur Rolle des Unbewussten bei der Erkenntnisproduktion schreibt Simmel: «Auch im Er­kenntnisleben stellt sich nach langandauernder Übung im bewussten Denken und Forschen schließlich eine gewisse Unbewusstheit dadurch ein, dass lange Schlussreihen, vermöge der gewachsenen Denkübung mit außerordentlicher Schnelligkeit und in entsprechender Verdichtung vollzogen werden, so dass das Resultat wie durch einen glücklichen Takt, einen sicheren Instinkt für das Richtige eingegeben scheint.»[52] Hier sieht Simmel eine Öffnung für das Eindringen dessen, was er «Wesen» nennt ins «Erkenntnisleben»«Allein der Wert dieser Unbewusstheit ist doch von den psychischen Ereignissen abhängig, die ihr in bewusster Form vorangegangen, jetzt ihren Inhalt und ihre Richtung bestimmen; indem wir diese Gene­sis der unbewusst ahnenden Form des Denkens, die dann allerdings gewissermaßen seine höchste Vollendung bezeichnet, voraussetzen, gewinnt das Erkenntnisleben der Frauen in der nachtwandlerischen Sicherheit ihrer Instinkte und ihres Taktes für unsere Beurteilung einen Vorsprung, den aber ein näheres Zusehen, sowohl a priori wie a posteriori, ebenso oft als einen Sprung nach der falschen wie nach der richtigen Seite zeigt.»[53]

Da nebst dem Unbewussten auch implizites[54] und subjektives Wissen bei der Erkenntnisproduktion eine Rolle spielen, ergibt sich für Simmel hier die Möglichkeit eines weiteren Ein­flusses des «Wesens». Allerdings kann es (in bezug auf die medizinische Wissenschaft) nur dann zu einer Mehrung der Diagnose- und Therapiemöglichkeiten kommen, wenn man mit Simmel bereit ist, das «Wesen» der Frauen als instinktiv und gefühlsmässig zu bestimmen. Den spezifisch weiblichen Beitrag in der Medizin sieht Simmel nämlich in der Ergänzung der objektiven, männlichen Diagnose- und Therapieverfahren durch subjektives Wissen: «Und das scheint mir daraufhin zu bejahen, daß sowohl Diagnose wie Therapie zu einem nicht klei­nen Teile von dem Nachfühlen des Zustandes des Patienten abhängt. Die objektiv-klinischen Untersuchungsmethoden kommen oft an ein frühes Ende, wenn sie nicht ergänzt werden durch ein entweder unmittelbar-instinktives, oder durch Äußerungen vermitteltes, subjektives Wissen um den Zustand und die Gefühle des Kranken.»[55]

Kulturelle Gebilde menschlicher Intelligenz und Schaffenskraft (ent)stehen im Spannungsfeld von sich äusserndem Leben und dessen Artikulation in den Formen. Gerade die Vermittlung des Wissens durch «Äusserungen» stellt aber in Simmels Werk ein zentrales Hindernis hin­sichtlich einer qualitativen Mehrung der objektiven Kultur durch Frauen dar. Gleichsam als Antizipation des ‘linguistic turn’ können seine Bemerkungen zur Bedeutung der Sprache (als Form) im Erkenntnisprozess gelesen werden. Seine häufig wiederholte Feststellung, dass «die Sprache und Begriffsbildung in der Hauptsache auf männliches Wesen eingestellt ist»[56], gilt es ernstzunehmen, da die Generierung von (subjektiven) Wirklichkeiten zu einem wichtigen Teil über Sprache vermittelt ist. Sprache als geronnenes, festgefügtes Produkt der geschichtli­chen Entwicklung, Sprache als Form ist für ihn männlich. Sprache als Medium der Kommu­nikation und der Tradierung von Wissen widersetzt sich der «formlos strömenden geistigen Kraft», die dem ‘Weiblichen’ bei Simmel entspricht: « [...] selbst das reine Gedankengebilde zeigt die Begrenzung der an sich formlos strömenden geistigen Kraft durch die Notwendig­keiten der Logik, der Sachverhalte, der Sprache.»[57] Das spannungsgeladene Verhältnis von Leben und Form[58], von weiblich und männlich, manifestiert sich anhand der Sprache. Deshalb wäre, um aus den weiblichen Erfahrungen Sinn zu generieren, ein radikal neuer konzeptioneller Rahmen notwendig - wie dieser beschaffen sein könnte zeigt Simmel jedoch nicht.

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5.1 Sex und Gender

Simmel versucht zwischen dem Anspruch auf objektive Wahrheit und den subjektiven und partiellen Perspektiven der sozial Handelnden zu vermitteln, in dem er seinen (pragmatisch gewendeten) Begriff von Wahrheit biologisch beziehungsweise evolutionstheoretisch unter­füttert.[59] Mit den Organen, die das Vorstellen bedingen und formen, entwickelt sich auch das, was als «Wahrheiten» jeweils Inhalt der Vorstellungen ist. Dies wirkt sich auch auf Simmels Behandlung der geschlechtsspezifischen Erkenntnis aus, da somit auch der Körper und seine Organe eine wesentliche Rolle im Erkenntnisprozess spielen. Die Frauen deuten «das Da­sein» von ihrem «Wesensapriori»aus anders als die Männer; jedoch, wie Simmel betont, «ohne daß diese beiden Deutungen der einfachen Alternative: Wahr oder Falsch» unter­liegen.[60]

Dem Körper als Materialisierung des biologischen Geschlechts weist er eine zentrale Be­deutung bei der Erkenntnisproduktion zu: «Es drängt sich also die Konsequenz auf, daß Frauen gegenüber der weibliche Arzt nicht nur oft die genauere Diagnose und das feinere Vorgefühl für die richtige Behandlung des einzelnen Falles haben wird, sondern auch rein wissenschaftlich typische Zusammenhänge entdecken könne, die dem Mann unauffindbar sind, und so zu der objektiven Kultur spezifische Beiträge leisten würde; denn die Frau hat eben an der gleichen Konstitution ein Werkzeug der Erkenntnis, das dem Mann versagt ist.»[61] Der Körper als Erkenntniswerkzeug ist die biologischen Grundlage für die ‘Entdeckung’ wis­senschaftlicher Zusammenhänge. Implizites Wissen ist hier in einem eminenten Sinne in­korporiertes Wissen. Diese Betrachtungsweise ist meines Erachtens nicht nur hinsichtlich der medizinischen Wissenschaft aufschlussreich für Simmels Konzeption des Zusammenhangs zwischen Geschlecht und Erkenntnis.

In der ersten Fassung von ‘Weibliche Kultur’ aus dem Jahre 1902 sieht Simmel das kulturelle Geschlecht (gender) der Frauen als vollständig durch das biologische Geschlecht (sex) be­stimmt: «Unzweifelhaft ist die physiologisch-sexuelle Beschaffenheit mit den unmittelbar von ihr ausstrahlenden psychischen Begleiterscheinungen und Trieben die Quelle auch der ver­geistigtsten und sublimiertesten Eigenheiten der weiblichen Seele.»[62] Hier nimmt er Gedan­ken aus ‘Zur Psychologie der Frauen’ wieder auf und führt die soziokulturellen Äusserungen der Frauen vollständig auf ihr biologisches Geschlecht zurück. Die «physiologisch-sexuelle Beschaffenheit» ist die «Quelle auch der vergeistigtsten und sublimiertesten Eigenheit der weiblichen Seele». Mit seinem zunehmenden Interesse für die Zusammenhänge zwischen den Kategorien des sozialen und des biologischen Geschlechts tritt dann allerdings eine Verschiebung in seinem Werk auf. In der überarbeiteten Version von ‘Weibliche Kultur’ schreibt er 1911, « [...] daß keineswegs alles, was der Mensch tut und lebt, sich aus jenem letzten Grund seines Weibtums oder Manntums entwickelt.»[63] Simmel scheint zwischen 1902 und 1911 verstärkt auf die Bedeutung der sozialen Überformung des biologischen Geschlecht aufmerksam geworden zu sein. Der Mensch als soziales und kulturelles Wesen erscheint nun keineswegs mehr als vollständig durch sein biologisches Wesen determiniert - allerdings führt er nicht genauer aus, was von alldem, was der Mensch tut und lebt, nicht von ‘Weibtum’ oder ‘Manntum’ bestimmt wird. Als Beispiel erwähnt er das Verhältnis zum Raum: «Es läßt sich - bis Psychophysik und Ästhetik sehr viel weiter fortgeschritten sind - nur tastend und beweis­los darauf hinweisen, daß die Frau wohl ein anderes Verhältnis zum Raum hat als der Mann - was ebenso aus ihrer überhistorischen physisch-psychischen Eigenart wie aus der historischen Beschränkung ihrer Tätigkeitssphäre auf das Haus hervorgehen mag.»[64] Anhand dieses Beispiels zeigt sich, dass er nun sowohl die überhistorische physisch-psychische Eigenart (also das, was heute als ‘sex’ bezeichnet wird) als auch die historischen, wandelbaren Aspekte von ‘Geschlecht’ (gender) - hier die historische Beschränkung der Tätigkeitssphäre der Frauen auf das Haus als einem zentralen Aspekt ihrer Stellung in den Sozial- und Machtstrukturen und damit ihres sozialen Geschlechts - ernst nimmt. Dass dieses Beispiel nicht eine Neben­sächlichkeit betrifft wird deutlich werden, wenn wir uns seinen Gedanken zur kulturellen Formation des Hauses zuwenden werden.

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5.2 Die Nerven im ‘nervösen Zeitalter’

Die «Steigerung des Nervenlebens», welche den «Typus des Grossstädters» kennzeichnet, gehe aus dem «raschen und ununterbrochenen Wechsel äusserer und innerer Eindrücke» hervor. Die Grossstädte als «Sitze der Geldwirtschaft», so Simmel, heben sich durch einen «tiefen Gegensatz gegen die Kleinstadt und das Landleben, mit dem langsameren, gewohnte­ren, gleichmässiger fliessenden Rhythmus ihres sinnlich-geistigen Lebensbildes» ab. Diese von Geldwirtschaft und «Verstandesherrschaft» geprägten sozialen Orte haben auch die «allgemeine Verbreitung der Taschenuhren bewirkt», nicht zuletzt, weil hier nur noch der «Tauschwert» von Bedeutung ist. Die Welt ist in der Grossstadt schon fast dem «Ideale der Naturwissenschaft» gemäss in ein «Rechenexempel» verwandelt. Die «rechnerische Exakt­heit des praktischen Lebens» verlangt auch die exakte Objektivierung von Zeit. Diese von Geld und Uhren bestimmte Welt entspricht offenbar dem «Rhythmus» der Männer und ihren spezifischen «Energien».[65]

Der grossstädtische Lebensstil wirkt sich aber auch auf die «innere Rhythmik»[66] der Frauen aus. Der Stil des Lebens als Quelle von Wandel kommt als endogene Dynamik, als Prozess, der in sich selbst spannungsgeladen ist, in den Blick. Das «spezifisch „ungeduldige“ Tempo des modernen Lebens»[67] interagiert mit der «physiologische[n] Grundlage unseres Wesens».[68] Erkennbar wird dies, gerade in bezug auf die Frauen, anhand der Mode. «Der Wechsel der Mode zeigt das Mass der Abstumpfbarkeit der Nervenreize an; je nervöser ein Zeitalter ist, desto rascher werden seine Moden wechseln, weil das Bedürfnis nach Unter­scheidungsreizen, einer der wesentlichen Träger aller Mode, mit der Erschlaffung der Nerven­reize Hand in Hand geht.»[69] Gerade das «Wesen» der Frauen, ihr spezifischer Rhythmus und ihre Energien, scheinen für Simmel durch das gesteigerte Tempo, die Geldwirtschaft und die Objektivierung und Entpersönlichung von Zeit bedroht zu sein. Deshalb erstaunt es nicht, wenn Simmel beim Hinweis auf die Vorteile der «Konstitutionsanalogie zwischen dem Arzte und dem Kranken» der «Nervenarzt» in den Sinn kommt, der ihm einmal gesagt haben soll, «dass man gewisse nervöse Zustände erst dann ärztlich ganz durchschauen könnte, wenn man selbst einmal ähnliche erlebt habe.»[70]

Das ‘nervöse Zeitalter’ materialisierte sich für ihn gleichsam im Inneren des weiblichen Körpers; die Nerven bildeten somit auch einen biologischen Beweis für die Schädlichkeit der sozialen Verhältnisse (besonders der Herrschaft der über das Geld vermittelten sozialen Be­ziehungen) für die «weibliche Natur» - und für die weibliche Psyche im besonderen. Anhand dieser Bemerkungen wird ersichtlich, dass die sozialen Verhältnisse (die bei Simmel zu einem guten Teil als durch die menschliche «Natur» bedingt erscheinen) auf die biologische Konstitution als psycho-physiologische Grundlage zurückwirken. Die historischen und die über­historischen Aspekte von Geschlecht wirken gegenseitig aufeinander ein; sex und gender interagieren in einer Weise, dass es nicht möglich ist zu sagen, dass das eine die Ursache des anderen sei. Dennoch muss festgehalten werden, dass Simmels diesbezügliche Aussagen äusserst ambivalent sind und dass er oftmals - seiner eigenen Theorie widersprechend - gerade hinsichtlich der Frauen dem biologischen Geschlecht die entscheidende Rolle zuschreibt.

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6. Informelles Traditionswissen: Die Kolonialisierung der häuslichen Lebenswelt

Die Handlungsrelevanz des Erkennens ist für Simmel zentral. Der Mensch soll mehr wissen, um besser handeln und erfolgreicher leben zu können. Da das Erkennen in den Dienst des Handelns gestellt bleibt, kann es die Kriterien seines Wertes nicht aus sich selbst heraus ge­winnen. Der Wert der Erkenntnis muss an den Diensten abgelesen werden, die das Wissen den Menschen leistet. Die Formen und Inhalte menschlichen Wissens unterliegen einem histo­rischen Wandel und sind abhängig von sozialen Verhältnissen, die sie wiederum mitkonsti­tuieren. Jeder Mensch, der irgendwie zielgerichtet handelt, benötigt dazu kognitive Orientie­rungsmuster, also Wissensbestände, die es ihm ermöglichen, Mittel-Zweck-Beziehungen zu erkennen, die für ein wirkungsvolles Handeln unerlässlich sind. Diese Wissensquellen können als eher external oder internal charakterisiert werden. Die für die Haushaltsarbeit erforderli­chen Wissensbestände unterliegen einer relativ geringen sozialen Kontrolle und Verwaltung, weshalb man sie dem «informellen Traditionswissen» zuordnen kann. Informelles Tradi­tionswissen umfasst jene Wissensbestände, «die (wie die Kenntnisse der Muttersprache, der Haushaltarbeit oder des Handwerks) innerhalb bestimmter Volks-, Status- oder Berufsgruppen ohne spezielle Planung und institutionelle Arrangements in beiläufigen Sozialisations­prozessen übermittelt werden.»[71]

Dieses personalisierte Wissen sieht Simmel von einer Reihe von Entwicklungen bedroht. «Eine längst trivial gewordene Beobachtung muß hier wiederholt werden. Indem die moderne Entwicklung für eine steigende Zahl von Frauen den Hausfrauenberuf ausschließt, ihn für an­dere innerlich entleert: durch Ehescheu der Männer, durch die Schwierigkeit der Ehe bei ge­wachsener Individualisierung, durch die Beschränkung der Kinderzahl, durch Expatriierung unzähliger Herstellungen aus dem Hause heraus [...]».[72] Oder wie es in der Philosophie des Geldes heisst: «die sorgende und erhaltende Tätigkeit der Hausfrau» sei früher umfänglicher und anstrengender gewesen. «Allein zu jenem Gefühl der Unfreiheit den Objekten gegenüber kam es nicht, weil sie der Persönlichkeit enger verbunden waren.»[73] Diese historischen Veränderungen finden ihren «Ausdruck in der Klage der Hausfrauen, dass die Pflege der Wohnungsausstattung einen förmlichen Fetischdienst fordere [...]».[74] Der basale Konflikt zwischen objektiver und subjektiver Kultur manifestiert sich auch im Innersten des Hauses.

Die Dinge und die Menschen sind auseinandergetreten. «Die Entwicklung der modernen Kultur charakterisiert sich durch das Übergewicht dessen, was man den objektiven Geist nen­nen kann, über den subjektiven, d. h., in der Sprache wie im Recht, in der Produktionstechnik wie in der Kunst, in der Wissenschaft wie in den Gegenständen der häuslichen Umgebung ist eine Summe von Geist verkörpert, deren täglichem Wachsen die geistige Entwicklung der Subjekte nur sehr unvollständig und in immer weiterem Abstand folgt.»[75] Das informelle Traditionswissen wird mehr und mehr objektiviert, so dass die subjektive Kultur, die geistige Entwicklung der Subjekte nur sehr unvollständig und in immer weiterem Abstand folgt. Die objektive Kultur tritt hier als Bedrohung für die subjektive Kultur auf. Nicht in den Gegenständen der häuslichen Umgebung, sondern in der Hausfrau und Mutter sollte diese Summe von Geist nach Simmel verkörpert sein, nicht die Gegenstände als objektive Kultur, sondern die Person als Trägerin der subjektiven Kultur sollte entwickelt werden. Mit dem Prozess der Differenzierung steigt das objektive, wenn auch nicht zwangsläufig das subjektive Kultur­niveau der einzelnen Subjekte. Die generelle Komplexität der Prozesse nimmt zu, damit aber auch die Widersprüche. Das Spannungsverhältnis von Leben und Form ist grundsätzlich kon­fliktiver Natur und kann sich zu einer «Tragödie der Kultur» steigern. Inspiriert vom Theorem der evolutionären Differenzierung beschreibt er die Struktur prozessualer Kultur­entwicklung. Die ihr innewohnende Dynamik bestimmt das Wechselverhältnis zwischen Indi­viduum und Gesellschaft sowie das Binnenverhältnis der Individuen selbst.

Hier zeigt sich Simmels Sorge um den Verlust von informellem Traditionswissen und um die Verkümmerung der subjektiven - nicht von ihrer Trägerin ablösbaren - Haus-Kultur. Die Do­minanz des Sach- über das Personalelement (sowohl Voraussetzung als auch Folge der arbeitsteiligen Produktionsweise), der objektiven über die subjektive Kultur führt zur Kolo­nialisierung der häuslichen Lebenswelt. Die an der Persönlichkeit haftenden und nicht formal erlernbaren Fähigkeiten, die bloss im Rahmen der Rollentätigkeit in Erscheinung treten und infolge ihrer Personengebundenheit immer auf etwa demselben Niveau verharren, sind in Simmels Augen gefährdet durch das in den Gegenständen externalisierte und materialisierte Wissen. Nicht zuletzt scheint seine Sorge dem mit der Hausarbeit und mit der Erziehung der Kinder verbundenen impliziten Wissen zu gelten, das inkorporiertes subjektives - und nicht materialisiertes, gleichsam ‘verdinglichtes’ Wissen sein soll.

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7. Schluss

Die von Simmel gleichsam als naturwüchsig dargestellte soziale Stellung der Frauen be­gründet er äusserst ambivalent. Dass Arbeitsteilung «dem männlichen Wesen unvergleichlich viel adäquater als dem weiblichen» sei, zeigt ihm «die ganze Geschichte der Arbeit»[76]. Neben den ‘historischen’ Erklärungsmustern zieht sich auch ein ‘naturwissenschaftlicher’, biologischer Argumentationsstrang durch Simmels Werk zum Geschlechterverhältnis. Dort ist die «physiologisch-sexuelle Beschaffenheit»«Quelle auch der vergeistigtsten und sublimiertesten Eigenheiten der weiblichen Seele»[77]. Dies führt zu einem unaufhebbaren Konflikt zwi­schen der «überhistorischen physisch-psychischen Eigenart», dem biologischen Geschlecht, und den (historisch variablen) Sozial- und Machtstrukturen als Einflussfaktoren auf das soziokulturelle Geschlecht. Somit bleibt Simmel hinsichtlich der Bedeutung der analytischen Kategorien von sex und gender äusserst ambivalent, wobei empirische Aussagen oftmals in Wesensaussagen übergehen.[78] Die Frauen scheinen stärker durch ihr (biologisches) Ge­schlecht bestimmt zu sein; dies im Gegensatz zu den Männern (als Individuen), die in we­sentlich höherem Masse durch ihre Klassenzugehörigkeit bestimmt werden.[79] Somit scheint Simmel die Frauen zumindest teilweise von seiner soziologischen Theorie der Wechselwirkungen auszuschliessen.

Dass Wissenschaft eine soziokulturelle Tätigkeit ist, zeigt sich für Simmel anhand der Tat­sache, dass die Männer ihren Anspruch auf Existenz logisch rechtfertigen müssen. Der ‘Gebärneid’ treibt sie dazu, sich der Welt zu beweisen - indem sie die Welt sich beweisen. So führte die Sublimierung der spezifisch männlichen Energien nach Simmel zur Etablierung von ‘Wissenschaft’. Da Erkenntnis immer auch eine Interaktion des erkennenden Subjekts (als körperlichem Wesen) mit seiner Umwelt darstellt, wobei die Organe entscheidend an der Erkenntnisproduktion beteiligt sind, und weil Simmel einen relationalen beziehungsweise einen pragmatischen Wahrheitsbegriff vertritt, ergibt sich für die Frauen die Möglichkeit, anderes und anders zu sehen. Die durch die «Machtstellung der Männer» bedingte marginale Stellung ermöglicht den Frauen eine ihnen eigene Sichtweise und spezifische Erkenntnis­interessen. Das «praktische Verhältnis zu den Dingen» erzeugt eine andere Art von Objekti­vität. Das Unbewusste, das in Simmels Erkenntnistheorie eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt, sieht er durch das «Wesen» des erkennenden Subjekts bestimmt. Zudem ist das, was dem nach Erkenntnis strebenden Subjekt als wahr erscheint, stark von seinem Körper als (biologisch festgesetztem) Erkenntniswerkzeug beeinflusst. Bedingt durch die Organe als Erkenntnisinstrumente, so Simmel, sehen die Frauen (zwangsläufig) anders. So gesehen be­dingen sowohl das soziokulturelle Geschlecht als auch das biologische Geschlecht das «Erkenntnisleben».

Der zentrale Konflikt zwischen objektiver und subjektiver Kultur manifestiert sich auch in dem den Frauen zugewiesenen privaten Raum des Hauses. Hier droht die objektive Kultur, das vergegenständlichte externale Wissen, das informelle Traditionswissen als semi-externales, personengebundenes (und gleichsam ‘inkorporierte’) Wissen zu verkümmern. Diese nicht über das Medium des Geldes vermittelbaren Wissensbestände sind jedoch als Quellen kognitiver Orientierung in der häuslichen Lebenswelt unerlässlich, da seiner Ansicht nach von einer Expertenkultur produziertes und verwaltetes Wissen einer Kolonialisierung dieser Lebenswelt gleichkäme. Nicht weiter hinterfragt wird jedoch von Simmel, weshalb dieses Wissen von Frauen verwaltet werden muss. Für ihn ist es ohne weiteres evident, dass sie als dasjenige biologische Geschlecht, welches die Nachkommen zur Welt bringt, auch für deren weiteres Gedeihen verantwortlich sind - jedenfalls in der häuslichen Lebenswelt.

Die Kulturkritik Simmels an den Erstarrungen und der Dominanz des objektiven Geistes und den damit zusammenhängenden Entfremdungsphänomenen setzt im Zusammenhang der Geschlechtersoziologie auf den ‘subjektiven Faktor Frau’. Zur Domestizierung der drohenden Übermacht der materiellen Kultur hofft Simmel auf die unhistorische «Natur» der Frau. Im Haus sollen unentgeltliche (unentgeldliche), persönliche Beziehungen herrschen; die sozialen Beziehungen sollen un­mittelbar sein. Der Rhythmus des natürlichen Lebens scheint zwin­gend zu sein, so dass die durch den Rhythmus der Maschinen bestimmten Männer hier nichts ausrichten können. Das «Personalelement» kann und darf in dieser Welt nicht vom «Sachelement» verdrängt werden - und dass die Frauen das Personalelement bzw. die Männer das Sachelement verkörpern, ist für Simmel eine unumstössliche, biologische Tatsache.

Die kognitiven Strukturen als Wissensbestände, welche für ein wirkungsvolles Handeln unerlässlich sind, wirken selbst wieder auf die Weise zurück, wie Menschen in soziale Beziehungen zueinander treten. Das Haus als ‘natürliche’ Umwelt der Frau und die von dieser von den Frauen geforderten Wissensbestände wirken sich auch auf die Möglichkeiten der Frauen in der modernen Gesellschaft aus, sowie darauf, wie und in welche sozialen Be­ziehungen die Frauen (ausserhalb des Hauses) treten (können). Hinsichtlich der historischen Beschränkung der Frauen auf das Haus als dem ihnen gleichsam aufgrund ihrer «Natur» an­gestammten sozialen Raum könnte man Simmel mit Simmel antworten: «Die Grenze ist nicht eine räumliche Tatsache mit soziologischen Wirkungen, sondern eine soziologische Tatsache, die sich räumlich formt.»[80]

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8. Bibliographie

Texte von Georg Simmel:

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Darstellungen:

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Dahme, Heinz-JürgeN: Das „Abgrenzungsproblem“ von Philosophie und Wissenschaft beiGeorg Simmel. Zur Genese und Systematik einer Problemstellung. In: Heinz-JürgenDahme, Otthein Rammstedt (Hg.). Georg Simmel und die Moderne. NeueInterpretationen und Materialien. Frankfurt am Main 21995. S. 202-230.

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Fussnoten

[1] Fox Keller 1998, S. 87. Das vollständige Zitat lautet: «Die künstlerischen Forderungen und der Patriotismus, ebenso wie der Kosmopolitismus, die allgemeine Sittlichkeit und die besonderen sozialen Ideen, die Gerechtigkeit des praktischen Urteils und die Objektivität des theoretischen Erkennens, die Kraft und die Vertiefung des Lebens - all diese Kategorien sind zwar gleichsam ihrer Form und ihrem Anspruch nach allgemein menschlich, aber in ihrer tatsächlichen historischen Gestaltung durchaus männlich. Nennen wir solche als absolut auftretenden Ideen einmal das Objektive schlechthin, so gilt im geschichtlichen Leben unserer Gattung die Gleichung: objektiv = männlich.» Simmel, Das Relative und das Absolute, S. 58f.

[2] Coser 21995; siehe Cavana 1991; Dahme, Köhnke 1985; Lichtblau 1997; Menzer 1992; Ulmi 1989 und Vromen 1990.

[3] Siehe Lichtblau 1997, S. 99f. und 103 und Vromen 1990, S. 323f. Zur Frauenbewegung um die Jahrhundertwende vgl. auch Evans 1976 und Frevert 1986.

[4] Ich verstehe die Begriffe „sex“ und „gender“ als analytische Kategorien; siehe hierzu beispielsweise Harding 31999, S. 11-13. «Wenn wir das soziale Geschlecht als eine analytische Kategorie definieren, in der die Menschen gesellschaftlich denken und handeln, und es nicht als natürliche Konsequenz der biologischen Geschlechterdifferenz oder lediglich als gesellschaftliche Variable auffassen, die den Individuen gemäss der Kultur, in der sie leben, zugerechnet wird, dann erst beginnen wir damit, den Geschlechtsbegriff theoretisch zu erfassen [...]». Harding 31999, S. 13.

[5] Simmel, Die Koketterie. In: Ders. Philosophische Kultur. Leipzig, 1919 (2. Auflage), S. 95-115. Siehe auch Lichtblau, 1997, S. 109f. und Simmel, Psychologie der Frauen.

[6] Vgl. z.B. Simmel, Philosophie des Geldes, S. 513f.

[7] Vgl. z.B. Simmel, Philosophie des Geldes, S. 523ff. Siehe auch S. 504 zur Kaufehe und S. 511 zum Prinzip der Mitgift. Ich kann in dieser Arbeit auch nicht darauf eingehen, inwiefern Simmel ein Vertreter der sog. ‘Ergänzungstheorie’ ist. Siehe hierzu Cavana 1991, S. 92-95.

[8] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 255.

[9] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 255.

[10] Vgl. die Einleitung.

[11] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 259.

[12] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 259.

[13] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 278.

[14] Simmel, Das Relative und das Absolute, S. 92.

[15] Simmel, Philosophie des Geldes, S. 637.

[16] Vgl. Kapitel 3 ‘Beweis und Existenzberechtigung’.

[17] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 258f.

[18] Siehe hierzu auch das Kapitel 5 ‘Das Erkenntnisleben der Frauen’.

[19] Simmel, Weibliche Kultur 1902, 173.

[20] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 286.

[21] Simmel, Philosophie des Geldes, S. 124.

[22] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 291.

[23] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 295.

[24] Simmel, Philosophie des Geldes, S. 122.

[25] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 269f.

[26] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 271.

[27] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 294.

[28] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 266.

[29] Zum männlichen und weiblichen Prinzip vgl. auch Menzer 1992, S. 165.

[30] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 294.

[31] Simmel, Psychologie der Frauen. (siehe http://socio.ch/sim/index_sim.htm)

[32] Simmel, Das Relative und das Absolute, S. 81.

[33] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 271.

[34] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 273.

[35] Simmel, Philosophie des Geldes, S. 100 und 105.

[36] Simmel, Philosophie des Geldes, S. 116.

[37] Simmel, Philosophie des Geldes, S. 100.

[38] Simmel, Philosophie des Geldes, S. 96f.

[39] Simmel, Philosophie des Geldes, S. 101.

[40] Vgl. besonders Simmel, Philosophie des Geldes, S. 102.

[41] Simmel, Philosophie des Geldes, S. 103. (Hervorhebung im Original) Hier verwendet Simmel auch die Begriffe «Selektion» und «Auslese».

[42] Simmel, Philosophie des Geldes, S. 103.

[43]«Für das Tier ist diejenige Vorstellung die wahre, auf die hin es sich in der für seine Umstände günstigsten Weise verhält, weil eben die Forderung dieser Verhaltensart selbst die Organe gebildet hat, die sein Vorstellen überhaupt formen. Die tiefe Verschiedenheit der tatsächlich vorliegenden Sinneswelt beweist, dass es vielerlei solche Wahrheiten geben muss.» Simmel, Über eine Beziehung der Selektionslehre zur Erkenntnistheorie. Zit. nach Helle 1988, S. 61.

[44] Vgl. Einleitung.

[45] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 256.

[46] Simmel, Weibliche Kultur 1902, S. 167.

[47] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 276.

[48] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 271.

[49] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 274. (Hervorhebung B. B.)

[50] Simmel, Philosophie des Geldes, S. 52.

[51] Siehe hierzu auch Coser 21995, S. 82.

[52] Simmel, Psychologie der Frauen (siehe http://socio.ch/sim/index_sim.htm).

[53] Simmel, Psychologie der Frauen (siehe http://socio.ch/sim/index_sim.htm).

[54] Mit implizitem Wissen soll hier gemeint sein, «dass wir mehr wissen, als wir zu sagen wissen». (Polanyi 1985, S. 14). In diesem Sinne kann das folgende Zitat Simmels gelesen werden: «Ich halte dieses Mitwissen für ein ausnahmslos wirksames Apriori der ärztlichen Kunst, das nur wegen seiner Selbstverständlichkeit nicht bewußt zu werden pflegt [...]». Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 270. (Hervorhebung B. B.)

[55] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 270.

[56] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 264.

[57] Simmel, Das Relative und das Absolute, S. 71.

[58] Siehe hierzu Vromen, 1990, S. 325f.

[59] Vgl. Kapitel 4 ‘Objektivität und Wahrheit’.

[60] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 274. (Hervorhebung B. B.)

[61] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 270. (Hervorhebungen B. B.) Vgl. auch Simmel, Weibliche Kultur 1902, S. 166: «[...] weibliche Seele mit ihren besonderen Wahrnehmungs- und Nachfühlungsorganen hier leisten können [...]». (Hervorhebung B. B.)

[62] Simmel, Weibliche Kultur 1902, S. 169. In ‘Das Relative und das Absolute im Geschlechter-Problem’ hiess es: «Die [...] äußere und kulturgeschichtliche Entwicklung ist doch wohl das Phänomen einer in der überhistorischen Basis des Geschlechtsunterschiedes wurzelnden Bestimmtheit.» Simmel, Das Relative und das Absolute, S. 63.

[63] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 294.

[64] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 278.

[65] Alle Zitate nach Simmel, Die Grossstädte, 185ff.

[66] Simmel, Die Mode, S. 35.

[67] Simmel, Die Mode, S. 35.

[68] Simmel, Die Mode, S. 25.

[69] Simmel, Die Mode, S. 33. In ‘Die Frau und die Mode’ meint Simmel, dass «die Mode für die Frauen in gewissem Sinne einen Ersatz für die Stellung innerhalb eines Berufsstandes» bilden würde.

[70] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 271.

[71] Geser 1998, S. 43.

[72] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 292.

[73] Simmel, Philosophie des Geldes, S. 638.

[74] Simmel, Philosophie des Geldes, S. 638.

[75] Simmel, Die Grossstädte (Hervorhebung B. B.; siehe http://socio.ch/sim/index_sim.htm)

[76] Simmel, Weibliche Kultur 1911, S. 259.

[77] Simmel, Weibliche Kultur 1902, S. 169.

[78] Vgl. zu dieser Ambivalenz in Simmels Werk auch Vromen 332f und 336f.

[79] Vgl. Simmel, Weibliche Kultur 1902, S. 160.

[80] Simmel, Raum, S. 467.

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Editorial:

Prof. Hans Geser
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