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Towards Cybersociety and "Vireal" Social Relations


 

Computerinduzierter Wandel in der Tätigkeit von Wissenschaftlern und Intellektuellen

Eine empirische Studie über den PC-Einsatz im Bereich der Textproduktion

(ungekürzte Fassung)

lic. phil. Margret Bürgisser

Zürich, Dezember 1995


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Projektanlage

1.1 Einleitung
1.2 Zielsetzung
1.3 Theoretische Grundlagen

1.3.1 Die Wahrnehmung des PCs aus der Sicht der Nutzer/innen
1.3.2 Determinanten der Computernutzung in der Wissenschaft
1.3.3 Bedeutung des Computers für die Generierung von Texten
1.3.4 Datenbankrecherchen
1.3.5 Theoretische Anmerkungen zum Phänomen des Schreibprozesses
1.3.6 Darstellung der inhaltlichen Spannungsfelder

1.4 Methodisches Vorgehen
2. Empirische Ergebnisse

2.1 Schreibtypen und Schreibprozess am Beispiel von 20 Textautor/innen

2.1.1 Zusammenfassung

2.2 Die Wahrnehmung des PCs und seiner Bedeutung im Schreibprozess

2.2.1 Unterschiedliche Nutzer-Typen
2.2.2 Wahrnehmung und Stellenwert des Computers
2.2.3 Vorbehalte gegenüber der Computertechnik
2.2.4 Zusammenfassung

2.3 Zum Aspekt der Komplementarität beim Einsatz von Schreib- und Lesetechnologien

2.3.1 Relikt Schreibmaschine
2.3.2 Relikt Handschrift
2.3.3 Von der Unersetzlichkeit des Papiers
2.3.4 E-Mail
2.3.5 Video-Konferenzen
2.3.6 Zusammenfassung

2.4 Veränderungen von Effizienz und Qualität durch den Computereinsatz

2.4.1 Der PC als Mittel zur effizienteren Zielerreichung
2.4.2 Durch den PC induzierte textliche Verbesserungen
2.4.3 Negative Auswirkungen auf die formale und inhaltliche Qualität der Texte
2.4.4 Vom Prestigecharakter des EDV-Einsatzes
2.4.5 Zusammenfassung

2.5 Vom Einfluss des Computers auf die individuelle Autonomie und die zwischenmenschliche Kommunikation im Arbeitsprozess

2.5.1 Erweiterung der individuellen Arbeitsautonomie
2.5.2 Grenzen des individuellen EDV-Einsatzes
2.5.3 Auswirkungen der EDV auf die Kommunikation im Arbeitsbereich
2.5.4 Zusammenfassung

2.6 Auswirkungen der PC-Arbeit auf die subjektive Befindlichkeit der Anwender/innen

2.6.1 Bewirkt die PC-Arbeit einen Verlust an sinnlicher Erfahrung?
2.6.2 Erhöhter Schreibkomfort dank PC-Einsatz
2.6.3 Negative Auswirkungen der PC-Arbeit auf die körperliche und geistige Belastbarkeit
2.6.4 Auswirkungen des PCs auf den intuitiv-kreativen Gestaltungsprozess
2.6.5 Zusammenfassung

2.7 Auswirkungen des Computereinsatzes auf die Interaktion mit andern Personen und Institutionen

2.7.1 Zusammenarbeit im Sekretariatsbereich
2.7.2 Zusammenarbeit mit den Verleger/innen
2.7.3 Zusammenarbeit mit den Lektor/innen
2.7.4 Zusammenfassung

2.8 Vom Computer erzeugte neue Risiken und Abhängigkeiten

2.8.1 Probleme mit der Datensicherheit
2.8.2 Neue Abhängigkeiten von EDV-Experten und -Beratern
2.8.3 Falsche Vorstellungen über die Potentiale der Computertechnik
2.8.4 Zusammenfassung

3 Zusammenfassung der Ergebnisse

Anhang

A) Liste der im Rahmen des Projektes befragten Textautoren und Textautorinnen
B)
Kontaktbrief mit Informationen zum Forschungsvorhaben
C)
Gesprächsleitfaden
D)
Literaturverzeichnis
E)
Adresse der Autorin
 

Vorwort

Das vorliegende Projekt ist 1993 - 1995 ist im Rahmen meiner Forschungstätigkeit am Soziologischen Institut der Universität Zürich (Lehrstuhl Prof. Dr. Geser) entstanden. Es bot einen interessante Gelegentheit, technikunterstützte Arbeitsprozesse einer Analyse zu unterziehen und vermittelte mir einen Einblick in die Tätigkeit unterschiedlichster Persönlichkeiten, die sich als Wissenschaftler, Schriftsteller, Redaktoren, Journalisten und Verleger mit der Produktion und Verbreitung von Texten befassen. Gleichzeitig erwies sich der Forschungsprozess aber auch als Spiegel meiner eigenen Forschungs- und Autorentätigkeit, sodass ich aus der vorliegenden Analyse wertvolle Impulse für meine weitere Arbeit gewinnen konnte.

Allen, die mich in den verschiedenen Phasen dieses Projektes unterstützt haben, möchte ich meinen herzlichen Dank aussprechen:

Mein Dank geht in erster Linie an Herrn Prof. Dr. Hans Geser, der mir in schriftlicher und mündlicher Form zahlreiche Anregungen für die Entwicklung meines Projektes vermittelt hat. Er hat mir bei der Durchführung meiner Arbeit enorm viel Freiraum zugestanden, was es mir ermöglichte, mit meinen Daten einen kreativen Umgang zu pflegen und meine Tätigkeit als spannenden Lernprozess zu erleben.

Danken möchte ich weiter den 20 Gesprächspartner/innen aus den verschiedensten Tätigkeitsbereichen, die sich freundlicherweise bereit erklärt haben, an dieser Studie mitzuwirken. Sie haben mir mit ihren persönlichen detaillierten Auskünften einen Einblick in den Mikrokosmos der computerunterstützten Textproduktion ermöglicht, den ich ohne ihre Unterstützung nicht hätte erschliessen können. Wenn es gelungen ist, die Umrissse des durch den Computereinsatz bewirkten Wandels in den wesentlichen Zügen nachzuzeichnen, so ist dies in erster Linie ihr Verdienst.

Auch Lisa Dolder-Rätz , Rachel Matthey und Vera Honegger, die mich bei diversen Schreib- und Gestaltungsarbeitenarbeiten entlastet haben, möchte ich in meinen Dank einschliessen. Ihre Mithilfe hat mich in der Erfahrung bestätigt, wie wohltuend es trotz aller technischen Schreibhilfen sein kann, in der täglichen Arbeit von Menschen unterstützt zu werden. Dasselbe gilt auch für Petra Wüest, deren Freundschaft und Hilfe ich sehr geschätzt habe.

Dezember 1995
lic. phil. Margret Bürgisser

Inhalt


1. Projektanlage

"The way technologies are (...) used depends heavily on various mediating factors" (Geser 1993)

1.1 Einleitung

Der technologische Umbruch ist unübersehbar und hat sämtliche Bereiche unserer Arbeitswelt erfasst. Menschliche Leistung wird sukzessive - mit allen damit verbundenen positiven und negativen Folgen - durch Maschinen ersetzt, und die verbleibende Arbeit erfordert zunehmend andere Qualifikationen. Die Folgen dieses Umbruch sind zwar nur bruchstückhaft zu erkennen und selbst für Fachleute schwer zu überschauen. Gerade deshalb wächst die Einsicht, die Dynamik der ablaufenden Prozesse sollte beobachtet und ihre Ergebnisse analysiert werden. "Technikfolgeuntersuchungen" heisst das Gebot der Stunde. Die durch den Technikeinsatz bewirkten Veränderungen sollen mit gezielten Studien erfasst, dokumentiert und analysiert werden, um gegebenenfalls steuernd auf künftige Entwicklungen Einfluss nehmen zu können.

Die vorliegende Arbeit ist ein Beitrag in diese Richtung. Sie ist ein Versuch, den durch die neuen Technologien induzierten Wandel in einem konkreten Arbeitsbereich zu analysieren. Dabei wurde bewusst keines der zur Zeit prestigeträchtigen Themen (Cyberspace, Virtual Reality, Internet etc.) ins Zentrum gerückt, sondern ein vergleichsweise alltäglicher Ausschnitt unserer Realität. Es geht um den Computereinsatz bei Intellektuellen, die als Autoren tätig sind. Im Zentrum unserer Studie steht die Tätigkeit von Leuten, die in ihrer Arbeitspraxis Texte produzieren und publizieren, also von Wissenschaftlern, Schriftstellern Journalisten, Redaktoren und Verlegern. Es interesssierte mich, ob und inwiefern gerade diese traditionsreichen hoch individualistisch geprägten Tätigkeiten durch den Einsatz des Personalcomputers verändert werden. Wie integrieren die entsprechenden Personen den PC in ihre Arbeitswelt? Sind die Auswirkungen der neuen Technologie wirklich so revolutionär, wie oft behauptet wird? Verändert sich der Charakter der betreffenen Tätigkeiten und wenn ja, in welche Richtung? Welche Vor- und Nachteile der neuen Technologien perzipieren die betreffenden Anwender/innen, und welche weiteren Entwicklungen versprechen sie sich für die Zukunft? Auf all diese Fragen erhofften wir uns mit dieser qualitativ orientierten Studie, an der sich 20 Persönlichkeiten aus Hochschule und ausseruniveritärer Praxis beteiligt haben, aufschlussreiche Auskünfte. Es handelt sich um eine soziologische Mikroanalyse, die sich bemüht, die Interdependenz der in diesem Themenkomplex involvierten Faktoren zu erfassen und darzulegen.

Inhalt

1.2 Zielsetzung

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine Explorativstudie über die Funktion des Personal-Computers bei der Generierung, Redaktion und Verbreitung von Texten im Arbeitsbereich von Intellektuellen. Ziel der Arbeit war es, die faktische Funktionalität des Personalcomputers bei der Arbeit zu ermitteln und die Determinanten bzw. Wirkungen des PC-Einsatzes auf der intrapersonalen, interpersonalen und institutionellen Ebene zu bestimmen (vgl. Geser 1996)

Im weiteren ging es darum, den durch den Informatik-Einsatz induzierten Wandel zu erfassen, d.h. Veränderungen in Organisation, Kommunikation, Ablauf und Ergebnis des Schreibprozesses etc. In diesem Kontext interessierte auch die Frage, in welchem Verhältnis (komplementär, substitutiv etc.) alte und neue "Medien" bzw. Arbeitstechniken zueinander stehen. Wie Geser (1996) erwähnt, ist die PC-Nutzung von verschiedensten "mediating factors" abhängig. Es war deshalb von Interesse, diese Faktoren und ihr Einfluss auf den Gebrauch des PCs im Umgang mit Texten sowie allfällige Wechselwirkungen zu ermitteln.

Inhalt

1.3 Theoretische Grundlagen

Das Projekt gliedert sich ein in das noch junge und doch vielfältige Spektrum der Technikfolgeuntersuchungen und weist nebst einem soziologischen Schwerpunkt Berührungspunkte zur Sprache-und-Computer-Forschung (SuC-Forschung) auf. Diese führt "unter dem gemeinsamen Aspekt der maschinellen Sprach- und Textverarbeitung die auseinanderdriftenden und sich selbst gegenseitig kaum noch zur Kenntnis nehmenden Teildisziplinen der linguistisch orientierten KI-Forschung, der Computerlinguistik, der Computerphilologie und der Computerlinguodidaktik in Theoriebildung und praktischem Erfahrungsaustausch zusammen" (Bräuer 1990).

Wie Kubicek (1987, S. 66) kritisch vermerkt, behandeln die meisten Studien über Technologieanwendungen die Informationstechnologie als alleinige unabhängige Variable, sodass generelle Beziehungen zwischen verschiedenen organisatorischen Aspekten vernachlässigt werden. Der Autor widerspricht der Auffassung, die Anwendung der Informationstechnologie sei primär von der technischen Entwicklung determiniert und lasse dem Nutzer wenig Entscheidungsspielraum:

"Festzustellen ist, dass heute ein sehr breites Angebot an Hard- und Software zur Verfügung steht, das vom Minicomputer bis zum Grossrechner reicht und vielfältige Kombinationsmöglichkeiten umfasst. Auch hier sind also Auswahlentscheidungen zu treffen, für deren Erklärungen neben dem Angebot auf dem Technikmarkt wiederum diEntscheidungsstrukturen und -ziele heranzuziehen sind. Man kann sogar vermuten, dass sich das Technikangebot an diesen Entscheidungsstrukturen und -zielen orientiert. Die Informationstechnologie ist deshalb nicht als Ausgangsdatum, sondern als flexibles Medium zu begreifen. Insofern gilt es auch, die Existenz von Gestaltungsspielräumen anzuerkennen".

Auch Hoerning (1987, S. 86 ) kritisiert die deterministisch angelegten Analysen gewisser Technikfolgestudien und verweist insbesondere auf das Eingebundensein von Technik in einen übergeordneten kulturellen Kontext:
"Das technische Artefakt kommt nicht bloss und rein, allein ausgestattet mit ingenieurmässig definierten Gebrauchswerten, isoliert und unverbunden in den Alltag. Technik ist gesellschaft lich und kulturell mitverfasst. Einmal ist das technische Objekt nicht nur Träger technisch-funktionaler Qualitäten, sondern auch ein mit sozialen und kulturellen Zeichenwerten aufgeladener Gegenstand".

Joerges (1988, S. 18) formuliert einen "methodologischen Minimalstandard "für Untersuchungen über Technikanwendungen. Seines Erachtens "wäre es zu vermeiden, konkrete technische Abläufe auf mehr oder weniger einseitige Funktionen zu reduzieren - etwa Arbeitsfunktionen, bestimmte Symbolisierungsfunktionen, gesellschaftliche Entlastungsfunktionen oder materielle Transformationsfunktionen. Die Dynamik der Entwicklung liesse sich nur aus einem Wechselspiel solcher Momente begreifen, und es käme darauf an, dieses Spiel zu spezifizieren. Zum zweiten wären theoretische Festlegungen bezüglich der Wirkungsrichtung technischer Entwicklung - Technik als determinierende Grösse, als Resultante kultureller Modelle und ähnliches - aufzugeben. Ein eindeutiger Richtungssinn dürfte nur in trivialen Fällen auszumachen sein, und die Adäquanz kausalanalytischer Interpretationen ist je nach der ins Auge gefassten Konfiguration von 'Funktionen' unterschiedlich zu werten".

Die Anwendung neuer Technologien entwickelt sich - wie diese Zitate zeigen - nicht nach dem Prinzip eines angebotsinduzierten Mechanismus, der garantiert, dass neue Angebote im Sinne der Anbieter beschafft und eingesetzt werden. Vielfältige Determinanten auf institutioneller und individueller Ebene spielen bei der konkreten Ausgestaltung der Techniknutzung eine wesentliche Rolle. Wie bei der Nutzung anderer Medien fallen insbesondere Selektionsmechanismen auf der Ebene des Individuums ins Gewicht. Rammert (1990, S. 16) weist darauf hin, "dass die Computernutzung und ihre Folgen weniger von den technologischen Merkmalen der 'Maschinerie', sondern stärker durch die in den Milieus geteilten Normen und Praktiken mitgestaltet werden". Nach Rammert (1991, S. 130) spielen auf der Ebene des Individuums auch "technikbezogene Deutungsmuster" eine Rolle. Der Computer sei ein technisches Phänomen, das sich durch dokumentarische Interpretation der technikbezogenen Deutungsmuster und der jeweiligen Handlungspraktiken erschliessen lasse. Die Techniknutzung sei zudem von zahlreichen Persönlichkeitsvariablen abhängig (milieubedingte Präformiertheit, geschlechtsspezifische Sozialisation, Persönlichkeitsfaktoren wie Ziele, Kommunikationsbedürfnisse, Vorkenntnisse, technisches Know-How, Lernbereitschaft, Arbeitsgewohnheiten etc. Es ständen bestimmte Sozialmilieus, Gruppen und Arbeitswelten im Vordergrund; gefragt werde, in welchem Kontext welche technischen Artefakte in welcher Weise in den Arbeits- und Lebenszusammenhang einbezogen und genutzt würden.

Das hier skizzierte Projekt versucht, Einseitigkeiten im Sinne eines Technikdeterminismus zu vermeiden. Es wurde deshalb eine gesamtheitliche Problemsicht angestrebt. Um der Vielzahl von "mediating factors" Rechnung zu tragen, wurden auch Ueberlegungen aus der Medienwirkungsforschung, welche die Interdependenz verschiedener Faktoren berücksichtigen, herangezogen (vgl. Darstellungen 1 und 2). Ausgangspunkt für die Analyse ist der jeweilige Nutzer. Es wird versucht, die Vielfalt der Computeranwendungen bei der Generierung, Redaktion und Verbreitung von Texten aus seiner Sicht zu erfassen, die dabei involvierten "mediating factors" zu bestimmen und in ihrer Interdependenz zu beschreiben.

Darstellung 1

DETERMINANTEN DES COMPUTEREINSATZES

Darstellung 1.GIF

Wie von Kubikec für vergleichbare Fragestellungen empfohlen, wurde für diese Arbeit die Form einer Mikroanalyse gewählt:

"Informationen über den komplexen Wirkungszusammenhang technisch-organisatorischer Aenderungen können nur durch eine Konzentration auf Einzelfälle gewonnen werden. Das Streben nach ausgeklügelten statistischen Auswertungen hat die Einzelfallstudie in Misskredit gebracht. Gleichzeitig bleibt jedoch rückblickend festzuhalten, dass in der Organisationsforschung die fruchtbarsten Einsichten immer noch aus den früheren Fallstudien stammen. Durch sie lassen sich Thesen über Zusammenhänge auf der Mikroebene präzisieren und modifizieren sowie Ansatzpunkte für Interventionen identifizieren, da hier eine Integration prozess- und ergebnisbezogener Aspekte möglich ist" (Kubicek, 1987, S. 73).

Als Ausgangshypothese wird in dieser Arbeit die Annnahme vertreten, dass der Computer im Schreibprozess so eingesetzt wird, dass sich das Individuum durch den Einsatz der neuen Technologien eine Effizienzsteigerung bei der Erfüllung seiner Aufgaben (d.h. in diesem Fall bei der Generierung, Ueberarbeitung und Verbreitung von Texten) versprechen kann. Wie Schema 1 und 2 zeigen, ist der Einsatz des Computers von verschiedenen Faktoren abhängig, in erster Linie von den subjektiven Entscheidungen des Anwenders, d.h. von seinen Zielsetzungen, seiner Wahrnehmung des PCs und von seinem Know-How, das heisst dem Wissen über die technischen Möglichkeiten von Hardware und insbesondere Software. Die Arbeit basiert auf der Annahme, dass sich diese Entscheidung an einer Kosten-Nutzen-Rechnung orientiert, d.h. dass der Computereinsatz vom Individuum unter dem Aspekt der Effizienzsteigerung und Nutzenmaximierung beurteilt wird. Letztlich entscheidend für den Computereinsatz sind die individuellen Selektions- und Entscheidungsmechanismen.

Darstellung 2

SELEKTIONSMECHANISMEN AUF EBENE DES INDIVIDUUMS

1.3.1 Die Wahrnehmung des PCs aus der Sicht der Nutzer/innen

Verschiedene Autoren haben sich mit der Rolle des PCs und seiner Wahrnehmung aus Sicht des Nutzers beschäftigt. Geser (1989) betont insbesondere die Rolle des PCs als Interaktionspartner, der für das Individuum ganz bestimmte Funktionen übernimmt. Zwischen Mensch und Maschine finden rückgekoppelte Interaktionssequenzen statt, die der Interaktion zwischen Menschen vergleichbar sind. Die Funktionalität der Beziehungen zwischen Individuum und PC sind nach Geser gekennzeichnet durch das Merkmale der Substitutivität, Komplementarität, Adaptivität, Interaktivität, Expressivität und/oder der Instrumentalität.

Rammert (1990) konzentriert seine Charakterisierung auf drei Dimensionen. Der Computer ist erstens zu sehen als Werkzeug oder Denkzeug, das als "Mittel zum Zweck" dient, d.h. zur Entlastung des menschlichen Arbeits- und Denkhandelns eingesetzt wird. Zweitens ist der Computer eine Maschinerie, ein sachlich integrierter Mechanismus mit einer gewissen Eigendynamik, an dem besonders das Merkmal der Verdinglichung ("Hardware") typisch ist. Drittens ist der Computer ein Medium, das ein Element in einem lose verkoppelten Informationssystem darstellt. In diesem Kontext ist insbesondere die Umformung einer Aeusserungsform in eine andere wichtig. Es geht um die Schematisierung von Kommunikation und die Manipulation von symbolischen Systemen.

Hörning (1988, S. 72) bestimmt die Funktionen des PCs anhand der Handlungsorientierungen der Akteure, wobei er Kontrollorientierung, ästhetisch-expressive Orientierung, kognitive Orientierung und kommunikative Orientierung unterscheidet.

  • Kontrollorientierung: Technische Objekte dienen dazu, bestimmte Ziele besser, einfacher, angenehmer, schneller, sicherer etc. zu erreichen.
  • aesthetisch-expressive Orientierung: Sie bezieht sich auf die Eigenschaften von technischen Objekten, durch ihren Besitz und Gebrauch emotionale und aesthetische Freude zu bewirken.
  • Kognitive Orientierung: Sie ist auf die Mehrung von Kompetenz im Umgang und Gebrauch von technischen Geräten gerichtet. Dabei ist nicht nur das Selbstbild des Individuums, sondern auch Wissen und Qualifikation, mit der technischen Umwelt "intelligent" zu verkehren, mit im Spiel.
1.3.2 Determinanten der Computernutzung in der Wissenschaft

An der Universität gibt es eine Bandbreite verschiedener Disziplinen, in denen je nachdem Individuen oder soziale Strukturen dominieren (Geser 1989). Im strukturellen Bereich muss sich der Computer einfügen in vorgegebene Gegebenheiten. In individualisierten Applikationsfeldern ist die Fehlertoleranz grösser. Wo individualisiertes Handeln dominiert, besteht die Möglichkeit, den Computer als Medium zur Befriedigung persönlicher Präferenzen zu gebrauchen.

Geistes- und Sozialwissenschaften sind strukturschwache Bereiche, daraus ergibt sich ein grosser Spielraum der Handlungsmöglichkeiten. Es ist eine grosse Vielfalt und Breite von möglichen Anwendungen denkbar, da ist nicht aus dem jeweiligen Fach heraus determiniert ist, was man mit dem PC macht. Die Vielfalt der Anwendungen ist nicht von der Technik her, sondern von den Ideen und den Verhaltenspräferenzen der Leute her gegeben. Im Bereich der Fakultät Phil I sind die Strukturen "unheimlich schwach" (Geser 1996) . Daraus resultiert eine grosse Bandbreite individueller Applikationen.

Cronin / Klein (1990) betonen die besondere Rolle der Wissenschaftskultur: "Verhaltensmuster bei der Kommunikation und Informationsweitergabe können durch die jeweils nationale Wissenschafts- und Forschungskultur geprägt sein (in der BRD sind die Wissenschafter relativ zurückhaltend). Zuletzt ist das Informationsverhalten eben auch ein Persönlichkeitsmerkmal mit Dimensionen wie Kontaktfreudigkeit und Artikulationsfähigkeit, das bei der Verwendung elektronischer Informationsdienste und Kommunikationsmedien un terschiedliche Ausprägung findet."

Auch Fragen der Interdisziplinarität spielen eine Rolle. Rauch (1989, S. 96) betont, in der Erkenntnis über die Interdependenz von Informatik und Geisteswissenschaften liege heute das grösste Problem: "Wir brauchen viel mehr Fachwissenschaftler, die soviel vom Computer verstehen, dass sie ihre Anforderungen an Informatik und Informationswissenschaft selber artikulieren können (...). Letztlich müsste das dazu führen, dass die Lösung der Informationsprobleme in den Geisteswissenschaften als Holschuld der Fachwissenschaftler verstanden wird und nicht als Bringschuld der Informatiker."

Beide Wissenschaften müssten nach Ansicht von Rauch aufeinander zugehen, wobei allerdings die Geisteswissenschaften den weiteren Weg zu machen hätten, denn "Computerwissen kann (und das wird in Zukunft noch stärker der Fall sein als heute) 'angelerntes' Wissen bleiben, zusätzliches Wissen, Hilfswissen. Das Hauptfach wird immer klar in der geisteswissenschaftlichen Disziplin erkennbar bleiben. Jede andere Gewichtung würde den Computer überschätzen oder mystifizieren (wir überlassen ja - überspitzt formuliert - auch das Schreiben unserer wissenschaftlichen Arbeiten nicht 'Kugelschreiberspezialisten')".

Der Informatiker G. Cyranek warf in einem Gespräch (4.12.1992) die Frage auf, wieweit Wissenschaft von gewissen Exponenten nur noch als Instrumentalisierung technischer Möglichkeiten verstanden wird: Lohnt es sich denn überhaupt noch, Arbeiten anzuschauen, die keinen grossen mathematischen oder statistischen Apparat verwenden, sondern eher qualitativ, mit traditionellen Methoden arbeiten? Vielleicht muss man heute einfach sehr viele Computerauswertungen gemacht haben, möglichst viele Datenmengen und komplexe Auswertungsverfahren, um im Wissenschaftsbetrieb anerkannt zu werden und etwas zu gelten? Das hätte auch Auswirkungen auf Hochschulkarrieren und auf die Richtungen, die gefördert werden. Er fände es interessant zu schauen, inwiefern sich dies im Bereich von Berufungen niedergeschlagen hat, ob Richtungen mit starkem technischen Bezug bevorzugt behandelt werden.

1.3.3 Bedeutung des Computers für die Generierung von Texten

In den letzten Jahren hat sich der Computer zu einem für jedermann verfügbaren Vielzweckgerät entwickelt, "aus einem Nur-Rechner ist ein Gerät zum Ordnen und Aufbereiten insbesondere auch von sprachlicher Text-Information geworden".

Haase (1990) geht davon aus, dass die Hauptquellen für Informationen für Wissenschaftler auch weiterhin das Buch, die Zeitschrift und der Forschungsbericht bleiben werden.

"Bücher vom Bildschirm abzulesen, ist genauso unvernünftig wie das Ausdrucken elektronisch übertragener (längerer) Texte am Arbeitsplatzdrucker in näherer Zukunft unwirtschaftlich sein wird (Es sei denn, wiederverwendbares Papier wird erfunden). Unentbehrlich ist der Computer bereits jetzt für das Ausfindigmachen dieser gedruckten Werke".

Rauch (1989) weist darauf hin, dass durch den Computereinsatz ein additiver Erkenntnisstil wieder belebt werde, der sich durch das Streben nach Einzelheiten (Detaillierungstendenz), Vollständigkeit (Aufzählungstendenz) und Unabhängigkeit (Wiederholungstendenz) auszeichne. Dieser Stil erlebe - als moderner "Montagestil" - nun durch den Computereinsatz eine Renaissance.

"Die Zusammenballung vieler kleiner Wissensstücke über Einzelheiten in dichter enzyklopädischer, lexikalischer, tabellarischer Nebenordnung, früher als 'Listenwissenschaft' gelegentlich anzutreffen, findet heute in der modernen 'Datenwissenschaft' ihre Neuordnung."

Demgegenüber würden - meint Rauch - drei andere stilbildende Tendenzen durch den Computer an Bedeutung verlieren, nämlich das Streben nach Allgemeinheit (Generalisierungstendenz), nach Genauigkeit (Exaktheitstendenz) und nach Verbindung (Systematisierungstendenz). Diese letzten drei Grundtendenzen könnten als klassischer, wissenschaftsbildender Erkennntisstil bezeichnet werden und charakterisieren die griechisch-abendländische Theoriewissenschaft.Wie der Autor weiter ausführt, wurde auch die Vermittlung des Wissens durch den Computer vereinfacht: Die Publikationstätigkeit wurde leichter, schneller, problemloser.

"Damit besteht die Gefahr, dass manche wissenschaftliche Arbeit in einer Form publiziert wird, die ihrem Stellenwert nicht gerecht wird. Schon heute können wir uns nicht mehr darauf verlassen, dass Publikationen, die "wie gedruckt" aussehen, auch tatsächlich jenen Bewertungs- und Kontrollprozess durchlaufen haben, den wir durch viele Jahre hindurch bei Büchern und Fachzeitschriften gewohnt waren. Die oft beklagte 'Literaturflut' ist nichts anderes als eine Krise der Kontroll- und Bewertungsinstanzen der wissenschaftlichen Fachgemeinschaft". Als Fazit fordert Rauch, wieder mehr Zeit und Mühe für die Bewertungsfunktion der Wissenschaft aufzuwenden.

Auch Haase (1989, S. 101 f.) weist darauf hin, dass mit steigender Publikationstätigkeit und Informationsproduktion die Qualitätskontrolle schwieriger wird. "Viele Probleme in der täglichen Arbeit des Forschers sind deshalb nicht durch Informationsmangel, sondern durch ein Zuviel an (unübersichtlichen) Datenmengen verursacht".

1.3.4 Datenbankrecherchen

Der durch Maschinen unterstützten Informationsverarbeitung kommt in allen Wissenschaftsgebieten eine wesentliche Bedeutung zu. Aehnlich wie die Erfindung des Buchdrucks eine weite Verbreitung von Wissen erst möglich gemacht hat, ist die computergeführte Datenbank heute das Mittel geworden, die für die Generierung neuen Wissens notwendigen Quellen ausfindig zu machen. Geser (Gespräch vom 30.4.1993) wies auf grundlegende Probleme von Literaturdatenbanken im Vergleich zur herkömmlichen Rezeption wissenschaftlicher Publikationen hin: Datenbanken zeichnen sich durch eine enorme Heterogenität der Informationen aus. Die Qualität der Zitate ist sehr uneinheitlich: Alle Texte werden gleich behandelt unabhängig ihrer Bedeutung im internationalen Kontext und innerhalb der "scientific community". Alle Informationen werden rein additiv erfasst, ohne Prioritätensetzung in Bezug auf Relevanz und Akzeptanz. Auch das Prestige des Autors fällt folglich nicht ins Gewicht.

In einer detaillierten Beschreibung charakterisiert Haase (1990) das Wesen der computerunterstützten Informationsbeschaffung und weist auf die Vorteile und Schwachstellen dieses Vorgehens hin. Als eines der Probleme hält er fest, die Informationssuche in einer Datenbank könne nur dann erfolgreich sein, wenn der, der die Schlagworte festlege, beim "Schreiben" das gleiche gemeint habe, wie der spätere Leser es verstehe. Da aber die gleiche Information von sehr vielen Nutzern mit verschiedenem Verständnis abgerufen werde, seien Missverständnisse ("semantic gaps") oft unvermeidlich.

1.3.5 Theoretische Anmerkungen zum Phänomen des Schreibprozesses

Wenn es darum geht, die Veränderungen zu erfassen, die der Schreibprozess durch den Computereinsatz erfahren hat, so erweisen sich gewisse im angelsächsischen Raum entwickelte Modelle des Schreibens als sehr hilfreich. In den 80er und 90er Jahren haben sich diverse Autoren wie Flower and Hayes, Sharples and Pemberton sowie Williams intensiv mit dem Wesen des Schreibprozesses und dem Einfluss neuer Medien bzw. Technologien auseinandergesetzt. Ihre Analysen sind geeignet, die Komplexität des Schreibprozesses besser zu verstehen und die Bereiche, in denen neue Medien Veränderungen auslösen, genauer zu identifizieren.

In Anlehnung an diese Autoren wird hier der Versuch übernommen, einen Ueberblick über das Schreiben als kognitiven Prozess zu vermitteln und zu zeigen, wie sich dieser Vorgang verändert, je nachdem, welche Hilfsmittel einbezogen werden. Die Autoren gehen davon aus, dass der Schreibprozess in verschiedene Stadien aufgegliedert werden kann, und dass unterschiedliche Schreibstrategien identifiziert werden können. Den Nutzen ihrer Analysen sehen sie einerseits in der Konstruktion von Computerprogrammen, welche den Schreibprozess unterstützen (computer-based writing support tools), andererseits im Unterrichten von effizienten Schreibtechniken.

Flower and Hayes (1980) haben den Versuch unternommen, die Erkenntnisse der kognitiven Wissenschaften, welche menschliches Verhalten als Problemlösungsverfahren betrachten, auf den Schreibprozess zu übertragen. Sie haben u.a. eine Beschreibung unterschiedlicher Schreibstrategien erarbeitet und Unterschiede im Vorgehen von erfahrenen gegenüber unerfahrenen Autoren herausgearbeitet.

Der Schreibprozess wird als vergleichbar mit anderen Problemlösungsverfahren (arithmetische Uebungen, Schachspiel etc.) angesehen. Wie diese ist er zieloritiert und in verschiedene Teilschritte bzw. Teilziele unterteilbar. Das Besondere am Schreibprozess ist aber die Tatsache - so die Hypothese der Autoren - dass das verwendete Medium seinen Ablauf beeinflusst.

"The medium imposes its own constraints: the process of writing with a pen and paper is substantially different from that of writing with a typewriter or a word processor."

Die auf diesem Gebiet tätigen Autoren haben sich unterschiedlicher Methoden bedient, um Einsicht in Struktur und Verlauf des Schreibprozesses zu erlangen. Zum einen wurden Autoren während des Schreibens beobachtet und ihre kognitiven Prozesse erfasst, zum andern wurden Interviews geführt oder Schreibprotokolle, Notizen und Aufzeichnungen analysiert. Diese Arbeiten führten zur Einsicht, dass es fruchtbarer sei, die Schreibenden während ihres Schreibprozesses zu befragen als aufgrund fertiger Texte Rückschlüsse auf den Schreibprozess zu ziehen. Generell zeichnete sich im Laufe der Zeit die Tendenz zu einem integrierten Modell ab, das geeignet ist, den Schreibprozess als Ganzes zu repräsentieren.

1.3.5.1 Die verschiedenen Phasen des Schreibprozesses

Ein Schreibprozess beginnt oft lange bevor der Schreibende die Feder aufs Papier setzt. Oft drängt eine Handvoll Ideen danach, zu Papier gebracht zu werden. In dieser Anfangsphase gibt es noch keine klare Unterscheidung zwischen Gedanken und Text. Die wichtigste Aufgabe des Autors ist es dann, den Text zu planen, dem Ziel entsprechende Ideen zu generieren, diese in kohärenter Form zu Papier zu bringen und schliesslich ein dem Adressatenkreis angemessenes Produkt fertigzustellen.

Sharples und Permberton (1992) legen dar, dass dieser Prozess zwei verschiedene Formen an-nehmen kann. Er kann iterativ oder rekursiv verlaufen. Beim iterativen Schreiben plant, generiert und überarbeitet der Schreibende den Text sequenzenweise vom Anfang bis zum Schluss. Beim rekursiven Schreiben löst der Fluss der Worte beim Schreiben einen neuen Strom von Ideen aus, der die Textproduktion mitbeeinflusst.

Flower und Hayes (1980), welche als Pioniere dieses Forschungsrichtung gelten, unterteilen den Schreibprozess in drei unterschiedliche Phasen: Das Planen, das Niederschreiben und das Ueberarbeiten (planning, translating and reviewing). In der Planungsphase werden die "Eckdaten" für das zu entstehende Dokument festgelegt, insbesondere Zielsetzung und Vorstellung über die künftige Form. Im Prozess des Niederschreibens werden die im Gedächtnis gespeicherten Inhalte in kohärenten Sequenzen zu Papier oder auf ein anderes Medium gebracht. Der Ueberarbeitungssprozess dient der Verbesserung der Textqualität und umfasst ein aufmerksames Wiederlesen und Korrigieren des Textes, das unter Umständen ein nochmaliges Umgestalten beinhalten kann.

In der Abfolge dieser drei Arbeitsschritte nehmen die Phasen des Ideengenerierens, ganz am Anfang, und des Editierens, am Ende des Prozesses, einen besonderen Stellenwert ein. Das bedeutet aber keineswegs, dass der Schreibprozess immer geradlinig verläuft. Wenn im Verlauf des Schreibens neue Ideen auftauchen, ist es sehr wohl möglich, dass der Text einer Revision unterworfen oder gar die Zielsetzung tangiert wird. Insbesondere erfahrene Autoren machen von dieser Möglichkeit Gebrauch.

"A good writer will make use of ideas that arise during production, either by noting them for later incorporation or by revising the plan to accomodate them. Studies by Sommers (1980) have shown that skilled writers carry out a larger number of major global revisions than do unskillesd ones" (Sharples and Pemberton 1992).

Die nachstehende Darstellung zeigt das von Flower and Hayes (1980) entwickelte Schreibmodell, welches darstellt, wie die verschiedenen Teilschritte des Schreibprozesses interagieren. Es zeigt insbesondere den Zusammenhang zwischen den internen Prozessen des Schreibenden und den externen Rahmenbedingungen (Medien, Adressaten, Textstücke etc.)

Der Ablauf des ganzen Schreibprozesses ist, wie Flower and Hayes (1980) präzisieren, ganz bestimmten Einschränkungen unterworfen: 

"The act of writing is best described as the act of juggling a number of simultaneous constraints. This is in contrast to seing it as series of discrete stages or steps that add up to a finished product (...) It is no wonder many people find writing difficult. It is the very nature of the beast to impose a large set of converging but potentially contradictory. Furthermore, to be efficient the writer should attend to all these constraints at once... Unfortunately, ths ideal rarely occurs".

1.3.5.2 Unterschiedliche Schreibtypen und -strategien

Im Rahmen des oben skizzierten allgemeingültigen Schemas stehen den Textautor/innen individuelle Spielräume offen. Je nach Textart können sie ihre Vorgehensweise variieren. Im einen Fall werden sie dem freien Fluss der Wörter ihren Lauf lassen, im andern einen Text vielleicht in akribischer Arbeit umgestalten und verbessern.

Bridwell-Bowles et. al. (1987) unterscheiden zwei unterschiedliche Schreibtypen, welche die gegensätzlichen Enden eines Kontinuums verkörpern.
Der "Mozart-Typ" produziert, bevor er mit dem Schreiben beginnt, detaillierte Pläne. Anschliessend erstellt er einen Rahmen, in welchen er die verschiedenen Textteile einfügen und zu einem Ganzen integrieren kann. Dieses strukturierte Vorgehen ist eine Hilfe im Prozess des Niederschreibens, setzt aber voraus, dass jemand in der Lage ist, seine Pläne effektiv entsprechend den zugrundeliegenden Zielsetzungen abzufassen.

Sharples (1985) wies darauf hin, dass unerfahrene Schreiber ("poor writers") sich bei ihrer Arbeit gerne mit Pseudoplänen behelfen. Sie legen eine Anzahl "Meilensteine" fest und knüpfen dann eine Kette von Argumenten entlang diesen Fixpunkten, was nicht immer ausreicht, um ein qualitativ überzeugendes Produkt zu erarbeiten.

Am andern Ende des Skala finden wird den "Beethoven-Typ" : Planen und Niederschreiben sind bei ihm eng miteinander verknüpft, denn erst im Verlauf des Schreibprozesses klären sich seine Gedanken und Zielsetzungen. Im selben Masse, wie der Text entsteht, wird das Langzeitgedächtnis des Schreibers aktiviert, sodass er seine Ideen organiseren und eine Auswahl treffen kann. Im Stadium eines ersten Entwurfs ist ein solches Vorgehen nicht unvorteilhaft. Es setzt jedoch voraus, dass der Autor in der Lage ist, die Struktur und die zentralen Punkte aus diesem Textmaterial herauszuarbeiten und den Text so in eine überzeugende Form zu bringen.

Sharples and Pemberton (1992) andererseits unterscheiden drei Dimensionen der Organisiertheit von Informationen, die auf Medien gespeichert werden: Sie können völlig unorganisiert sein, eine nicht-lineare Organisation aufweisen oder - im dritten Fall - über eine lineare Organisation verfügen.

Die Autoren weisen darauf hin, dass es im Schreibprozess kein unilineares Fortschreiten von einem Stadium zum andern gibt, sondern einen Kreislauf von Planen, Textgenerieren und Ueberarbeiten, in dem sich die verschiedenen Phasen mehrmals wiederholen können. Erfahrende Autoren sind in der Lage, ihre Pläne und Ziele im Verlaufe dieses Prozesses zu harmonisieren, indem sie beide im Auge behalten und wieder zusammenführen, falls sie einmal 'auseinanderdriften' sollten. Als Fazit meinen die Autoren, dass es keinen spezifischen, besonders effizienten Weg des Schreibens gebe. Es gehe darum, aus der ganzen Palette von Vorgehensweisen jene auszusuchen, welche den jeweiligen Zielen am besten dienten. Computerprogramme, welche den Schreibprozess unterstützen könnten, seien dann sinnvoll, wenn sie sich kongruent zur Perzeption des Autors verhielten und ihm die Arbeit erleichterten, unabhängig davon, für welche Schreibstrategie er sich entscheide.

Im weiteren haben die Forscher folgende Teilstrategien im Rahmen des Schreibprozesses identifiziert (Sharples and Pemberton 1992, S.324):
Plan - Entwurf - Ueberarbeitung: Der Schreiber begint mit dem Generieren eines Plans, aufgrund dessen er einen Entwurf erstellt. Diesen überarbeitet er durch Hinzufügen von Korrekturen und Aenderungen.

Ueberblick - Entwurf: Der Schreiber erstellt eine Liste von Titeln in der für ihn adäquaten Reihenfolge und ergänzt diese anschliessend mit Text.

Entwurf - Ueberarbeitung: Der Schreibende setzt einen überbordenden Fluss an Ideen und Wörtern auf das Papier. Diese werden dann in mehrfachen Durchgängen einer Ueberarbeitung unterzogen.

"Cut and Paste":
Der Schreiber sammelt allerlei bereits geschriebenes Material (Notizen, Textausschnitt etc.) und arrangiert dieses sukzessive so, dass das Ergebnis seiner vorgängig festgelegten Zielsetzung entspricht.

Brainstorming: Der Schreiber notiert eine Vielzahl von Ideen, ohne diese vorerst systematisch zu organisieren. Wenn sich der Ideenfluss allmählich erschöpft, beginnt er seine Notizen auszusortieren, z.B. indem er sie inhaltlichen Kategorien zuordnet.

Einem "roten Faden" folgen: Der Schreibende folgt einer konzeptionellen Linie, ausgehend von einem Thema, das in Unterthemen unterteilt werden kann, und das er mit vielen Erläuterungen, Beispielen, Definitionen etc. anreichert. Auch in diesem Fall kommt die definitive Struktur des Textes u.U. erst im Laufe der Zeit zum Vorschein.

Ein Schreibmuster reproduzieren: Der Schreiber ruft das Muster eines bereits vorhandenen Textes ab und gebraucht diesen als Grundlage für das Planen und Verfassen eines formal ähnlichen neuen Textes.

1.3.5.3 Charakteristika unterschiedlicher Schreibmedien

Sharples und Pemberton (1992) haben sich mit der Vielzahl von Medien auseinandergesetzt, welche einem Autor in der heutigen Zeit beim Schreiben zur Verfügung stehen und danach gefragt, nach welchen Kriterien sich diese Medien unterscheiden lassen. Jedes Medium hat gewisse Eigenschaften, die es für bestimmte Vorgehensweisen mehr oder weniger geeignet erscheinen lassen. Die Autoren qualifizieren die Medien danach, ob sie über eine oder mehrere der nachfolgenden Eigenschaften verfügen:

a) Uebersichtlichkeit (supports browsing)

Das Medium ermöglicht es, sich innerhalb grösserer Dokumente leicht zu orientieren und zwischen einzelnen Teilen mühelos hin- und herzuspringen.

b) Tragfähigkeit / Transportierbarkeit (portable) Das Medium ist tragbar, sodass das Erfassen von Informationen betr. Zeit und Ort keinen Einschränkungen unterliegt.

c) Leichte Neuorganisation des Inhalts (supports reordering)
Gewisse Medien (Textprogramme, Karteikarten etc.) kommen dem Wunsch entgegen, Texte umzuorganisieren und neu zu gruppieren. Andere wie beispielsweise eine auf Papier geschriebene Liste oder eine Aufnahme auf Dictaphone lassen sich nicht in diesem Sinne umorganisieren.

d) Möglichkeit der nicht-linearen Anordnung (supports non-linear organisation)

e) Verwendbarkeit im Endprodukt (reusable end product)
Je nach Medium lassen sich Texte leichter in das Endprodukt integrieren. Das in einem Textprogramm gespeicherte Material kann jederzeit in einen Bericht integriert werden, während Aufzeichnungen auf Karteikarten. Tonbändern etc. mindestens einmal transkribiert werden müssen.

f) Dauerhaftigkeit des Produkts (permanent)
Informationen, die auf Papier geschrieben oder in einem Textverarbeitungsprorgamm erfasst sind, sind für die nochmalige Verwendung gespeichert, während beispielsweise Notizen auf einer Wandtafel diesen dauerhaften Charakter nicht aufweisen.

g) Möglichkeit zum Anbringen von Markierungen (supports annotations)
Gewisse Medien eignen sich besser als andere, durch zusätzliche Markierungen, Auszeichnungen etc. (Pfeile, Unterstreichungen, farbige Markierungen etc.) die Verständlichkeit des Textes zu unterstützen.

h) Indexiermöglichkeiten (supports indexing)
Verschiedene Medien bieten unterschiedliche Möglichkeiten, welche es erleichtern, mittels eines speziell generierten Indexes einen leichteren Zugang zu Textelementen zu finden.

Die verschiedenen Schreibmedien verfügen in unterschiedlichem Masse über die erwähnten Möglichkeiten und können dem Schreibenden somit je nach Arbeitsphase mehr oder weniger Arbeitskomfort bieten. Sharples and Pemberton (1992) haben in einem schematischen Ueberblick dargestellt, welche Eigenschaften die verschiedenen Medien auf sich vereinigen:

Darstellung 4

Property medium

 
1 2 3 4 5 6 7 8
Sheet of paper
-
Word processor
File cards
Sticky notelets
Black/white board
Back of hand
Dictaphone
Key
1 Supports browsing of large documents  2 Portable 3 Supports reordering 
4 Supports non-linear organisation  5 Reusable end product  6 Permanent 
7 Supports annotations  8 Supports indexing x has property
- lacks property ? debatable   

1.3.5.4 Fazit

All diese theoretischen Ausführungen zeigen, dass der Schreibprozess in unterschiedliche Phasen zergliedert werden kann, und dass in seinem Verlauf diverse Strategien zur Anwendung kommen, welche von den verschiedenen Medien in unterschiedlichem Masse unterstützt werden. Es bleibt dem Autor überlassen, die zu seinem Arbeitsstil und seinen Aufgaben (Inhalt, Zielsetzung etc.) passenden Vorgehensweisen zu wählen und dabei den optimalen Einsatz der zur Verfügung stehenden Medien zu bedenken.

1.3.6 Darstellung der inhaltlichen Spannungsfelder

Wie oben ausgeführt (vgl. Joerges 1988 und Hoerning 1988), gilt es bei der Frage des Technikeinsatzes die Existenz von Gestaltungsspielräumen anzuerkennen und die Dynamik der Entwicklung als ein Wechselspiel verschiedener Funktionen zu begreifen. Diese Dynamik lässt sich in der Form von Polaritäten bzw. Gegensatzpaaren erfassen, die ich als "Spannungsfelder" bezeichnen möchte. Als wichtigste Spannungsfelder können in diesem Kontext unterschieden werden:
- Autonomie vs. Fremdbestimmung
- Schöpferisch-kreatives Arbeiten vs. diszipliniertes Routinehandeln
- Bereicherung vs. Verarmung der Tätigkeitsinhalte
- Effizienzsteigerung vs. "Leerlauf"
- Personifizierung vs. Funktionalität
- Sinnliche Erfahrungswelt vs. abstrakte Ersatzwelt
- Soziale Integration vs. Vereinzelung

1.3.6.1 Autonomie vs. Fremdbestimmung

Die Perspektive "Autonomie" betont die Freiheit des Individuums, Ziel, Art und Umfang des Computereinsatzes festzulegen. Die individuellen Arbeitsziele und das Bedürfnis nach Effizienzsteigerung determinieren den Computereinsatz. Der Computer übernimmt die Rolle eines "Dieners" oder Werkzeugs.
Wie Geser
(1996) betont, erhöht sich durch den Computer die "controllabilitiy" d.h. Autonomie des Arbeitsprozesses, sowohl auf intrapersonaler als auch auf interpersonaler und institutioneller Ebene. "Vis-à-vis their externalized computer memory, individuals find themselves in a far more autonomous position, because they can easily evoke every item they wish with full precision at every moment of time (...) Thus, computers catalyse the genesis of individualized (and highly flexible) systems of ordering information and products of intellectual work".

Die Perspektive "Fremdbestimmung" betont andererseits die durch den Computergebrauch auferlegten Restriktionen, die insbesondere in stark strukturierten Kontexten wirksam sein können. Der Computer erscheint als "Be-Herrscher" und Kontrollinstanz.

Wie Geser (1989) ausführte, ist der Computer die "Inkarnation sozialer Normen". Sein Einsatz wirkt somit normierend, engt individuelle Handlungsspielräume ein. Der Computer kennt wenig Fehlertoleranz. Mit dem Punkt der Fremdbestimmung ist auch die Dominanz der Software-Hersteller und die Problematik der Benutzerfreundlichkeit von Informatiksystemen angesprochen, die gerade im Umgang mit Texten bzw. Sprache von Bedeutung sind:

"Die Sprachen zur Kommunikation mit Computern werden gewöhnlich als formale Sprachen bezeichnet. Das soll zum Ausdruck bringen, dass sie nicht in der lebendigen Kommunikation entstanden sondern wie Plansprachen am Schreibtisch erdacht worden sind, dass sie einer strengen Form gehorchen und mit ihren Kommandos und deren Parametern mehr logisch-mathematischen Formeln ähneln als wirklichen Sprachen. Ihre Schöpfer sind meist darauf auch noch stolz. Den Nutzer aber, dem der Computer und seine Bedienung nicht Selbstzweck sind, sondern Mittel zur Lösung seiner Aufgaben, belasten die formalen Computersprachen durch ihre unerbittlichen Anforderungen an die lexische und syntaktische Genauigkeit ihres Gebrauchs" (Bräuer 1989).

Rauch (1989, S. 95) hat sich mit dem Verhältnis von Geisteswissenschaften und Informatik auseinandergesetzt und weist darauf hin, dass auch Historiker, Sprachwissenschaftler und Theologen, Archäologen etc. viel vom Computer verstehen müssten. Sehr viel mehr, als die meisten Geisteswissenschaften heute bereit seien, in dieses Gebiet zu investieren". Es sei deshalb wichtig, dass zwischen beiden Disziplinen ein Dialog stattfinde, und dass auch Fachwissenschafter sich ausreichende Informatikkenntnisse aneignen würden.

1.3.6.2 Schöpferisch-kreatives Arbeiten vs. diszipliniertes Routinehandeln

Mit dem ersten Spannungsfeld eng verwandt und für die Tätigkeit von Intellektuellen besonders relevant ist das zweite. Forscher, Schriftsteller, Journalisten erbringen kreative Leistungen. Obgleich intellektuelle Arbeit auch Systematisierungsleistungen beinhaltet, ist das innovative Moment das eigentlich Wesentliche (und auch von der Oeffentlichkeit als zentral anerkannt). Computer erfordern jedoch wie jedes Instrument ein minimales Mass an Technikbeherrschung und diszipliniertem Routinehandeln. Je nach Situation erweist sich der Computer eher als "Muse" oder als "Dikatator", beflügelt den Autor beim Schreiben oder behindert den Drang nach persönlichem spontanem Ausdruck.

"I know so little about the typewriter that once I bought a new one because I couldn't change the ribbon on the one hand," zitiert Noel Williams (1991, S.199) in seinem Buch "The Computer, the Writer and the Learner" eine offensichtlich überforderte Schriftstellerin, für welche die Technik zum Trauma wurde. Mit dem PC ist es nicht grundsätzlich anders als mit der Schreibmaschine: Nur die umfassende Kenntnis der Möglichkeiten und die korrekte Bedienung führt zu brauchbaren Resultaten. Dazu die Analyse von Bräuer (1989): Der Anwender
"muss ständig einen Teil seiner geistigen Energie auf den richtigen Gebrauch der Sprache konzentrieren, auf das Formulieren der Ideen. Das aber hemmt das Finden und Entwickeln der Ideen, das schöpferische Denken. (...) Aus dieser Sicht ergibt sich eine wichtige Aufgabe für die angewandte Informatik, nämlich die immer bessere Anpassung der Kommunikation zwischen Mensch und Computer an das natürliche Kommunikationsniveau zwischen den Menschen".

Pflüger/Schurz (1989, S. 26) weisen darauf hin, "dass eine wesentliche Entlastungsfunktion des Rechners die Ueberführung oder Reduktion von qualitativer in quantitative Komplexität repräsentiert (...) Im Sinne des eingangs behandelten Entlastungsprinzips handelt es sich dabei wesentlich um einen Vorgang der Selektion von Wirklichkeit unter dem Gesichtspunkt eines Regelwerks, bei dem alles störende 'Spontane' ausgegrenzt wird."

1.3.6.3 Bereicherung vs. Verarmung der Tätigkeitsinhalte

In diesem Bereich geht es um die Vielfalt der Tätigkeitsinhalte, Tätigkeitsformen und der Arbeitsorganisation. Es sind Arbeitskontexte bzw. -rollen denkbar, in denen der PC-Einsatz die Vielfalt der Tätigkeiten auf eine Art erweitert, die als Bereicherung empfunden wird. Andererseits führt die durch den PC gegebene Standardisierung von Arbeitsabläufen zu einer Verarmung von Tätigkeitsprofilen, wie das beispielsweise im Sekretariatsbereich zu beobachten ist.

1.3.6.4 Effizienzsteigerung vs. "Leerlauf"

Für die Tätigkeit von Intellektuellen besonders relevant erscheint ein weiteres Spannungsfeld.

Anschaffung und Einsatz von Technik werden in der Regel im Hinblick auf Effizienzsteigerungen vorgenommen, wobei ein kompetenter und rationeller Einsatz als gegeben angenommen wird. Die Praxis zeigt jedoch, dass durch den Computereinsatz neue Schwachstellen entstehen. Insbesondere die rasante Weiterentwicklung im Bereich von Hardware und Software bringt es mit sich, dass nicht alle Anschaffungen mit ausreichenden Effizienzsteigerungen zu rechtfertigen sind.

Es stellt sich hier - auch im Wissenschaftsbetrieb - die Frage der Legitimation des Computereinsatzes und der Uebereinstimmung der Mittel mit den Zielen. Günter Cyranek (Interview vom 4.12.1992) äusserte die Vermutung, dass wissenschaftliche Leistungen zunehmend anhand des in den Projekten aufgewendeten Informatik-Einsatzes bewertet würden, obwohl fraglich sei, ob die Anwender mit Sinn und Zweck der entsprechenden Programme (Bsp. Statistik) ausreichend vertraut seien. Es sei denkbar, dass im Wissenschaftsbetrieb besonders honoriert werde, wenn Leute Zugang zu neuen Techniken hätten und damit umgehen könnten. Wenn diese technischen Möglichkeiten vorhanden seien, werde dies möglicherweise vorschnell als wissenschaftliche Qualifikation beurteilt und entsprechend weniger auf den Inhalt geachtet. Es sei vorstellbar (und ein allfälliges Thema für eine empirische Ueberprüfung), dass dieser Aspekt des Instrumentellen in den letzten 10 Jahren an Gewicht gewonnen habe.

1.3.6.5 Personifizierung vs. Versachlichung

In diesem Spannungsfeld sollten die Funktionen des PC's als "Interaktionspartner" bzw. als Arbeitsinstrument angesprochen werden. Die dialoghafte Kommunikation mit dem Computer suggeriert eine Interaktion mit einem intelligenten dienstbaren Partner.Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass Computernutzer dazu neigen, den PC zu personalisieren, ihm individuelle Reaktionen zuzuschreiben. Die individuelle Wahrnehmung des PC ist alles andere als einheitlich. Die einen ordnen ihm eher antropomorphe (menschenähnliche) Eigenschaften zu, die andern eher soziomorphe (beziehungstypische). Die einen nehmen ihn eher eher physikomorph (objekthaft) wahr, die andern eher psychomorph (subjekthaft, d.h. zu introspektivem Erleben befähigt). Es war anzunehmen, dass die Charakteristika dieser Wahrnehmung auch auf die Computernutzung einen Einfluss ausüben.
Fraglich ist, ob der Computer alle "Qualitäten" menschlicher Interaktion ersetzen kann. Mettler-Meibom (1990, S. 66) warnt vor kommunikationszerstörenden Wirkungen des Computers und dem damit verbundenen Verschieben nicht befriedigter Kommunikations bedürfnisse. Nach Meinung der Autorin bilden Kommunikation und Tätigkeit eine Einheit. Im Kommunikationsprozess werden "nicht nur funktionale Kommunikationserfordernisse befriedigt, sondern auch emotionale und soziale Grundbedürfnisse, wobei das In-Beziehung-Treten von Konflikt bis Harmonie reichen kann. Diese Doppelgesichtigkeit von Kommunikation wird auch durch die Kommunikationswissenschaften bestätigt, die herausgefunden haben, dass in jedem zwischenmenschlichen Kommunikationsvorgang sowohl Inhaltsaussagen als auch Beziehungsaussagen enthalten sind. Mit anderen Worten: Kommunikation erfüllt funktionale und emotionale/soziale Funktionen, ohne dass dies im Erleben der Kommunikationspartner/innen ohne weiteres voneinander geschieden würde"(S. 69).

Mit dem Entkoppeln von Kommunikation und Tätigkeit entfallen nach Ansicht von B. Mettler-Meibom Möglichkeiten zur Befriedigung emotionaler Bedürfnisse, solange nicht andere Tätigkeiten entstehen, die wiederum kommunikationsstiftend sind.

Geser (1996)weist daraufhin, dass Teilnehmer von Video-Konferenzen für eine Konsensfindung länger brauchen, als Leute, die sich persönlich in einer Sitzung zusammenfinden. Die persönliche Präsenz, die "Ausstrahlung", die Ueberzeugungskraft eines Menschen ist mit heutigen technischen Mitteln noch nicht vollumfänglich zu übertragen oder zu imitieren.

Während das dritte Spannungsfeld Bereicherung bzw. Verarmung im Hinblick auf die Arbeitsinhalte thematisiert, ist hier die entsprechende Problematik auf der Ebene der menschlichen Interaktion angesprochen.

1.3.6.6 Sinnliche Erfahrungswelt vs. abstrakte Ersatzwelt

Wie Geser (1996) ausführt, wirkt der Computer im Hinblick auf eine verstärkte Externalisierung, d.h. Gedächtnisleistungen werden vom Individuum quasi in ein externes Gedächtnis verlagert und steigern dadurch seine intellektuelle Kapazität und Kompetenz.

Damit findet eine Verschiebung von der menschlich-biologischen auf die technisch-physikalische Ebene statt, eine Leistungssteigerung um den Preis der "Entpersönlichung". Dies ist ins besondere in der interpersonalen Kommunikation folgenreich:

"Computer-supported communication flows are extremely dissociated from all physical, behavioural and psycho-social contingencies of individual emitters and receivers. The whole meaning of E-messages has to be inferred from their intrinsic verbal characteristics, because absolutely no non-verbal cues (like tone of voice, mimic or gestic movements etc.) are provided that would help to specify their interpretation, evaluate their credibility or to judge how much importance is attached to them by the senders".

Diverse Autoren weisen auf den Verlust an sinnlichem Erleben bei der Arbeit mit dem Computer hin. Wieweit ist der Computer noch Grundlage sinnlicher Erfahrungen - wie es früher die Arbeit mit Papier, Tinte, Leim und Schere war - und wieweit bloss noch ein technisch-abstraktes "Ritual"? Renate Möller (1990, S. 144) sieht einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Computern und anderen Maschinen. Viele Maschinen seien funktionale Erweiterungen des menschlichen Körpers. Für den Computer treffe das nicht zu. Die interne Arbeitsweise des Computers sei von diesen Regeln völlig abgekoppelt, er gehorche nur dem System der formalen Logik. Wingert /Riem (1987) kommen zum Schluss, "dass ein wesentlicher Unterschied zwischen Computerbenutzung und dem Einsatz von Werkzeugen und Maschinen in einem Verlust von Gegenständlichkeit zu suchen ist". Joerges (1990, S. 46) bezeichnet Computer samt ihrer Software als "entkörperlichte Handlungsketten".

Gewisse Studien weisen darauf hin, dass Arbeit eine kommunikative Komponente beinhaltet, die durch den vermehrten Technikeinsatz zunehmend auf der Strecke bleibt. Findet - wie gewisse Autoren suggerieren - zunehmend eine Verlagerung von "unmittelbarer" Face-to-face Kommunikation auf eine medienvermittelte "mittelbare" Kommunikation statt? Und was ist das Resultat? Neil Postman hat in diversen Arbeiten auf die Problematik dieser "Erfahrungen aus zweiter Hand" hingewiesen und gewarnt vor negativen Folgen auf gesellschaftlicher und individueller Ebene. M. Schatz-Bergfeld (1990) warnt vor verzerrter Realitätwahrnehmung, Verringerung der menschlichen Gedächtnisleistung und der Schaffung von unnatürlichen "nicht-humanen" Welten. Führt die Entwicklung, wie Rammert (1990, S.12) suggeriert, letztlich zu "vermehrter Scheinkommunikation, Datenfriedhöfen und Informationsmüll"

1.3.6.7 Soziale Integration vs. Vereinzelung

Mit diesem Spannungsfeld war die schon als "klassisch" zu bezeichnende Diskussion angesprochen, ob die Technik bzw. die Kommunikations- und Informationstechnologie im allgemeinen und die Informatik im Besonderen soziale Strukturen fördert oder zerstört. Die Zeit des "Personal Computers" fällt nicht zufällig in eine Zeit wachsender Individualisierung und hat bis jetzt der Tendenz zur Vereinzelung möglicherweise Vorschub geleistet.

Als neue Entwicklung zeichnen sich jetzt allerdings Möglichkeiten der Kooperation durch vernetzte Systeme ab, sodass gerade über die Weiterentwicklung der Comptertechnologie neue integrative Momente ins Spiel kommen. Die Entwicklung führt über die Interaktion Mensch - Computer hinaus zum Modell Mensch-Compter-Mensch, d.h.über den Computer werden zunehmend auch Personen miteinander vernetzt. Der Computer wird damit zu einem eigentlichen Medium.

Diese Vernetzung eröffnet auch der Kommunikation innerhalb der "scientific community" neue Chancen. Es sind weltweite themen- und projektbezogene Netzwerke denkbar, welche Synergieeffekte unbekannten Ausmasses bewirken könnten. Auch hier stellt sich jedoch die Frage, wieweit elektronische Kommunikation die persönliche Kommunikation ersetzen kann. Wiegen Zeit- und Geldersparnis die Qualität menschlicher Begegnungen auf? Oder braucht es auch im Wissenschaftsbetrieb für befriedigende Kommunikation mehr als einen sachlichen Informationsaustausch?

Inhalt

1.4 Methodisches Vorgehen

Diese Studie orientiert sich im wesentlichen an den Standards der qualitativen Sozialforschung (vgl. Hopf/Weingarten 1984, Heinze 1992, Mayring 1990, Lamnek 1988 u.a.), adaptiert deren Vorgaben aber an die Erfordernisse unserer spezifischen Fragestellung bzw. Adressatengruppe.

Im Zentrum der Arbeit stehen 20 Intensiv-Interviews mit verschiedenen Gruppen von Textautor/innen, die bei ihrer Arbeit (mit zwei Ausnahmen) den PC einsetzen, nämlich mit Geistes- und Sozialwissenschaftlern, Schriftstellern, Journalisten und Redaktoren. Diese PC-Nutzer/innen wurden gebeten, die Details ihrer aktuellen Arbeit und den Stellenwert von Computerprogrammen bei dieser Tätigkeit zu beschreiben. Zudem sollten sie die Arbeit mit dem Computer mit der Schreibweise vergleichen, die sie anwendeten, bevor sie Zugang zu einem PC hatten. Es handelt sich um einen akteurspezifischen praxisorientierten Ansatz, ausgehend von der faktischen Funktionalität des Personalcomputers im Schreibprozess. Von Interesse waren auch alle Mischformen von klassischer und PC-unterstützter Schreibarbeit, Begründungen, welche für solche speziellen Varianten den Arbeitsorganisation angeführt werden sowie Veränderungen im kommunikativen Bereich.

Folgende Tätigkeitsbereiche erwiesen sich in den Vorarbeiten als von besonderem Interesse:
a) Textgenerierung (allgemein)
b) Textverarbeitung : Verfassen von Forschungsberichten, Publikationen, Literaturarbeiten, Bibliographien etc.
c) Layout- und Publikationstätigkeit (inkl. Lektoratsarbeit)
d) Datenbankrecherchen
Der für das Gespräch entwickelte, im Einzelfall jedoch flexibel gehandhabte Gesprächsleitfaden findet sich im Anhang.

a) Auswahl der Interviewpartner/innen
Bei der Auswahl der Interviewpartner/innen wurde darauf geachtet, Leute zu wählen, die auf eine jahrelange Erfahrung im Bereich der Textgenerierung zurückblicken können, und bei deren Arbeit das Verfassen von Texten einen zentralen Stellenwert einnimmt. In etlichen Fällen arbeitet die betreffende Person multifunktional: Ein Professor für Literatur ist gleichzeitig auch Schriftsteller, ein Schriftsteller publiziert auch als Journalist, ein EDV-Berater ist gleichzeitig in einem wissenschaftlichen Verlag tätig, ein Sachbuchautor arbeitet auch journalistisch und als Romanschriftsteller. Durch die Wahl solcher Persönlichkeiten wurde versucht, die Aussagen über veränderte Abläufe im Arbeitsprozess zu multiplizieren oder zumindest zu erweitern.

Die Mehrheit der befragten Personen fällt in die Altersgruppe der 40 - 60 Jährigen, was bedeutet, dass sie über viel Erfahrung in Ihrem Fachgebiet verfügen.Gleichzeitig stellt sich aber auch die Frage, ob diese Altersgruppe, die nicht mit dem Computer "aufgewachsen" ist, den Zugang zur EDV schwerer findet als Angehörige der jüngeren Generation.Um solchen "Widerständen" auf den Grund zu gehen, wurden bewusst auch zwei Personen in die Untersuchung einbezogen, welche nach wie vor bewusst auf den Einsatz des Computers verzichten.

Trotz erheblichem Interesse, weibliche Gesprächspartner in der Studie gleichberechtigt zu Worte kommen zu lassen, waren die entsprechenden Bemühungen nicht sehr erfolgreich. Etliche Frauen lehnten die Teilnahme an der Studie ab, was zur Folge hat, dass unter den total 20 Gesprächspartnern leider nur drei Frauen vertreten sind. Es war deshalb nicht möglich, den geschlechtspezifischen Aspekten die ursprünglich vorgesehene Aufmerksamkeit zu schenken.

b) Durchführung der Interviews
Die ausgewählten Interviewpartner/innen wurden 1993 aufgrund eines Konzeptpapiers mit erklärendem Begleitschreiben (vgl. Anhang) um ihre Mitarbeit gebeten. In der Regel fanden die Gespräche am Arbeitsort des/der Befragten statt, in drei Ausnahmefällen im Büro der Interviewerin. Die Gespräche orientierten sich an dem im Anhang enthaltenen Gesprächsleitfaden, doch liess die Gesprächsführung auch Raum für zusätzliche Informationen, die den unterschiedlichen Arbeitssituationen der Interviewpartner/innen Rechnung trugen.

Alle Interviews wurden auf Tonband aufgezeichnet und anschliessend wörtlich transkribiert. In der Folge wurden die vorliegenden Textprotokolle einer Inhaltsanalyse unterzogen. Die im Grundkonzept vorgenommenen inhaltlichen Kategorien (Spannungsfelder) und die Schwerpunkte des Gesprächsleitfadens dienten dabei als Grundlage der Kategorienbildung , welche im Laufe der Arbeit sukzessive überprüft und erweitert wurde. Ein Versuch, die Inhaltsanalyse mit Hilfe eines EDV-Programms zur Analyse qualitativer Daten zu optimieren, führte leider nicht zum gewünschten Erfolg. Es fand sich im Arbeitskontext keine Fachperson, die bereit gewesen wäre, Einführung und Support in Bezug für das in Frage kommende neue Analyseprogramm zu übernehmen. So musste bei der Auswertung der Daten auf konventionelle Auswertungsstrategien zurückgegriffen werden. Das Ziel der Analyse konnte zwar auch auf diese Weise erreicht werden. Trotzdem ist es bedauerlich, dass die Chance für einen methodischen Lernprozess nicht genutzt werden konnte. Es wäre bei diesem Thema ganz besonders attraktiv gewesen, eine EDV-unterstützten Inhaltsanalyse am praktischen Beispiel zu erproben.

Inhalt


2. Empirische Ergebnisse

Ergebnisse der Befragung von 20 Sozial- und Geisteswissenschaftlern, Journalisten, Redaktoren, Schriftstellern und Verlegern

2.1 Schreibtypen und Schreibprozess am Beispiel von 20 Textautor/innen

Wie in Kapitel 1 ausgeführt, lassen sich bei der Entstehung von Texten bestimmte Standardabläufe unterscheiden und auf Seiten der Autoren auch gewisse Arbeitsweisen oder Schreibstrategien. Ein Schwerpunkt unserer Befragung befasst sich mit eben diesen Punkten: Welches sind die Vorgehensweisen der Befragten beim Verfassen von Texten? Verfügen die befragten Wissenschaftler, Journalisten und Autoren über einen persönlichkeitsspezifischen Schreibstil? Durch welche Merkmale lässt er sich charakterisieren, und inwiefern hat er sich durch die Arbeit mit dem Personal-Computer verändert?

Folgt man der von Bridwell-Bowles et. al. (1987) vorgenommenen Unterscheidung von Textautoren in einen "Mozart-Typ" bzw. einen "Beethoven-Typ", so lassen sich diese beiden "Prototypen" auch unter den in dieser Studie befragten Personen erkennen, wenn auch nicht in Reinkultur. Die einen Autor/innen (Beethoven-Typ) pflegen eine eher intuitive, sprunghaft-spielerische "patchworkartige" Vorgehensweise, bei der sich Struktur und Inhalt eines Textes erst im Laufe des Arbeitsprozesses endgültig herausbilden. Die anderen (Mozart-Typ) betrachten die Textproduktion in erster Linie als Denkprozess. Ein Text entsteht ihres Erachtens zuallererst im Kopf, worauf technische Hilfen dafür eingesetzt werden, ihn auszuformulieren und in eine überzeugende Form zu bringen.

Wie die nachfolgenden Beschreibungen dokumentieren, gibt es neben diesen Prototypen diverse Mischformen sowie weitere Strukturierungsmodi und Schreibmuster. Dafür ist zum einen die Tatsache verantwortlich, dass einzelne Autoren ihre Texte mit Hilfe einer Sekretärein verfassen, sodass die Entstehung eines Textes als arbeitsteiliger Prozess zu betrachten ist. Zum anderen variiert die Arbeitsweise auch nach der Art des zu entstehenden Produktes, je nachdem, ob es sich um einen Kurztext, einen Zeitungsartikel, eine wissenschaftliche Publikation oder einen Roman handelt. Je nach Typ und Länge des geplanten Produkts unterscheidet sich unter Umständen die Vorgehensweise.

Die nachfolgenden Beschreibungen lassen erkennen, dass Fallbeispiel 1 bis 5 im wesentlichen dem eher chaotischen "Beethoven-Typ" entsprechen und Beispiele 6 bis 11 eher dem strukturierten "Mozart-Typ". Bei den restlichen Beispielen (12 bis 16) sind die Charakteristika des Arbeitsstil zuwenig eindeutig, als dass sich eine eindeutige Zuordnung vornehmen liesse. Die Beispiele 17 bis 20 hatten im Rahmen dieser Studie den Charakter von ergänzenden Informationen und wurden deshalb in diese Schrifttyp-Analyse nicht einbezogen.

Im Rahmen unserer Befragung interessierten wir uns im speziellen dafür, ob sich die Arbeitsweise beim Verfassen von Texten durch den Computereinsatz wesentlich verändert habe und wenn ja inwiefern. Die meisten der Befragten bekundeten keinerlei Mühe, ihre Vorgehensweise zu beschreiben und den früheren Arbeitsprozess mit dem heutigen unter Einsatz des PCs zu vergleichen. Einige der Autoren wiesen allerdings zu Recht darauf hin, dass Veränderungen in der Arbeitsweise auch auf persönliche Lern- und Entwicklungsprozesse zurückzuführen seien und deshalb nicht ausschliesslich als Auswirkung neuer Technologien interpretiert werden könnten. Da sich die Studie schwerpunktmässig mit Fragen der Arbeitsstrategien und -inhalte befasst, konnten diese zusätzlichen Einflüsse leider nicht erfasst werden.
 

Beispiel 1: Herr B., Politikwissenschafter und Mitarbeiter an Technologiefolgeprojekten.

Herr B. hat seine Dissertation noch mit der Schreibmaschine geschrieben, was eine sehr schwierige Erfahrung war.

"Ich bin jemand, der seine Texte immer wieder überarbeitet. Es ist nicht so, dass ich ein Konzept im Kopf habe und genau weiss, wie etwas sein soll und es dann schreibe. Es kann z.B. sein, dass ich zwei Seiten von Hand schreibe und das dann überschreibe, sodass es immer 'gesudelter' wird, und ich es am Schluss kaum mehr lesen kann. Dann muss ich anfangen, es wieder sauber zu schreiben und habe dann oft das Gefühl, jetzt müsste alles neu zu Papier gebracht werden (...) Erst mit dem Text wird der Gedanke eigentlich geboren und fassbar... und auch wieder verworfen. Es gibt häufig Textfassungen, Abschnitte und Darstellungen, die wieder im Papierkorb landen. Oder ich merke erst beim Schreiben, dass ich eine Auswertung machen muss, die ich vorher nicht gemacht habe. Ich kann nicht alles vorhersehen; dieser Entstehungsprozess ist ein wenig chaotisch".

In früheren Zeiten war dieser Arbeitsstil mit vielen Nachteilen belastet. Herr B. konnte auch nicht gut diktieren. Oft bekam er von der Sekretärin einen Text zurück, der so fehlerhaft war, dass er wieder von vorne anfangen musste. Die durch den Computer bewirkten Veränderungen sind für ihn deshalb ein Gewinn. Der Computer ist eine Erleichterung, weil er seiner Arbeitsweise entspricht, an ein Problem heranzugehen.

"Für mich ist der Computer das ideale Instrument, weil ich ein paar Seiten schreibe und dann nochmals ein paar Seiten, und dann hänge ich es zusammen, und mit Sicherheit fange ich nachher noch zweimal von vorne an. Und da kann ich Textbausteine verwenden, was ich vorher nicht konnte".

Herr B. bewundert Kollegen, welche bei der Erarbeitung von Texten von einer Struktur ausgehen und diese dann systematisch mit Text anreichern oder ganze Aufsätze in einem Atemzug diktieren können. Er selber geht "wahnsinnig zirkulär" vor und findet deshalb den Computer die ideale Arbeitshilfe, auch als Mittel gegen allfällige Schreibblockaden.

"Wenn man etwas Komplexes schreiben soll, weiss man eigentlich nie, wo anfangen, Ich kann mir schon vorstellen, dass es vereinfachend wirkt, mit dem PC zu arbeiten. (...) Der erste Satz ist ja sehr wichtig. Ich weiss aber selten von Anfang an, was da stehen soll, so schreibe ich dann halt irgend etwas, wobei ich genau weiss, dass die ersten Sätze später wieder umgeschrieben werden. Und so komme ich irgendwie ins Schreiben hinein".

Nach frühen Erfahrungen auf Computer-Grossystemen ist Herr B. im Laufe der Jahre zum "simplen Anwender" geworden, der sich zwar für alles interessiert, mehrheitlich aber nur noch mit Textverarbeitung, Statistikprogrammen und Datenbanken arbeitet.

Das Urteil über den Computer und seine Auswirkungen fällt gesamthaft positiv aus. Herr B. stellt sich allerdings die Frage, ob der PC möglicherweise seinem Hang zur Bequemlichkeit Vorschub leiste: "Ich bin nicht sicher, ob ich nicht besser denken gelernt hätte, wenn ich den Computer nicht hätte. Ich habe gesagt, dass meine Arbeitsweise etwas chaotisch ist. Ich kann mir immer noch vorstellen, dass ich gelernt hätte, klarer zu denken, wenn ich den Computer nicht gehabt hätte. Ich würde mir vielleicht zuerst überlegen, was ich schreiben möchte, weil ich den grossen Aufwand scheuen würde, etwas einzutippen (...) Manchmal denke ich mir, dass es mir der Computer in dieser Hinsicht vielleicht zu leicht gemacht hat".
 

Beispiel 2: Herr C., Journalist und Sachbuchautor

Herr C. pflegt einen eher sprunghaften Arbeitsstil. Seine Texte entstehen mosaikhaft patchworkartig. Als er noch ohne PC arbeitete, plante er seine Texte länger als heute und fertigte u.U. auch Konzepte oder Entwürfe von Hand an, bevor er auf der Schreibmascheine zu arbeiten begann. In der Regel schrieb er den Text dann an einem Stück zu Ende. Dann kam der Prozess des Umgestaltens: Er zerschnitt den Text und setzte ihn neu zusammen oder schrieb ihn nochmals ab. Dieses Zerschneiden und neu Arrangieren war Teil seiner damaligen Arbeitsökonomie.

Heute läuft die Arbeit im Vergleich zu früher organischer, und die Angst, ein ganzes Papier nochmals abschreiben zu müssen, entfällt. Wie Herr C. betont, kommt der PC seinem Wesen sehr entgegen. Seine Arbeitsweise hat sich durch den PC-Einsatz verändert, indem er jetzt den Einstieg nach Belieben wählen und den Text nach Bedarf schreiben und umgestalten kann. Er geht heute ganz unbelastet an seine Schreibarbeiten heran. Kurze Texte schreibt er nach wie vor von A bis Z; ein eigentliches Konzept braucht er dafür nicht.
Heute verfasst Herr C. nur noch bei grossen Arbeiten (z.B. Büchern) ein Konzept, weil dies auch für Gespräche mit dem Verleger von Nutzen ist. Bei anderen Texten wählt er den Einstieg an einem beliebigen Ort und fängt dann an, den Text umzugestalten. Gelegentlich benutzt er auch den Scanner, um Texte einzuspeisen, dies ebenfalls als Teil seiner Arbeitsökonomie. Die Arbeit ist durch den PC-Einsatz effizienter und produktiver geworden, der Papierverschleiss allerdings keineswegs geringer, da Herr C. die Gewohnheit hat, von jeder Textvariante einen Ausdruck herzustellen.
 

Beispiel 3: Herr H., Leiter einer sozialwissenschaftlichen Datenbank

Für Herrn H. wurde der PC als Arbeitsinstrument sozusagen von einem Tag auf den andern zu einer einschneidenden Zäsur. Herr H. kann keine ausformulierten Sätze machen, sondern "muss mit dem Text ringen und ihn umstellen". Deshalb stand früher am Anfang des Schreibprozesses das Schreiben von Hand.

"Das Schreiben von Hand war für mich wie ein Ritual, welches mit dem Denken verknüpft war. Ich habe zu schreiben angefangen, einen Faden aufgenommen und dann wieder gestrichen und umgestellt... Mit der Schreibmaschine war das nicht möglich, auch wenn ich es immer wieder versucht habe".

Herr H. war deshalb auf eine Sekretärin angewiesen, der er seinen handgeschriebenen "Brouillon" zum Abschreiben übergeben konnte. An diesem Text hat er dann weitergearbeitet, sodass schliesslich zwei bis drei Textvarianten entstanden. Heute braucht Herr H. die Handschrift nur noch, wenn er keinen PC zur Verfügung hat. Die Arbeit mit dem Computer wurde zu einer ganz prägnanten Erfahrung, weil ihm der PC ermöglichte, einen Text ohne Entwurf direkt einzutippen.

"Mit der Schreibmaschine hat es nicht funktioniert, mit dem Diktiergerät hat es nicht funktioniert, und doch wollte ich es nochmals versuchen. Und es klappte tatsächlich, praktisch vom ersten Tag an. (...) Man kann richtig mosaikhaft arbeiten und hat am Ende doch einen sauberen Text. Es hat geklappt; und von diesem Tag an habe ich praktisch alles auf dem PC geschrieben. (...) Ich kann nicht linear denken; ich muss immer mit dem Text ringen. Das Umstellen des Textes ist mit dem PC wirklich optimal".
 

Beispiel 4: Herr Prof. W., Sozialwissenschaftler

Auch Herr W. erlebte es als Aha-Effekt, dass er Entwürfe auf dem Computer selber eintippen konnte.

"Ich habe sehr Mühe, einen Text zu schreiben, weil ich 'büschele und schaffe' und daran feilen muss. Früher habe ich immer geklebt, gummiert und nur mit Bleistift geschrieben. Ich habe mir nie vorstellen können, dass ich direkt in den Computer schreiben könnte".

Als Produkt dieser Arbeit im Do-it-yourself-Stil lag jeweils ein geklebter und gummierter Text vor, der auf der Maschine abgeschrieben wurde und im wesentlichen schon in die Schlussfassung mündete. Das Abtippen hat Herr W. in der Regel selber übernommen; einzig die Reinschriften für Buchpublikationen hat er nicht selber ausgeführt, sondern an eine Sekretärin delegiert.

Heute empfindet er es als grossen Vorteil, alle Textsorten auf dem Computer gespeichert zu haben, um - ausgehend von irgendwelchen Originaltexten - Briefe oder Aufsätze zu schreiben oder Tabellen herstellen zu können. Er verzichtet jedoch in der Regel darauf, bestehende Texte zum Zwecke der Mehrfachverwertung zu überarbeiten: 

"Wenn ich originell schreiben will, beginne ich immer von Anfang an. (...) Ich merke, dass ich mich selber zu langweilen beginne, wenn ich Text nur überarbeiten muss. Wenn ich gut sein will, weiss ich, dass ich etwas Bestehendes nicht benutzen kann, sondern neu beginnen muss, damit eine gewisse Spannung aufgebaut wird".

In früheren Zeiten verspürte Herr W. immer ein Unbehagen, wenn er Hilfsarbeiten, wie z.B. das Abtippen, an eine andere Person delegierte. Neben technischen Erleichterungen hat er durch den PC somit noch etwas gewonnen, nämlich

"ein gutes Gewissen in Bezug auf die Arbeitsteilung ... dass man auch langweilige Arbeiten selber macht, auch die Restsachen, welche ich früher weitergegeben habe. Es gab viel Arbeit mit dem Zurückgeben des Textes, und dann war es doch wieder nicht richtig. Das ist eine Riesenerleichterung, dass man auch im Gestalten des Textes sein eigener Herr ist".
 

Beispiel 5: Herr B., Physiker, Berater und Autor von Technologiefolge-Studien

Herr B. pflegt einen "handwerklichen" Arbeitsstil, der sich durch den PC-Einsatz nur wenig verändert hat. Er gehört nicht zu denen, die "druckreif formulieren", sodass die Sätze vor seinem Auge nachher Bestand haben könnten. Auch heute noch beginnt er die Arbeit an einem Text mit Kugelschreiber und Papier und schreibt zuerst von Hand.

"Ich kritzle von Hand auf Abfallpapier und 'töggele' das dann nachher ein. Es gibt eigentlich wenig Sachen, die ich direkt schreibe; es ist immer eine Wechselwirkung zwischen meinen Blättern und der Maschine. (...) Am Anfang steht ein Entwurf, doch die Arbeit daran ist im Vergleich zu früher einfacher geworden; es ist einfacher, das ganze Zeug immer wieder zu verändern und neu zu gruppieren. In der zweiten und dritten Phase ist die Konzentration stärker auf den Schirm gerichtet, doch wenn ich ganze Abschnitte neu machen muss, gehe ich auch dann wieder zurück zu Kugelschreiber und Papier".

Herr B. hat beim Schreiben immer Papier dabeiliegen, betont aber, seine Handschrift könne inzwischen niemand mehr lesen. Es sei jedoch nicht so, dass die Arbeit am Bildschrim die Handschrift verdrängt habe, er pflege sie z.B. beim Briefeschreiben eher mehr als früher.

"Während ich früher die meisten Briefe auf der Schreibmaschine geschrieben habe, tippe ich sie jetzt eigentlich von Hand, mit Ausnahme von gewissen Geschäftsbriefen, aber selbst bei denen geht inzwischen die Hälfte 'von Hand' weg, denn das geht schneller".
 

Beispiel 6: Frau M., Soziologin und Planerin

Frau M. ist ein "Computer-Verweigerin". Sie arbeitet noch immer auf der Schreibmaschine bzw. auf dem Schreibautomaten und ist überzeugt, dessen Potential in keiner Weise auszuschöpfen. Frau M. schreibt kaum Texte von Hand; sie sagt, das sei "die absolute Katastrophe". Mit der Maschine hingegen schreibe sie fast druckreif. Viele Texte schreibe sie direkt in die Maschine. Dies diszipliniere sie unerhört, was sie als positiv empfindet.

"Die grossen Sachen, die ich habe - grosse Berichte - schreibe ich selber in die Maschine, und dann habe ich eine Frau, die mir das umschreibt. Und das hat mir wahnsinig geholfen, einen Text nachher zu sehen, gestaltet durch eine andere Person".

Frau M. kann sich nicht vorstellen, dass der PC für sie eine Erleichterung wäre.

"Meine Kollegen, die können ja nicht auf einer (Schreib)Maschine schreiben. Die schwärmten: das ist wunderbar. Du kannst beliebig Zeilen rausnehmen und reinsetzen, und wenn Du Dich vertippst... Da sagte ich: Wozu? Ich muss nie Zeilen rausnehmen!"

Natürlich ist auch Frau M. mit Aufgaben konfrontiert, die sich ohne Computer kaum mehr erledigen lassen, z.B. wenn es um Berechnungen oder tabellarische Darstellungen geht. Doch sie versucht, ihre Projekte immer so zu bearbeiten, dass sie diese Arbeiten delegieren kann. Bis vor einem Jahr hatte sie eine Mitarbeiterin, die das perfekt beherrschte; da war sie "fein raus".

Im übrigen spielt - wie Frau M. einräumt - auch ein Stück Trägheit mit hinein: "Man braucht eine gewisse Angewöhnungszeit, um die Arbeit auf dem PC zu lernen. Wenn ich arbeite, laufe ich aber ständig "auf dem letzten Zacken", d.h. ich habe schlicht keine Zeit, mir während der Arbeit noch den Luxus zu leisten, eine neue Technik zu erlernen.(...) Wenn ich mal nicht so sehr beschäftigt bin, so ist der Leidensdruck zu klein, als dass ich sagen würde: Jetzt habe ich Zeit, jetzt erlerne ich das.

Frau M. nennt zwei weitere Gründe, welche sie hindern, sich auf den PC einzulassen, nämlich den Verlust an taktiler Sinnlichkeit, der ihres Erachtens mit der Computerarbeit verbunden ist sowie die durch die Computertechnik ausgelöste Vereinheitlichung des Schriftverkehrs, welche sie als Verarmung empfindet.
 

Beispiel 7: Herr C., Prof. für Literatur und Kultur

Bevor sich Herr C. einen Computer angeschafft hat, verlief sein Arbeitsprozess typischerweise in drei Etappen. Zuerst hat er von Hand eine Stichwortliste und einen Textentwurf geschrieben. Diesen hat er dann überschrieben und zuletzt auf der Schreibmaschine abgetippt. Die Maschine war dann quasi "die letzte drohende Falle", in die er hineinging. Als die Zeit des Tip-Ex kam, begann er zu kleben und zu korrigieren. Und mit den Kopiergeräten kam wieder eine andere Form von Freiheit. All das waren seines Erachtens aber nur Vorstufen zu dem, was der Computer möglich macht, nämlich frei schalten und walten mit Textelementen.Was Herrn C. von Anfang an für den Computer eingenommen hat, ist die Tatsache, dass man Textstellen mit einem einzigen Knopfdruck und quasi ohne Erinnerungsfolgen löschen oder überschreiben kann. Mit dem PC hat der Arbeitsablauf gewisse Aenderungen erfahren:

"Es kommt auch heute noch vor, dass ich mir Stichworte mache. Ich setze mich hin, mache einen ersten 'Durchlauf' und schaue mir dann an, was ich geschrieben habe. Ich drucke es aus, und dann kommt sicher noch eine Revision. Das läuft mir bis zum heutigen Tag am Text selber leichter als am Bildschirm. Die endgültige Fassung entsteht dann eigentlich sehr schnell aufgrund dieses ersten Ausdrucks".

Herr C. zählt sich zu den Computer-Pionieren, der schon mit dem neuen Medium arbeitete, als sich gewisse Kollegen noch enorm dagegen gewehrt haben. Anfänglich kam ihm der Computer wie ein Fremdkörper vor, weil er eine so komplizierte Befehlssprache hatte. Inzwischen ist er jedoch zu einem ganz normalen Hilfsmittel geworden, das ihm alles bietet, was er für seine Schreibtätigkeit braucht, dies nach einer Phase, die Herr C. als "die Romantik der mittleren 80er Jahre" bezeichnet. Damals hatten sie sich in den Kopf gesetzt, ein druckfertiges Produkt ganz auf dem Computer fertigzustellen, was sich in der Folge als unrealistisch erwies. Herr C. vertritt heute die Meinung, es sei klüger, sich als Wissenschaftler um die Qualität des Textes zu kümmern und das Gestalterische den grafischen Betrieben zu überlassen. Er hat auch keine Wünsche an die weitere Technikentwicklung. Was er für sich braucht, sucht er nicht mehr bei den Computern.
 

Beispiel 8: Herrn B., Geologe und Mitarbeiter an wissenschaftlichen Projekten

In seiner Arbeit kennt Herr B. so etwas wie ein Standard-Schreibmuster, das allerdings von Projekt zu Projekt leicht variiert. Im allgemeinen strukturiert er seine Texte sehr stark vor.

"Bevor ich schreibe, strukturiere ich meine Texte. Ich überlege mir grundsätzlich immer, was ich will. Das bringe ich zu Papier und schreibe es so, wie ich mir die Struktur vorstelle. (...)

Es gibt selten Momente, bei denen ich mich hinsetze und einfach zu schreiben beginne. Ich baue immer zuerst das Skelett und überlege mir sehr klar, was ich will. Erst dann kommt allmählich das Fleisch daran, und dieser Skelettaufbau geschieht meistens auf dem Papier und nicht am Computer. Es sind so Papierfetzen, welche ich beschreibe, ausschneide, umordne etc. Erst wenn es eine Form hat, von der ich den Eindruck habe, ich könne sie gebrauchen, kommt es in den Computer. Das Schreiben selber ist dann eigentlich kein Problem mehr. Wenn ich soweit bin, dass ich das Skelett habe und auch meine Daten, dann ist das Schreiben etwas sehr Schnelles".

Bei der Ausgestaltung kommt es immer darauf an,was für Typen von Text es sind. Es gibt eine ganze Serie von Routinentersuchungen und Studien, welche immer nach demselben Muster ablaufen. Diese kann Herr B. direkt am Computer bearbeiten, nach dieser Phase des "Skelettbaus". Grosse Texte lässt er zwischendurch aber unter Umständen liegen und geht erst am nächsten oder übernächsten Tag wieder daran.

Herr B. könnte sich heute nicht mehr vorstellen, eine grössere Publikation ohne PC zu erarbeiten. Insbesondere die Textprogramme findet er einen enormen Gewinn gegenüber früheren Zeiten.

"Der PC hat eine ganze Serie von Vorteilen. Wenn man einen Text erfasst hat, ist es fertig mit dem ewigen "Cut and Paste", das man früher hatte, mit dem ganzen Schnipseln und Korrigieren. Das war fürchterlich mühsam. Wir sind früher auch von den Sekretariatsarbeiten abhängig gewesen, obwohl ich das nach Möglichkeit selber gemacht habe. (...) Durch den PC ist man sehr viel unabhängiger geworden, die ganzen Korrekturen sind bei einem Textprogramm viel einfacher".

Herr B. ist Mitinhaber eines kleinen Büros und damit auch mit gewissen Grenzen der EDV konfrontiert. Sie arbeiten auf zwei Systemen, was eine tragbare finanzielle Belastung darstellt. In Bezug auf die neueste Software hinken sie jedoch der Entwicklung hinterher.

"In unserem kleinen Büro versuchen wir alles zu machen, wie man es früher machte, als die Struktur noch nicht so spezialisiert war. Wir versuchen zu diversifizieren und alles im Griff zu behalten. Dabei bemerken wir, dass sehr viel Zeit mit der Einarbeitung verloren geht (...) Man sitzt stundenlang vor den Apparaturen, und der Erkenntnisgewinn ist eigentlich sehr klein".

Herr B. ist der Meinung, dass der EDV-Gebrauch neue Abhängigkeiten nach sich ziehe. Für die Einführung von neuen Programmen zieht er in der Regel Hilfe von aussen bei. Für das EDV-Buchhaltungsprogramm brauchte er beispielsweise eine intensive Begleitung von einem Buchhalter. Nebst Vorteilen nimmt er als EDV-Nutzer also auch Nachteile in Kauf.
 

Beispiel 9: Herr H., Politologe

Herr H., der eben an einer umfangreichen wissenschaftlichen Publikation arbeitet, geht in seiner Tätigkeit nach einem Standardschema vor, das sich auch durch den Einsatz des Computers wenig verändert hat. Unabhängig davon, ob es sich um einen narrativen oder einen mit Tabellen angereicherten Text handelt, beginnt er zuerst mit einem handschriftlichen Entwurf. Erst dann kommt die "Input-Phase", in der er den Text auf dem Computer erfasst.

"Ich arbeite zuerst mit handgeschriebenen Texten, mit verschiedenen Farben für Text, Zitate und entsprechenden Unterstreichungen (...) Das sind manchmal Berge von handgeschriebenen Blättern - es können zweihundert sein oder auch vierhundert. Mit relativ wenig Griffen und wenig Umblättern kann ich darauf schliessen, was wo ist".

Bereits in der handschriftlichen Phase schliesst Herr H. das Grundkonzept ab. Während des Tippens überprüft er den Text dann auf Einfachheit und Lesbarkeit und nimmt anschliessend eine Layout-Kontrolle vor. Aber das eigentliche Formulieren, das Denken, geschieht in der handschriftlichen Phase, die eine grosse Aehnlichkeit mit einem Entwurf hat.

"Es gibt zwei drei Hindernisse, weshalb ich das Grundkonzept nicht auf dem Computer mache. Erstens werden meine Augen am Computer sehr schnell müde und zweitens schreibe ich nicht im 10-Finger-System. Für einen einfachen Brief, für routinemässige Tätigkeiten wie Tabellen erstellen, Rundschreiben machen etc. ist das kein Problem. Aber bei komplizierteren Sachen und bei grösseren Texten, wenn es um die Produktion von 10, 20 oder 50 Seiten geht, dann gibt es zuerst immer die handschriftliche Phase".

Herr H. betont, er schrecke davor zurück, alles was er lese oder möglicherweise einmal zitieren wolle, auf dem Computer zu erfassen. Alles, was man auf den Computer "lade" - sei es ein Rohtext, eine Zitatesammlung oder ein fertiges Manuskript - sehe immer gleich aus: Schwarze Buchstaben auf weissem Papier. Das störe ihn vor allem deshalb, weil es nicht mehr möglich sei, die einzelnen Arbeitsschritte zu erkennen. Zudem sei es schwierig, sich auf dem Bildschirm zu orientieren, wo sich die einzelnen Textstellen befänden.

Herr H. findet, Texte sollten in der Entstehungsphase eine gewisse Eigendynamik entwickeln können: "Ich will nicht, dass es so perfekt wirkt und ich möchte nicht, dass es auf mich die Auswirkung hat, dass ich mich von Anfang an festlege und die Struktur nicht mehr verändert werden kann, weil es EDV-technisch viel zu viele Probleme gibt. Ich möchte die Eigendynamik des Textproduzierens nicht einsperren in ein allzu enges Korsett. Je mehr Untertitel man macht, je stärker man so etwas gliedert, desto stärker ist man eingeschränkt in der Argumentation und im Schreiben des Textes.

Herr H. meint, er hätte als "Einzelgestalter" durch den Computer sehr viele Möglichkeiten gewonnen, den Text attraktiv zu gestalten. Nachträgliche Aenderungen lassen sich leicht integrieren, ohne dass man - wie noch vor 10 Jahren - gezwungen wird, alles neu zu schreiben. 

"Es hat auch Nachteile: die Leute, die Text nachher korrigieren oder gegenlesen müssen (...) sind natürlich wesentlich korrekturfreudiger. Sie sagen, das geht schnell, das macht nichts. Die Abschlussarbeiten an einem Text, die schöne Gestaltung etc., sind immens gestiegen durch die Anwendung des PCs. Die Ansprüche an die äussere Gestaltung sind viel höher als zu Zeiten der Schreibmaschine".
 

Beispiel 10: Herr Z., Schriftsteller, Journalist und Erwachsenenbildner

Für Herrn Z. ist Schreiben etwas, das vor allem im Kopf stattfindet. Bis er überhaupt den ersten Buchstaben schreibt, muss ein Text eine gewisse Reife haben. Dies gilt seines Erachtens nicht nur für Bücher sondern auch für einen Zeitungsartikel.

Früher hat Herr Z. die Texte immer zuerst von Hand geschrieben. Dann hat er auf der Schreibmaschine die Schlussfassung geschrieben, welche er dann nochmals von Hand korrigierte. Durch die Arbeit mit dem PC ist die Struktur des Schreibprozesses nicht mehr so klar. Der Uebergang von der Handschrift zum Computer ist heute fliessend.

"Bei Pressetexten kann ich oft einfach hinsitzen und sie schreiben. Literarische Sachen entwerfe ich noch immer eher auf dem Papier. Die Bearbeitung des Textes hat sich stark verändert (...), Früher überarbeitete ich nicht so lange, weil ich einen Widerstand verspürte, alles noch einmal abzutippen. Heute fallen die Handfassungen weg, und es ist viel einfacher."

Herr Z. hat seine Texte seit jeher selber getippt und dies als Chance verstanden, den Text beim Abschreiben nochmals zu bearbeiten. Diese Tipparbeit hat er jeweils als mühsam empfunden. Er schätzt deshalb die Vorteile, die ihm heute der Computer bietet: 

"Der Vorteil des Computers liegt in der Flexibilität. Man kann den Text besser bearbeiten und das Material ist weicher. (....) Ein weiterer Vorteil ist, dass ich einen Text viel länger bearbeiten kann. Ich kann jetzt Bücher und Zeitschriften zuhause selber herstellen. Bis zum Druck kann ich alles selber machen. (...) Wir bearbeiten die Publikationen eins zu eins am Bildschirm, machen danach einen Ausdruck auf Papier und lassen dann die Filme machen".
 

Beispiel 11: Frau Sch., Schriftstellerin und Journalistin

Für Frau Sch. hat sich ihre Autorentätigkeit trotz Computereinsatz nicht wesentlich verändert. Das Vorgehen variiert jedoch, je nachdem, ob es sich es sich um ein literarisches Buch oder einen Zeitungsaufsatz handelt. Zuerst notiert Frau Sch. den Stoff, den sie recherchiert hat, in Form von handschriftlichen Notizen und legt damit eine kleine Dokumentation an. Den Stoff strukturiert sie dann in einzelne Kapitel und füllt diese dann in der Art von Gefässen mit Inhalt.

m Gegensatz zu vielen anderen Autor/innen hat Frau Sch. auf dem PC eine systematischere Arbeitsweise als früher. Die Methode ist dieselbe geblieben, aber sie arbeitet am PC konzentrierter als früher, als sie einfach handschriftliche Notizen schrieb und diese in Mäppchen ab legte, sodass sich anfänglich immer viel Material ansammelte. Sie geht selektiver vor und empfindet den Computer als "Disziplinierung".

Andererseits stellt sie auch fest, dass ihr der Computer kreative Freiräume eröffnet und zudem die "Angst vor dem weissen Blatt" abbbaut: Der PC ist ihres Erachtens für viele Leute, welche schreiben müssen, ein grosser Vorteil, weil er ihre Schreibhemmungen löst. Hingegen hat sie ihn nie als Instrument betrachtet, um ihre Arbeitsproduktivität zu steigern. Im Gegensatz zu anderen Autoren, die von ihren Texten Zweit- und Drittverwertungen machen, hält sie nichts davon, sich zu reproduzieren

Frau Sch. schätzt die Erleichterungen, die ihr der PC bei der Arbeit bietet. Sie findet die Schreibarbeit mit dem Computer als lustvoller, weil man mit ihm spielen kann und empfindet ihn eher als Partner denn als Schreibmaschine.

Am Anfang hatte ich einfach Lust, an diesem Apparat herumzuspielen. Mit der Zeit nimmt das dann wieder ab. Jetzt steht die reine gedankliche Produktion im Vordergrund; die technischen Umstände treten wieder in den Hintergrund".

Letztlich ist das Verhältnis von Frau Sch. zum Computer jedoch von Ambivalenz geprägt, ins besondere in Bezug auf dessen Entlastungsfunktion. 

"Der Computer entlastet einen vielleicht zu stark", überlegt sie."Wir wissen zwar auch nicht, wie unser Gehirn funktioniert, aber ich gebe Verantwortung ab. Ich bin abhängiger vom Computer als von meinem eigenen Gehirnspeicher. Ich bin überzeugt, dass diese Abhängigkeit ein Nachteil ist, weil nur ganz wenige Leute dieses Medium beherrschen (...) Man ist nicht mehr Frau oder Herr seiner Arbeit. Diese Gefahr ist grösser als bei der Schreibmaschine".
 

Beispiel 12: Herr B., Schriftsteller und journalistischer Mitarbeiter

Herr B. bezeichnet sich als "absolut untechnischen Menschen". Trotzdem war er einer der ersten Schriftsteller, die mit dem PC gearbeitet haben. Er braucht ihn allerdings ausschliesslich zum Schreiben und nutzt sein Leistungspotential somit in keiner Weise aus.

Die durch den PC verursachten Veränderungen zu beurteilen, fällt Herrn B. schwer. Er denkt, sein Schreiben hätte sich im Laufe der Jahre ohnehin verändert:

"Es gibt beim Schreiben immer Veränderungsprozesse, weil die Person sich verändert, weil man vielleicht einen anderen Ansatz für Literatur hat, eine andere Auffassung von dem, was ein Roman ist. Das gibt Veränderungen(...), ob mit oder ohne Computer.

Der Arbeitsprozess an einem Roman ist ein sehr langwieriger und dauert u.U. über Jahre. Trotzdem erkennt Herr B. ein Standardmuster, nach dem die Texte entstehen.

Am Anfang stehen irgendwelche Ideen, Sätze, Beobachtungen, Partikel, die vorerst noch unverbunden nebeneinander stehen. Sie haben den Charakter von Informationen, die Herr B. sammelt, obwohl zwischen ihnen noch kein Zusammenhang zu erkennen ist. Er braucht dann jeweils rund ein Jahr, um in diesem Komplex von Informationen, von Sätzen, von Zeitungsausschnitten ein Gerüst zu erkennen. Und weil ihn beim Schreiben immer die Romanpersonen interessieren, denkt er sich dann diese Personen aus und stellt sich ihre Biographie vor.

"Da ist viel im Kopf und auf Notizzetteln von Hand oder in einem Buch. Ich schreibe eigentlich auf alles, worauf man schreiben kann mit sämtlichen Hilfsmitteln, ob das nun Farbstift oder Tinte ist, das spielt gar keine Rolle. Ich schreibe von Hand, bis ich weiss, jetzt kann ich dann loslegen, und dann benutze ich den Computer.(...) Zuerst ist alles diffus, und ich muss aus dem Diffusen die Konturen herausfiltern. Und wenn ich diese Konturen einigermassen sehe, muss ich eine Tonart finden, und wenn ich da eine gewisse Sicherheit habe, beginne ich mit dem inutitiven Schreiben am Computer".

Herrn B's Arbeitsstil am Computer ist ein sehr spezieller. Wenn er einmal mit Schreiben begonnen hat, fährt er damit im Prinzip fort, bis der ganze Text im Computer erfasst ist.

"Ich bin nicht ein Autor, der, wenn er einen Text geschrieben hat, diesen Text nachher überarbeitet. Sondern am andern Tag fahre ich weiter, ohne das vorherige zu lesen. Und ich gehöre nicht zu den Autoren - das machen viele - die sozusagen jede Seite, die sie geschrieben haben, ausdrucken und dann von Hand korrigieren und die Korrekturen wieder eintippen und dann nochmals ausdrucken. Ich schreibe ein Buch am Computer. Und wenn es geschrieben ist, drucke ich es aus. Wenn ich es ausgedruckt habe, dann lege ich den Ausdruck beiseite und beginne am Computer mit den Korrekturen".

Herr B. erstellt von jeder Textfassung einen Sicherheitsausdruck, den er dann in einer Schachtel aufbewahrt. Zudem speichert er die Daten im Interesse der Datensicherheit und -kontrolle auch auf der Harddisk oder auf einer Diskette. Korrekturen führt er jedoch grundsätzlich nur am Bildschirm aus, da er es unerträglich findet, einen Text von 300 Seiten mühsam vom Blatt reinzukorrigieren auf den Bildschirm.

Als grössten Vorteil des Computers bezeichnet Herr B., nach zehn Jahren Erfahrung, das Ordnungssystem:

"Ich bin ein unordentlicher Mensch, und ich habe immer Probleme, Ordnung zu halten in meinen Dingen. Der Computer ist eine wunderbare Ordnungsmaschine. Ich schreibe, und am Schluss stelle ich das Gerät ab: Aufgeräumt! (..) Wenn der Computer ausgeschaltet ist, ist alles verschwunden. Das gefällt mir".

Herr B. betrachtet den Computer als reines Arbeitsinstrument. Alles, was er damit macht, könnte er grundsätzlich auch mit Bleistift und Papier machen. "Aber ich kann es bequemer und angenehmer machen mit diesem Gerät. Manchmal liebe ich es sogar, besonders nachts, wenn ich das Licht ausschalte und nur der Computer läuft. Der surrt ein bisschen, und das klackt so, und es ist wie ein 'Wegdriften'; das gefällt mir sehr gut".
 

Beispiel 13: Frau H., Soziologin und Journalistin

"Meine Engpässe sind im Kopf - also beim Denken - und nicht in den Fingern", dachte Frau H., als seinerzeit die Anschaffung eines Computers zur Diskussion stand. Sie scheute sich anfänglich, diese Investition zu tätigen und weiss auch heute noch nicht, ob sich die Ausgaben wirklich gelohnt haben. Gesamthaft gesehen produziert sie umfangmässig nicht mehr Text, doch hat sich ihre Arbeitsweise verändert:

"Ich habe früher länger von Hand gearbeitet, bevor ich an die Maschine gesessen bin. Jetzt tue ich dies früher, weil alles einfacher zu korrigieren ist und man nicht jede Menge Papier produziert."

Frau H. kennt kein einheitliches "Schreibmuster", sondern passt ihre Arbeitsweise dem jeweiligen Thema an. Zu Beginn sucht sie immer einen geeigneten Einstieg, einen "Schuhlöffel", mit dem sie das Interesse des Lesers wecken und ihm klarzumachen kann, worum es sich handelt.

"Ich versuche einen Einstieg mit dem 'Clou' der Geschichte, oder mit etwas anderem, was ins Auge springt. Häufig brauche ich das auch für mich selber, um die Sache ins Lot zu bringen. (...) Im Moment, wo ich einen Satz hinstelle, muss ich wissen, wie der Text in der Abfolge aussieht und wie die Geschichte läuft. Es kann einmal vorkommen, dass ich mit etwas beginne und merke: Da habe ich ja nie Platz, das wird zu lang. Dann kann es vorkommen, dass ich nochmals völlig neu wiederbeginne. Doch das ist eher die Ausnahme".

Die heutige Arbeitsweise von Frau H. unterscheidet sich in gewissen Punkten von der früheren, obwohl sich die journalistische Arbeit durch den Computereinsatz natürlich nicht grundlegend verändert hat. Nach wie vor arbeitet sie nach relativ genau festgelegten Vorgaben in bezug auf den Umfang des Textes.

"Ich habe (früher) häufig provisorische Sätze geschrieben - auch Stichwörter - und dann die Reihenfolge festgelegt. Dann habe ich relativ grosszügig zu formulieren begonnen. Und erst, wenn mir der Verlauf der Geschichte klar war, bin ich an die Maschine gesessen. Das sind nun Dinge, welche ich heute am Bildschirm erledige. (...) Man fühlt sich mit dem PC freier, einfach einmal zu beginnen und aus zuprobieren ob der Text 'hineinpasst'. Die Arbeit ist beweglicher geworden in Bezug auf das Zusammenstreichen, Ausweiten etc."
 

Beispiel 14: Herr W., Journalist und Leiter einer Sportredaktion

Im Aktualitätenbereich der Zeitungsbranche hat der PC die Arbeitsabläufe in den letzten Jahren entscheidend verändert. Zwar sind die Arbeitsinhalte noch dieselben, doch durch die Einführung der neuen Medien haben sich die Produktionszeiten sukzessive verkürzt. Teile des traditionellen Arbeitsablaufes fallen weg und die Zeit, die den Journalisten für das Verfassen von Texten zur Verfügung steht, ist entsprechend knapper geworden. Im Falle eines Sportanlasses wird in der Regel unter einem erheblichen Zeitdruck und mit konkreten umfangmässigen Vorgaben gearbeitet, wie sich an einem konkreten Beispiel zeigen lässt:

"In der ersten Halbzeit macht man sich Notizen, was etwa geschehen ist. Im Laufe der zweiten Halbzeit beginnt man zu schreiben, weil man eine Zeitlimite der Zeitung hat. Bei unserer Zeitung haben wir zwei Ausgaben. Die erste Ausgabe bekommt man in Genf oder ausserhalb des Grossraums Zürich. Dafür ist der Andruck abends um 23.00 Uhr. Redaktionell müssen wir dann um 22.30 Uhr fertig sein. Das heisst, dass die Texte allerspätestens um 22.20 Uhr übermittelt sein müssen. Dadurch sind wir gezwungen, während des Spiels zu schreiben, und danach haben wir noch etwa 10 Minuten Zeit. Unser Bericht wird dann mit einer telefonischen Leitung direkt ins System übermittelt. (...) Früher hat man die Schreibmaschine mitgenommen und hat mit vielen Fehlern getippt und dann per Telefon einer Sekretärin alles diktiert. Das heisst, sie hat es auf Tonband aufgenommen und wieder abgeschrieben. Dann wurde es nochmals in der Setzerei erfasst. Heute schreibt man es in den Laptop und übermittelt alles innerhalb weniger Minuten ins System".

Herr W. berichtet davon, wie skeptisch er am Anfang gegenüber Computern war. Doch man müsse bereit sein, alte Gewohnheiten aufzugeben und das Neue zu akzeptieren. Seines Erachtens ist die Qualität der ganzen Zeitung durch den Computereinsatz enorm verbessert worden. Die Computertechnologie hat in der Zeitungsbranche eindeutig Erleichterungen gebracht, gleichzeitig aber auch den Arbeits- und Zeitdruck erhöht. Noch ist der Umstrukturierungsprozess nicht abgeschlossen. Als nächstes steht der Ausbau zum "Ganzschirm-Umbruch" bevor. Redaktion und Technik sollen zusammengelegt werden, was die Arbeitssituation erneut verändern wird. Trotz aller Aengste und Vorbehalte ist Herr W. jedoch überzeugt davon, dass der Einsatz der EDV für seinen Arbeitsbereich das Richtige ist.
 

Beispiel 15: Herr M., Professor für Sprache und Literatur, auch als Schriftsteller tätig

Herr M. arbeitet nicht mit dem PC, sondern verfasst seine Texte noch immer konventionell, wenn auch mit Unterstützung einer PC-versierten Sekretärin. Wie er erzählt, hat er vor etwa acht Jahren versucht, mit dem PC zu schreiben, was von Wunsch, Wille und Umständen her durchaus möglich gewesen wäre.

"Doch ich wollte kein neues 'Alphabet' lernen und habe nach zwei Tagen wieder aufgegeben. Mit dem Computer schreiben heisst, eine neue Sprache lernen. Die Zeit war mir einfach zu schade dafür. Meiner Sekretärin habe ich das zwar zugemutet. Sie stellt mir jetzt ihre Arbeitskraft zur Verfügung, wobei ich glaube, wirklich brauchen kann man den Computer nur bei der redaktionellen Arbeit, bei der Abschreibearbeit, beim Neukonzipieren eines Textes".

Das Repertorie an Begründungen, weshalb Herr M. auf den PC verzichtet, ist lang. "Das können alles Ausreden sein", stellt er sich selber in Frage. Die Charakteristika seiner Arbeitsweise scheinen so ausgeprägt und persönlichkeitsspezifisch, dass er das neue technische Hilfsmittel als unwillkommenen Eindringling empfindet:

"Wenn ich mich intensiv mit dem Computer beschäftigen würde, könnte ich sicher auch damit arbeiten, aber es gehört psychologisch für mich ein gewisses Chaos zur Arbeit. Ich muss mich ausbreiten können auf einem Tisch, ich brauche das Erlebnis Raum dazu. Die Art von Eindimensionalität im Kontakt zum Bildschirm liegt mir nicht. (...) Ich vermeide Fertigteile - und zwar schon in meinem Kopf. Für einen Geschäftsbrief brauche ich auch 'Stehsätze', dazu ist der Computer gut. Aber ein persönlicher Brief braucht Widerstand und seine eigene Geschichte, und ich habe den Eindruck, dass sich der Computer den Weg erspart oder betrügt. Das gilt für wissenschaftliche Aufsätze, wovon ich nicht allzuviel mache, im Grunde genommen auch."

Herr M. pflegt bei seine Autorentätigkeit ein relativ systematisches Vorgehen. Er hat beim Arbeiten etwas wie einen "Faden" im Kopf; es kommt selten vor, dass er einen Textablauf nachträglich umstellen muss. Herr M. mag Computertexte auch deshalb nicht, weil sie ihn - wie er sagt - ideenlos machen. Früher hat sich dieser Effekt erst eingestellt, wenn er sich mit den Druckfahnen befassen musste. Der Text hat dann eine Art von Definitivheit, wo man nichts mehr zu ändern wagt: "Ich bin von meinem Studium her nicht an diese perfekten Texte gewöhnt, die wie gedruckt aussehen".

Trotz aller Vorbehalte sieht Herr M. auch die Vorteile, die der Computergebrauch mit sich bringen würde, sollte er seine Widerstände überwinden können.

"Es ginge schon schneller, wenn ich selber am Computer arbeiten könnte. Ich schliesse nicht aus, dass ich, wenn ich den Computer selber beherrschen würde, enorm viel Zeit gewinnen würde, vor allem in der letzten Phase der Arbeit."
 

Beipeiel 16: Herrn G., Prof. für Soziologie

In früheren Zeiten stellte das Schreiben für Herrn G. den schlimmsten Stress im Berufsalltag dar. Er fühlte sich in seinem Schreibprozess oft durch Stimmungsschwankungen blockiert: "Es gibt nur bestimmte Tage in der Woche oder im Jahr, an denen ich am Morgen beschliesse, dass heute ein 'Schrifttag' ist. Ich versuche dann, Sachen auszuformulieren, welche ich für endgültig halte und die das Niveau haben für eine Publikation. (...) Ich überliste mich da selber ein wenig und das aus gutem Grund. Wenn ich mich hinsetze mit der vorgefassten Meinung, dass etwas Publikationsfähiges entstehen muss, fühle ich mich manchmal deswegen paralysiert". Herr G. hat nie ein persönliches Verhältnis zu seiner Handschrift entwickelt und bei der Arbeit mit der Schreibmaschine früher unter Verkrampfungen gelitten, weshalb die Umstellung auf das Medium Computer ihm sehr entgegenkam.

"Das Wesentliche, was sich mit dem Computer geändert hat, ist die Tatsache, dass ich mit dem Gefühl schreiben kann, dass alles, was ich eintippe, revidierbar und veränderbar ist. Das finde ich befreiend und möchte ich nicht mehr missen (...) Was sich auch verändert hat, ist das Verhältnis von Notizen zu Manuskripten. Diese sind nun auf demselben Medium verfügbar und können mit wenigen Handgriffen interpenetrieren. Insgesamt ist zwischen allen beliebigen Dokumenten, die man benutzt, eine grosse Penetrierbarkeit entstanden. Das Schreiben hat auch mehr die Form einer Collage angenommen, was eine lustbetonte Tätigkeit sein kann und nicht mehr ein Stress wie früher".

Durch das erwähnte Collage-Verfahren kann Herr G. auch flexibler und schneller reagieren, wenn er einen Vortrag oder eine Publikation schreiben will, indem er gewisse Sachen ganz oder teilweise aus früheren Texten übernimmt. Er bezeichnet sich heute als "mindestens doppelt so produktiv, auch im qualitativen Sinne".

Als Folge der veränderten Arbeitsweise hat sich Herr G. auch in hohem Masse von seiner Sekretärin "emanzipiert". Ein grosser Teil der Textproduktion ist von der Sekretärin weg in seine Hände gewandert und somit auch in den feinen und formalen Aspekten in die Sphäre der eigenen Gestaltbarkeit überführt worden.
 

Vorbemerkung zu Beispielen 17 - 20
Die folgenden Beispiele haben ergänzenden Charakter, weil es dabei weniger um die durch den Computer induzierten Veränderungen an Einzelarbeitsplätzen geht, sondern um innerbetriebliche Zusammenhänge und Arbeitsabläufe. Ein EDV-Berater vermittelt Einblick in grundlegende Probleme, mit denen ihn seine Tätigkeit konfrontiert. Gleichzeitig reflektiert er auch seine Erfahrungen als Mitarbeiter eines wissenschaftlichen Verlags. Der Redaktor einer Nadchrichtenagentur widerspiegelt den gewaltigen technologischen Umbruch, den sein Betrieb im Laufe der letzten Jahrzehnte durchgemacht hat. Zwei in leitenden Verlagsfunktionen tätige Interviewpartner geben abschliessend Auskunft über die Bedeutung des Computers seit seiner Einführung im Verlagswesen.
 

Beispiel 17: Herr R. EDV-Berater an einem sozialwissenschaftlichen Institut und Mitarbeiter eines wissenschaftlichen Buchverlags

Herr R. erinnert sich an die allerersten Erfahrungen mit EDV-Grossystemen, welche zu Beginn der 80er-Jahre beträchtliche Arbeitserleichterung brachten und unmittelbar publikationsfördernd wirkten. Die neue Technologie setzte aber auch voraus, dass man auch mit dem System klarkam : 

"Man musste sich mit den neuen Entwicklungen beschäftigen, in die neuen Sachen einsteigen und sich hineindenken. Andererseits brachte es auch Unsicherheiten und Risiken, wenn ein System abstürzte. Es gab Zeiten, wo dies regelmässig geschah und die Texte, welche nicht sofort abgespeichert wurden, verloren waren".

Heute ist jeder Arbeitsplatz am Institut mit den notwendigen Möglichkeiten ausgerüstet, um Texte vollumfänglich zu gestalten. Jede(r) ist dadurch gezwungen, sich mit den Programmen und deren Aenderungen auseinanderzusetzen, was nach Ansicht von Herrn R. auch von der Zielsetzung des Inhaltes ablenken kann. Er stellt sich kritisch zu der aktuell feststellbaren Tendenz, die Textverarbeitung immer weiter zu perfektionieren.

"Es wird stundenlang vor einem PC gesessen, nur damit eine Tabelle oder Grafik einigermassen schön aussieht. Das finde ich nicht mehr vernünftig. Es ist bekannt, dass die meisten Verlage druckfertige Manuskripte verlangen für sozialwissenschaftliche Publikationen. Die Vorlagen müssen nach ganz genauen Vorgaben gestaltet sein (wie etwa Titel, Abstände etc.), und da macht es sich der Autor unheimlich schwer. Das ist völlig kontraproduktiv im Sinne von Wissenschaftsarbeit".

In dem Verlag, bei dem Herr R. aktiv mitarbeitet, verfolgen sie eine andere Politik. Zwar verlangen sie einen Text auch auf Diskette, jedoch ohne jegliche Ansprüche an die Formatierung. 

"Ich bin überzeugt, dass man die Wissenschaft Wissenschaft sein lassen soll, und dass das Verlagswesen Verlagswesen bleiben muss. Der Wissenschaftler soll sich mit seinen Wissenschaftsinhalten beschäftigen. Er soll selbstverständlich die ganzen EDV-Möglichkeiten nutzen, aber auf einem Niveau, bei dem er nicht völlig absorbiert wird".

Im Gegensatz zu anderen Interviewpartnern äussert sich Herr R. ausgesprochen positiv über seine Erfahrungen mit E-Mail. Wissenschaftler arbeiten zunehmen in spezialisierten Bereichen, sodass oft über die Institutsgrenzen hinweg kommuniziert werden muss. Dank E-Mail ist ein weltweiter Kontakt mit Gleichgesinnten möglich, auch in Ergängung zu persönlichen Kontakten.

Wichtige Entwicklungen, aber auch einen Bedarf an kompetenter Beratung sieht Herr R. im Bereich der Datenbanken. Erfahrungen mit Literaturdatenbanken haben ihm gezeigt, dass deren Nutzung ohne ein minimales Grundverständnis nicht möglich ist. Deshalb erachtet er es als wichtig, den Studierenden eine Einführung in diese Arbeit zu geben. Herr R. ist davon überzeugt, dass die technischen Kommunikationsmöglichkeiten einen grossen Einfluss auf die Entwicklung der "Scientific Community" ausüben werden:

"Das wird die wissenschaftliche Arbeit sehr stark verändern, weil man je länger je mehr direkter an aktuelle Informationen kommt. (...) In den Staaten haben die Wissenschafter sicher schon ganz andere Möglichkeiten, auf Datenbanken zuzugreifen. An den meisten Universitäten ist es wohl keine Frage mehr, dass man so arbeitet. International hängt das auch mit Konkurrenz, Wettbewerb und ähnlichem zusammen. Sehr wichtig in dieser ganzen Entwicklung ist die Kommunikationsmöglichkeit, welche wir über EDV haben".
 

Beispiel 18: Herr U., Redaktor bei einer grossen Nachrichtenagentur

Herr U., der kurz vor seiner Pensionierung steht, hat während seiner langen Tätigketit in der Nachrichtenagentur verschiedene technologische Umbrüche erlebt, von denen die Umstellung auf EDV im Jahre 1990 die einschneidendste und folgendreichste war. Die Bilanz zu Beginn der 90er Jahre ergibt, dass der Computer die Arbeit enorm erleichtert hat. Das Formulieren und Umstellen von Sätzen fällt leichter, das früher übliche Schneiden und Kleben entfällt. Im Prinzip werden alle Texte am Bildschirm verfasst und kaum mehr Texte auf Papier ausgedruckt. Die Arbeit wurde nach Erachten von Herrn U. aufgewertet und selbständiger. Auch die Kommunikation ist nicht verarmt:

"Ich finde, wir haben den besseren Kontakt im Vergleich zu früher. Man kommt einander menschlich näher, weil wir mehr Zeit haben. Früher war viel mehr Stress und Arbeit, und man war richtig froh, wenn man Feierabend hatte".

Eine Rückblende" in die alten Zeiten der Nachrichtenredaktion zeigt ein komplexes und arbeitsintensives Muster der Redaktionsarbeit. Zwei Mitarbeiter - ein Redaktor und eine sog. "Doublure" (= Redaktionsgehilfe) arbeiteten jeweils im Team. Die Doublure nahm die Texte entgegen und schrieb sie auf, dem Redaktor kam dann die Aufgabe zu, sie zu korrigieren und zu überarbeiten. Herr U. erzählt:

"Am Ende des 2.Weltkrieges haben die Redaktoren hier in Zürich Telefonanrufe erhalten, wenn Bern eine Meldung durchgeben wollten. Sie mussten den Text stenografieren und sofort auf Wachsmatritzen schreiben. Danach wurde er vervielfältigt. Damals hatten wir noch eine Spedition, welche diese Briefe an die Zeitungen verschickte. In den 50er Jahren kam der Fernschreiber, dann fiel das Stenografieren weg. Aber es war so kompliziert: Die Meldung wurde in Bern verfasst, im Fernschreiberraum hat ein Telexist das nochmals auf ein Band abschreiben müssen. Das wurde dann an die Filialen und an die grossen Zeitungen bzw. Abonnenten ausgestrahlt, und hier bei uns musste es dann nochmals von jemandem abgeschrieben werden, auf Wachsmatritzen. Dann konnte es vervielfältigt und per Post an kleine Zeitungen bzw. Abonnenten verschickt werden.

Später gab es die sog. "Doppelrollen", das "Schnapsverfahren", ein Umdruckverfahren mit Alkohol. Dann stellte man auf dem Fernschreiber direkt eine Matritze her, welche man nur noch auf A-4-Format abschreiben musste. Das war dann die Grundlage für Vervielfältigungen.(...)

Der nächste Schritt war , dass man nicht mehr den Fernschreiber bedienen musste, sondern wir erhielten elektrische Schreibmaschinen, welche auch mit Endlos-Bändern ausgestattet waren. Diese konnten in den Telex eingelegt werden und man konnte das direkt vom Arbeitsplatz aus erledigen. Der Redaktor hat dann vieles selber geschrieben und nicht alles der Doublure oder dem Redaktionsangestellten weitergeleitet.

Die neue Technik kam dann mit den Bildschirmen, etwa 1981. Das waren Textverarbeitungssysteme, nicht eigentliche Computer. Dafür hat man nur eine Redaktionsangestellte gebraucht, man hatte noch das Papierarchiv, in dem man alles archivierte. Heute braucht man das auch nicht mehr, weil man alles 'im System' hat. Mit Stichwörtern kann man alles abrufen und herausholen, was man braucht. Früher musste man in den Ordnern suchen. Als das wegfiel, hat man auch die Angestellten nicht mehr so gebraucht. Das war der Anfang der Abschaffung der 'Doubluren'. Früher gab es drei Redaktoren und jeder hatte eine Doublure. Mit der neuen Technik (seit 1990) schreibt ein Redaktor direkt am Bildschirm, redigiert alles selber. Anschliessend wird es "gegengelesen", und schon geht es weiter an die Kunden".

Angenehmer sei die Arbeit der Redaktoren geworden, resümiert Herr U., selbständiger, inhaltlich anspruchsvoller und nicht mehr so verkrampft wie früher. Doch diese Effizienzsteigerungen hätten auch eine Kehrseite: Nicht nur die "Doubluren" seien nämlich überflüssig geworden; auch andere Abeitskräfte, insbesondere in der Spedition und bei den Ausläufern, seien weggespart worden.
 

Beispiel 19. Herr L., Verlagsleiter eines zu einem Medienkonzern gehörenden Buchverlags

Für Herr L. ist der PC primär ein Instrumentarium, das seine Aufgaben als Verleger nicht tangiert. Und doch hat sich seine Arbeit seit der Umstellung auf EDV beträchtlich verändert:

"Grundsätzlich ist alles viel flexibler, schneller, effizienter und auch motivierter geworden. Wir haben einen zusätzlichen Grad von Selbständigkeit erreicht. Früher waren wir stark auf Grafiker und externe Setzereien angewiesen. Heute sind wir produktionstechnisch "emanzipierter" und deshalb auch schneller geworden (...) Die Arbeit wurde vereinheitlicht, standardisiert. Die Dokumente sind sauberer, auch hinsichtlich der Gestaltung fundierter. In Bezug auf die typographische Qualitätsmerkmale stellen wir allerdings eine Verschlechterung fest. Was früher eine Schriftsetzer in einer vierjährigen Lehre lernte, die Aesthetisierung der Schriftbildes, die richtige Schriftwahl etc., das verliert schon an Qualität. Es ist eine Vernachlässigung in Bezug auf die typographischen Wertmasstäbe".

Alle Geräte des Verlags sind miteinander vernetzt, sodass die Daten beliebig austauschbar sind. Die Arbeit basiert im wesentlichen auf Standard Hard- und Software; für anspruchsvollere Aufgaben wurden zusätzlich adäquate Lösungen entwickelt.

Die Arbeitserleichterung in den vielen täglich anfallenden Details ist beträchtlich: Früher hat Herr L. Standardformulare für Verträge mit Bleistift ausgefüllt und für jeden Autor ergänzt, gestrichen, korrigiert etc. Heute erledigt er das alles selber ohne seine Sekretärin zu beanspruchen. Die ganze Kalkulation, die früher viele Umstände verusachte, wird heute durch ein fixfertiges Programm erledigt, das es ihm ermöglicht, beliebige Umrechnungen vorzunehmen. So kann er verschiedene Lösungen "ausprobieren" und empfindet mehr Spass, zu einer Entscheidung zu kommen.

Der Kollege eines anderen Verlags, mit dem Herr L. kooperiert, hat dieselbe Hard- und Software. Ein- bis zweimal im Monat setzen sich die Partner mit ihren Laptops im Autobahrestaurant zusammen und rechnen die Kalkulationen für die verschiedenen Projekte durch. Durch diese Grundlage haben auch ihre Diskussionen gewonnen.

Auch im Sekretariat haben sich viele Erleichterungen ergeben: Adressierprogramm, Textverarbeitung etc.

Die Einsatzmöglichkeiten des Computers im Lektorat beschreibt Herr L. hingegen als beschränkt, denn die Korrekturen, die der Lektor im Manuskript anbringt und mit dem Autor besprechen will, müssen optisch sichtbar sein. Im dem auf dem Computer korrigierten Text sind Aenderungen nicht mehr sichtbar, auf dem von Hand korrigierten Manuskript hingegen kann man sie erkennen. Doch für andere Arbeiten (Verfassen von Umschlagtexten etc.) ist der Computer natürlich auch für die Lektorin eine Erleichterung.

Die grösste durch den Computer bewirkte Revolution stellt Herr L. in der Herstellung fest, denn die Druckvorstufe (der "Satz") wird von den Grafikern und Setzern zurückverlagert in den Verlag. Drucker und Grafiker werden nur noch punktuell beigezogen, wenn es zum Beispiel um die aesthetische Gestsaltung geht. Gesamthaft gesehen stellt Herr L. einen Rationalisierungseffekt fest, der auch zu einer Reduzierung des Mitarbeiterbestandes führte:

"Wir haben heute viel mehr Arbeit (inkl. Werbung, Nachdrucke etc.) und doch nicht mehr Leute als vor 2 bis 3 Jahren. Theretisch ist es heute möglich, mit einem Computer einen Verlag als One-man-Show zu betreiben. Man kann von der Programmplanung bis zur druckfertigen Litho alles selber machen; insofern braucht es weniger Leute (...). Der Computer bietet im Verlagswesen eigentlich eine faire Chance zur Egalisierung von Wettbewerbsunterschieden".
 

Beispiel 20: Herr F., Vertriebsleiter eines grossen Belletristik-Verlags (unterstützt durch Informationen seines Lektors)

Vor rund 8 Jahren sah sich die Geschäftsleitung des betreffenden Verlags mit der Aufgabe konfrontiert, eine adäquate Lösung für die Umstellung auf EDV einzuführen. Es standen zwei grundsätzliche Möglichkeiten zur Diskussion, nämlich die, eine grosse Lösung fixfertig programmiert zu kaufen oder aber mit einzelnen "Insellösungen" zu beginnen und nach und nach ein Netzwerk aufzubauen. Weil die künftige Entwicklung schwer abzuschätzen war, entschied sich die Firma nach Rücksprache mit ihrem EDV-Berater für die zweite Lösung. Sie hat ihre EDV-Lösung auf Standardprogrammen aufgebaut und diese den spezifischen Organisationsabläufen des Betriebs angepasst.

Heute stehen 50 vollvernetzte Workstations im Haus und es besteht ein Anschluss an das elektronische Mailnetz. Von jedem Arbeitsplatz aus kann man elektronisch faxen oder telexen, die Mailbox brauchen und die Datenbankdienste, welche über ComNet angeboten werden, benutzen. Die Entwicklung einer erweiterten Softwarestufe besteht bevor, desgleichen die Etablierung von Verbindungen zum Aussendienst und zu den Auslieferungsstellen in der Schweiz, in Deutschland und in Oesterreich.
Herr F. betont, sie seien, was den EDV-Einsatz anbetreffe, wesentlich weiter als die meisten anderen Verlage. Zwar sei es schwierig, den durch die EDV ausgelösten Rationalisierungseffekt genau zu beziffern. Man erreiche heute jedoch Dinge in kürzester Zeit, die früher gar nicht oder nur mit grossem Aufwand möglich gewesen seien.

Für die Zukunft sieht Vetriebsleiter F. einen Medienmix voraus, der sich immer mehr verfeinern und verschmelzen wird. Die Basis für seine Arbeit sind und bleiben aber Geschichten und Inhalte, die sie nach wie vor in Form von Büchern verbreiten wollen. Eine Bedrohung des gedruckten Buches durch die elektronischen Medien nimmt Herr F. nicht wahr: 

"Die ganze Computerwelt dient uns dazu, dass wir schneller, besser und professioneller werden, doch das ändert am Produkt nichts (...) Die Art Bücher, die wir machen, werden ergänzt und nicht ersetzt. Sie werden nie jemanden finden, der mit dem PC am Strand liegt und einen Roman liest".

Nach Ansicht der Lektors hat EDV die Arbeit weder auf- noch abgewertet, der Gehalt ist unverändert geblieben. Er arbeitet im übrigen nach wie vor auf Papier, auch wenn ein PC für Korrespondenz, Programmforschung etc. zur Verfügung steht. Nach seiner Erfahrung kann man eine inhaltlich gute Lektoratsarbeit nicht acht Stunden am Bildschirm erledigen, weil die Augen zu tränen beginnen und sich Konzentationsschwierigkeiten einstellen. Die Korrrekturen werden übrigens weder von Lektor noch von Autor in den Text eingefügt, sondern in den meisten Fällen an die Setzerei weitergegeben.

Die Bilanz nach rund 6 Jahren Erfahrung mit EDV fällt für den Vertriebsleiter positiv aus. Dank einer guten Beratung hat der Verlag praktisch nichts fehlinvestiert und eine enorme Leistungssteigerung erreicht. Für die Zukunft planen sie eine noch weitergehende Vernetzung bei unvermindert hoher Flexibilität.

2.1.1 Zusammenfassung

Wie unsere Studie zeigt, bestehen zwischen den Arbeitsweisen der befragten Personen erhebliche individuelle Unterschiede, dies sowohl was die Vorgehensweise beim Schreiben als auch was die Akteptanz des Computers anbetrifft. Interessanterweise befinden sich in unserem Sample etliche Personen, die sich rückblickend als PC-Pioniere bezeichnen, weil sie sich zu einer Zeit einen Computer angeschafft haben, als dies in ihrem Tätigkeitsbereich noch völlig unüblich war. Die Beschreibungen über die Möglichkeiten des PC-Einsatzes und die dadurch ausgelösten Veränderungen können sich also auf einen breiten Erfahrungsfundus und ein reflektiertes Urteil abstützen. Das Mass an Veränderungen, das dem PC zugeschrieben wird, variiert dabei von Person zu Person erheblich. Während die einen angeben, immer noch nach derselben Arbeitsweise vorzugehen, haben andere den PC als einschneidende Zäsur erlebt, welche nicht nur das "Umsteigen" auf ein anderes Arbeitsinstrument sondern auch eine Umgestaltung des Arbeitsprozesses bedeutete.

Den grössten Nutzen scheinen jene Personen aus dem PC-Gebrauch zu ziehen, welche eine eher sprunghaft-intuitive Denk- und Arbeitsweise haben ("Beethoven-Typ), sodass das Produkt ihrer Arbeit eigentlich erst im Lauf des Schreibens sichtbar wird und nach und nach seine endgültige Form annimmt. "Erst mit dem Text wird der Gedanke eigentlich geboren und fassbar", beschrieb ein Gesprächspartner dieses Phänomen und ein anderer charakterisierte seine Vorgehensweise wie folgt: "Ich kann nicht linear denken; ich muss immer mit dem Text ringen". Noch ein anderer: "Ich habe sehr Mühe, einen Text zu schreiben, weil ich 'büschele und schaffe' und daran feilen muss. Früher habe ich immer geklebt, gummiert und nur mit Bleistift geschrieben. Ich habe mir nie vorstellen können, dass ich direkt in den Computer schreiben könnte". Diesem Schreibtyp kommt der Computer sehr entgegen, was von etlichen Personen in der Anfangsphase als Aha-Effekt und eigentliche Befreiung erlebt wurde.

Gewisse Gesprächsteilnehmern betonten, dass der Computer ihre Schreibblockaden gelöst und die "Angst vor dem weissen Blatt" beseitigt habe. Die Möglichkeit, an einer beliebigen Stelle in den Text einzusteigen und ihn in der Folge beliebig zu überarbeiten, umzustellen und zu korrigieren, wird als grosse Erleichterung empfunden, als Gewinn an kreativem Freiraum und an Flexibilität. Besonders deutlich wird dieser Vorzug am Beispiel eines Wissenschaftlers, der sich unter dem Einfluss seiner Stimmungsschwankungen und Schreibblockaden nur an bestimmten Tagen disponiert fühlte, publikationsreife Texte zu verfassen. Diese Einschränkung ist durch die flexible Einsatzweise des Computers völlig verschwunden, sodass die betreffende Person heute "mindestens doppelt so produktiv, auch im qualitativen Sinne" arbeitet und die Befreiung von den früheren Verspannungen als grossen Pluspunkt verbucht.

Offensichtlich verursacht die vom PC offerierte grosse Freiheit und Beweglichkeit zumindest am Rande aber auch Unbehagen. Personen, die zu dem oben erwähnten chaotisch-unstrukturierten Schreibstil neigen und in dieser Vorgehensweise vom Computer auf ideale Weise unterstützt werden, stellen sich zun Teil die kritische Frage, ob damit nicht ihre Denkfaulheit gefördert werde: 

"Ich bin nicht sicher, ob ich nicht besser denken gelernt hätte, wenn ich den Computer nicht hätte (...) Manchmal denke ich, dass es mir der Computer in dieser Hinsicht vielleicht zu leicht gemacht hat".

Dieser Vorbehalt wird z.T. auch von jenen Personen angeführt, welche nach wie vor auf den PC verzichten oder ihn erst nach reiflichem Ueberlegen und Zögern angeschafft haben "Schreiben findet im Kopf statt", meinte eine Gesprächspartnerin und betonte damit, dass auch der leistungsfähigste Computer die Arbeit nicht übernimmt, klare Gedanken logisch formuliert in Textform zu präsentieren.

Autor/innen, die eher nach dem Muster des "Mozart-Typs" vorgehen, befleissigen sich, eine klare Struktur zu erarbeiten, bevor sie sich an den Computer setzen:

"Bevor ich schreibe, strukturiere ich meine Texte. Ich überlege mir grundsätzlich immer, was ich will. Das bringe ich zu Papier und schreibe es so, wie ich mir die Struktur vorstelle (...) Erst wenn es eine Form hat, von der ich den Eindruck habe, ich könne sie gebrauchen, kommt es in den Computer. Das Schreiben selber ist dann eigentlich kein Problem mehr".

Während früher die Mehrheit der Befragten umfangreiche oder kürzere (hand)schriftliche Entwürfe und/oder Konzepte anfertigten, bevor sie sich der "letzten drohenden Falle" - lies Schreibmaschine - stellten, fallen solche Vorarbeiten heute meist weg, weil es der Computer ermöglicht, spontan formulierte Textentwürfe beliebig oft zu überarbeiten und zu verbessern. Die Angst davor, einen längeren Text wegen Schreibfehlern oder spät erkannten Aenderungen nochmals abschreiben zu müssen, entfällt. Es ist heute möglich, einen Text am PC in kleinen Einheiten zu bearbeiten und auf verschiedene Arbeitsphasen zu verteilen, was den Arbeitsdruck spürbar reduziert.

Generell scheint eine Verlagerung des Zeitaufwandes von den Vorarbeiten (Entwürfe, Konzepte) zu den eigentlichen Textarbeiten stattgefunden zu haben, wobei der Gesamtaufwand jedoch kaum wesentlich variiert, was auch mit gestiegenen formalen Ansprüchen zusammenhängt. Etliche Gesprächsteilnehmer geben an, nach wie vor kleine strukturierende Textentwürfe zu schreiben, bevor sie sich an den PC setzen, um dann aber relativ frei und grosszügig eine erste Textvariante hinzuschreiben.

Ein Politologe, wies auch darauf hin, er hätte als Einzelgestalter durch den Computer sehr viel Möglichkeiten gewonnnen, einen Text attraktiver zu gestalten. Diesen Vorteil nehmen auch zahlreiche andere Gesprächpartner wahr, zum Teil allerdings auch mit dem Hinweis, der Anspruch an die aesthetische Qualität von Publikationen sei deshalb in den letzten Jahren permanent angestiegen. Mit der Verbreitung von Text- und Grafikprogrammen sind die Standards an eine publikationswürdigen Text sukzessive "hinaufgeschraubt" worden. Zum Teil werden die Autoren mit den Ansprüchen von Verlegern konfrontiert, welche druckfertig formatierte Textdateien erwarten und somit immer mehr Arbeiten ins Arbeitsgebiet des Autors "vorverlagern". Zum anderen scheinen Professoren, Experten, Gutachter im Wissenschaftsbetrieb immer korrekturfreudiger zu werden, sodass sich der Aufwand der Autoren für Redaktion und Layout einer Publikation erhöht. Etliche Interviewpartner stossen sich an diesem aestehtischen Perfektionismus und weisen darauf hin, dass sich die Wissenschaftler/innen vermehrt wieder auf ihre eigentliche Autorenarbeit zurückbesinnen sollten.

Auch in Bezug auf den Schreibkomfort- die "Ergonomie" - und das persönliche Wohlbefinden, hat der Computer Veränderungen ausgelöst. Wie bereits erwähnt, reduziert er körperliche Anstrengung und Konzentration, sodass Schreibblockaden und Verspannungen in vielen Fällen entfallen. Vom "Arbeitstiererlebnis" zum lustvoll-spielerischen Arbeiten, könnte man den Unterschied zwischen Schreibmaschine und Computer benennen. Ein Schriftsteller bezahlte die Arbeit an seinem 540 Seiten umfassenden ersten Roman mit einer Sehnenscheidenentzündung. Die bewusste Suche nach mehr Schreibkomfort brachte ihn dazu, einen PC anzuschaffen, womit seine körperlichen Probleme beseitigt wurden.

Im Gegenzug zu diesen Vorzügen werden Belastungen der Augen als Nachteil der Computerarbeit angeführt. Etliche der Befragten klagten über Ermüdung der Augen und eine verschlechterte Sehkraft, was in einem Fall zur Folge hat, dass die betreffende Person noch immer umfangreiche handschriftliche Entwürfe anfertigt, bevor sie auf den PC "umsteigt". Mit diesem Umstand hat es auch zu tun, dass die Mehrheit der Befragten Korrekturen nach wie vor auf einem Papierausdruck vornimmt, auch wenn damit der Papierverschleiss gefördert wird. Nur eine Person tippt Korrekturen konsequent direkt in den PC ein, weil sie das Uebertragen von Papier auf dem PC aufwendig und mühsam findet. Die anderen lesen und korrigieren nach wie vor lieber auf dem Papier, zum Teil auch deshalb, weil sie Schreibfehler auf Papier angeblich leichter identifizieren können als auf dem Bildschirm.

Interesanterweise haben etliche der erwähnten PV-Pioniere im Laufe der Jahre die anfänglich vorhandene grosse Faszination für das neue Medium "redimensioniert" und ihr Verhältnis zum PC versachlicht. Sie haben sich zu moderaten PC-Anwendern mit einem ausgeprägten Sinn für Möglichkeiten und Grenzen der neuen Technologien entwickelt und beschränken sich in den meisten Fällen auf die Arbeit mit elementaren standardisierten Programmen (Textverarbeitung, Kalkulation, Datenbanken, Grafik etc.). Auch diese Selbstbeschränkung ist Teil eines ausgeprägten Kosten-Nutzen-Kalküls und spiegelt die Besinnung auf das Wesentliche der wissenschaftlichen, journalistischen und schriftstellerischen Arbeit. So wird die Möglichkeit der Ausgestaltung von Texten per PC bis zur druckreifen Vorlage zwar erwogen, von gewissen Wissenschaftlern aber mit der Begründung verworfen, dass durch diese grafische Perfektionierung Energien gebunden würden, welche man besser für die eigentliche Autorentätigkeit verwenden sollte.

Was anfänglich ein Objekt grosser Fasziantion war, ist im Laufe der Zeit zu einem schlichten Arbeitsinstrument, zu einem Hilfsmittel oder Werkzeug geworden, dem nur noch in Ausnahmefällen die Aura des Aussergewöhnlichen, Numinosen anhaftet. Bei den meisten Personen dominiert ein ausgesprochen sachliches Verhältnis zum Computer. Er ermöglicht es ihnen, ihre Aufgabe einfacher, müheloser und effizienter zu gestalten und wird deshalb, trotz gewisser Einschränkungen, mehrheitlich positiv beurteilt.

Die Grenzen des Computereinsatzes werden oft durch den vertretbaren Aufwand an Zeit und Geld gesetzt. Vor allem Personen, die im Status des "Free-Lancers" in Forschung, Beratung und Journalismus arbeiten, sind immer wieder gezwungen, abzuwägen, ob sich Anschaffung und Einsatz von Hard- und Software in ihrem Aufgabenbereich wirklich lohnen. Zum einen fällt es nicht leicht, festzustellen, ob sich die entsprechenden Anschaffungen wirklich amortisieren werden. Zum anderen klagen etliche Personen über den erheblichen Zeitaufwand, den es braucht, um sich mit neuen Programmen vertraut zu machen und einen sicheren Umgang in deren Anwendung zu gewinnen.

Generell scheint die Ansicht zu überwiegen, der PC-Einsatz sei effizient und rentabel. Besonders deutlich zeigt sich das am Beispiel von gewissen Journalisten und Wissenschaftlern, die mit Textbausteinen arbeiten und diese - in immer anderen Kombinationen - in unterschiedliche Texten integrieren.

Andere Autoren verweigern sich diesem Prinzip der "Mehrfachverwertung" mit Bezug auf die Originalität ihrer Texte. Herr B. empfindet er es als grossen Vorteil, alle Textsorten auf dem Computer gespeichert zu haben, um - ausgehend von irgendwelchen Originaltexten - Briefe oder Aufsätze zu schreiben oder Tabellen herstellen zu können. Er verzichtet jedoch in der Regel darauf, bestehende Texte zum Zwecke der Mehrfachverwertung zu überarbeiten.

Die Tatsache, dass die Anwendung neuer Programme erlernt sein will, schafft auch neue Abhängigkeiten. Wer zuwenig Lust oder Talent zum Selbststudium hat, ist bei anspruchsvolle ren Aufgaben auf EDV-Kurse oder auf die (in der Regel kostspielige) Unterstützung von EDV-Beratern angewiesen. Als Kehrseite dieser Tatsache ist zu erwähnen, dass zahlreiche Interviewpartner sich wohltuend von der Unterstützung eines Sekretariates entlastet fühlen. Auch jene, die sich in früheren Zeiten die Mühe nahmen, Texte auf der Schreibmaschine selber zu verfassen, mussten oft in der Schlussphase einer Publikation auf die Unterstützung einer professionellen Schreibkraft zurückgreifen, was nicht immer eine überzeugende Lösung war. Von dieser Abhängigkeit entbunden zu sein, wird in der Mehrheit der Fälle positiv beurteilt, weil damit auch der Grad an Einflussnahme auf Inhalt und Form des eigenen Produktes gestiegen ist.

Besonders eklatant erweist sich die "Verschlankung" des Produktionsprozesses im journalistischen Bereich, wo sich die Produktionszeiten enorm verkürzt haben und ganze Arbeitsgänge weggefallen sind. Der technische Ablauf hat sich vereinfacht, gewisse Berufsbilder haben einen grundlegenden Wandel durchgemacht. Für Journalisten im Aktualitätenbereich haben sich durch die technologischen Neuerungen Erleichterungen ergeben, andererseits ist der Arbeitsdruck infolge der verkürzten Produktionszeiten gestiegen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Computer von den befragten Personen als bewährtes und nützliches Instrument zur Erreichung ihrer Ziele im Bereich der Textproduktion betrachtet wird. Durch den Einsatz des PC haben sich verschiedene Verlagerungen in Struktur und Ablauf des Schreibprozesses ergeben, welche von den Leuten mehrheitlich positiv gewichtet werden. Auch wenn Zeitaufwand und Papierverbrauch kaum geringer geworden sind, halten die Befragten die Arbeit mit Hilfe des Computer für effizienter und angenehmer.
Offensichtlich ist der PC vor allem für Autor/innen eine grosse Hilfe, welche eine eher intuitive relativ unstrukturierte Vorgehensweise pflegen. Der PV ermöglicht ihnen ein organisches Erarbeiten und Ueberarbeiten von Texten und Publikationen. Auch kritische Vorbehalte sind im Rahmen der Befragung nicht ausgeblieben: Die Denkarbeit komme zu kurz, wurde kritisiert, es werde formaler Perfektionismus betrieben, der über inhaltliche Mängel hinwegtäusche, die Arbeit am PC missachte körperlich-physiologische Bedürfnisse und Empfindlichkeiten. Gewisse Autor/innen sind deshalb latent oder ausgeprägt "PC-resistent" und verteidigen ihre altvertrauten Arbeitsmechanismen oder -techniken gegenüber dem neuen Medium. Diese Tatsache kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrheit der Befragten den Computers in ihren Alltag integriert haben und versuchen, seine Vorzüge auf selektive Weise optimal zu nutzen.

Inhalt

2.2 Die Wahrnehmung des PCs und seiner Bedeutung im Schreibprozess

Wie in der Einleitung vermerkt, wurde in dieser Studie von der Annahme ausgegangen, dass die Nutzung des PCs abhängig ist von den individuellen Wahrnehmungs- Deutungs- und Handlungsmustern der Anwender. Die vorliegende Untersuchung bestätigt diese Vermutung. Die Wahrnehmung der Individuen ist entscheidend für Auswahl und Einsatz neuer Technologien. Wie sich am Beispiel von zwei Interviewpartner/innen zeigen lässt, können Vorbehalte gegenüber neuen Technologien so resistent sein, dass Autor/innen ihre traditionelle Schreibtechnologie (Handschrift, Schreibmaschine etc.) dem neuen Medium vorziehen. Sie scheuen die Mühe, sich mit der Computersprache vertraut zu machen, weil sie davon eine Veränderung von Arbeitsweise und Produkt befürchten. Durch diesen Entscheid nehmen sie allerdings in Kauf, von externen Schreibkräften, Grafikern etc. abhängig zu bleiben, was ihre Kolleg/innen dank EDV-Einsatz vermeiden können.

Uns interessierte besonders, welches Bild sich erfahrene und weniger erfahrene EDV-Nutzer/innen vom Computer machen und welchen Stellenwert sie ihm in ihrer Arbeit zuordnen. Sehen sie ihn als Werkzeug, als Medium oder gar als Interaktionspartner? Schreiben sie ihm umwälzende technologische Neuerungen zu, oder sehen sie ihn bloss als eine modernes Instrument zur Erreichung bisheriger Ziele?

2.2.1 Unterschiedliche Nutzer-Typen^

Wie die nachstehenden Ausführungen verdeutlichen, sind in Bezug auf den Zugang zur Computertechnologie bei den Anwender/innen individuelle Unterschiede festzustellen. Aufgrund unserer Analyse lassen sich die in dieser Untersuchung befragten 20 Personen in vier Nutzertypen einteilen:

a) Die EDV-Pioniere (7 Personen): Sie haben sich schon mit Computern befasst, als das in ihrer Branche noch sehr ungewöhnlich war und sie unter Kollegen quasi als "Exoten" in Erscheinung traten. Die Informationen dieser Personen erwiesen sich denn auch als besonders aufschlussreich. Viele haben in den 70er Jahren auf Grossrechnern ihre ersten Erfahrungen gemacht und sind dann in den 80ern auf den PC umgestiegen. "PC-Pioniere" fin den sich sowohl unter Wissenschaftlern, Schriftstellern und Journalisten als auch im Verlagsbereich. Sie haben sich in etlichen Fällen zuerst völlig mit dem neuen Medium identifiziert, bis sie nach der anfänglichen Euphorie zu einem selektiveren Gebrauch übergegangen sind. Heute verwenden sie den PC nur noch für Aufgaben, für deren Einsatz er unbestritten das geeignetste Medium ist.

Stellvertretend für die Gruppe der PC-Pioniere berichtet der Literaturprofessor C., wie er dazu kam, sich 1980 einen PC anzuschaffen: 

"Wir wohnten damals in H., und meine Frau, die Naturwissenschafterin ist, hatte in ihrem Labor schon relativ früh einen Elektroniker. Sobald ich von dieser Technik hörte, wollte ich das einmal anschauen, vor allem auch, weil ich niemanden anstellen konnte. Ich dachte, dass mir das das Leben viel einfacher machen könnte. Und als ich es mir anschaute, war ich so begeistert, dass ich sofort damit anfing. Ich wurde damals von allen Kollegen ausgelacht als einer, der modisch auf alles Neue springt".

Der Journalist C. erinnert sich vor allem an die ungleich schwerfälligeren Formate der früheren Computer: "Bei meinem ersten Computer war die Diskette so gross wie eine Schellackplatte. Eine totales Monster...". Ein anderer Gesprächspartner vergleicht seinen ersten Computer - der Grösse wegen - mit einer englischen Telefonkabine.

b) Die Spontan-Begeisterungsfähigen (4 Personen)
Die betreffenden Anwender haben sich erst vor kürzerer Zeit mit der EDV-Technologie befasst, diese aber aufgrund erster Erfahrungen mit Ueberzeugung akzeptiert. Die durch den PC ermöglichte Arbeitserleichterung wird als so grundlegend erfahren, dass der Verzicht auf die neuerworbenen Möglichkeiten für diese Leute undenkbar wäre.

c) Die Flexibel-Anpassungswilligen (5 Personen)
Sie wurden meist unter dem Druck beruflicher Veränderungen mit dem Computer konfrontiert und haben sich anfänglich eher unfreiwillig mit ihm befasst. Im praktischen Gebrauch haben sie allerdings Stärken und Grenzen des PCs kennen- und schätzengelernt, sodass auch sie ihn heute nicht mehr missen möchten. Zu dieser Gruppe zählen wir z.B. den Redaktor der Nachrichtenagentur, in der dank Computern die Arbeit immer mehr erleichtert aber auch immer mehr Leute "weggespart" wurden. Genauso gehört aber auch der Sportreporter dazu, der an sich wenig technikinteressiert ist, aber die Erfahrung gemacht hat, dass sich seine Zeitung dank Computertechnologie vorteilhaft verändert hat.

d) Die Skeptisch-Defensiven: (2 Personen) Obwohl sich diese Gesprächspartner noch nicht praktisch mit den Potentialitäten des Computers auseinandergesetzt haben, äussern sie sich aus diversen Gründen vorwiegend kritisch über die Computertechnologie. Dies geschieht zum Teil unter Bezugnahme auf ideologische, philosophische, ethische etc. Argumente. An Beispiel dieser Personen zeigt sich u.a. die Schwierigkeit, technologische Möglichkeiten einzuschätzen, deren Leistungspotential man mangels Erfahrungen nur bedingt beurteilen kann.

Der Literaturprofessor M. gehört zum Typus der Skeptisch-Defensiven. Er weigert sich, mit dem Computer zu schreiben, denn das hiesse, eine neue Sprache lernen, und dazu ist ihm seine Zeit zu schade. Er führt zahlreiche Gründe an, weshalb er der neuen Technnik ablehnend gegenübersteht: Die mit dem PC verbundene Einschränkung der Motorik, die sich kontraproduktiv auf die Kreativität auswirkende Widerstandslosigkeit des PCs, die Notwendigkeit, sich den Rahmenbedingungen eines Programms unterzuordnen etc. Er betont auch, der ganze Sinn seiner Tätigkeit beruhe darin, der Vorfabrikation zu widerstehen. Selbst in der Zusammenarbeit mit computerkompetenten Kollegen hat er die Erfahrung gemacht, dass er effizienter arbeitet, wenn er dies auf seine gewohnte Weise tut.

Die restlichen zwei Interviewpartner haben keine Aussagen gemacht, die eine eindeutige Zuordnung zu einem der vier Typen ermöglichen.

2.2.2 Wahrnehmung und Stellenwert des Computers

Die grosse Mehrheit der Befragten - seien es Journalist/innen, Wissenschaftler/innen, Schriftsteller/innen oder Verleger/innen- betonen in ihrer Wahrnehmung des Computers vor allem seinen Zweckcharakter. Mit vielen anschaulichen Beschreibungen charakterisieren sie den Stellenwert des neuen Mediums für ihre Arbeit: Der PC ist für sie "ein Gebrauchsgegenstand", "ein völlig praktisches Werkzeug", "ein normales Arbeitsgerät", "ein technisches Instrument", "ein mechanischer Ablauf", "ein ganz normales Hilfsmittel", ein Handwerkszeug", "ein Ordnungssystem", "eine Erweiterung zu bisherigen Medien" etc. Diese Voten belegen, in welch hohem Masse der PC in die heutige Arbeitswelt integriert ist, und wie vergleichsweise emotionslos seine Präsenz im heutigen Alltag bewertet wird. Gelegentlich schwingt in den Beschreibungen der Interviewpartner aber auch Respekt und Bewunderung mit, weil die betreffenden Personen am eigenen Leib erfahren haben, welchen Vorteil sie aus neuen technischen Möglichkeiten ziehen können.

Dazu ein Journalist: "Er ist ein völlig praktisches Werkzeug. Wie ein Velo, das richtig gepumpt werden muss, aber mit dem ich nicht an die Tour de France fahre. Mit diesem Velo fahre ich hierher oder nachher nach Hause, um Salat zu raspeln. Und ich öle es (...) Der PC ist wirklich ein Gebrauchsgegenstand, den ich im übrigen aber als ein Wunder anschaue, und der mich in Staunen versetzt".

Der Sportredaktor hat anfängliche Vorbehalte überwunden: "Ich war lange skeptisch gegenüber solchen Maschinen...Der PC ist ein Werkzeug - ein hochqualifizierteres Werkzeug, als ich früher hatte. Das Ganze ist ein mechanischer Ablauf...".

Ein Sozialforscher: "Ich brauche es wirklich als Handwerkszeug. (...) Ich brauche den PC, wo er mir Zeit spart - sodass ich für kreative Aufgaben mehr Zeit habe - und wo er Geld spart".

Schliesslich die Meinung eines Literaturprofessors: "Ich habe meine Texte nie diktiert und dann einer Sekretärin zum Abschreiben gegeben, wie es bei gewissen Kollegen üblich war. Ich habe von Anfang an ohne Sekretärin gearbeitet. Insofern war es mir wichtig, das praktischste Mittel, das es gibt, zur Verfügung zu haben. Und das habe ich mit dem PC dann auch gehabt. (...) Der PC ist zu einem ganz normalen Hilfsmittel geworden".

Nur von je einer Person wird der PC als etwas "Magisches, Geheimnisvolles" bzw. als Objekt mit menschenähnlichen Eigenschaften gewertet. Eine Journalistin vertrat diese Optik: "Der PC ist eher Partner als Schreibmaschine, weil man mit ihm spielen kann. Er spricht auch mit einem, weil er eine Rückmeldung gibt.

Zahlreich sind die Voten, welche die reale und potentielle Leistungsfähigkeit des PC's herunter-spielen, indem sie ihn zu einer "besseren Schreibmaschine" degradieren. Unter den Leuten, die so argumentieren, befinden sich erstaunlicherweise auch Personen, die sich im Interview als Computerpioniere zu erkennen gaben, d.h. Leute, die den Computer schon benutzten, als dies in ihrer Berufssparte noch unüblich war. Im Laufe der Zeit haben sie ihre anfängliche Begeisterung und Faszination relativiert. Geblieben ist ein nüchtern-pragmatisches Verhältnis, das die Möglichkeiten des PC's streng an den persönlichen Arbeitszielen misst. Ein Geograph meinte: "Man muss die Grenzen erkennen und schauen, wo der Computer nützlich ist und wo nicht. Ich denke immer wieder, dass er ein phantastisches Arbeitsinstrument ist, absolut nützlich, nicht mehr".

Ein Verleger: "An den Aufgaben hat sich grundsätzlich nichts geändert, der PC ist einfach ein Instrumentarium. (...) Der PC ist heute eine "bessere Schreibmaschine" geworden.

Auch Schriftsteller B. schränkt die Bedeutung des PCs auf wenige wenn auch wichtige Funktionen ein: "Die Frage Schriftsteller und Computer ... das ist für mich eine Diskussion nur über den Schreibkomfort und über nichts anderes. Der PC bietet mir den höchsten Schreibkomfort, und deshalb schreibe ich damit".

Diese Antworten relativieren die oft geäusserte Behauptung der "angebotsinduzierten Nachfrage", welche suggeriert, technische Angebote würden zwangsläufig eine entsprechende Nachfrage und Nutzung seitens der Anwender nach sich ziehen. Sie zeigen vielmehr, dass die befragten Personen den PC in ihrem Arbeitsbereich zwar als nützliche Ereichterung willkommen heissen, ihm aber ebenso klar eine Dienstleistungsfunktion zuweisen, die sich ihren Zielsetzungen unterordnet. Der PC wird als Neuerung technischer Art gewertet, welche auf die Arbeitsinhalte jedoch nur bedingt Auswirkungen zeitigt. Erstaunlich wenige Personen erkennen und äussern explizit, dass sie den Computer in seinem Leistungsvermögen extrem unterfordern, weil sie ihn wie eine "bessere Schreibmaschine" benutzen.

2.2.3 Vorbehalte gegenüber der Computertechnik

Obwohl die Mehrzahl der befragten Personen den Computer positiv bewerten, gibt es auch Skeptiker, die auf Gefahren des PCs sowohl auf der individuellen wie auch auf der gesellschaftlichen Ebene hinweisen. Es wird beispielsweise argumentiert, die Verwendung des Computers könne zum Selbstzweck werden. Ein Politologe sieht den PC zudem als "Instrument der Individualisierung der Gesellschaft und der Produktion, welches der Vereinzelung Vorschub leistet".

Besonders kritisch äusserte sich der erwähnte Literaturprofessor, der selber (noch) nicht auf dem PC arbeitet und der EDV-Technologie Vorbehalte entgegenbringt. Er sieht durch den PC-Gebrauch grundlegende menschliche Fähigkeiten und Verhaltensweisen bedroht: "Ich verkenne nicht, dass das wahrscheinlich die folgenreichste Droge für die Zivilisation sein wird. Man redet immer von Rationalität und Erleichterung, doch im Hintergrund steht die Möglichkeit, so und so viele Funktionen an das elektronische Medium abzutreten".

Ein letztes Bündel von Stellungnahmen betont die Tendenz des Computers, den Arbeitsrhythmus zu strukturieren. Der Journalist C. betont, der Compter sei zwar nicht gerade ein "Herzschrittmacher", gebe aber trotzdem in seiner Arbeitsweise den Takt an. Schriftsteller Z., der sich viel mit der Entwicklung der Industriearbeit befasst hat, betonte die Funktion des Computers als Zeitkontrollinstrument: "Der Computer ist ja die moderne Uhr (...) Diese These ist von Weizenbaum, nicht von mir. Der Computer hat heute die Uhr weitgehend abgelöst als Zeitkontroll- und Organisationsinstrument in der Industrie. Früher gab es als Zeitkontrolle die Stempeluhr, und heute übt man die Kontrolle über den Computer aus". Diese Rhythmisierung des Arbeitsablaufes stellt Herr Z. auch in seiner eigenen Arbeit fest: "Wenn ich am Bildschirm entwerfe, setze ich eher einen Punkt und formuliere eher im technisierten Maschinentakt".

Auch Schriftsteller B. erlebt den PC als strukturierendes Element: "Der Computer ist ungeduldig. Er ist ein Tempomacher. Das ist auch seine Qualität, und das wird ja auch von den Computerherstellern betont (...) Seine Leistung wird definiert über seine Schnelligkeit (...) Der PC ist ungeduldig und macht mich auch ungeduldig, wenn nichts kommt".

2.2.4 Zusammenfassung

Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Verhältnis und der Zugang zum Computer je nach Individuum variieren, wobei in dieser Befragung vier Typen von Anwendern idenitfiziert werden konnten. Es sind dies diePC- Pioniere , welche schon früh mit dem PC in Berührung kamen und bestens über dessen Möglichkeiten Bescheid wissen, die Spontan-Begeisterungsfähigen , die den PC schnell und dauerhaft adoptiert haben, die Flexibel-Anpassungswilligen,welche sich nach anfänglichen Vorbehalten mit dem PC auf guten Fuss gestellt haben sowie die Skeptisch-Defensiven , welche dem Computer kritisch gegenüberstehen und deshalb den Schritt zum Einbezug des PCs in Ihren Arbeitsprozess (noch) nicht getan haben.

Im übrigen wird der PC mehrheitlich als wirksame technische Erleichterung genutzt und geschätzt. Die Anwender stellen seinen Zweckcharakter in den Vordergrund, beurteilen die Einsatzmöglichkeiten aber fast auschliesslich aus der Optik bisheriger Zielsetzungen, denen das neue Medium zu dienen hat.

Falls in früheren Phasen ein Prozess der Idealisierung der Computertechnologie stattgefunden hat, so ist die Phase der Entmystifizierung bereits gefolgt. Das Verhältnis zum PC ist heute ein mehrheitlich nüchtern-pragmatisches, wobei die Anwender dem neuen Medium unter anderem eine ausgeprägte Rhythmisierungstendenz zuschreiben, welche Arbeitstempo und -stil beeinflusst.

Inhalt

2.3 Zum Aspekt der Komplementarität beim Einsatz von Schreib- und Lesetechnologien

Von den in unserer Untersuchung befragten Personen sind rund drei Viertel in einem Arbeitskontext tätig, der ihnen bei der Wahl ihrer Arbeitstechnologien hohe Autonomie zugesteht. Einzig diejenigen Personen, welche in die komplexen Bezüge eines Unternehmens (Zeitungs- oder Buchverlage, Nachrichtenagenturen) eingebunden sind, sind durch die Vorgaben des Betriebs und die damit verbunden technologischen Entscheide in ihren Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt. Alle anderen (Wissenschaftler, Schriftsteller, freie Journalisten) geniessen in Bezug auf die Wahl der Arbeitsmittel und -strategien eine relativ hohe Selbständigkeit.

Die aktuelle Diskussion um den Stellenwert neuer Techniken der Textproduktion ist stark vom Tenor geprägt, neue Medien würden die bisherigen alten "ablösen" bzw. verdrängen. Wie unsere Ergebnisse zeigen, trifft dies zumindest in dem für unsere Untersuchung massgeblichen Kontext nur bedingt zu. Es ist zwar richtig, dass die neuen Medien in der Arbeitslandschaft eine dominante Position eingenommen haben. Ihr Einsatz geschieht je doch im allgemeinen selektiv und in vielen Fällen komplementär zu älteren Medien, die neben ihnen nach wie vor Verwendung finden.

Wir wollten von unsern Gesprächspartner/innen wissen, wie sie den Stellenwert des Computers bei ihrer Autor/innentätigkeit beurteilen und welche Bedeutung sie zusätzlichen Kommunikations- bzw. Speichermöglichkeiten wie E-Mail, CD-Rom, Multimedia-Produkten etc. beimessen. Andererseits interessierte uns auch, inwiefern früher verwendete Medien (Handschrift, Schreibmaschine, Karteikarten, Notizbücher etc.) heute überhaupt noch Verwendung finden.

In einigen Fällen hat der Computer frühere Schreibtechnologien wie Schreibmaschine und Handschrift abrupt abgelöst. Das ist vor allem bei jenen Personen der Fall, welche früher Mühe hatten, Texte zu generieren und auf der Schreibmaschine fehlerfrei zu schreiben. Für sie ist der PC eine enorme Erleichterung. Prof. G. hat im Computer die ideale Arbeitshilfe gefunden, welche es ihm endlich ermöglicht, eine Vielzahl von unterschiedlichen Texten auf einem einzigen Medium zu speichern. In der Folge verwendet er seine Handschrift praktisch nicht mehr. Er macht aber auch nicht mehr von der Möglichkeit Gebrauch, zum Arbeiten in sein Ferienhäuschen zu fahren, da dieses nicht mit Strom versorgt und deshalb für Computerarbeit ungeeignet ist.

2.3.1 Relikt Schreibmaschine

Eine wenig überraschende Feststellung zum Anfang: Mit wenigen Ausnahmen haben der PC und die darauf verfügbaren Textverarbeitungsprogramme die Schreibmaschine abgelöst, dies vor allem bei Personen, die bei ihrer Arbeit auf den Beizug von Schreibkräften verzichte(te)n. Nicht nur in der Phase der eigentlichen Textformulierung sondern bereits in der Phase des Textentwurfs setzen heute viele Autor/innen den PC ein. Die Schreibmaschine ist innerhalb eines Jahrzehnts zum Relikt aus alten Zeiten geworden. Prof. G. braucht die Schreibmaschine fast nie mehr: 

"Am Anfang des Computer-Einsatzes habe ich kürzere Briefe noch auf der Schreibmaschine geschrieben, doch im Moment beschränkt sich der Gebrauch der Schreibmaschine auf das Ausfüllen von Seminarscheinen und anderen Formularen. Ich habe letzthin bemerkt, dass ich verlernt habe, wie man das Farbband bei der Maschine auswechselt. Auch meine Sekretärin wusste es nicht mehr. (...) Die Handschrift benutze ich praktisch nur noch, wenn ich an eine Tagung oder Sitzung gehe und etwas notieren will. Sachen, welche ich aber nicht in einer sauberen Form in den Computer übernehme, gehen eindeutig verloren".

Ein Literaturprofessor erzählte anektotenhaft, wie ihn vor Jahren im Ausland ein Schweizer Schriftsteller mit seiner transportablen Schreibmaschine besuchte, welche quasi das Markenzeichen der schreibenden Zunft darstellte. "Auch ich habe noch diese alte Sentimentalität zu altmodischen Schreibmaschinen und habe zuhause noch eine der alten kleinen 'Hermes-Babys', die es früher gegeben hat. Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, ich müsste auch darauf schreiben. Das hat eher den Charakter einer Antiquität".

Andere Autoren benützen die Schreibmaschine noch zum Ausfüllen von Formularen sowie zum Tippen von Notizen oder kurzen Briefen, d.h. für Aufgaben, für welche sich der Computer nicht eignet oder wo sich der Aufwand zum Aufstarten des Gerätes praktisch nicht lohnt:

"Wenn ich Briefe schreiben muss, die auf einer Schreibmaschinenseite Platz haben, schalte ich den Computer nicht ein. Da habe ich meine kleine Schreibmaschine. In derselben Zeit, in der ich den Computer starte, schreibe und den Text ausdrucke, schreibe ich einen Brief mit der kleinen Schreibmaschine oder von Hand. Für Korrespondenz, vor allem private, benutze ich den Computer nicht. Ich benutze ihn nur für Journalismus und für literarische Texte".

2.3.2 Relikt Handschrift

Interessanterweise behauptet sich die Handschrift bei vielen Autor/innen als Schreibtechnologie neben und in Ergänzung zum PC. Als Extremfall ist der Politologe H. zu nennen, der für grössere Arbeiten nach wie vor handschriftliche und mit Farben markierte Entwürfe von bis zu 400 Seiten Länge anfertigt, da sie ihm nach seiner Erfahrung eine bessere Orientierung ermöglichen als das ein auf dem Computer gespeicherter Text, der am Bildschrim gelesen wird.

Der Schriftsteller Z. geht - in Anlehnung an Mc Luhans Behauptung "The medium is the message" davon aus, dass die Wahl der Schreibtechnologie den Schreibstil und somit das Produkt beeinflusse. Er betrachtet es als einschneidende Veränderung, dass er heute nicht mehr von Hand schreibt: "Das ist manchmal ein Verlust, der mich ärgert, weil die Handschrift auch ihre Vorteile hat. Die Handschrift ist wie ein Fluss; beim PC geht das nicht. Es ist, wie wenn man eine Flöte mit einem Schlagzeug vergleicht, das ist nicht dasselbe".

Der Politologe B., anfänglich ein passionierter Computer-Freak, überlegt sich neuerdings bei seiner Arbeit genau, ob er den Computer wirklich braucht. Er versucht, seine Präsenz am Bildschirm nach Möglichkeit zu reduzieren: 

"Ich schreibe auch Briefe wenn möglich von Hand, wenn ich das der an dern Seite zumuten kann. (...) Ein handgeschriebener Brief ist sicher persönlicher - das ist ein wesentlicher Punkt - und er ist auch kollegialer. Ich würde einem Freund eine Notiz als Beilage zu einem Text nicht mit dem Computer schreiben. Es sieht optisch viel definitiver aus. Eine handschriftliche Mitteilung kann man hingegen"lockerer" nehmen (...) Im übrigen liebe ich auch mein Karteikästchen und meine Agenda mit Adressen. Ich brauche keine Computeragenda".

Auch der Wissenschaftler B., der einen handwerklichen Arbeitsstil pflegt, schreibt einen Grossteil seiner Texte nach wie vor von Hand, so dass eine Wechselwirkung zwischen den handbeschriebenen Blättern und der Maschine entsteht. Er hat bei der Arbeit im Prinzip immer Papier dabeiliegen: 

"Meine Handschrift kann inzwischen niemand mehr lesen, die ist nur noch für mich. Aber es ist nicht so, dass ich nur noch vor dem PC-Bildschirm hocke, und dass das 'alte' Schreiben weg ist. Während ich früher die meisten Briefe auf der Schreibmaschine geschrieben habe, schreibe ich sie jetzt eigentlich von Hand, mit Ausnahme von gewissen Geschäftsbriefen; aber selbst bei denen geht inzwischen die Hälfte "von Hand" weg, das läuft mir schneller".

"Ich habe nach wie vor sehr viel Handschriftliches, gerade auch von Interviews. Aber ich ich habe den Eindruck, meine Handschrift ist durch die schnelle Arbeit mit dem Computer auch unleserlicher geworden. Ich habe sie irgendwie vernachlässigt. Meine Mama hat kürzlich gesagt: Ich kann gar nicht mehr lesen, was Du schreibst", meint Herr C.

Derselbe Herr verwendet den Computer nicht um jeden Preis, sondern gibt in bestimmten Situationen einer traditionellen Schreibtechnologie den Vorzug. Wenn er zum Beispiel Interviews analysiert und zu einem Buch verarbeitet, zieht er sich gerne auf sein Maiensäss zurück, das aber nicht mit Strom ausge rüstet ist. Da ihm selbst ein Laptop hier keine Dienste leistet, speichert er seine Informationen auf Karteikarten und "ackert" diese durch, genau wie damals, als er seine Doktorarbeit schrieb.

Ob Computer oder Handschrift, ist nicht bloss eine Ermessens-, sondern in gewissen Fällen auch eine Stilfrage. Der Computer ist das effizientere Medium, dadurch aber für gewisse Botschaften ungeeigneter. Auf diesen Umstand hat insbesondere der Schriftsteller B. hingewiesen: "Ich bekomme sehr viel persönlich gestaltete Briefe als Reaktion von Leuten, die genug haben von dieser Norm, von dieser öden Langeweile, erzeugt durch den Computer. Und ich selber gehöre auch zu denen. Wenn ich einen Brief schreibe, nehme ich mir ein bisschen Zeit und mache es nicht mit dem Computer.(...) Einen computergeschriebenen, nicht handschriftlich unterzeichneten Brief interpretiere ich so, dass ich nicht der einzige bin, der ihn bekommt. Mich interessieren Briefe aber nur, die ich als einziger bekomme. Also weg - ungelesen! "

2.3.3 Von der Unersetzlichkeit des Papiers

Zahlreich sind die Voten, welche die Vorzüge des Papierausdrucks gegenüber dem Lesen am Bildschirm abwägen und dabei zum Schluss kommen, für gewisse Zwecke sei das Papier unersetzlich und die Vision des "papierlosen Büros" bloss ein wohltönender Mythos. Einzig der Schrifsteller B. macht - obwohl ihm das Lesen auf Papier leichter fällt - konsequent alle Korrekturen am Bildschirm, denn er findet es abscheulich, die auf Papier vorgenommenen Markierungen in den Computer einzutippen.

Für die Mehrheit der Befragten ist die Tatsache unbestritten, dass sich ein Text auf Papier besser und augenschonender lesen lässt als auf dem Bildschirm, und dass auch die Orientierung in einer grösseren Textmenge auf Papier leichter fällt als auf dem Bildschirm.

Der Sportjournalist W. sieht seine Texte oft nicht auf dem Papier, dies aus dem schlichten Grund, weil er am Ort des Geschehens keinen Drucker mitführen kann und sich deshalb ausschliesslich auf sein Textsystem verlassen muss. Dies hat den Nachteil, dass er u.U. Fehler - seien es grammatikalische oder stilistische - übersieht, die er auf dem Papier erfahrungsgemäss erkennen würde.

"Das Schreiben hat sich am Anfang schon verändert, weil Sie früher bei einem Blatt ständig den ganzen Artikel gesehen haben. Hier haben Sie einfach nur die fünf Zeilen vor sich. Die Gefahr von Satz- und Wortwiederholungen war deshalb am Anfang sicher gross und auch die Gefahr, dass der ganze Ablauf nicht mehr so gut ist, wie wenn Sie ihn ständig präsent haben".

Der Lektor eines grossen Belletristik-Verlags hat die Erfahrung gemacht, dass sich eine inhaltlich gute Lektoratsarbeit nicht acht Stunden lang am Bildschirm erledigen lässt, weshalb er zum Lesen auf Papier ausweicht. Der Computer hat in seiner Branche revolutionäre Veränderungen bewirkt: "Es gibt die Schreibmaschine nur noch für Adresskleber, und auch das nicht mehr lange. Wir sind auf dem Weg zum papierlosen Büro, wobei das Verrückte ist, dass es (Anm.: das Papier) nicht weniger wird. (...) Es gibt mehr Papier. Wir werden künftig weniger statistische Auswertungen versenden. Das war tonnenweise Papier".

Der Politologe H. braucht heute sehr viel mehr Papier als früher. Er findet das Papier nach wie vor unersetzlich: "Sobald ich etwas eingetippt habe, dann will ich das anschauen und drucke es aus. Dann arbeite ich weiter an diesem Text. Und wenn zwei drei Leute an einem Buch arbeiten, macht jeder einen Durchgang, dann wird ausgetauscht, wieder bearbeitet etc. etc. Meine Erfahrung ist, dass wesentlich mehr Papier produziert wird und immer von der besten Qualität".

Prof. G. empfindet es als Komplikation, dass viele Informationen jetzt auf zwei Medien gespeichert sind, und dass sich daraus oft ein Papierkrieg von Notizen ergibt, welche gleichzeitig auch auf der Festplatte gespeichert sind. "Es ist also nicht so, dass man auf das Papier verzichten kann, denn es ist nach wie vor schwierig, eine grosse Menge von Texten innerhalb kurzer Zeit am Computer anzuschauen (...). Um einen Text in kurzer Zeit zu überblicken, muss man einen Papierausdruck haben".

Die Schrifstellerin Frau Sch. empfindet es als Verlust, dass sie auf dem Bildschirm nicht mehr denselben Ueberblick hat wie früher, als sie jeweils ihren "Brouillon" auf dem Tisch ausbreitete. Auf dem Bildschirm fehlt ihr die Referenz auf das, was sie schon früher geschrieben hat. In der Folge stellt sie beim Ausdruck oft fest, dass sie Wiederholungen produziert, welche ihr von Hand nie unterlaufen würden. Sie schätzt das Lesen auf Papier auch deshalb, weil es eine wohltuende Distanz zum Text schafft, die es ihr leichter macht, ihn zu beurteilen.

Aehnlich ergeht es dem Politikwissenschaftler B. Auch er gibt dem Papier zum Lesen und Ueberarbeiten den Vorzug. "Ich kann einen Text besser redigieren, wenn er auf Papier ist als auf dem Computer, auch weil ich mich davon entlasten will, immer vor diesem Kasten zu sitzen. Es ist auch eine Frage der Ganzheitlichkeit: Auf dem Bildschirm sehe ich einfach eine Seite, auf Papier habe ich jedoch hinten und vorne, und ich kann schauen, ob ich nicht vielleicht lieber etwas von hinten nach vorne nehmen will".

Die befragten Vertreter der Buchverlage vertraten übrigens die Ansicht, dass trotz dem aktuellen Aufschwung von CD-ROMs sich das gedruckte Buch vor allem im Belletristik-Bereich werde behaupten können, weil es gewichtige Vorteile aufweise. Ein Buch lasse sich überall mittragen und ermögliche ein sinnliches Erlebnis, das über elektronische Medien nicht zu vermitteln sei. Es biete ganz einfach mehr Komfort beim Lesen als ein Bildschirm.

2.3.4 E-Mail

Die von uns befragten Wissenschaftler, Schriftsteller und Journalisten, welche vorwiegend an PC-Einzelarbeitsplätzen tätig sind, legen mehrheitlich wenig Wert auf zusätzliche Möglichkeiten der kommunikativen Vernetzung wie beispielsweise E-Mail. An diversen Beispielen lässt sich zeigen, wie subjektiv der Entscheid für oder gegen eine neue Technologie ausfällt. Prof. C. berichtet von seinen früheren Erfahrungen mit E-Mail. Anfänglich bereitete es ihm Spass, von zuhause über ein Modem eigene Texte nach Kalifornien zu schicken. Doch nach etwa einem halben Jahr kam er zum Schluss, E-Mail sei so etwas wie "Geschwätzigkeit am Telefon":

"Das ist jetzt etwas, das mich in einer Weise fordert, wie ich es eigentlich nicht will. Ich komme am Morgen an, setze mich an den Schreibtisch und frage mich: Ist wohl etwas drin? Ich stelle das Telefon an, stelle diese Nummer ein, gebe meinen Code ein und schaue in den Briefkasten. Manchmal hat es auch Grüsse von diesem oder jenem. Und da habe ich gesagt: Das ist ja absoluter Terror, was da stattfindet. Es stört mich, dass man abhängig wird von diesem Briefkasten".

Den gegenteiligen Standpunkt vertritt der an einem Hochschulinstitut tätige EDV-Berater R. Er schätzt die Chancen der wissenschaftlichen Kommunikation über EDV sehr hoch ein und hat mit E-Mail vorwiegend positive Erfahrungen gemacht:

"Derjenige, welcher gelernt hat, diese Mittel effizient zu nutzen, kann stark davon profitieren. Der ist dann vernetzt mit Leuten in Amerika, Japan oder Australien, welche auf dem Gebiet arbeiten, das ihn speziell interessiert (...) Wir sind in den sozialwissenschaftlichen Bereichen sehr stark spezialisiert. Du kannst intern über Deine Probleme nur noch bedingt kommunizieren. Natürlich, es gibt noch einen weiten Bereich von allgemeinem Wissensaustausch (auch insitututsintern), aber Deine ganz speziellen Probleme musst Du heute durch den Erfahrungsaustausch mit anderen - externen - Wissenschaftlern zu lösen versuchen".

Im Fall von Prof. G. liegen die Sympathien auf seiten des Computers, die Antipathie hingegen bei den mobilen Telefonen. Ein mobiles Telefon empfindet er als Störung, weil er sich dann den Leuten ausgeliefert fühlt. Ein Computer stellt für ihn jedoch eine Möglichkeit dar, von der er Gebrauch machen kann, wann (und mehrheitlich auch wo) es ihm gefällt.

2.3.5 Video-Konferenzen

Die zitierten Beispiele zeigen, dass Benutzer von neuen Technologien persönliche Freiräume definieren, innerhalb derer sie Medien tolerieren oder aber als störend erleben. Kritische Anwender stellen sich zu Recht die Frage, ob die neuen Technologien immer halten, was sie versprechen. Wie steht das beispielsweise mit den Video-Konferenzen? Wiegt das Argument der Zeiterparnis, das als Pluspunkt zugunsten von Videokonferenzen oft angeführt wird, allfällige Nachteile wirklich auf?

Der Politologe B. beurteilt die Qualität von Videokonferenzen eher skeptisch. Er erachtet den persönlichen Kontakt mit Kollegen und Klienten als wichtiger: 

"Da kann es noch so viele Video-Konferenzen geben, das interessiert mich nicht. Ich muss mit den Leuten zusammensitzen können. Ein Telefon kann man nicht durch einen Brief ersetzen. Man kann aber auch nur mit jemandem telefonieren, den man persönlich kennt bzw. einmal gesehen hat, sonst ist das komisch. Nur im Büro möchte ich nicht sitzen. Es ist mir wichtig, mobil zu sein und zu andern Institutionen und Personen zu gehen(...). Wenn ich Interviews mache, gehe ich immer zu den Leuten. Das gehört auch dazu: Zu sehen, wie das Büro aussieht, in welcher Umgebung sie arbeiten, wie man empfangen wird. Auch das ist interessant."

2.3.6 Zusammenfassung

Es ist unverkennbar, dass das elektronische Zeitalter Bewegung in das Spektrum der Lese- und Schreibverfahren gebracht hat. In einigen Fällen hat der Computer frühere Schreibtechnologien wie Schreibmaschine und Handschrift abrupt und radikal abgelöst. Das ist vor allem bei jenen Personen der Fall, welche sich früher schwer damit taten, Texte zu generieren und fehlerfrei zu schreiben, sei es, dass sie an Schreibblockaden litten, oder weil ihr Arbeitsstil es ihnen verunmöglichte, eine Argumentationskette linear darzulegen. In der Regel lautet der Entscheid aber nicht: Entweder - oder, sondern sowohl als auch. Viele Gesprächspartner benutzen neue und traditionelle Medien in einem komplementären Verhältnis, wobei sie die optimale Kombination entsprechend ihren Bedürfnissen und Gewohnheiten auswählen. Dabei fallen nicht nur technische, arbeitsökonomische, körperliche und psychologische Faktoren sondern auch der Arbeitskontext als Ganzes ins Gewicht. Die Frage lautet im Einzelfall: Wann, wo, auf welche Weise und im Hinblick auf welche Ziele und Adressaten werden verfügbare Medien ausgewählt und miteinander kombiniert? Welche Rolle spielen dabei die Schreibtechnologien, welche die Lesetechnologien, und welche Beziehung besteht zwischen den beiden Bereichen?

Wie diese zahlreichen Beispiele zeigen, werden neue technologische Möglichkeiten von den Anwendern nicht kritiklos "adoptiert", selbst wenn sie traditionelle Medien im Arbeitsprozess weitgehend ersetzen. Wenn in einer anfänglich euphorischen Phase die Vorzüge eines neuen Mediums überschätzt und die Nachteile ignoriert werden, so scheint sich diese Wahrnehmung im Laufe der Zeit zugunsten einer objektiveren Sicht auszugleichen. Nutzen und Grenzen einer Technologie werden dann mit eigenen Bedürfnissen und Zielen verglichen und aufgrund dieser Bilanz eine Wahl getroffen. Der Medieneinsatz ist somit kein ausschliesslicher, sondern ein komplementärer: Alte und neue Medien werden entsprechend den persönlichen Präferenzen kombiniert, wobei dieser Medienmix sehr unterschiedliche Ausprägungen annehmen kann.

Inhalt

2.4 Veränderungen von Effizienz und Qualität durch den Computereinsatz

Bei der Ermittlung der durch den Computereinsatz induzierten Veränderungen stand in diesem Projekt die Frage nach allfälligen Effizienzsteigerungen im Vordergrund. Ist die Arbeit unter Einsatz des PC's besser, leichter, schneller, kostengünstiger geworden? wollten wir von unseren Interviewpartner/innen erfahren.

Ganz allgemein kann festgestellt werden, das selbst Personen, die weit davon entfernt sind, "Computer-Freaks" zu sein oder Leute mit einem tüchtigen Schuss Skepsis gegenüber neuen Technologien den Gewinn betonen, den sie aus der Nutzung der Computertechnologie beziehen. Die Textgenerierung und -produktion wird durch den Einsatz des PC's enorm erleichtert, sodass niemand mehr tauschen möchte mit früheren Zeiten, als handschriftliche Entwürfe, Cut and Paste und maschinengetippte Berichte den Alltag dominierten. Durch den Abbau von Schreibblockaden und durch die Möglichkeit, Texte beliebig zu speichern, zu bearbeiten und zu reproduzieren, haben Textautor/innen viel Schreibkomfort gewonnen und die Effizienz ihrer Arbeit verbessert.

Ueber dieses generelle Urteil besteht unter den Befragten weitgehend Einigkeit. Uns interessierte jedoch auch, ob sich die produzierten Texte inhaltlich und/oder formal verändert haben und wenn ja in welcher Hinsicht? Hat der PC den Anwender/innen weiter zu einer Effizienzsteigerung verholfen, welche sich zudem auch in einer Ersparnis von Zeit und Geld niederschlägt? Wo genau sehen die Anwender/innen die Vorteile der PC-Nutzung und welche allfälligen Nachteile nehmen sie in Kauf?

2.4.1 Der PC als Mittel zur effizienteren Zielerreichung

Auch in Bezug auf diese Frage zeigt sich, dass die Erfahrungen je nach Arbeitsbereich unterschiedlich ausfallen. Sozialwissenschaftler betonen andere Vorteile als Verleger, Journalisten andere als Schriftsteller. Die Mehrheit der Befragten betrachtet den Computer als reines Arbeitsinstrument, das es ihnen ermöglicht, ihre bisherigen Ziele effizienter zu erreichen. Frau H., Journalistin, findet beispielsweise, das Qualitätsniveau ihrer Arbeit sei grundsätzlich von der Technik unabhängig. Es gehe jetzt schneller und einfacher; etwas Grundsätzliches hätte sich aber nicht verändert.

Auch der Verleger L. sieht keine seiner Zielsetzungen tangiert: 

"An den Aufgaben hat sich grundsätzlich nichts geändert, der PC ist einfach ein Instrumentarium. Bei uns ist Administration und Gestaltung gemischt. Grundsätzlich ist alles viel flexibler geworden, schneller, effizienter und auch motivierter. Wir haben einen zusätzlichen Grad von Selbständigkeit erreicht. Früher waren wir stark auf Grafiker und externe Setzereien angewiesen. Heute sind wir wesentlich produktionstechnisch "emanzipierter" und deshalb auch schneller geworden."

Neben diesen eher inhaltlichen und formalen - positiven wie negativen - Veränderungen stellen einige Autoren eine Effizienzsteigerung fest, die auch finanziell zu Buche schlägt. Der Journalist und Sachbuchautor C zieht positive Bilanz: 

"Die Rechnung geht x-mal auf. Der neue Computer, den ich gekauft habe, war spottbillig, ob wohl er eine viel grössere Festplatte hat als der alte.

Nein, das war geradezu ein Quantensprung. Als ich den Computer anschaffte, habe ich auf Anhieb einen Drittel mehr um gesetzt. Ich konnte mehr Zeitungen bedienen, ohne die Sachen ständig neu schreiben zu müssen. Es ist eine hervorragende Sache. (...) Der PC entlastet. Ich verdiene mehr Geld mit dem PC. Mein Ziel ist es, ein normales Einkommen zu haben. Wenn mir das mit weniger Anstrengung möglich ist dank dem PC, bin ich dankbar".

2.4.2 Durch den PC induzierte textliche Verbesserungen

Veränderungen wurden vor allem im Hinblick auf die inhaltliche und formale Qualität der Texte festgestellt sowie im Bereich des Zeitbudgets und der Finanzen. Nicht alle Autor/innen sind sich dabei einig, ob sich der Computereinsatz positiv auf ihre Textarbeit ausgewirkt habe. Der Schriftsteller und Journalist zieht eine positive Bilanz: 

"Der Computer hat mir viel gebracht, wie etwa die Autonomie, den ganzen Prozess mehr in den Fingern zu behalten; und auch in die Bearbeitung konnte ich mehr investieren und präziser werden. Ich könnte gar nicht mehr anders schreiben".

Auch der Schriftsteller B. stellt an seinen Texten Verbesserungen fest: 

"Was Rechtschreibefehler, Kommas und solche Dinge anbetrifft, der ganze grammatische Bereich, da hat sich die Qualität verbessert. Die Manuskripte, welche ich heute abgebe, enthalten viel weniger Tippfehler oder vergessene Kommas".

Aehnlich ergeht es dem Journalisten W. Durch den technologischen Wandel im Zeitungswesen ist die Verantwortung in den Arbeitsbereich des Journalisten vorverlagert worden. Dank grösserer Selbständigkeit ist es ihm möglich, ein besseres Produkt herzustellen. Er arbeitet heute besser, fehlerfreier und aktueller. Auch nach Ansicht von Herrn U., Redaktor bei einer Nachrichtenagentur, hat die eigentlich journalistische Tätigkeit von der Umstellung auf Computer profitiert. Zwar wurden Leute, die früher vorwiegend mit Schreibarbeiten beschäftigt waren, ersetzt; an ihrer Stelle sind jetzt jedoch Redaktoren tätig, welche spezialisierte Bereiche bearbeiten und insgesamt viel mehr Material produzieren. Im Vergleich zu früher können sie auch mehr Zeit fürs Recherchieren aufwenden. Dank den technologischen Neuerungen hat die Agentur ihre Dienste ausbauen können: Sie bietet jetzt neben Texten auch einen Grafikdienst an. Zudem hat sie den Kreis der Adressaten erweitert, welche je nach Bedürfnis aus dem Gesamtangebot geeignete Teilangebote auswählen können. Es ist also eine Umsatzsteigerung bei gleichzeitiger Qualitätssicherung oder - verbesserung festzustellen.

Auch im Bereich der empririschen Sozialforschung erweist sich der Computer als potentes Arbeitsmittel. Prof. G. stellt fest, dass er mehr Ergebnisse produziere und verarbeite oder sie in Grafiken umwandle, um sie in empirische Publikationen aufzunehmen. Durch die vom Computer angebotene Collage-Technik hat er die Möglichkeit, flexibler und schneller zu arbeiten, wenn er beispielsweise einen Vortrag oder eine Publikation unter Zuhilfenahme bestehender Textelemente erarbeiten will. Durch diese Möglichkeit, Passagen zu verändern oder zu übertragen, ist eine Effizienzsteigerung entstanden. Er fühlt sich weniger beansprucht durch das Schreiben, was sich auch positiv in seinem Zeitbudget niederschlägt. Prof. G. beurteilt die Auswirkungen des Computereinsatzes als Fortschritt: "Ich meine, dass eine Verbesserung insofern möglich war, als ich geschriebene Texte übergehe, ergänze und korrigiere und damit Unreinheiten des Stils oder auch Wiederholungen eher vermeiden kann. Es gibt auch Untersuchungen, dass die durchschnittliche Satzlänge etwas grösser ist, wenn man den Text computerunterstützt verfasst und nicht mit der Schreibmaschine. Man benützt die Möglichkeit, nachträglich Adjektive, Verben oder ganze Satzteile einzufügen, was im Zeitalter der Schreibmaschine nicht möglich war":

Der Journalist und Sachbuchautor C. bezeichnet sich dank PC als viel effizienter als früher. Er hat in den letzten Jahren etwa 8 Sachbücher verfasst, was ihm ohne Computer nie möglich gewesen wäre.Von seinen Texten macht er in der Regel Mehrfachauswertungen für verschiedene Zeitungen. Das heisst, er verwendet dasselbe Ausgangsmaterial, adaptiert es aber im Hinblick auf die jeweilige Leserschaft immer wieder neu. Andere Autor/innen lehnen diese Arbeit mit Versatzstücken ab.

"Wenn ich originell schreiben will, beginne ich immer von Anfang an. (...) Ich merke, dass ich mich selber zu langweilen beginne, wenn ich Text nur überarbeiten muss. Wenn ich gut sein will, weiss ich, dass ich etwas Bestehendes nicht benutzen kann, sondern neu beginnen muss, damit eine gewisse Spannung aufgebaut wird".

Frau Sch. hält ebenfalls nichts davon, sich durch Mehrfachverwertungen zu reproduzieren: 

"Ich schreibe nur Sachen, welche mich herausfordern.(...) Ich würde nie aus etwas, was schon da ist, etwas Neues zusammenbasteln. Ich bin eben eine Schriftstellerin, ich mache keine 'Verwertungsschreiben'".

2.4.3 Negative Auswirkungen auf die formale und inhaltliche Qualität der Texte

Einzelne Gesprächspartner/innen äussern die Ueberzeugung, dass sich computergeschriebene von herkömmlichen Texten auch inhaltlich unterscheiden. Dazu der Schriftsteller Z.:

"Ich habe mit meiner Frau ein Experiment gemacht mit handgeschriebenen und computerge schriebenen Texten, und man sieht den Texten an, wie sie geschrieben worden sind. Ich behaupte, dass man bei einer wissenschaftlichen Untersuchung feststellen könnte, ob ein Text mit dem Computer oder von Hand geschrieben worden ist. Man hat das schon bei der Schreibmaschine diskutiert, wie sich der Stil mit dem Werkzeug verändert".

Der Journalist und Buchautor C. stellt selbstkritisch fest, dass die vom Computer ermöglichte Arbeit mit Textelementen die Gefahr einer sprachlichen Vernachlässigung beinhaltet: Er hat bemerkt, dass sich im Schreibprozess, weil alles so schnell geht, durch die Technik gewisse "Worthülsen" einschleichen und denkt, dass er handgeschriebene Sachen anders und kritischer formulieren würde: 

"Wenn man etwas redigiert und gewisse Satzresten 'hängenbleiben', kann das im Endeffekt un sorgfältiger sein. Es kommt schon vor, dass der Text durch die Möglichkeit, alles umstellen zu können, weniger sorgfältig ist. (...) Weil ich meine Texte sehr schnell schreibe - fast wie in einem Durchlauferhitzer - kann es passieren, dass plötzlich ein Satz in der falschen Zeitform in einem andern Kontext steht.(...) Die Sprache neigt ein wenig zur Verluderung und zur Abnützung, scheint es mir. Das ist ein Nachteil, den man sehen muss".

Herr C. sieht diesbezüglich auch Probleme bei den Redaktionen. Zwar ist auch die Zusammenarbeit mit Verlegern und Lektoren durch den PC einfacher und speditiver geworden, gleichzeitig stellt er jedoch fest, dass die Redaktionen die eingegangenen Texte immer weniger auf allfällige Fehler durchsehen: 

"Es ist mir kürzlich passiert, dass ich 'un' geschrieben habe statt 'und', und die haben das direkt eingespiesen bei der Handelszeitung, ohne es durch zulesen. Und dann hat es dann in der Zeitung solche "Hänger" drin."

Herr B., der in seiner Forschungs- und Beratungstätigkeit auch mit jüngeren Wissenschaftlern zusammenarbeitet, stellt fest, dass die mit dem Computer aufgewachsene Generation einen weniger anspruchsvollen Umgang mit Texten pflegt als er selber:

"Wenn wir Arbeitsvorschläge oder Vorschläge für Forschungsprojekte diskutieren, dann macht man einen ersten Entwurf und sitzt später wieder einen halben Tag zusammen. Und dann stelle ich fest, dass ein jüngerer Mitarbeiter, der den Text neu schreiben musste, ihn mir schickt, und ich denke, ich seh nicht recht: Da ist ein Abschnitt (Anm: des alten Textes) drin und da ein anderer Abschnitt, aber von einer Gedankenführung, welche dem Diskussionsstand entsprochen hätte, ist keine Rede. Da hätte ich gerne wieder die alte Kultur, als man den PC noch nicht hatte.(...)"

Herrn B.s Urteil über die mit Computern produzierte Textqualität fällt sehr kritisch aus:"Druckfehler haben massiv zugenommen. Ich finde zum Teil haarsträubend, was da passiert. Ich finde auch diese verdammte Trennereien, die nie stimmen, haarsträubend".

Auch Verlagsleiter L., stellt neben vielen Vorzügen der Computertechnologie negative Auswirkungen auf das Endprodukt fest und zwar vor allem in typographischer Hinsicht:

"Die Dokumente sind sauberer, auch hinsichtlich der Gestaltung fundierter. In Bezug auf die typographischen Qualitätsmerkmale stellen wir allerdings eine Verschlechterung fest. Was früher ein Schriftsetzer in einer 4-jährigen Lehre lernte, die Aesthetisierung der Schriftbildes, die richtige Schriftwahl etc., das verliert schon an Qualität. (Er nennt Beispiele für schlechten Seitenumbruch, schlechte Trennungen etc.)"

Die Journalistin Sch. stellt eine Diskrepanz zwischen der von Verlegern zunehmend geforderten ästhetischen Perfektion und der inhaltlichen Qualität der Texte fest: 

"Die Ansprüche an die formale Perfektion sind gewachsen, seit wir die neue Technologie haben. In den Redaktionen und Verlagen erwartet man überall makellose Manuskripte (...) Die Norm hat sich verändert, und die Ansprüche an die Darstellung sind viel höher geworden. Früher war es nicht so. Man hat die Manuskripte erhalten, die einen waren etwas besser, die anderen etwas schlechter. Man hatte immer Handkorrekturen. Diese Veränderung ist ein Fortschritt, welcher nur formaler Natur ist. Es kaschiert, dass der Text vielleicht inhaltlich weniger gut ist als vorher, und so gibt man sich der Illusion hin, ein fehlerfreies Manuskript stelle einen guten Text dar".

Dass viele Texte mit Mängeln in den Zeitungen und Zeitschriften erscheinen, hat nach Ansicht von Frau Sch. auch mit den Umstrukturierungen und den veränderten Berufsbildern im Verlagswesen zu tun. Der Trend verlagert sich ihres Erachtens immer mehr von inhaltlichen auf kommerzielle und formale Aspekte:

"Die Redaktoren sind teilweise Produzenten geworden, wenn man ihnen nicht in der Hierarchie einen Produzenten vor die Nase setzt, welcher dann sagt, ob es genehm ist oder nicht, obwohl er viel weniger vom Journalismus versteht. Durch die EDV-Technologie kommen viele fachfremde Leute in einen Arbeitsprozess hinein, obwohl sie effektiv nichts von dem Metier verstehen. Ich habe schon mehrmals erlebt, dass die sogenannten Produzenten keinen Dunst von einem Qualitätstext haben ".

2.4.4 Vom Prestigecharakter des EDV-Einsatzes

Ein im Bereich EDV-Beratung tätiger Wissenschaftler lobt als Vorteil der EDV-Technologie vor allem den Zugang zu Datenbanken und die Benutzung von E-Mail. Diese Informationstechnologien ermöglichen die weltweite schnelle Kooperation mit interessierten Fachkollegen und verbessern dadurch auch die Wettberwebsfähigkeit der betreffenden Wissenschaftler. Problematisch beurteilt er andererseits die Tatsache, dass EDV-unterstützte Forschungsverfahren ein so hohes Prestige geniessen, dass deren Anwendung in Grenzfällen zum Selbstzweck wird: 

"Das Problem ist manchmal schon, dass Autoren oder Leute, welche sehr intensiv mit EDV-Mitteln arbeiten, andere wichtige Dinge dadurch aus den Augen verlieren. Man sieht es am besten bei empirischen Arbeiten in Zusammenhang mit Statistik. Dort ist die Devise: man muss möglichst fortschrittliche Methoden benutzen, auch wenn man nicht dahintersieht, was mit dieser Methode eigentlich alles verbunden ist. Nachher sieht man im Manuskript sehr gut, wenn Darstellungen und Interpretationen nicht mit dem Vorgehen übereinstimmen, das benutzt wurde."

Auch der Geologe B. hat die Beobachtung gemacht, dass EDV-unterstützte Auswertungsverfahren eingesetzt werden, um bei Auftraggebern oder künftigen Adressaten den Eindruck methodischer Kompetenz zu erwecken, auch wenn die in den betreffenden Programmen enthaltenen Implikationen den Anwendern oft nicht vollumfänglich einsichtig sind. EDV- Technologie als Prestigeobjekt und Methodenfetischismus? Offensichtlich gehört es in gewissen Unternehmungen zum guten Ton, die neuesten Verfahren anzuwenden, selbst wenn deren Adäquatheit in Bezug auf Sinn und Zweck des Vorhabens nicht eindeutig erwiesen ist.

2.4.5 Zusammenfassung

Die Frage nach den durch den Computereinsatz erreichten Qualitäts- und Effizienzsteigerungen zeigt, dass die grosse Mehrheit der Befragten den Nutzen des PCs bei der Textgenerierung und -produktion sehr hoch einschätzt. Der PC erweist sich insgesamt gesehen als Instrument einer effizienteren Zielerreichung, wobei Veränderungen vor allem im Bereich der inhaltlichen und formalen Textqualität, aber auch hinsichtlich des Zeitbudgets und der Finanzen festzustellen sind. Das Urteil über diese Veränderungen fällt allerdings nicht nur positiv und auch nicht einheitlich aus. Wissenschaftler betonen andere Erfahrungen als Verleger, Journalisten andere als Schriftsteller. Gewisse Autor/innen vertreten die Meinung, dank dem EDV-Einsatz sei ihre Arbeit schneller, einfacher und finanziell attraktiver geworden, und ihre Texte hätten zudem - vor allem in formaler Hinsicht - gewonnen. Andere Autor/innen konstatieren in den Texten hingegen mangelnde Konsistenz, Tendenzen einer sprachlichen Vernachlässigung wie beispielsweise eine Zunahme von Schreib- bzw. Druckfehlern. Diese Mängel haben unter anderem mit der Möglichkeit zu tun, mit Textbausteinen immer neue Textvarianten zu konstruieren. Zum anderen werden durch Veränderungen im Verlagsbereich gewisse Aufgaben (z.B. das Lektorieren wissenschaftlicher Publikationen) anscheinend nicht mehr so sorgfältig wahrgenommen wie früher, was sich negativ auf die Qualität des Endproduktes auswirkt (vgl. dazu Punkt 2.7.3.). Die Nennung dieser Mängel kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bilanz der durch den Computer bewirkten Erleichterungen und Verbesserungen insgesamt positiv ausfällt.

Inhalt

2.5 Vom Einfluss des Computers auf die individuelle Autonomie und die zwischenmenschliche Kommunikation im Arbeitsprozess

Journalisten, Schriftsteller, Sozial- und Geisteswissenschaftler geniessen in ihrer Tätigkeit eine hohe Autonomie und können den Charakter ihres künftigen Produktes weitgehend selber bestimmen. In dieser Arbeit wurde davon ausgegangen, dass sich der Grad an Selbständigkeit durch den Einsatz von Computern und den für publizistische Aufgaben geeigneten Programmen vermutlich verstärkt hat. Wir fragten unsere Interviewpartner deshalb auch nach Aenderungen in ihrer persönlichen Arbeitsorganisation und in der Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeiten bzw. Fachpersonen.
 

Es zeigte sich, dass ein Teil der befragten Personen schon im Schreibmaschinenzeitalter ihre publizistischen Produkte weitgehend selbständig verfasst hatte; dies betrifft insbesondere jene mit dem Status von Freischaffenden oder Selbständigerwerbenden. Eine Journalistin betonte, sie hätte es sich rein finanziell gar nicht leisten können, Arbeiten an andere Personen zu delegieren. Andere Personen haben ihre Arbeiten solange wie möglich selber bearbeitet, um sie dann in der Schlussphase von einer Fachkraft grafisch überzeugend gestalten und schreiben zu lassen.

Der Wissenschaftler und Berater B. beschreibt seine Arbeitspraxis wie folgt:

"Mit einer Ausnahme schreibt bei uns jeder seine Arbeiten selber. Es ist in seltenen Fällen vorgekommen, dass man Arbeiten auswärts zum Schreiben gab, z.B. Interview-Transkripte bei grösseren Projekten. Ich habe aber schon früher immer alles in die Schreibmaschine getippt. Da haben wir erst die letzte Phase - die Erstellung des Endproduktes - nach aussen gegeben".

2.5.1 Erweiterung der individuellen Arbeitsautonomie

Der Trend, sämtliche an einer Publikation beteiligten Arbeiten selber auszuführen, wurde bei vielen der befragten Personen durch den PC verstärkt. Die betreffenden Textautoren empfinden die gesteigerte Arbeitsautonomie als Gewinn, insbesondere weil sie dadurch auch eine weitergehende Kontrolle über ihr Produkt besitzen. Zudem werden sie auch vom "schlechten Gewissen" entlastet, langweilige Hilfsarbeiten an Drittpersonen zu delegieren.

Leute mit individualistischer Mentalität finden im Computer einen leistungsfähigen Arbeitspartner, der ihren Autonomiebedürfnissen entgegenkommt: "Ich bin eine Einsiedlerbiene mit ungeheuer vielen Kontakten, aber ich brauche meine Höhle für mich allein. Ich könnte auch nicht auf einer Redaktion arbeiten, nicht einmal in einer Bürogemeinschaft. Wenn ich arbeite, bin ich mit dem Computer allein. Ich ziehe dann auch das Telefon aus und habe eine Selbstdisziplin, über welche alle staunen. Und da kommt mir der Computer ganz enorm entgegen", resümiert der Journalist und Sachbuchautor C. seine Situation.

Der an einem Hochschulinstitut tätige Prof. G. stellt fest, dass die Arbeitsteilung durch die Ausrüstung mit PC's wesentlich verändert wurde. Der Computer habe insgesamt dazu beigetragen, dass alle Mitarbeiter voneinander unabhängiger geworden sind. Dies gelte auch für das Verhältnis zwischen Professoren und Assistierenden. Das sei nicht mehr ein Verhältnis von vertikaler Arbeitsteilung wie früher, weil heute alle Assistierenden auch selber forschten.

In Bezug auf seine eigene Arbeit stellt Prof. G. fest, "dass ich mehr Einfluss auf die Gestaltung des Textes nehme, also auch auf die Strukturierung der Titel, des Textes und andere gestalterische Elemente wie die Ränder, Schriftgrössen, Grafiken. Das sind beträchtliche Zuwachse, doch dadurch habe ich die Möglichkeit, meine Gedanken präziser auszudrücken".

Auch innerhalb von Arbeitsteams hat der Einzelne an Autonomie gewonnen, wie Herr Z. am Beispiel einer Lehrergruppe darlegt, die ein eigenes Kursprogramm herausgibt. Der Einzelne macht jetzt bei der Entstehung dieses Produkts viel mehr selber: "Früher hat jede Kursleiterin ihre Ausschreibung in irgend einer Form abgegeben. Das kam dann zu einem Setzer, wurde korrigiert, der Grafiker hat es zusammengeschnitten und schliesslich war es hier. Heute kommen Entwürfe der Kursleiterinnen, die bereits gewis sen Standards entsprechen. Dann passt man alles ins Layout. Am Schluss geht der Grafiker noch einmal alles durch".

2.5.2 Grenzen des individuellen EDV-Einsatzes

Wo aber liegen die Grenzen eines sinnvollen EDV-Einsatzes? Das Prinzip des "Alles selber machens" setzt einen kompetenten Umgang mit den entsprechenden Programmen voraus; dies wiederum lässt sich in der Regel nur durch systematische Aneignung des entsprechenden Know-Hows bewerkstelligen. Vor allem im Zusammenhang mit Buchpublikationen haben diverse Autoren die Erfahrung gemacht, dass eine Bearbeitung bis zur Publikationsreife einen enormen Aufwand voraussetzt, der sich bei genauer Prüfung in vielen Fällen nicht lohnt. Ein Stück Anschauungsunterricht vermittelt in dieser Hinsicht Prof. C., der plante, zusammen mit zwei Mitarbeitern eine wissenschaftliche Untersuchung mit viel statistischem Material, Registern etc. zu publizieren. Der "grosse Traum" sah vor, den Text auf Diskette soweit fertig zustellen, dass sie ihn in die Druckerei geben könnten, wo er dann gedruckt und ausgeliefert würde.

"Das war eine absolute Romantik der mittleren 80er Jahre, denn inzwischen hat sich herausgestellt, dass das immer Probleme gibt, und dass es im übrigen auch nicht die Aufgabe eines Wissenschaftlers ist, sich um diese Details des Layouts und des Drucktechnischen zu kümmern. Es ist sehr viel klüger, sich um die Qualität des Textes zu kümmern. (...) Wir gingen am Anfang davon aus, es wäre gut, wir würden das selber machen. Aber es stellte sich heraus, dass durch die technische Entwicklung in den technischen Betrieben die elektronischen Möglichkeiten für Textveränderung, -umwandlung etc. so viel besser sind, als es der Einzelne haben kann, weshalb wir zum Schluss kamen, es sei vollkommen unsinnig, das selber zu machen".

Wie in Kapitel 2.7.2 noch näher ausgeführt wird, sind die Grenzen zwischen Autorenarbeit und Verlagsarbeit fliessend geworden und die Standards, welche von den Verlagen in Bezug auf eine Publikation vorausgesetzt werden, sind heute sehr unterschiedlich. Im Laufe der Jahre sind auch die PC-Euphoriker, die sich anfänglich auf die Möglichkeit eingelassen hatten, möglichst viele Arbeitsgänge auf dem PC selber zu erledigen, zu einer nüchternen Betrachtungsweise übergegangen und besinnen sich auf ihren eigentlichen schriftstellerischen, journalistischen oder wissenschaftlichen Auftrag.

Der Politikwissenschaftler B. beispielsweise findet es unsinnig, Layoutarbeiten für ein Buch selber auszuführen. 

"Ich finde das Layout grundsätzlich eine eigene Berufsgattung. Die Typographenlehre war früher eine der längsten und schwierigsten Lehren. Ich will ein Buch gar nicht selber layouten und gebe es auch ungern einem Layout-Büro, das ausschliesslich das macht. Ich finde, da müsse am Schluss ein Typograph darüber und auch ein gelernter Korrektor; der findet dann noch 200 Fehler, die sonst niemand sieht. Ich will das gar nicht selber machen; ich kann mich zeitlich entlasten, indem ich das einer qualifizierten Person übergebe.

(...) Die Institutionen wollen die Kosten möglichst tief halten, und es erscheint dann am kostengünstigsten, wenn man alles selber macht und dem Verlag eine Diskette liefert. Aber ich bin selbständig, und ich kann relativ schnell sagen, was es kostet, wenn ich einen Tag an etwas "herumfeile"(...). Das ist nicht ökonomisch, und das erklärt vielleicht auch, weshalb ich keine Lust habe, so an den Sachen zu arbeiten".

Nach Ansicht von Herrn B. hinterlässt die Tendenz gewisser Verlage, Kosten zu sparen, sichtbare Qualitätseinbussen bei den betreffenden Produkten, weil die typografische Qualität durch abgekürzte Herstellungsverfahren leidet. Die billigere Variante ist seines Erachtens qualitativ oft auch die schlechtere.

2.5.3 Auswirkungen der EDV auf die Kommunikation im Arbeitsbereich

Abgesehen von diesen die Arbeitsabläufe betreffenden Veränderungen interessierte es uns auch, ob die Kommunikation am Arbeitsplatz, z.B. in Arbeitsteams oder an Instituten, durch den Einsatz von PC's gelitten hat.

Prof. G. vertritt die Ansicht, die Gelegenheit zu persönlichen Kontakten hätte sich durch die Einführung der Personalcomputer reduziert. Dies sei noch anders gewesen, als man sich je weils im zentalen Computerraum begegnet sei. Mit einem Vergleich zeigte er zudem, dass durch den Computer - wie schon in andern Zeiten unserer historischen Entwicklung - auch die zufälligen Kontaktchancen stark abgenommen haben:

"Von dem Moment an, wo man fliessendes Wasser zu Hause hat und nicht mehr an den Dorfbrunnen gehen muss, hat man die zufälligen Begegnungen nicht mehr; auch indem man von den öffentlichen Verkehrsmitteln ins Auto umsteigt und dort ganz sicher niemanden antrifft. Nun muss man diese Kontaktchancen zusätzlich erzeugen wie etwa durch gemeinsames Essen oder dadurch, dass man sich in den Pausen trifft. Ich sehe das Büro voraus, in dem man nicht mehr in die Bibliothek muss, um ein Buch abzuholen, weil man genau das ausdrucken kann, was man braucht"

Herr G. findet, man sollte sich darauf besinnen, dass viele zufällige Kontaktchancen auch eine Funktion hatten, weshalb deren Wegfallen einem Verlust an Kommunikation gleichkommt.

Die Blickrichtung in den Büros sei durch die Ausrüstung mit Computern zwar einsam geworden, berichtet Verleger L., doch hätte die Kommunikation insgesamt darunter nicht gelitten. Sicher laufe die ganze Arbeit jetzt über den Computer, doch würden die Mitarbeiter/innen nach wie vor - über den Bildschirmrand hinaus - miteinander schwatzen. Eine Vereinsamung sei also nicht festzustellen. Persönlich erlebt er den Computer als absolut kommunikationsfördernd und effizienzsteigernd. Mit dem Verlagspartner eines kooperierenden Buchverlages setzt er sich jeden Monat ein- bis zweimal in einem Autobahnrestaurant zusammen. Auf ihren Laptops rechnen sie dann gemeinsam die Kalkulationen für ihre Buchprojekte durch. Herr L. stellt fest, dass ihre Diskussionen von dieser Arbeitsweise nur profitiert haben.

An Hochschulen bestehen unterschiedlich fortgeschrittene Bestrebungen, Einzelarbeitsplätze bzw. Projekte miteinander zu vernetzen, sodass auch auf diesem Weg die Kommunikation intensiviert werden kann. In seltenen Fällen wird dies dazu gebraucht, dass verschiedene Autoren gemeinsam an der Entstehung eines Textes mitarbeiten: zum Teil laufen diese Kontakte auch transkontinental. Doch selbst da, wo diese Vernetzung noch nicht weit fortgeschritten ist, gibt der Computer u.U. den Anstoss, mit publizistischen Produkten offener umzugehen und sie dem Kollegenkreis in einem früheren Stadium zugänglich zu machen. Dazu Prof. G.: 

"Der Computer ermöglicht es einem, ein paar Gedanken oder Thesen in eine akzeptable Form zu bringen, damit man sie jemanden zum Lesen geben kann. Ich möchte auch darauf verweisen, dass ich gewisse frühe Versionen von Papers zum Teil anderen Leuten zugänglich gemacht habe, um die Reaktionen darauf zu vernehmen. Die Einwände, Kritik und Anregungen habe ich dann aufgenommen und eingebaut. Das beruht schon darauf, dass die Vorversionen nicht handgeschriebene, unleserliche Texte sind, sondern sehr saubere und kommunikationsfähige Formen haben".

Zu einer eigentlichen kooperativen Autorentätigkeit via PC müssten allerdings verschiedenartigste Voraussetzungen erfüllt sein und auch grundsätzliche Vorbehalte abgebaut werden. Der Literaturwissenschaftler C. distanziert sich persönlich von solchen Bestrebungen und plädiert für die Beibehaltung des individuell verantworteten Autorentätigkeit: 

"Wenn es in den literarischen oder linguistischen Bereich hinein geht, gibt es eigentlich keine Mischtexte, es gibt nur selbstverantwortete Texte. Man spricht aber miteinander aufgrund von Texten. Ein Mitarbeiter hat mir beispielsweise einmal wöchentlich einen Ausdruck gemacht von dem, was er geschrieben hat. Er hat mir das hingelegt und ich habe ihm dann gesagt, was ich davon halte. Er konnte ihn dann umarbeiten oder sein lassen. Das lag in seiner Verantwortung. Diese Art von Auseinandersetzung läuft eigentlich viel mehr über das Gespräch als über eigentliche Eingriffe in den Text".

Im internationalen Rahmen erprobt hat ein Buchverlag die elektronische Zusammenarbeit mit ihrem Mitarbeiter in der Sowjeunion. Ein Buch über die Länder der ehemaligen Sowjetunion sollte zu einem fixen Termin erscheinen, doch der Autor war in den vorangehenden Monaten ständig unterwegs und kaum zu erreichen. Ein Manuskript wäre per Post mindestens zwei bis drei Wochen unterwegs gewesen und evtl. gar nie angekommen. So haben Verlag und Autor ihre "Mails" über Comnet ausgetauscht und es so geschafft, das Buch fristgerecht fertigzustellen. Für den Verleger war diese Erfahrung der Beweis für die unglaubliche Schnelligkeit und Flexibilität der neuen Technologien.

2.5.4 Zusammenfassung

Eine zusammenfassende Bilanz zu ziehen, erweist sich als schwierig. Die Mehrzahl der befragten Personen bestätigte einen Zuwachs an Autonomie in ihrer Autorentätigkeit, was als Gewinn zur Kenntnis genommen wird. Der PC macht es möglich Arbeiten, die bisher an andere Personen delegiert wurden, in den Bereich der eigenen Gestaltbarkeit überzuführen und dadurch eine erhöhte Kontrolle über das Produkt auszuüben. Doch das Prinzip des "Alles selber machens" stösst an Grenzen, wenn der Aufwand für die Beherrschung der verwendeten Programme ein zuviel an Zeit und Energie absorbiert, sodass die eigentliche Autorentätigkeit, das Verfassen von Texten, in den Hintergrund gedrängt wird.

Die Hinweise in Bezug auf Veränderungen in der zwischenmenschlichen Kommunikation fallen widersprüchlich aus. Zum einen wurden durch den Personalcomputer offensichtlich persönliche Berührungsflächen abgebaut; der PC als "stand-alone-Gerät" hat dazu geführt, dass "die Blickrichtung einsamer geworden ist". Zum anderen scheint sich die Kommunikationsfreudigkeit der Mitarbeiter andere Entfaltungsmöglichkeiten und Medien zu suchen, welche ihren Bedürfnissen entgegenkommen. Kaum ein/e Gesprächspartner/in mochte die als Schreckgespenst des Computerzeitalters beschworene Kommunikationsarmut am Beispiel eigener Erfahrungen bestätigen.

Inhalt

2.6 Auswirkungen der PC-Arbeit auf die subjektive Befindlichkeit der Anwender/innen

Der Einsatz von Technik in Arbeitsprozessen ist auch ein Prozess der Unsichtbarmachung von Arbeitsleistung. Am Beispiel der Computertechnologie lässt sich verfolgen, wie menschliche Arbeitsleistung in zunehmendem Masse auf die technische Ebene "umgelagert" wird.

In unserer Studie stellen Textautoren, welche früher über viele Jahre mit konventionellen Technologien (Schreibmaschine, Karteikästen, Handschrift etc.) gearbeitet haben, eine Veränderung ihres Arbeitsprozesses fest, welche sich auch auf der physiologischen und motorischen Ebene manifestiert. Die in unseren Interviews erwähnten Veränderungen beinhalten einerseits Erleichterungen, andererseits aber auch Behinderungen sowie Veränderungen, die als Verluste erfahren werden. Als vordergründigstes Beispiel sei das frühere Schnipseln und Kleben mit Leim und Papier erwähnt, das im Umgang mit Textenwürfen unter den Autor/innen die Regel war. Dieser Vorgang stellte ein kreativ-sinnliches Erlebnis dar, in dessen Verlauf der künftige Text sukzessive unter den Augen des Autors Gestalt annahm. Heute wird das Hantieren mit Blättern, das Umstellen und Einordnen von Textausschnitten durch Befehle wie "Suchen", "Finden", Ausschneiden", Einsetzen" etc. ersetzt. Der Gestaltungsprozess am Text schrumpft auf einen abstrakten und im Ganzen schwer überschaubaren konzeptionellen Vorgang zusammen. Der Einsatz von physischer Kraft und Beweglichkeit reduziert sich auf den Umgang mit einem stereotypisierten Repertoire an Tastenmanipulationen. Individuelle Unterschiede, wie sie z.B.in den variantenreichen Handschriftformen zum Ausdruck kamen, verschwinden und werden durch normierte Ausdrucksweisen der vom PC offerierten Gestaltungsmöglichkeiten ersetzt.

2.6.1 Bewirkt die PC-Arbeit einen Verlust an sinnlicher Erfahrung?

Der PC ist das Ordnungsinstrument per se, was sich auch in äusserlich sichtbarer Uniformität niederschlägt. Die Schreibgeräte ähneln sich immer mehr. Die Landschaft der PC-Installationen präsentiert sich grau in grau als zwar vielfältiges, in Material und Farbe aber uniformes Angebot an Geräten. Ein Gesprächspartner berichtet, sein erster Computer hätte annähernd die Grösse einer englischen Telefonkabine gehabt. Andere haben ihre ersten Erfahrungen auf Computern gemacht, die in den Rechenzentren ganze Räume füllten. Inzwischen ist das Volumen der Rechenmaschinen bei gleichbleibender oder gar steigender Leistungsfähigkeit immer kleiner geworden. Auch im Gerätebereich also ein Trend zu zunehmener Unsichtbarmachung.

Aus diesen Beobachtungen ergibt sich die Frage, ob mit der Umstellung der Arbeit auf den PC ein Verlust an Sinnlichkeit verbunden ist, der menschliches Erleben und Arbeiten verändert. Handelt es sich gar - wie von Neil Postman in Bezug auf gewisse Medien postuliert - um einen Realitätsverlust bzw. eine Verlagerung von primärer (unmittelbarer) auf sekundäre (mittelbare) Realität?

Welchen Einfluss hat die Arbeit am Computer auf die körperliche Befindlichkeit, auf das sinnliche Erleben? Inwiefern unterscheidet sich diese Situation von der früheren Arbeit mit konventionellen Schreibtechnologien? Inwiefern bringt der PC eine die Arbeit vereinfachende Erleichterung, inwiefern einen Verlust an liebgewordenen Gewohnheiten oder gar neue Probleme?

Auch auf solche Fragen sind wir im Rahmen dieser Arbeit eingegangen. Die Antworten machen deutlich, dass trotz der durch den PC ermöglichten offenkundigen Effizienz- und Qualitätssteigerungen in Bezug auf die körperliche Befindlichkeit nebst positiven auch negative Veränderungen festzustellen sind.

Der Literaturprofessor und Schriftsteller M. lehnt den PC wegen der durch ihn implizierten Systematisierung des Arbeitsprozesses ab. Er betont, für ihn gehöre psychologisch ein gewisses Mass an Chaos zur Arbeit. Er müsse sich ausbreiten können auf einem Tisch, er brauche das Erlebnis Raum dazu. Die Eindimensionalität im Umgang mit dem Bildschirm liege ihm nicht. Er brauche auch die Geschichte eines Textes - und zwar optisch sichtbar - inklusive aller Streichungen, die im Text ersichtlich seien. Vielleicht sei es Narzissmus, aber er brauche seine eigenen Arbeitsbedingungen. Bei der Arbeit an einem bestimmten Buch... 

"...habe ich die guten alten Karteikarten benutzt und habe so meine Quellen mit den Fingern zusammengesucht. Ich glaube, eine Motorik, die nur die Bewegung der Fingerspitzen hat, die nicht meinen Körper, meine Physiologie engagiert... ich glaube, diese Erfahrungen kann mir der Computer nicht ab nehmen. (...) Ich bewundere, wie man die ganzen Interieurs simulieren kann auf Computer - diese 'Virtual Reality Sachen'. Aber ich bilde mir ein, dass meine Nerven einen Kontakt brauchen, dass meine Glieder und mein Fleisch damit zu tun haben. Ich möchte nicht ein rückgekoppelter Arm eines digitalen Wesens werden".

Der Schriftsteller und Informatikspezialist Z. betont, er hätte eigentlich "gegen seinen Willen" die Arbeit am Bildschirm ausgedehnt. Seinen Vorbehalt formuliert er wie folgt: 

"Wenn ich am Computer sitze, bin ich vor einer Maschine, und beim Papier habe ich mit Literatur zu tun. Die Sinnlichkeit des Papiers erlebe ich viel stärker, wenn ich von Hand arbeite, wie skizzieren, malen, von Hand schreiben. Ein Laserdrucker ist für mich nicht mehr Papier, der ist schon viel zu technisch".

Aehnlich argumentiert eine Soziologin, die noch immer ohne Computer arbeitet. Sie begründet dies damit, dass die sich nicht den letzten Rest an taktiler Sinnlichkeit nehmen lassen wolle. Auch ihr ist wichtig, dass beim Schreiben das körperliche Empfinden angesprochen wird.

In einem Buch, das Schrifsteller Z. kürzlich zusammen mit seiner Frau publiziert hat (Zopfi und Zopfi 1995), blendet er unter dem Titel "Schreiben ist Handwerk" in die Literaturgeschichte zurück und zeigt, dass kreative Leistungen den ganzen Menschen und alle seine Sinne miteinbeziehen:

"Von Goethe erzählt man, er habe seine Texte diktiert und sei dabei im Schreibkontor auf- und abbgeschritten - also Fuss- und Mundarbeit. Diese Art, Texte zu verfassen, hat Vorteile. Sie ist verbunden mit körperlicher Bewegung, was die Hirntätigkeit anregt und den Sätzen einen Rhythmus unterlegt. Den Text laut sprechen, ihn mit der Stimme gestalten ist die beste Kontrolle für gute und verständliche Sprache. Wen wundert's also, dass der Meister eine gute Sprache pflegte".

2.6.2 Erhöhter Schreibkomfort dank PC-Einsatz

Von zahlreichen Autor/innen wird der PC geschätzt, weil er im Vergleich mit der früher benutzten Schreibmaschine einen erhöhten Schreibkomfort bietet. Der Schriftsteller B. hat den Weg zum Computer gefunden, nachdem er auf der Schreibmaschine seinen ersten 540-seitigen Roman geschrieben und sich dabei eine Sehnenscheidenentzündung geholt hatte: 

"Als ich mal Rückenschmerzen hatte, habe ich mir einen besseren Bürostuhl gekauft. So habe ich mir überlegt, was ich jetzt tun soll. Wie komme ich zu einem besseren Schreibkomfort? Da habe ich natürlich zuerst elektrische Schreibmaschinen angeschaut und habe ich mir überlegt, dass ich da im Grunde genommen auch hacken muss. 1983 war genau der Punkt, da man die elektrische Schreibmaschine überspringen konnte. Und ich habe dann gemerkt, das beste Schreibgerät für mich war dann die Textverarbeitung. (...) Schreiben mit dem Computer hat für mich nichts mehr mit Inhalt zu tun, sondern nur mit Schreibkomfort. So wie ich den bestmöglichen Schreibtischstuhl für meinen Hintern und Rücken habe, habe ich die bestmögliche Schreibmaschine".

Herr B. berichtet von wunderbaren Momenten des Gelingen, die sich bei ihm - unabhängig vom Schreibgerät - gelegentlich einstellen. Das Schreiberlebnis hat sich gewandelt, seit er mit dem Computer arbeitet: 

"Ich kann es bequemer und angenehmer machen mit diesem Gerät. Manchmal liebe ich es sogar, besonders nachts, wenn ich das Licht ausmache und nur der Computer läuft. Der surrt ein bisschen, und das klackt so, und es ist ein Wegdriften, das mir sehr gut gefällt. (...) Bei der Schreibmaschine gibt es das Arbeitstiererlebnis; dass man gehackt und gehackt hat, und einem alles weh tut am Abend".

Auch Herr U., der als Redaktor bei einer Nachrichtenagentur arbeitet(e), empfindet die Arbeit auf dem PC insgesamt als Erleichterung: 

"Früher musste man körperlich viel mehr arbeiten, weil man alles selber geschrieben hat. Man musste teilweise darauf hacken; beim PC hingegen hat man viele Pausen. Man schreibt etwas, dann redet man miteinander oder macht einen Kaffee. Es ist nicht mehr das sture Abschreiben wie es etwa Angestellte auf Banken oder Versicherungen haben, die immer nur tippen und tippen müssen. Das gibt natürlich schon eine schlechte Haltung. Doch wir schreiben an einem Stück nicht so viel. Wir sind viel freier und lockerer hier".

Freier und lockerer fühlen sich viele Textautor/innen auch durch das Wegfallen von Schreibblockaden. Die traditionelle Arbeitsweise, welche nach kürzeren oder umfangreicheren Entwürfen in ein maschinengeschriebenes Manuskript mündete, war oft mit der "Angst vor dem weissen Blatt" oder wie eine Autorin sagte - "the writers block" - verbunden. Die durch den Computer mögliche Collagetechnik, welche eine ständiges Revidieren und Ueberarbeiten des Textes ermöglicht, hat die Schwierigkeiten des Einstiegs in einen Text stark reduziert.

Der Journalist C. erinnert sich an frühere Zeiten, als er beim Schreiben auf der Schreibmaschine das Gefühl hatte, der Text sollte definitiv und quasi "für die Ewigkeit" sein. Jetzt ist seine Arbeitsweise viel provisorischer, jederzeit revidierbar und dadurch entspannter: 

"Es gibt immer wieder die Furcht vor dem weissen Blatt, das kennt jeder Journalist oder Dichter. Mit dem Computer kann man die Furcht bannen, indem man einfach einmal etwas niederschreibt. Das ist eine Erleichterung. Gelegentlich gibt es jedoch ein Erschrecken, wenn ich den ersten Probedruck "herauslasse". Wenn ich etwa eine Stunde geschrieben habe, so ist der Rohentwurf für mich immer eine Art "Rohling" und wenn ich den dann ausdrucke, denke ich: Mein Gott! Das kommt ja gar nicht gut! - Aber ich überschlafe meine Texte immer. Ich schicke praktisch nie einen Text am selben Tag weg, an dem ich ihn schreibe, sondern erst, nachdem ich ihn nochmals überdacht habe. Aber das Erlebnis des ersten Entwurfes ist oft ein Schock".

Der Soziologieprofessor G. hat ebenfalls erlebt, dass sich sein Arbeitsstil durch die Arbeit mit dem PC wohltuend entkrampft hat. Dank dem Computer sind die Zeiten, in denen ihm nichts gelingen will, kürzer und seltener gewor den: 

"Ich habe im Zeitalter der Schreibmaschine recht häufig unter Verkrampfungen gelitten. Ich bin vor die Maschine gesessen, und das weisse Papier hat mich behelligt, als ob es mich aufgerufen hätte, etwas Fixes Unabänderliches darauf zu schreiben. Das Wesentliche, was sich mit dem Computer geändert hat, ist die Tatsache, dass ich mit dem Gefühl schreiben kann, alles was ich eintippe, sei revidierbar und veränderbar. Das finde ich befreiend und möchte ich nicht mehr missen".

Auch der Politikwissenschaftler B. kennt das Phänomen der Schreibblockaden aus eigener Erfahrung: 

"Wenn man etwas Komplexes schreiben soll, weiss man eigentlich nie, wo anfangen. Ich kann mir schon vorstellen, dass es vereinfachend wirkt, mit dem PC zu arbeiten. Ich habe immer Schwierigkeiten anzufangen.(...) Der erste Satz ist ja sehr wichtig. Ich weiss aber selten von Anfang an, was da stehen soll. So schreibe ich dann halt "irgend öppis". Ich weiss genau, dass die ersten Sätze später wieder umgeschrieben werden. Und so komme ich irgendwie ins Schreiben hinein".

2.6.3 Negative Auswirkungen der PC-Arbeit auf die körperliche und geistige Belastbarkeit

Nicht alle PC-Benutzer haben in Bezug auf den Schreibkomfort ausschliesslich positive Erfahrungen gemacht. Offensichtlich gab es vor allem in den Anfangszeiten der Einführung der EDV-Technologie Arbeitgeber, die den ergonomischen Erfordernissen an einen guten Computerarbeitsplatz zuwenig Beachtung schenkten. Der Politologe H. hatte bei privatwirtschaftlichen Arbeitgebern beobachtet, dass bei der Ausrüstung von Arbeitplätzen grosses Gewicht auf ergonomische Aspekte gelegt wurde. An seinem Hochschulinstitut wurde diese Sorgfalt jedoch nicht aufgewendet: 

"Die Einführung ist katastrophal gewesen. Als wir die Geräte bekamen, war kein passendes Mobiliar da. Es dauerte lange, bis wir Mobiliar bekamen, auf dem wir drei bis vier Stunden arbeiten konnten, ohne Rückenschmerzen zu bekommen. Die technische Welle ist einfach über die Universität hereingebrochen. Die Geräte sind bestellt und irgendwo auf einen Tisch gestellt worden. An der Universität hat sich niemand um solche Fragen gekümmert, weder von einem zentralen Rechenzentrum noch von den einzelnen Instituten aus. Ich bin immer erstaunt, mit wieviel Nonchalance die Leute die Geräte falsch oder unbequem aufstellen".

Aber selbst bei optimaler Ausstattung des Arbeitsplatzes sind der körperlichen und geistigen Belastbarkeit bei der Arbeit mit dem PC Grenzen gesetzt. Trotz aller Erleichterungen fordert und ermüdet die Computerarbeit den Anwender, weshalb arbeitsphysiologische Untersuchungen empfehlen, die Computerarbeit zeitlich zu beschränken. Prof. C. ist sich seiner Leistungsgrenzen im Umgang mit dem PC bewusst geworden: 

"Ich kann sehr gut vier bis fünf Stunden am Computer sitzen und schreiben, aber dann habe ich genug. Das Schreiben ist - auch als Konzentrationsübung - etwas vom Anstrengendsten für mich. Ich spüre den Körper auch nicht mehr. Wenn ich eine mechanische Arbeit mache, etwas eintippe oder eine Bibliographie erstelle, merke ich sofort, ob ich falsch sitze. Sobald ich mir jedoch überlege, wie muss ich das jetzt sagen, ist das gut oder schlecht, ist der Körper wie weg, und das ist etwas Gefährliches".

Eine massive Häufung von Klagen beziehen sich auf die Beeinträchtigung der Augen bei der Computerarbeit. Die Befragten waren sich zwar bewusst, dass eine verminderte Sehfähigkeit oder sonstige Augenbeschwerden auch andere Gründe haben können, z.B. den natürlichen Alterungsprozess. Trotzdem beeindruckt die grosse Zahl von Nennungen, die diese Sehbeschwerden mit dem Computergebrauch in Verbindung bringen. Eine Journalistin hat lange mit der Anschaffung eines PCs zugewartet, weil sie beim Gebrauch des PCs an Augenflimmern und Kopfschmerzen litt. Sie hatte zudem Probleme mit ihren Kontaktlinsen und befürchtete, diese könnten sich noch verstärken. Schliesslich ersetzte sie die Linsen durch eine Brille und schaffte sich einen PC mit grossem Bildschirm an, was sich bisher recht gut bewährt.

Aehnlich kritisch über die negativen Auswirkungen auf die Augen äussert sich der Journalist C., auch er an sich ein überzeugter Anhänger der Computertechnologie. 

"Ein Problem ist entstanden: Ich finde, der PC ruiniert die Augen. Ich neige dazu, wenn ich mit dem PC arbeite, sieben bis acht Stunden daran zu sitzen. Irgendwie finde ich das verrückt: Ich glaube, dass der PC bzw. der Bildschirm den Augen zusetzt. Das ist ein grosser Nachteil, den man wahrscheinlich nicht ändern kann. Wenn ich an einem Text arbeite, will ich im Prinzip eben nichts anderes machen, und ich muss mich dann richtig losreissen, weil es so faszinierend ist (...) . Aber die Augen - glaube ich - sind die Verlierer".

Auch am Arbeitsplatz des Redaktors U. beklagen sich viele Mitarbeiter über Augenprobleme und die ungünstigen Lichtverhältnisse. Der Arbeitgeber hat sich in dieser Hinsicht beim Einrichten des Büros wenig Gedanken gemacht. Zum Teil stehen die Computer gegen das Fenster, was sich als sehr ungünstig erweist. Herr U. lässt deshalb zum Arbeiten in der Regel den Rolladen herunter, damit ihn das Tageslicht beim Arbeiten nicht blendet.

Der Politiologe B. ist in Bezug auf die Augenproblematik ebenfalls sensibilisiert, obwohl er den Computer als Arbeitsinstrument nicht missen möchte. Aber er versucht - den Augen zuliebe - sowenig Zeit wie möglich am Bildschirm zu ver bringen: "Mit den Augen ist das schon ziemlich dramatisch; ich sehe einfach regelmässig schlechter, wenn ich eine Augenkontrolle mache. Wenn man Augenärzte oder Optiker fragt, hat das nichts mit dem Computer zu tun. Das mag sein. Ich merke aber einfach, dass ich am Abend ermüdet bin in den Augen, und für mich steht das in Zusammenhang mit dem Computer".

Auch der von uns befragte Lektor eines Belletristik-Verlags hält fest, man könne nicht acht Stunden am Tag am Bildschirm Texte korrigieren und revidieren. Seine Augen würden zu tränen beginnen, wenn er längere literarische Texte bearbeite, zudem bekomme er Konzentrationsschwierigkeiten.

Wie an anderer Stelle ausführlich beschrieben, zieht ein Grossteil der Befragten das Lesen auf Papier dem Lesen am Bildschirm vor. Deshalb fertigen sie im Arbeitsprozess regelmässig Papierausdrucke an, aufgrund derer sie sich dann eine Meinung bilden. Dies erklärt auch, weshalb trotz des "elektronischen Büros" der Papieranfall in den meisten Fällen nicht wie prognostiziert kleiner sondern grösser geworden ist.

2.6.4 Auswirkungen des PCs auf den intuitiv-kreativen Gestaltungsprozess

Die Beschreibungen der befragten Personen bewegen sich zum Teil aber auch in Bereichen, die mehr mit der Ganzheit des Schreibprozesses und der damit verbundenen Befindlichkeit zu tun haben. Schreiben ist wie im ersten Teil dargelegt ein kreativer Prozess, der nur bedingt einer rationalen Logik folgt. Zwar verwenden gewisse Autor/innen nach wie vor viel Zeit darauf, ihre Texte vorzustrukturieren oder ihre formale Ausgestaltung bei der Computerarbeit zu perfektionieren. Trotzdem beinhaltet dieser Prozess auch Momente intuitiven Gestaltens, in denen die Persönlichkeit des Autors/der Autorin auf eine besondere Weise zum Tragen kommt. Die Beschreibung des Schriftstellers B. über die Entstehung seiner Romanfiguren lässt erahnen, wie komplex und vielfältig dieser Gestaltungsprozess abläuft: 

"Ich habe also das Material, denke mir die Romanpersonen aus und stelle mir dann vor, was sie für eine Biographie haben. Ich weiss über die Romanpersonen ziemlich viel, noch bevor ich weiss, wie der Roman ablaufen wird. Wie alt sie sind, was sie für ein Hobby haben, ob sie Milch oder Whisky trinken. All diese kleinen Dinge weiss ich. Und dann versuche ich das übereinander zu stülpen - dieses Material und diese Personen - und beginne, mir Sätze vorzustellen. Ich beginne auch von Hand, Sätze aufzuschreiben. Und dann versuche ich das zu finden, was der Sound ist, der Ton dieses Romans. Und wenn ich den gefunden habe, wenn ich auch ein bisschen eingeschrieben bin, dann gehe ich an den Computer und fange mit dem Schreiben richtig an".

Der Literaturprofessor und Schriftstleller M., der noch immer auf der Schreibmaschine arbeitet, weist ebenfalls darauf hin, dass er in der Anfangsphase des Schreibprozesses nicht auf der Maschine arbeiten kann:

"Wenn ich jetzt schon digital oder gerade direkt in der Schreibmaschine arbeiten könnte, wäre das eine gewaltige Erleichterung. Alles was ernsthaft ist, kann ich nicht direkt auf Anhieb in die Schreibmaschine hineingeben, alles was persönlich ist. Beileidsbriefe schreibt man, glaube ich, immer noch nicht mir der Maschine".

Für Herrn M., der sich als "Schreibzeug-Fetischist" bezeichnet, ist es wichtig, dass der Körper, die Motorik, im Schreibprozess involviert ist. Warum dies so ist, belegt er am Beispiel eines Kollegen:

"Ich haben in L. einen Kollegen, welcher behindert ist an der rechten Hand. Er hat gewaltige kompensatorische Fähigkeiten entwickelt, und der Computer hat ihm das abgenommen. Er gehört bereits zu denen, die Manuskripte satzfertig tippen und nimmt dem Verleger so einen Arbeitsgang ab. Aber alle paar Tage muss er in eine Beiz sitzen und mit seiner verkrüppelten Hand an einem bestimmten Tischli schreiben. Einfach sich "erden'".

Schriftsteller B., der schon viele Jahre auf dem Computer arbeitet und dessen Dienste absolut hochschätzt, betont auch, dass er im Falle von Krisen den Computer meide und andere sinnlichere Ausdrucksformen brauche, bis er sich über die ungelösten Probleme Klarheit verschafft habe. Es scheint, als sei der Bezug zum eigenen Körper wichtig, um sich der eigenen Situation und der zu lösenden Probleme zu vergewissern: 

"Wenn ich Probleme habe beim Schreiben, dann schalte ich den Computer aus oder schiebe die Schreibmaschine weg und versuche die Probleme in einem Buch, in dem ich von Hand schreibe, zu lösen oder darüber nachzudenken. Es gibt nichts Schlimmeres, als vor einem Computer zu sitzen und nicht weiter zu wissen. Zum Schreibprozess, der sich ja über zwei Jahre bei einem Roman erstreckt, gehört die Krise dazu. Wenn ich eine Krise habe, meide ich den Computer. Am Computer sitze ich, wenn es mir "läuft". Wenn es mir nicht läuft, dann versuche ich Sätze von Hand zu schreiben, weiterzukommen, zu überlegen, eine Zeichnung zu machen. Jedes meiner Bücher, auch als ich noch mit der Schreibmaschine geschrieben hatte, hat ein Begleitbuch, in dem ich Dinge von Hand gemacht habe: Entwürfe, Skizzen, Knöpfe lösen und dann wieder überspringen auf die Maschine".

Prof. C. erinnert sich an die Anfangsphase mit seinem Computer zurück, während der er diesen als "Fremdkörper" empfand, weil er eine so komplizierte Befehlssprache hatte. Er musste einiges an Neugierde und Auseinandersetzung mit der Maschine investieren, bis deren Bedienung schliesslich zu einem Automatismus wurde. Heute sind die Geräte bedienungsfreundlicher geworden, und er hört bei der Arbeit nicht einmal mehr den Lärm des Gerätes.

A propos Lärm: Ein PC ist wesentlich geräuscharmer und ohrenschonender als eine elektrische Schreibmaschine. In den meisten Arbeitskontexten ergibt sich daraus eine Reduktion der Geräuschimmissionen. In Bibliotheken hingegen, wo bis anhin oft nur das Räuspern der lesenden und schreibenden Besucher zu hören war, wirkt das Klappern der Laptops unter Umständen als Störfaktor. Sensible Ohren fühlen sich auch in gemeinsam benützten Büros gestört, wobei u.a. auch Bedenken wegen zusätzlichen Belastungen (Ozonproduktion, Strahlen etc.) eine Rolle spielen. Die Kritik des Politologen H.: 

"Ich bin daran gewöhnt, in Ruhe zu denken und zu überlegen, und die andere sitzen am PC. Wenn es darum gegangen ist, meinen Arbeitsplatz zu organisieren, habe ich die PCs ungefähr drei Meter weg vom Arbeitsplatz hingestellt. Andere haben den PC am Pult, und er läuft den ganzen Tag. Das finde ich eine Verschlechterung der Arbeitsqualität".

2.6.5 Zusammenfassung

Als Fazit ist festzuhalten, dass die Textproduktion und -gestaltung auf dem PC nicht nur Produktivitäts- und Qualitätssteigerungen nach sich zieht, sondern auch einenVerlust an taktiler Erfahrung im Arbeitsprozess. Die Arbeit mit dem PC reduziert das körperliche Engagement auf die ritualisierte Bedienung der Schreibtastatur. Prozesse, die in früheren Zeiten einen beträchtlichen zeitlichen und räumlichen Aufwand beanspruchten, sind heute mit wenigen Handgriffen, klinisch sauber, zu bewerkstelligen.

Der Anwender ist dadurch in seinem körperlichen Befinden anders gefordert als früher. Während er früher bei Textproduktion und -verarbeitung eine Vielzahl von Utensilien in den Arbeitsprozess einbezog (Stifte, Notizblock, Papier, Schere, Leim etc.) kann er heute seine Aufgabe theoretisch mit PC, Drucker und Papier vollumfänglich erledigen. Diese Veränderung des Arbeitsprozesses wird - trotz aller damit verbundenen Vorteile - von etlichen Autor/innen als Verlust an Sinnlichkeit erlebt. Sie betonen das Bedürfnis, beim Schreiben auch körperlich involviert zu sein und sich am Arbeitsplatz "ausbreiten" zu können.

An erster Stelle unter den positiven Konsequenzen der Computerarbeit ist das Wegfallen von Schreibblockaden zu erwähnen, das den Einstieg in die Textarbeit im Vergleich zu früher enorm erleichtert. Die Arbeitsweise der Autor/innen ist heute provisorischer, jederzeit revidierbar und dadurch unbelasteter.

Nicht an allen Arbeitsplätzen wird jedoch den mit der PC-Arbeit zusammenhängenden ergonomischen Besonderheiten genügend Gewicht beigemessen. Einzelne Anwender/innen klagen über körperliche Beschwerden, z.B. mit dem Rücken. Erstaunlich zahlreich sind auch Klagen über Augenprobleme. Ein Grossteil der Befragten hat den Eindruck, die Arbeit mit dem PC wirke sich negativ auf die Augen aus. "Die Augen sind die Verlierer", formulierte es ein Interviewpartner.Viele Anwender/innen beschränken deshalb die Arbeit am Bidschirm auf das absolut notwendige Minimum und lesen bzw. korrigieren ihre Texte statt am Bildschrim auf Papier. Ein Schriftsteller meidet den Computer auch in krisenhaften Arbeitsphasen und greift dann auf andere, konventionelle, Schreibtechniken zurück.So ist neben hoher Akzeptanz der Computertechnologie auch Kritik wegen negativer Begleiterscheinungen festzustellen. Die Anwender/innen setzen ihre Hoffnung in künftige Entwicklungen, welche benutzerfreundlichere, ergonomisch bessere Lösungen bringen werden.

Inhalt

2.7 Auswirkungen des Computereinsatzes auf die Interaktion mit andern Personen und Institutionen

Trotz der hohen Autonomie der Autorentätigkeit sind die von uns befragten Wissenschaftler, Schriftsteller, Journalisten und Redaktoren auch in diverse Formen der Zusammenarbeit mit anderen Personen und Institutionen involviert. (Um diese Zusammenhänge besser ergründen zu können, haben wir in unsere Studie auch Interviews mit zwei Verlegern integriert). Es interessierte uns zu erfahren, ob sich an dieser Zusammenarbeit durch den Computereinsatz etwas verändert hat. In unseren Gesprächen ist mehrmals das Wort "Freisetzungstechnologie" gefallen, womit gemeint ist, dass dank der Informatik Arbeitsplätze eingespart und zum Teil auch gewisse Berufsbilder obsolet werden. Anderseits haben sich innerhalb bestehender Berufe auch Verlagerungen ergeben, die das Tätigkeitsprofil veränderten: Alte Aufgaben wurden bedeutungslos, neue kamen hinzu. Die zu diesem Aspekt geäusserten Feststellungen waren erwartungsgemäss sehr vielfältig und komplex. Ich beschränke mich deshalb darauf, an dieser Stelle drei Bereiche exemplarisch darzustellen, nämlich die Beziehung der Autor/innen zu dem Sekretariatsdiensten, zu den Verleger/innen und zu den Lektor/innen.

2.7.1 Zusammenarbeit im Sekretariatsbereich

Die Sekretärin als qualifizierte Hilfskraft, welche eine(n) Textautor(in) in Schreibarbeiten unterstützt und entlastet, so stellte man sich jahrzehntelang das klassische "Tandem" einer funktionalen Arbeitsteilung vor. Redaktoren, Professoren etc. hatten ihre "rechte Hand", welche darauf spezialisiert war, die von ihnen entworfenen Textvorlagen in eine formal überzeugende Form zu bringen, welche auch dem kritischen Auge der Oeffentlichkeit standhielt. Die entsprechende Teamarbeit setzte nicht nur eine hohe räumliche Präsenz sondern in Bezug auf inhaltliche und formale Fragen auch eine grosse Verständigungsbereitschaft und -fähigkeit voraus. So war das Verhältnis Textautor(in) /Sekretärin von hoher Interdependenz geprägt und nahm tendenziell die Form einer Schicksalsgemeinschaft an.

Etliche der von uns befragten Personen haben allerdings schon früh darauf Wert gelegt, ihre Texte wenn immer möglich selber zu erfassen und Schreibkräfte höchstens für das Erstellen einer saubergetippten Schlussfassung beizuziehen. Einige fühlten sich in diesem Abhängigkeitsverhältnis, zum Teil auch aus ideologischen Gründen, immer unbehaglich. In diesen Fällen hat der PC, wie es ein Gesprächsteilnehmer formulierte, quasi "offene Türen ein gerannt", indem er es dem Autor ermöglichte, den Text auch in der Endphase selber fertig zu gestalten. Der Sozialwissenschaftler H. war in früheren Zeiten von einer Sekretärin abhängig, da er nicht imstande war, einen Text fehlerfrei zu gestalten. Dank dem PC war es ihm quasi von einem Tag auf den andern möglich, sämtliche Schreibarbeiten selber auszuführen:

"Ich hatte immer eine Sekretärin zur Verfügung, welche meinen 'Brouillon' abgeschrieben hat , und ich habe den Text danach nochmals überarbeitet. So gab es etwa zwei bis drei Versionen. Mit dem PC wollte ich es nochmals versuchen, ob es geht, den Text direkt einzutippen. Mit der Schreibmaschine hat es nicht funktioniert, mit dem Diktiergerät auch nicht, und doch wollte ich es nochmals versuchen. Und es klappte tatsächlich, praktisch vom ersten Tag an".

In einigen Fällen hat die Einführung des PC's die Sekretärin in der Regel völlig überflüssig gemacht. In anderen Fällen ist sie zwar nicht eliminiert worden, doch haben sich ihr Stellenwert und ihr Tätigkeitsprofil durch den Einsatz der Informatik grundlegend verändert. Gewisse Bereiche wie Adressverwaltung, Buchhaltung, Korrespondenz können jetzt wesentlich einfacher und effizienter gestaltet werden, sofern der Verantwortliche nicht auch diese Aufgaben in den Bereich der eigenen Kontrolle übergeführt hat. Der an einem Hochschulinstitut tätige Prof. G. findet die Umstrukturierung in der Zusammenarbeit mit seiner Sekretärin eine grundlegende und für beide Seiten vorteilhafte:

"Es ist sicher so, dass ein grosser Anteil der gesamten Textproduktion von der Sekretärin weg in meine Hände gewandert ist. Früher war es so, dass die Sekretärin geschrieben hat, und ich habe ihre Fehler korrigiert, und jetzt ist es umgekehrt. Das heisst, dass man seinen Text in seinen feinen und formalen Aspekten in die Sphäre der eigenen Gestaltbarkeit überführt, und dass man sehr leicht beschliessen kann, ob man jetzt etwas fett oder kursiv drucken will. Man kann damit gewisse Strukturen und Gedanken artikulieren. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass ich bei empirischen Arbeiten selber Grafiken gestalte, da es viel zu aufwendig wäre, der Sekretärin zu erklären, was ich eigentlich und wie genau ich es will. Es ist für mich ein Gewinn, wenn ich das Gefühl habe, dass der Text, den ich geschrieben habe, zu einem grösseren Umfang mein höchstpersönliches Werk ist".

Als Fazit hat sich das Arbeitsprofil der Sekretärin verändert, gleichzeitig aber auch die Arbeitsatmosphäre im Sekretariatsbereich und zwar auf durchaus positive Weise. 

"Rein klimatisch hat sich im Büro viel verändert, wenn ich es mit der Situation vor 10 Jahren vergleiche. Dort war im Sekretariat immer eine gespannte Stimmung, weil die Sekretärin typischerweise vor der Schreibmaschine gesessen ist. Dort hat sie etwas geschrieben, bei dem sie sich konzentrieren musste, damit sie keine Fehler machte. So waren Telefonate oder Leute, welche eine Auskunft wollten, Störungen. Heute ist eine entspanntere Atmosphäre hier, wenn die Sekretärin am Schreiben ist".

Auch der Sportredaktor W. weist darauf hin, wie unabhängig von den Sekretärinnen er durch den Einsatz des Laptops geworden sei. Früher habe man bei Sportanlässen die Schreibmaschine mitgenommen, den Text mit vielen Fehlern getippt und anschliessend per Telefon der Sekretärin alles diktiert.

Diese nahm den Text auf Tonband auf, schrieb ihn ab und leitete ihn an die Setzerei weiter, wo er erneut erfasst werden musste. In diesem komplexen Uebermittlungsvorgang gab es nicht selten Verständigungsfehler, was sich auch im Zeitungstext niederschlug. Heute ist alles viel einfacher. Der Sportreporter schreibt seinen Text am Ort des Geschehens auf dem Laptop und übermittelt ihn anschliessend per Modem direkt ins System des Verlags. Der Arbeitsablauf ist heute sicherer und fehlerfreier. Gleichzeitig wurde aber auch die Veranwortung "zurückgeschoben". Der Reporter trägt heute mehr Verantwortung als früher, als der Text durch mehrere Hände ging und die Verantwortung bei jener Person lag, die ihn als Letzte bearbeitete.

So erweist sich die Computertechnik im Sekretariatsbereich einerseits als Freisetzungstechnologie, die Sekretärinnen bzw. andere Schreibkräfte überflüssig macht, andererseits als Anstoss zur Veränderung von Tätigkeitsprofilen, indem traditionell dem Sekretariatsbereich zugehörige Aufgaben (Schreibarbeiten etc.) von den Autor/innen selber übernommen und neue Aufgaben in den Tätigkeitsbereich der Sekretärin integriert werden. Gesamthaft gesehen findet eine Entflechtung der in gewissen Institutitonen ausgeprägten Interdependenz zwischen Textautor/in und Sekretärin statt. Die Arbeit scheint dadurch für beide Teile autonomer und entspannter zu werden.

2.7.2 Zusammenarbeit mit den Verleger/innen

Die Autorenarbeit von Wissenschaftlern, Journalisten und Schriftstellern hat ein gemeinsames Merkmal: Sie ist darauf ausgerichtet, ihr Produkt in Form eines Buches oder einer Zeitung der Oeffentlichkeit zugänglich zu machen. Jeder Textautor entwickelt dabei Vorstellungen über eine optimale Präsentation und legt Wert darauf, in Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen des Verlags eine gute Lösung zu finden.

Traditionellerweise waren an einer Buchproduktion eine ganze Menge Fachleute beteiligt, vom Autor über die Sekretärin bis zum Verlagsleiter, Lektor und/oder Korrektor, Grafiker, Fotografen, Typographen, Setzer, Drucker etc. Das Gelingen des Unternehmens war vom optimalen Zusammenspiel all dieser Fachkräfte abhängig. Heute übernimmt der Computer mit Textverarbeitungs-, Grafik- und Layoutprogrammen viele dieser Aufgaben, wodurch die entsprechenden Arbeitsabläufe effizienter gestaltet und verkürzt werden. Inwiefern bekommen die Textautor/innen diesen Strukturwandel zu spüren? Bringt er auch Ihnen eine Erleichterung, oder ist die Zusammenarbeit mit den Verlagen dadurch schwieriger geworden?

Offensichtlich zeichnet sich im Bereich der wissenschaftlichen Produktion eine Veränderung ab, die für die betroffenen Autoren eher einen Mehraufwand als eine Entlastung mit sich bringt. Herr R., ein im Bereich sozialwissenschaftlicher Publikationen tätiger Soziologe, beschreibt den Sachverhalt wie folgt: In der Regel bewegen sich sozialwissenschaftliche Publikationen in Auflagenbereichen von ca. 400-800 Exemplaren. In derartigen Auflagen könne man auf keinen Fall kostendeckend arbeiten. In der Regel werde versucht, die fehlenden Kosten durch Subventionen von Forschungsinstitutionen zu decken. Hier seien die Mittel jedoch knapp geworden, weshalb man daran sei, die Kostenfrage neu zu überdenken. Herr R. ist in Bezug auf diese Entwicklungen skeptisch. 

"Es ist bekannt, dass die meisten Verlage druckfertige Manuskripte für sozialwissenschaftliche Publikationen verlangen. Die Vorlagen müssen ganz genau nach Angaben und Vorgaben gestaltet sein, wie etwa die Titel und Abstände, und da macht es sich der Autor unheimlich schwer. Das ist völlig kontraproduktiv im Sinne von Wissenschaftsarbeit. Ich kenne ein Beispiel, dass jemand seine Publikation nicht 'herausbrachte', weil er diesem Anspruch genügen musste. Seine Aufgabe war aber wissenschaftliches Arbeiten und nicht Layouten, das hatte er auch nicht gelernt."

Herr R. lehnt die Praxis, die sich da einzubürgern scheint, ab, weil er findet, der Wissenschaftler sollte sich auf seine wissenschaftliche Arbeit konzentrieren und vom Verlag erwarten können, dass dieser seine Verlagsarbeit selber macht. In dem Verlag, für den er mitverantwortlich ist, macht man den Autor/innen in bezug auf formale Aspekte keine verbindlichen Vorgaben: 

"Wir sagen selbstverständlich auch, dass wir den Text auf Diskette wollen, weil heute jeder so arbeitet. Aber wir haben absolut keine Ansprüche an die Formatierung. Wenn wir einen Satz machen, müssen wir gewisse Standardkorrekturen automatisch ausführen. So kann man sich das Know-how erarbeiten, was weitaus weniger aufwendig ist für den Verlag als für den Autor. Wenn man das volkswirtschaftlich ansieht, ist es weitaus kostengünstiger, als wenn das jemand auf einer staatlich bezahlten Stelle erledigt".

Aehnlich dezidiert - aber aus Autorensicht - äussert sich Prof. C., zu überrissenen Erwartungen von Seiten der Zeitungs- oder Buchverlage. Seine Devise lautet: Text ist Text, ob auf Diskette oder ausgedruckt. Es sei Sache des Verlags, diesen Text in geeigneter Form herauszubringen: 

"Obwohl ich den Computer als eine der wichtigsten Voraussetzungen zum geistigen Arbeiten anschaue, würde ich mich absolut weigern, das in irgend einer vorgeschriebenen Form einem Haus abgeben zu müssen. Dieser Terror ist nicht nötig. In den Verlagen sollten sie technisch so versiert sein, dass sie mit jeder Textform fertig werden. Das soll ihre Aufgabe sein. Sie sollen nicht den Autor in einer Weise terrorisieren, dass er sich in eine Art Zwangsjacke begeben muss, bevor er anfangen kann, seinen Text zu schreiben".

Nicht alle Textautor/innen äusserten ebenso pointierte Stellungnahmen. Einige finden es eine selbstverständliche Erleichterung, dass sie den Verlagen ihre Texte auf Diskette zur Weiterverarbeitung übergeben. Es ist im übrigen keineswegs so, dass alle Buchverlage darauf Wert legen, druckfertig bearbeitete Manuskripte zu erhalten. Die Praktiken in der Branche scheinen sehr diversifiziert. Viele Verlage haben einen Scanner, mit dem sie längere Texte einlesen können oder Fachpersonal, welches die Texte ganz schnell eintippt. Die grossen Verlage wollen sich oft gar nicht mit den von Amateuren formatierten Texten herumschlagen, da sie viel professionellere Verfahrensweisen haben, die Manuskripte zu erfassen und in druckfertige Vorlagen umzuwandeln.

Einzig im Zeitungsbereich setzt sich offensichtlich die Gewohnheit durch, dass die Schreibenden einen Text auf Mass schreiben, die Korrekturen selber vornehmen und alles bis zum Schluss formatierten. Die Arbeitsverantwortung beim Journalisten oder Redaktor nimmt dadurch zu.

Zusammenfassend scheint die Praxis im Umgang mit Textvorlagen heute sehr diversifiziert: Neben Verlagen, die sich nach wie vor voll für Lektorat, Korrektorat, Gestaltung und Druck verantwortlich fühlen, gibt es offensichtlich solche, die geneigt sind, den Autor/innen möglichst viele Stufen des gestalterischen Prozesses (Formatieren, Layouten etc.) aufzubürden, was den betreffenden Personen neben der inhaltlichen Verantwortung auch noch jene für formale Aspekte überträgt. Es ist uns nicht bekannt, ob sich solche "Verschiebungen" mit einer Besserhonorierung auf Autorenseite verbunden sind. Im Zuge der allgemeinen Spartendenzen ist eher anzunehmen, dass dies ein Versuch ist, den Arbeitsprozess zu rationalisieren und (auf dem Buckel der Autor/innen) Produktionskosten einzusparen.

2.7.3 Zusammenarbeit mit den Lektor/innen

Traditionellerweise beschäftigen die Zeitungen Korrektoren, die Buchverlage Lektor/innen, um eine einwandfreie Qualität ihrer Produkte zu gewährleisten. Ein fehlerfreier inhaltlich überzeugender Text ist das Ziel, zu dem diese Mitarbeiter einen wesentlichen Teil beitragen. Dank den neuen Drucktechnologien konnte der Arbeitsprozess enorm rationalisiert um nicht zu sagen revolutioniert werden. Gleichzeitig dreht sich aber auch die Spirale des Konkurrenzkampfes immer schneller. Die Buchpreise sind unter Druck, sodass die Tendenz besteht, an gewissen Dienstleistungen weiter zu sparen.

Verschiedene Autor/innen haben die Beobachtung gemacht, dass auf Lektorate - insbesondere in der wissenschaftlichen Produktion - weniger Sorgfalt aufgewendet wird. "Ich glaube, Buchlektorate sind generell weniger intensiv geworden. Das ist nicht nur beim L.-Verlag so, sondern auch bei anderen, weil es eine zu teure Sache ist", stellt der Schriftsteller Z. fest. "Der Anspruch ist generell etwas gesunken".

Auch der Wissenschaftler B. kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Lektoratsarbeit - insbesondere in der wissenschaftlichen Produktion - allmählich "weggespart" wird: 

"Ich glaube - kann aber nur Vermutungen aussprechen - es hängt vom Verlag, der Verlagskultur und der Preisgestaltung ab. Wenn der Verlag mit einem 300-seitigen Buch im Bereich von 30 Fr. raus will, liegt ein Lektorat gar nicht mehr drin".

Ein Sozialwissenschaftler, der gleichzeitig bei einem wissenschaftlichen Verlag mitarbeitet, widerspricht aufgrund eigener Erfahrungen dieser Behauptung. Er betont, in seinem Verlag würden Lektorate nach wie vor gepflegt. Derselbe Mann vertritt auch die Meinung, es sei falsch, von Verlagsseite alle Schreib- und Gestaltungsarbeiten dem Autor/der Autorin aufzubürden.

Auch Herrr C., Prof. für Sprachwissenschaften, beobachtet in Bezug auf die Lektoratsarbeit relevante Unterschiede zwischen den Verlagen: In einem Kleinverlag mache der Lektor sehr viel (oft bis zur Herstellung):

Satzvorbereitung, Satzerfassung, das passiere zum Teil schon in den Verlagen. Ein Grossverlag mache das nicht. Es sei heute eine sehr diversifizierte Geschichte, wie das vor sich gehe.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sämtliche Interviewpartner, die sich über den Stellenwert des Lektorats geäussert haben, darauf hinweisen, dass Bücher grundsätzlich nur auf Papier lektoriert werden. Lektor/innen lesen Texte nicht am Bildschirm, sondern nach wie vor ganz traditionell im Manuskript. Dazu die Begründung eines Verlagsleiters: 

"Im Lektorat sind die Einsatzmöglichkeiten des Computers beschränkt, denn die Korrekturen, die der Lektor im Manuskript anbringt und mit dem Autor besprechen will, müssen optisch sichtbar sein. Und wenn er das einfach im Text ändern würde, wäre das nicht mehr sichtbar. Im auf dem Computer korrigierten Text sind Aenderungen nicht mehr sichtbar, auf dem von Hand korrigierten Manuskript hingegen kann man sie erkennen".

Der von uns befragte Lektor eines Belletristikverlages begründet die Bevorzugung des Papiers damit, dass eine inhaltlich gute Lektoratsarbeit nicht acht Stunden am Bildschirm erfolgen könne.

"Wir arbeiten ganz traditionell auf dem Papier, auch wenn bei jedem Arbeitsplatz im Lektorat ein PC steht. Die Lektoren erledigen über ihn die ganze Korrespondenz, die Programmforschung etc. Es hat sich aber gezeigt, dass der PC unbrauchbar ist für die literarische Textproduktion". 

Interessant ist am Rande auch die Beobachtung des erwähnten Lektors, dass er Handschriftliches kritischer lese als einen schon formatierten Text, weil es noch wie eine Rohform aussehe und deshalb nicht so definitiv. Er sehe auch Fehler auf einer Schreibmaschinenseite besser als auf einer auf dem PC geschriebenen, die formal perfekter wirke.

Wenig Nutzen versprechen sich die Verleger von den in Textverarbeitungsprogrammen enthaltenen Dienstleistungen (Trennprogramme, Korrekturprogramme, Rechtschreibeprogramme). Was für den Laien nützlich sein kann, ist auf einem professionellen Niveau offensichtlich (noch) nicht zu gebrauchen: 

"Bei uns bestimmt das Lektorat, wo die Trennung hinkommt, und wie es aesthetisch aussieht. Wir brauchen das nicht - weder die Lektorin noch ich. Wir entscheiden da immer noch konventionell. (...) Solche Programme (Rechtschreibprogramme etc.) sind für mich immer noch Spielerei. Im Verlag muss wirklich das Lektorat die Texte 'von Auge' durchlesen und korrigieren".

Der Schriftsteller Z. hat den Eindruck, dass der Aufwand für die Korrektur bei den Verlagen gestiegen ist. Der Rohtext sei heute viel fehlerhafter, was bedeute, dass man - sowohl beim Buch als bei der Zeitung - mehr in Korrekturen investieren müsse. Um ein Produkt von gleicher Qualität zu bekommen, müsse heute also eher mehr Arbeit investiert werden.

Im Zeitungsbereich verlagern sich die Arbeiten (inkl. Korrekturarbeiten) immer mehr zurück bis zum Journalisten. Man tendiere darauf, die Korrekturen abzuschaffen, betonte Sportredaktor W.. Persönlich ist er ist über diese Bestrebungen nicht glücklich: 

"Man geht da von aus, dass ein Redaktor einen Text zu 100% korrekt weitergibt und dadurch kann man sparen. Mein Job ist aber nicht Korrektor, ich habe diese Fähigkeit nicht und bin da für nicht ausgebildet".

2.7.4 Zusammenfassung

Welcher Art sind die Auswirkungen des Computereinsatzes auf die Zusammenarbeit der Autor/innen mit anderen Personen und Institutionen? Stellvertretend für den ganzen Arbeitsbereich haben wir diese Frage am Beispiel der Zusammenarbeit mit Sekretärinnen, Verleger/innen und Lektor/innen unter die Lupe genommen. Unsere Analyse zeigt, dass in allen drei Bereichen Auswirkungen des EDV-Einsatzes festzustellen sind.

Der Computer ermöglicht den Autor/innen eine autonomere Arbeitsweise, was zur Folge hat, dass viele auf die Unterstützung einer Sekretärin verzichten können. Selbst da, wo diese nicht überflüssig geworden ist, hat sich ihr Stellenwert und damit ihr Tätigkeitsprofil durch den technologischen Wandel verändert. Gesamthaft gesehen ist eine Entflechtung der traditionell hohen Interdependenz in der Zusammenarbeit von Textautor/in und Sekretärin festzustellen. Zumindest aus Autorensicht wird dieser Prozess grundsätzlich positiv bewertet.

In der Zusammenarbeit mit Verleger/innen zeichnen sich insbesondere im wissenschaftlichen und journalistischen Bereich Veränderungen ab.

Sozialwissenschaftliche Buchverlage haben die Tendenz, von ihren Autor/innen für ihre Publikationen zunehmend druckfertige gestaltete Manuskripte zu verlangen. Die Ansprüche der Verleger/innen hinsichtlich Formatierung, Layout etc. konfrontieren die Buchautor/innen mit neuen Aufgaben, die mit ihrer eigentlichen wissenschaftlichen Autorentätigkeit wenig zu tun haben und darum eine echte Belastung darstellen können. Auch Zeitungsproduzenten erwarten von ihren Mitarbeitern zunehmend Texte, die auf Mass geschrieben, bereits korrigiert und druckfertig formatiert sind. Die Arbeitsverantwortung wird dadurch - im Vergleich zu früher - von den Fachkräften im Druck- und Satzbereich auf die Ebene der Textautor/innen zurückverlagert.

Im wissenschaftlichen Bereich besteht ferner auch die Tendenz, aus Kostengründen an der Lektoratsarbeit zu sparen. Anders präsentiert sich die Situation im Belletristikbereich, wo sich das Lektorat behauptet und wo dank EDV (z.B. im Bereich von Textverwaltung und - analyse) sogar neue Wirkungsmöglichkeiten erschlossen werden können.

Unsere Analyse macht deutlich, dass die Informationstechnik im Bereich der Zeitungs- und Buchverlage einiges in Bewegung gebracht hat. Gewisse traditionelle Standards - wie ein sorgfältiges Korrektorat und Lektorat- fallen u U. den Sparübungen zum Opfer, zu dem sich die Verlage in Anbetracht des harten Konkurrenzkampfes gezwungen sehen. Die Autor/innen sind darüber keineswegs glücklich, weil ihnen zum Teil mehr Arbeit aufgebürdet wird, oder weil sie die Sicherheit, ein einwandfreies Produkt zu erhalten, im Zuge der erwähnten Entwicklung gefährdet sehen.

Inhalt

2.8 Vom Computer erzeugte neue Risiken und Abhängigkeiten

Nach all den bisherigen Ausführungen, welche belegen, in welchem Masse die individuelle Autonomie von Textautoren durch den Gebrauch der Computertechnologie gestiegen ist, sollen hier auch Stellungnahmen repliziert werden, welche zeigen, dass der Computer neue Abhängigkeiten schafft. Es geht hier vor allem um die Risiken der Datensicherheit und die Abhängigkeit vom Know-How der Fachexperten.

2.8.1 Probleme mit der Datensicherheit

Klein, leistungsfähig, pflegeleicht und sicher - so wird der PC den Anwendern gerne angepriesen. Das mag im Grundsatz stimmen, doch haben viele der von uns befragten Anwender/innen die Erfahrung gemacht, dass es besonderer Anstrengungen bedarf, um die Datensicherheit zu gewährleisten. Der EDV-Spezialist eines Hochschulinstituts blickt zurück auf die Anfänge des Computereinsatzes, als man sich nicht nur mit dem System sondern auch mit neuen Entwicklungen beschäftigen musste. Damals brachte es auch Unsicherheiten und Risiken, wenn ein System "abstürzte". Es gab Zeiten, wo dies regelmässig geschah und die Texte, welche nicht sofort abgespeichert wurden, waren dann verloren.

Heutige Anwender haben es diesbezüglich leichter, doch einen vollständigen Schutz gegen Pannen gibt es noch immer nicht: "Heute ist eigentlich jeder ein 'Trottel', wenn er seine Daten verliert. Wenn jemand aber zuhause arbeitet und seinen PC selber eingerichtet hat, besteht dieses Risiko natürlich immer noch, weil dieses Einrichten des PC's nicht jedermanns Sache ist. So kann es schon passieren, dass das System immer wieder abstürzt. Dann hat er mehr Aerger als Freude", charakterisiert der EDV-Berater das Problem.

Frau Sch., Journalistin und Schriftstellerin, berichtet von frustrierenden Erfahrungen in Zusammenhang mit verlorenen Texten. Eigentlich möchte sie auf dem PC ihre konventionelle Arbeitsstrategie beibehalten, d.h. einen Text von Anfang zu Ende schreiben und erst ganz am Schluss abspeichern. Dass sich das nicht bewährt, hat sie in schmerzlicher Erfahrung lernen müssen. Infolge Fehlmanipulationen hatte sie Text für einen Zeitungsartikel gelöscht. Es war - wie sie sagt - eine Katastrophe, denn die Produktion von mehreren Wochen war weg und musste in mühsamer Arbeit rekonstruiert werden.

"Das war wie eine halbe Dissertation, eine Arbeit, bei der ich mindestens zehn grössere Werke lesen musste! Mein Speicher im Kopf ist allerdings besser, als ich meinte. Dadurch konnte ich das meiste wieder rekonstruieren". 

Ueber die Ursachen der fatalen Panne tappt Frau Sch. noch immer im Dunklen. Offenbar hat ihr niemand eine ausreichende Erklärung dafür liefern können. Ihre Beschreibung des Sachverhalts widerspiegelt ihre Hilflosigkeit und lässt erkennen, dass sie den Computer als eine Art Buch mit sieben Siegeln bertrachtet: 

"Ein Kollege von mir, der etwas von dem versteht, sagte, dass es möglicherweise ein Virus sei, weil der Fehler so unverständlich war. Er liess ein Programm laufen, so ähnlich, als ob man die Festplatte röntgen würde. Da fanden wir so kryptische Buchstaben von meinem Text. Einerseits Steuerzeichen und andererseits Text - durcheinander gemixt wie im Schüttelbecher; also der Text war völlig verloren. Das konnte er sich nicht erklären".

Man sei abhängiger vom Computer als von seinem eigenen Gehirnspeicher, betont Frau Sch., dies nicht nur in Bezug auf die konkrete Arbeitssituation sondern auch als Bürger in der Gesellschaft: 

"Ich bin überzeugt, dass diese Abhängigkeit ein Nachteil ist, weil nur ganz wenige Leute dieses Medium beherrschen. Die verlassen sich auf etwas, was sie nicht kennen. Es funktioniert zu 99%, aber man hat die Virenplage, das Hacking, man weiss nicht, was hinausgeht, und mit welchen Mitteln einem das genommen wird. Man ist nicht mehr Frau oder Herr seiner Arbeit. Diese Gefahr ist grösser als bei der Schreibmaschine".

Auch der Journalist C., der anfänglich einen "Heidenrespekt" vor dem Computer verspürte, weiss von traumatischen Erfahrungen zu berichten. Er hat sich sein Informatik-Know-How selber erarbeitet, im Eigenstudium und in einigen Kursen. Und doch hat ihn dieses Wissen nicht vor der Erfahrung schützen können, dass auch Computer versagen können: 

"Ich hatte ein Aha-Erlebnis. Mein Göttibub, Student an der ETH, bot mir ein interessantes Programm an und installierte es mir. Es stellte sich dann heraus, dass ein Virus in dem Programm steckte, das sich über mein ganzes System verbreitete. Das ganze System war mit diesem Virus infiziert, und ich hatte einen Riesenschock. Die Buchstaben auf dem Bildschirm regneten einfach vom Himmel. Man konnte den Schaden dann beheben, doch damals habe ich etwas wie ein 'Urvertrauen' verloren. Ich realisierte: Mein Gott, das ist alles auch auslöschbar, auch sterblich, auch nicht perfekt".

Zeit ist Geld. Das musste auch die Journalistin, Frau H., erfahren, als sie mit dem neuen Computer sitzenblieb und tagelang vergeblich nach einem Funktionsfehler suchte:

"Ein Freund, welcher mich beraten hatte, war in den Ferien. Ich hatte das Progamm geladen, konnte aber einfach nicht damit arbeiten und das einen ganzen Monat lang. Irgendwann funktionierte es dann, doch 'Bearbeiten' oder 'Dateien' hat alternierend mit dem untern Teil, dem Text, geflimmert. Dann konnte ich nicht mehr speichern. Es war wirklich zum völlig wahnsinnig werden. Ich kannte die Ursache nicht. So ging ich mit dem Computer unter dem Arm nach B.. Ich hatte die Tastatur nicht mitgenommen, nur den PC. Auch dort sahen sie nichts, bis sie herausfanden, dass der Fehler an der Tastatur lag".

Auch grössere Betriebe wie einer der von uns befragten Buchverlage sind trotz kompetenter Berater nicht vor gelegentlichen Pannen geschützt, welche die hochgradige Effizienz der Computertechnlogie relativieren: 

"Der Nachteil ist hin und wieder, dass die Technik auch einmal anfällig ist, dass es einen Absturz gibt, dass man nichts mehr machen kann. Bei meiner Sekretärin ist der Computer abgestürzt und musste während vier Tagen repariert werden. Wichtige Verträge waren auf dem PC, da sitzt man schlecht da".

Etliche der befragten Interviewpartner sind durch Schaden klug geworden und haben ein ausgeklügeltes Sicherungssystem entwickelt, innerhalb dessen der Papierausdruck eine zentrale Vorsorgemassnahme darstellt. Von allen Textphasen, die ihnen wichtig erscheinen, fertigen sie einen Papierausdruck an. Ausgerechnet im Urteil des alterfahrenen Informatik-Pioniers Z. ist Papier nach wie vor das sicherste Medium.

"Ich traue dem Speichermedium und den Disketten nicht. Ich habe immer das Gefühl, ich verliere den Text.(...) Das Papier ist das sicherste Medium. Das ist wissenschaftlich erwiesen, auch langfristig".

Auf die Frage, ob diese Begründung nicht eher ein emotionaler Vorbehalt als ein rationales Argument sei, meinte der betreffende Interviewpartner: 

"Einerseits kann mit dem Speicher technisch einiges geschehen, und eine Diskette kann defekt sein, auch wenn die Wahrscheinlichkeit klein ist. Weiter gibt es die Gefahr, dass man sich irrt und die falsche Version löscht oder überschreibt; so habe ich auch schon Text verloren. Das Papier hingegen habe ich in solchen Fällen immer noch".

Auch der Schriftsteller B. macht von jeder längeren Textfassung einen Sicherheitsausdruck auf Papier. Er findet es aber einen Unterschied...

"...ob ich eine Tagesarbeit verliere oder ein Manuskript. Und wenn ich dann sechs Monate gearbeitet habe, dann finde ich es fahrlässig, wenn man nicht versucht, das vom Elektronischen noch auf das Papier zu bringen. Bei einem Riesenrechner nicht, aber bei diesem System, dass schon eigentlich zusammenbrechen kann, wenn mein Nachbar ein Loch bohrt, und er trifft meine Leitung, oder wenn es einmal.... Ganz banal habe ich einmal Text verloren, weil ich nicht mitbekommen habe, dass die Stadt Zürich nachmittags um 16.00 Uhr an einem bestimmten Tag den Strom ausschaltete".

Obwohl Herr B. betont, er sei kein "Sicherheitsmensch", hat er sich angewöhnt, wichtige Texte auf verschiedenen Medien regelmässig zu sichern: 

"Ich habe einen Roman immer auf der Harddisk und auf der Diskette. Wenn ich den Roman abgeschlossen habe, dann behalte ich die letzten Disketten sowie alle Ausdrucke und lösche ihn auf der Harddisk. Ins Archiv kommen dann die Ausdrucke plus die Druckfassung auf der Diskette".

Zusammenfassend lassen sich die Erfahrungen in Bezug auf Computersicherheit für viele Anwender/innen mit dem Motto "aus Erfahrung klug" zusammenfassen. Die Interviews zeigen zudem, dass das Papier als Trägermedium noch nicht ausgedient hat und von vielen Textautoren nach wie vor als verlässlicher angesehen wird als elektronische Datenträger. Die Gespräche über neue Abhängigkeiten durch den EDV-Einsatz haben aber auch gezeigt, dass bei einigen vor allem in Schriftstellerei und Journalismus tätigen Leuten die Versiertheit im Umgang mit EDV beschränkt ist. Weil ihnen elementare Kenntnissse über Wesen und Funktionsweise ihres PC's fehlen, tappen sie in Bezug auf dessen Möglichkeiten, Grenzen und Gefahrenpotentiale im Dunkeln, sobald sie den Rahmen der durch Uebung angeeigneten Textverarbeitungspraxis verlassen. Schon bei vergleichsweise harmlosen Pannen stösst ihre Problemlösungsfähigkeit an Grenzen, sodass sie sich bei EDV-Spezialisten Rat oder Hilfe holen müssen. Diese Tatsache kann für Personen, deren Tätigkeit sonst durch einen hohen Grad an Kreativität und Autonomie geprägt ist, eine ärgerliche Belastung darstellen.

2.8.2 Neue Abhängigkeiten von EDV-Experten und -Beratern

EDV-Nutzer/innen, vor allem die weniger versierten, empfinden die EDV-Technologie in gewisser Hinsicht als Einschränkung. Zwar wurde in zahlreichen Beispielen die Vorzüge der transportablen kleinen "Laptops" gerühmt, welche den Aktionsradius und die Mobilität erfreulich erweitern.

Andererseits lässt die hochkomplexe Technik den Laien oft ratlos gegenüber spezifischen Problemen. Frau Sch. findet nach wie vor die Schreibmaschine das zuverlässigere Schreibwerkszeug als den PC, weil sie mit ihren technischen Tücken besser umgehen kann: "Letztlich bin ich mit dem Computer abhängiger vom Strom und von der Technik, von der ich zuwenig verstehe. Bei der Schreibmaschine weiss ich, dass sie ein Farbband hat, und wenn es verbraucht ist, setze ich ein neues ein. Wenn man auf der 'einsamen Insel' ist und sich fragt, was man mitnehmen soll, so sollte man besser eine Hermes Baby mitnehmen, weil diese dann funktioniert. Man hat sie besser im Griff. Sie kann einen mechanischen Defekt haben, aber reine Elektronik ist im Vergleich viel delikater".

Schwierigkeiten im Umgang mit der EDV-Technologie kennt auch der Sportjournalist W. Zwar sind die Arbeits- und Produktionsabläufe in seiner Branche dank der Informatik schneller und kürzer geworden, doch bei Ausseneinsätzen entstehen nach wie vor Probleme: "Ein grosses Problem ist die Uebermittlung. Je komplizierter die Geräte sind, desto schwieriger ist die Uebermittlung. Sie ist abhängig von Telefonleitungen, was in gewissen Ländern grosse Probleme gibt".

Viele der von uns befragten Personen nutzen die Informatik in einer selektiven, auf ihre Aufgaben und Bedürfnisse zugeschnittenen Art. Dabei ignorieren sie bewusst ein grosses Spektrum von Möglichkeiten, das ihnen ihr PC bietet, weil sie sich "nicht zuviel mit Technik rumschlagen" wollen. Ein Sachbuchautor berichtet von der Unmöglichkeit, sich in 1000-seitigen Handbüchern zurechtzufinden, weil das viel zuviel Zeit beansprucht. Bei Problemen wendet er sich deshalb an eine Hotline, die ihn zwar Fr. 2.-/Min. kostet, in der Regel aber schnell wirksame Hilfe bringt. Derselbe Journalist beklagte sich drüber, dass die Verkäufer in den Informatik-Fachgeschäften in Anbetracht des harten Konkurrenzkampfes immer weniger Beratung anbieten. Die Preise seien derart zusammengefallen, dass es sich viele Geschäfte nicht mehr leisten würden, qualifizierte Berater zu beschäftigen, sondern sich auf das reine Verkaufsgeschäft ohne zusätzliche Dienstleistungen beschränken.

Wie an diversen anderen Stellen ausgeführt, haben gerade die EDV-Nutzer/innen mit Einzelarbeitsplatz in ihrer Arbeit an Autonomie gewonnen, indem sie viele Arbeiten, die sie früher an andere Personen delegieren mussten, selber erledigen können. Besonders die Zusammenarbeit mit Schreibkräften und Gestaltern hat stark an Bedeutung verloren. Auf der anderen Seite ist die Bedeutung von EDV-Experten gestiegen, welche bei der Beratung von un erfahrenen Anwendern und bei der Implementation von Informatiklösungen eine wichtige Rolle übernehmen. Diverse Interviewpartner konnten aus eigener Erfahrung über diesen Aspekt informieren, da sie zum einen selber solche Beratungsfunktionen ausüben, zum andern Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit externen Beratern gemacht haben.

Herr G., Geograph, berichtet, dass er jetzt zwar auf eine Sekretärin verzichten könne, dafür bei technischen Funktionsproblemen oder bei der Einführung in neue Programme von EDV-Experten abhängig sei. An sich sei es die Politik seines Büros, möglichst alle Arbeiten intern auszuführen, doch stosse auch dieses Prinzip an Grenzen: 

"Sobald Sie in den Randbereich Ihres Arbeitsgebietes gehen, dann lohnt es sich nicht mehr. Dann lassen Sie es lieber auswärts erledigen. Das ist eine gewisse Gefahr, weil Sie dann die Kontrolle nicht mehr haben. Man vertraut dann darauf, dass etwas richtig gemacht wird, und das erscheint mir als Problem, all diese Schnittstellen..."

Ein EDV-Spezialist aus dem Hochschulbereich weist auf die grossen Chancen aber auch Probleme mit Literaturrecherchen hin. EDV-Literaturrecherchen ermöglichen den Zugang zu einer riesigen Fülle von Publikationen, was dem wissenschaftlich tätigen Nutzer ungeahnte Möglichkeiten eröffnet. Die Erfahrungen zeigen aber auch, dass der Nutzer mit diesen neuen Möglichkeiten schnell überfordert ist, wenn er nicht weiss, wie eine Datenbank funktioniert, und wie er bei seiner Suche genau vorgehen muss. 

"Ein bekanntes Problem bei Literaturrecherchen ist, dass man sich zuwenig eingrenzt und zuwenig definiert, was eigentlich der Gegenstand ist. Dann bekommst Du eine derartige Fülle von Informationen, wovon 90% wertlos sind, weil die Schlüsselwörter, welche Du verwendest hast, völlig falsch waren. Das sieht man oft gar nicht voraus, deshalb braucht es eine bestimmte Arbeitstechnik dazu. Man kann deshalb Studierende nicht irgendwohin gehen lassen und sagen, sie sollen es einmal probieren. Man muss ihnen eine Einführung in die Art dieser Arbeit geben.

Vielfach wird das Problem dadurch aufgefangen, dass an den Stellen, wo diese Literaturrecherchen gemacht werden, ein Verantwortlicher sitzt. Dieser befragt die Kommenden so lange, bis er sicher ist, dass alles genügend eingegrenzt ist".

Herr C., Journalist, kann zu diesem Thema ein praktisches Beispiel beisteuern. Er ist skeptisch gegenüber Datenbanken, seit er die Erfahrung gemacht hat, welche Informationsflut man damit auslösen kann:

"Ich war einmal bei der New York Times und schrieb eine Reportage über Abfall in New York für die NZZ. Da lieferte mir doch dieser Computer 297 Artikel, und ich bin buchstäblich 'ersoffen' und in dieser 'Abfall-Gülle' davongeschwommen. Und dann habe ich es eingegrenzt, aber es blieben immer noch 126 Artikel. Was nun: Soll ich alle diese Artikel ausprinten lassen? Und was mache ich dann mit dieser Mappe voll?" Eine Erfahrung ganz nach dem Motto "denn die Geister, die ich rief, wer' ich nicht mehr los...".

Auch ein weiterer Interviewpartner, Mitarbeiter einer sozialwissenschaftlichen Datenbank, ist sich des Problems der Informationsüberflutung und Ueberforderung bewusst. Er geht davon aus, dass aufgrund dieser Situation in absehbarer Zeit neue Berufe und Funktionen entstehen werden, deren Ziel es ist, Anwendern mit rudimentären Fachkenntnissen ihre Arbeit zu erleichtern, in dem sie eine Art 'Vorverdauung' vornehmen. 

"Für bestimmte Benutzergruppen müssen Vorbearbeitungsstellen dazwischen gestellt werden. Das heisst aber auch, dass man danach nicht mehr die originale Information hat. Das ist, wie wenn ich mich auf das Wort des Journalisten verlasse. (...) In der Regel akzeptiere ich das, was in der Zeitung geschrieben wird. Wenn Du aber selber erlebst, wie Du als Informationsproduzent mit Journalisten in Kontakt kommst, dann wundert es einen manchmal sehr, was da geschrieben herauskommt. Es gibt eine Menge von Ungenauigkeiten, Unstimmigkeiten, Unrichtigkeiten".

Herr H. denkt, dass mit der Zeit spezielle Informationsbearbeiter gefragt sein werden, da die Informationsfülle so horrend sein wird, dass man sie nicht mehr alleine bearbeiten kann. Auch dieses Beispiel macht deutlich, dass die Informatik zwar Wege zu mehr Autonomie und Expansion eröffnet, gleichzeitig aber auch die Gefahr von Informationsüberflutung und Ueberforderung nach sich zieht.

Den Nutzen von EDV-Experten haben - im positiven Sinne - die Vertreter der von uns befragten Buchverlage erfahren. In Unkenntnis der Möglichkeiten, welche eine neue EDV-Lösung ihnen bieten könnte, haben sie sich von externen Spezialisten beraten und eine ihren Bedürfnissen angepasste Lösung entwickeln lassen. In beiden Fällen hat sich diese in der Praxis bewährt. Im einen Fall hat die Evaluation von verschiedenen Optionen ergeben, dass eine bescheidenere, aber flexible Lösungen den Betriebszielen am besten diente:

"Wir standen vor der Entscheidung, eine grosse Lösung fixfertig programmiert zu kaufen oder aber mit einzelnen Insellösungen zu beginnen und nach und nach ein Netzwerk aufzu bauen. Wir haben uns für die zweite Lösung entschieden, weil wir das Ganze damals noch nicht so gut einschätzen konnten. Doch wir waren sehr gut beraten worden und haben immer noch denselben Berater, welcher uns auch die ganzen Programmierungen gemacht hat. Wir haben auf enem Standardprogramm aufgebaut und dieses so abgeändert, dass es unseren Organisationsabläufen gerecht wird".

2.8.3 Falsche Vorstellungen über die Potentiale der Computertechnik

Einige unserer Interviewpartner sind selber in der Funktion von EDV-Beratern tätig, sei dies als EDV-Berater an einem Hochschulinstitut, als Mitarbeiter einer Datenbank, als Informatik-Lehrer oder als Berater bei der Implementation von EDV-Projekten in Industriebetrieben. Immer wieder kam in diesem Zusammenhang zur Sprache, wie sehr allfällige Kunden oder Auftraggeber geneigt sind, Informatikprojekte als Prestigeangelegenheit anzusehen und sich über Einsatzmöglichkeiten von EDV falsche Vorstellungen zu machen. Der im Beratungsbereich tätige Wissenschafter B. hat bei der Restrukturierung von Unternehmen mitgewirkt, wobei die Unterstützung durch Informatik eine zentrale Rolle spielte. Die Unternehmensleitungen waren sich über deren Möglichkeiten und Grenzen verschiedentlich jedoch überhaupt nicht im klaren, sondern betrachteten EDV als Allerweltsheilmittel für ungelöste betriebliche Probleme.

Dabei neigten sie unter anderem auch dazu, technische und kommunikative Probleme zu vermischen. "Die Unternehmer wollen immer die modernsten Informatikkonzepte und sind erstaunt, wenn wir fragen: Wer macht eigentlich was, welche Aufgaben, in welcher Form, welche Zielsetzungen? Ueber das Informatikonzept sprechen wir dann in 1 1/2 Jahren. Je nachdem, welche Kultur Sie in Ihrer Organisation wollen, spielt dann auch das Informatikkonzept eine Rolle.

Oft reagieren die Unternehmer frustriert, wenn sie aufgrund solcher Empfehlungen nicht dazu kommen, die bereitgestellten Mittel zu investieren. Herr B. verdeutlicht das Problem, betrieblich adäquate Lösungen zu entwickeln, am Beispiel einer weiteren Firma, welche anfänglich ein CAD-System im Wert von 1 Mio. Fr. angeschafft hatte: 

"Da war ein verantwortlicher Ingenieur - ein völliger Technik-Freak - mit der Devise: je grösser, je zentraler, umso besser. Nach drei Jahren war alles im Eimer, weil die ganze Kommunikation nicht stimmte, denn das CAD-System hat das hierarchische System verfestigt und die Flexibilität wurde noch geringer. Jetzt stehen drei dezentrale ganz kleine Stationen da; jede hat 35'000 Fr. ge kostet. Die Gesamtinvestition ist - mit den Programmen - auf etwa 150'000 Fr. zu stehen gekommen".

Nach der Erfahrung dieses konkreten Wissenschafters sind sich die Führungskräfte oft nicht darüber im klaren, was sie mit ihrer Organisation bezwecken, was die Ziele ihrer Arbeit sind, und wie sie diese erreichen wollen. Erst durch die Auseinandersetzung mit diesen Fragen wird jedoch ein differenzierter Umgang mit Technik möglich. In vielen Fällen erweist sich die die Kommunikation über diese zentralen Fragen bereits als Teil der Problemlösung, welche man sich zuvor prioritär von den neuen Technologien erhofft hatte.

2.8.4 Zusammenfassung

Neben effizienzsteigernden Erleichterungen erzeugt der PC-Einsatz auch neue Risiken und Abhängigkeiten. Zahlreiche Anwender/innen haben in bezug auf die Datensicherheit aus schmerzlichen Erfahrungen gelernt und sich ein ausgkügeltes Sicherungssystem aus unterschiedlichen Speichermedien zurechtgelegt, um Datenverluste zu vermeiden. Dabei zeigt sich , dass sich das Papier als Speichermedium interessanterweise nach wie vor grosser Beliebtheit erfreut.

Wie man sich unschwer vorstellen kann, ist die Sicherheit im Umgang mit EDV abhängig vom Know-How und der Praxiserfahrung im Umgang mit der entsprechenden Hard- und Software. Wo es an dieser Sicherheit fehlt, ergeben sich für Leute, die in einem anforderungsreichen Arbeitsgebiet tätig sind, immer wieder ärgerliche Belastungen. Weniger versierte EDV-Anwender/innen sind oft auf Rat oder Hilfe von Spezialisten angewiesen, was als unvermeidliche aber gelegentlich lästige Abhängigkeit empfunden wird. Unsere Gespräche haben zudem gezeigt, dass an EDV-Berater zum Teil unrealistische Erwartungen gestellt werden, indem die Prestigefunktion der Informatik überbetont und deren Wirkungsmöglichkeit überschätzt wird. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass dem durch den Computer bewirkten Gewinn an Arbeitsautonomie neue Abhängigkeiten gegenüberstehen, die mit der Komplexität der neuen Technologie und der daraus resultierenden Ueberforderung der Anwender/innen zu tun haben. Es ist anzunehmen, dass diese Nachteile im selben Masse abgebaut werden können, als anwenderfreundlichere Programme entwickelt werden. Doch viele Anwender/innen betrachten diese Perspektive als ferne "Zukunftsmusik".

Inhalt


3. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse

Inwiefern hat sich die Arbeit von Textautor/innen (Wissenschafler/innen, Schriftsteller/innen Jorunalistinnen etc.) durch den Einsatz des Computers verändert und wie bewerten sie diese Veränderungen? Das war die zentrale Frage dieser Forschungsarbeit. Ausgangsbasis war die Hypothese, dass die Nutzung der EDV-Technologie vom technischen Angebot und den Besonderheiten des Arbeitskontextes abhängig ist, insbesondere aber auch von den individuellen Wahrnehmungs- Deutungs- und Handlungsmustern und den Zielsetzungen der Anwender/innen. Es interessierte mich zu erfahren, wie sich der Einsatz der neuen Technologie in der Praxis gestaltet und welche Veränderungen durch ihren Einbezug hinsichtlich Arbeitsstil,- inhalt und - ergebnis initiiert werden. Die wichtigsten Ergebnisse werden hier zusammenfassend dargestellt. Neben Hinweisen auf die Besonderheiten des Schreibprozesses (Schreibtypen und -stile) wird die EDV-Nutzung mit Bezug auf die Stichworte Medienkomplementarität, Qualität und Effizienz, Arbeitsautonomie, Abhängigkeiten und Risiken, subjektive Befindlichkeit sowie Kommunikation und Interaktion reflektiert.

a) Typen von PC-Nutzer/innen
In einem ersten Teil unserer Arbeit habe ich versucht, die Wahrnehmung des PCs durch die Anwender/innen und die im Schreibprozess beobachtbaren Arbeitsstile zu ermitteln.

Wie vermutet, bestehen in bezug auf den Zugang und das Verhältnis zum Computer grosse individuelle Unterschiede. Im Rahmen dieser Befragung liessen sich vier Typen von Anwender/innen identifizieren. Es sind dies die PC- Pioniere , welche schon früh mit dem PC in Berührung kamen, die Spontan-Begeisterungsfähigen , die den PC schnell und dauerhaft adoptiert haben, die Flexibel-Anpassungswilligen , welche sich nach anfänglichen Vorbehalten mit dem PC angefreundet haben sowie die Skeptisch-Defensiven , welche dem Computer grundsätzlich kritisch gegenüberstehen.

Die EDV-Pioniere haben sich schon mit Computern befasst, als das in ihrer Branche noch sehr ungewöhnlich war und sie unter Kollegen quasi als "Exoten" in Erscheinung traten. Sie finden sich sowohl unter Wissenschaftlern, Schriftstellern und Journalisten als auch im Verlagsbereich. In etlichen Fällen haben sie sich zuerst völlig mit dem neuen Medium identifiziert, bis sie nach der anfänglichen Euphorie zu einem selektiveren Gebrauch übergegangen sind. Heute verwenden sie den PC nur noch für Aufgaben, für deren Einsatz er unbestritten das geeignetste Medium ist.

Die Spontan-Begeisterungsfähigen haben sich erst vor kürzerer Zeit mit der EDV-Technologie befasst, diese aber aufgrund erster Erfahrungen mit Ueberzeugung akzeptiert. Die durch den PC ermöglichte Arbeitserleichterung wird als so grundlegend erfahren, dass der Verzicht auf die neuerworbenen Vorteile für diese Leute unvorstellbar wäre.

Die Flexibel-Anpassungswilligen wurden meist unter dem Druck beruflicher Veränderungen mit dem Computer konfrontiert und haben sich anfänglich eher unfreiwillig mit ihm befasst. Im praktischen Gebrauch haben sie allerdings Stärken und Grenzen des PCs kennen- und schätzengelernt, sodass auch sie ihn heute nicht mehr missen möchten.

Die Skeptisch-Defensiven haben sich gar noch nicht konkret mit den Potentialitäten des Computers auseinandergesetzt haben und äussern sich vorwiegend kritisch über die Computertechnologie. Dies geschieht zum Teil unter Bezugnahme auf ideologische (philosophische, ethische etc.) Argumente. Dabei zeigt sich die Schwierigkeit, technologische Möglichkeiten einzuschätzen, deren Leistungspotential mangels praktischer Erfahrungen nur lückenhaft beurteilt werden.

Welches ist das Bild, das die PC-Nutzer/innen von ihrem "Gegenüber" haben, mit dem sie ihren Arbeitsalltag oft stundenlang teilen? Ist er- wie in gewissen Publikationen postuliert wird - ein "Interaktionspartner" oder eher ein praktisches Hilfsmittel? Die grosse Mehrheit der Befragten - seien es Journalist/innen, Wissenschaftler/innen, Schriftsteller/innen oder Verleger/innen- betonen in ihrer Wahrnehmung des Computers vor allem seinen Zweckcharakter. Mit vielen anschaulichen Beschreibungen charakterisieren sie den Stellenwert des neuen Mediums: Der PC ist für sie "ein Gebrauchsgegenstand", "ein völlig praktisches Werkzeug", "ein normales Arbeitsgerät", "ein technisches Instrument", "ein mechanischer Ablauf", "ein ganz normales Hilfsmittel", ein Handwerkszeug", "ein Ordnungssystem", "eine Erweiterung zu bisherigen Medien" etc. Diese Voten belegen, in welch hohem Masse der PC in die heutige Arbeitswelt integriert ist, und wie vergleichsweise emotionslos seine Präsenz im heutigen Alltag bewertet wird. Die Anwender beurteilen die Einsatzmöglichkeiten fast auschliesslich aus der Optik bisheriger Zielsetzungen, denen das neue Medium zu dienen hat. Was in einigen Fällen anfänglich ein Objekt grosser Fasziantion war, ist im Laufe der Zeit zu einem schlichten Arbeitsinstrument geworden, dem nur noch in Ausnahmefällen die Aura des Aussergewöhnlichen, Numinosen anhaftet.

b) Schreibtypen
Unsere Studie zeigt im weiteren, dass zwischen den Arbeitsweisen der befragten Personen erhebliche individuelle Unterschiede bestehen. Die Beschreibungen über die Möglichkeiten des PC-Einsatzes und die dadurch ausgelösten Veränderungen stützen sich in den meisten Fällen auf einen breiten Erfahrungsfundus ab. Das Mass an Veränderungen, das dem PC zugeschrieben wird, variiert von Person zu Person erheblich. Während die einen angeben, immer noch nach derselben Arbeitsweise vorzugehen, haben andere den PC als einschneidende Zäsur erlebt, welche nicht nur das "Umsteigen" auf ein anderes Arbeitsinstrument sondern auch eine Umgestaltung des Arbeitsprozesses bedeutete.

Im einführenden Kapitel habe ich in Anlehnung an Bridwell-Bowles et.al. (1987) unterschiedliche Schreibtypen charakterisiert, welche bei der Erarbeitung ihrer Texte spezifische Strategien pflegen. Den grössten Nutzen scheinen jene Personen aus dem PC-Gebrauch zu ziehen, welche eine eher sprunghaft-intuitive Denk- und Arbeitsweise haben("Beethoven-Typ"), sodass das Produkt ihrer Arbeit eigentlich erst im Lauf des Schreibens sichtbar wird und nach und nach seine end gültige Form annimmt. Diesem Schreibtyp kommt der Computer sehr entgegen, was von etlichen Personen in der Anfangsphase als Aha-Effekt und eigentliche Befreiung erlebt wurde.

Gewisse Gesprächsteilnehmern betonten, der Computer habe ihre Schreibblockaden gelöst und ihre "Angst vor dem weissen Blatt" beseitigt. Die Möglichkeit, an einer beliebigen Stelle in den Text einzusteigen und ihn in der Folge zu überarbeiten, umzustellen und zu korrigieren, wird als grosse Erleichterung, als Gewinn an kreativem Freiraum und an Flexibilität empfunden.

Während früher die Mehrheit der Befragten umfangreiche oder kürzere (hand)schriftliche Entwürfe und/oder Konzepte anfertigten, bevor sie sich an die Schreibmaschine setzten, fallen solche Vorarbeiten heute meist weg, weil es der Computer ermöglicht, spontan formulierte Textentwürfe beliebig oft zu überarbeiten und zu verbessern. Die Angst davor, einen längeren Text wegen Schreibfehlern oder spät erkannten Aendeungen nochmals abschreiben zu müssen, entfällt. Es ist heute möglich, einen Text am PC in kleinen Einheiten zu bearbeiten und auf verschiedene Arbeitsphasen zu verteilen, was den Arbeitsdruck spürbar reduziert.

Offensichtlich verursacht die vom PC offerierte grosse Freiheit und Beweglichkeit zumindest am Rande aber auch Unbehagen. Personen, die zu dem oben erwähnten chaotisch-unstrukturierten Schreibstil neigen und in dieser Vorgehensweise vom Computer auf ideale Weise unterstützt werden, stellen sich zun Teil die kritische Frage, ob damit nicht ihre "Denkfaulheit" gefördert werde. Dieser Vorbehalt wird z.T. auch von jenen Personen angeführt, welche nach wie vor auf den PC verzichten oder ihn erst nach reiflichem Ueberlegen und Zögern angeschafft haben. "Schreiben findet im Kopf statt", formulierte eine Gesprächspartnerin und betonte damit, dass einen auch der leistungsfähigste Computer nicht von der Aufgabe entlastet, klare Gedanken zu formulieren und in konsistenter Form präsentieren.

Autor/innen, die eher nach dem Muster des "Mozart-Typs" vorgehen, befleissigen sich, eine klare Struktur zu erarbeiten, bevor sie mit dem Schreiben beginnen. Erst wenn der Text in der Vorstellung oder in einem Vorentwurf eine überzeugende Form angenommen hat, setzen sie sich an den Computer und beginnen sie mit der eigentlichen Schreibarbeit. Diese folgt dann dem zu erst entworfenen "roten Faden" und erfährt keine grundlegenden Umorientierungen mehr.

Generell scheint eine Verlagerung des Zeitaufwandes von den Vorarbeiten (Entwürfe, Konzepte) zu den eigentlichen Textarbeiten stattgefunden zu haben, wobei der Gesamtaufwand jedoch kaum wesentlich variiert, was auch mit gestiegenen formalen Ansprüchen zusammenhängt.

c) Komplementarität
Es ist unverkennbar, dass das elektronische Zeitalter Bewegung in das Spektrum der Lese- und Schreibverfahren gebracht hat. In einigen Fällen hat der Computer frühere Schreibtechnologien wie Schreibmaschine und Handschrift abrupt und radikal abgelöst. Das ist vor allem bei jenen Personen der Fall, welche sich früher schwer damit taten, Texte zu generieren und fehlerfrei zu schreiben, sei es, dass sie an Schreibblockaden litten, oder weil ihr Arbeitsstil es ihnen verunmöglichte, eine Argumentationskette linear darzulegen. In der Regel lautet der Entscheid aber nicht: Entweder - oder, sondern sowohl als auch. Viele Gesprächspartner benutzen neue und traditionelle Medien in einem komplementären Verhältnis, wobei sie die optimale Kombination entsprechend ihren Bedürfnissen und Gewohnheiten auswählen. Dabei fallen nicht nur technische, arbeitsökonomische, körperliche und psychologische Faktoren sondern auch der Arbeitskontext als Ganzes ins Gewicht. Die Frage lautet im Einzelfall: Wann, wo, auf welche Weise und im Hinblick auf welche Ziele und Adressaten werden verfügbare Medien ausgewählt und miteinander kombiniert?

Welche Rolle spielen dabei die Schreibtechnologien, welche die Lesetechnologien, und welche Beziehung besteht zwischen den beiden Bereichen?

Die Schreibmaschine hat für die Merhzahl der befragten Personen nur noch Nostalgiecharakter. Viele sind froh, der "letzten drohenden Falle" vor dem Abschluss einer Arbeit nicht mehr ausgeliefert zu sein. Auch die Handschrift hat in vielen Fällen von ihrem Stellenwert verloren, obwohl sie früher ein unersetzliches Medium in der Phase von Textentwurf und -überarbeitung war. Einige Personen verzichten fast gänzlich auf handschriftliche Entwürfe. In anderen Fällen behält die Handschrift in bestimmten Arbeitsphasen oder für bestimmte Produkte (Notizen, persönliche Briefe etc.) nach wie vor ihren Stellenwert.

Erstaunlicherweise erweist sich das Papier jedoch als absolut unersetzlich. Einige Autor/innen schwören auf das Papier als Speichermedium, andere ziehen es seiner sinnlichen Qualität wegen dem Bildschirm vor, wieder andere betonen, wieviel leserfreundlicher ein gedruckter Text sei im Gegensatz zum Bildschirm, der ihre Augen übermässig ermüde.

Wie unsere Studie zeigt, werden neue technologische Möglichkeiten also von den Anwendern nicht kritiklos "adoptiert", selbst wenn sie traditionelle Medien im Arbeitsprozess weitgehend ersetzen. Wenn in einer anfänglich euphorischen Phase die Vorzüge eines neuen Mediums überschätzt und die Nachteile ignoriert werden, so gleicht sich diese Wahrnehmung im Laufe der Zeit zugunsten einer objektiveren Sicht wieder aus. Nutzen und Grenzen einer Technologie werden dann mit eigenen Bedürfnissen und Zielen verglichen und aufgrund dieser Bilanz eine Wahl getroffen. Der Medieneinsatz ist kein ausschliesslicher, sondern ein komplementärer: Alte und neue Medien werden entsprechend den persönlichen Präferenzen kombiniert, wobei dieser Medienmix sehr unterschiedliche Ausprägungen annehmen kann.

d) Effizienz und Qualität
Die Frage nach den durch den Computereinsatz erreichten Qualitäts- und Effizienzsteigerungen zeigt, dass die grosse Mehrheit der Befragten den Nutzen des PCs bei der Textgenerierung und -produktion sehr hoch einschätzt. Der PC erweist sich insgesamt gesehen als Instrument einer effizienteren

Zielerreichung, wobei Veränderungen vor allem im Bereich der inhaltlichen und formalen Textqualität, aber auch hinsichtlich des Zeitbudgets und der Finanzen festzustellen sind. Das Urteil über diese Veränderungen fällt allerdings nicht einheitlich aus. Gewisse Autor/innen vertreten die Meinung, dank dem EDV-Einsatz sei ihre Arbeit schneller, einfacher und finanziell attraktiver geworden, und ihre Texte hätten zudem - vor allem in formaler Hinsicht - gewonnen. Andere Autor/innen konstatieren in den Texten hingegen mangelnde Konsistenz und Tendenzen einer sprachlichen Vernachlässigung wie beispielsweise vermehrte Schreib- und Druckfehler. Durch Rationalisierung im Verlagsbereich werden anscheinend gewisse Aufgaben (z.B. das Lektorieren wissenschaftlicher Publikationen) nicht mehr so sorgfältig wahrgenommen wie früher, was sich negativ auf die Qualität des Endproduktes auswirkt. Unsere Analyse macht deutlich, dass die Informationstechnik im Bereich der Zeitungs- und Buchverlage einiges in Bewegung gebracht hat. Gewisse traditionelle Standards - wie ein sorgfältiges Korrektorat und Lektorat- fallen u. U. den Sparübungen zum Opfer, zu dem sich die Verlage in Anbetracht des harten Konkurrenzkampfes gezwungen sehen. Die Autor/innen sind darüber keineswegs glücklich, weil ihnen zum Teil mehr Arbeit aufgebürdet wird, oder weil sie die Sicherheit, ein einwandfreies Produkt zu erhalten, im Zuge der erwähnten Entwicklung gefährdet sehen.

Die Nennung dieser Mängel kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bilanz der durch den Computer bewirkten Erleichterungen und Verbesserungen insgesamt eine positive ist. Generell scheint die Ansicht zu überwiegen, der PC-Einsatz sei effizient und rentabel. Besonders deutlich zeigt sich das am Beispiel von gewissen Journalisten und Wissenschaftlern, die mit Textbausteinen arbeiten und diese - in immer anderen Kombinationen - in unterschiedliche Texten integrieren. Andere Autoren verweigern sich diesem Prinzip der Mehrfachverwertung mit Bezug auf die Originalität ihrer Texte. Sie wollen keine "Serienschreiber" sein.

Interesanterweise haben ehemalige EDV-Pioniere im Laufe der Jahre ihr Verhältnis zum PC versachlicht. Sie haben sich zu moderaten PC-Anwendern mit einem ausgeprägten Sinn für Möglichkeiten und Grenzen der neuen Technologien entwickelt und beschränken sich in den meisten Fällen auf die Arbeit mit elementaren standardisierten Programmen ( Textverarbeitung, Kalkulation, Datenbanken, Grafik etc.). Auch diese Selbstbeschränkung ist Teil eines ausge prägten Kosten-Nutzen-Kalküls und spiegelt die Besinnung auf das Wesentliche der wissenschaftlichen, journalistischen und schriftstellerischen Arbeit. So wird die Möglichkeit der Ausgestaltung von Texten per PC bis zur druckreifen Vorlage zwar erwogen, insbesondere von Wissenschaftlern aber mit der Begründung verworfen, dass durch diese grafische Perfektionierung Energien gebunden würden, welche man besser für die Autorentätigkeit im eigentlichen Sinn verwende.

Mit der Verbreitung von Text- und Grafikprogrammen sind die Standards an einen publikationswürdigen Text sukzessive "hinaufgeschraubt" worden. Zum Teil werden die Autoren mit den Ansprüchen von Verlegern konfrontiert, welche druckfertig formatierte Textdateien erwarten und somit immer mehr Arbeiten ins Arbeitsgebiet des Autors "vorverlagern". Zum anderen scheinen Professoren, Experten, Gutachter im Wissenschaftsbetrieb immer korrekturfreudiger zu werden, sodass sich der Aufwand der Autoren für Redaktion und Layout einer Publikation erhöht. Etliche Interviewpartner stossen sich an diesem aestehtischen Perfektionismus und weisen darauf hin, dass sich die Wissenschaftler/innen vermehrt wieder auf ihre eigentliche Autorenarbeit zurückbesinnen sollten.

Die Grenzen des Computereinsatzes werden oft durch den vertretbaren Aufwand an Zeit und Geld gesetzt. Vor allem Personen, die im Status des "Free-Lancers" in Forschung, Beratung und Journalismus arbeiten, sind immer wieder gezwungen, abzuwägen, ob sich Anschaffung und Einsatz von Hard- und Software in ihrem Aufgabenbereich wirklich lohnen. Zum einen fällt es nicht leicht, festzustellen, ob sich die entsprechenden Anschaffungen wirklich amortisieren werden. Zum anderen klagen etliche Personen über den erheblichen Zeitaufwand, den es braucht, um sich mit neuen Programmen vertraut zu machen und einen sicheren Umgang in de ren Anwendung zu gewinnen.

Die EDV-Technologie erweist sich vor allem im Druck- und Verlagswesen als "Freisetzungstechnologie", welche die Tätigkeitsprofile verändert und dazu beiträgt, Arbeitskräfte einzusparen. Besonders eklatant erweist sich die "Verschlankung" des Produktionsprozesses im journalistischen Bereich, wo sich die Produktionszeiten enorm verkürzt haben und ganze Arbeitsgänge weggefallen sind. Der technische Ablauf hat sich vereinfacht, gewisse Berufsbilder haben einen grundlegenden Wandel durchgemacht. Für Journalisten im Aktualitätenbereich haben sich durch die technologischen Neuerungen Erleichterungen ergeben, andererseits ist der Arbeitsdruck infolge der verkürzten Produktionszeiten gestiegen. Der technologische Umbruch hat den Mitarbeiter/innen enorme Anpassungleistungen abverlangt, wobei dieser Prozess noch keineswegs abgeschlossen ist.

e) Autonomie
Die Mehrzahl der befragten Personen bestätigt, durch den PC-Einsatz einen Zuwachs an Autonomie in ihrer Autorentätigkeit erreicht zu haben. Der PC macht es möglich, Arbeiten, die bisher an andere Personen delegiert wurden, in den Bereich der eigenen Gestaltbarkeit überzuführen und dadurch eine erhöhte Kontrolle über das Produkt auszuüben. Doch das Prinzip des "Alles-selber-machens" stösst an Grenzen, wenn der Aufwand für die Beherrschung der verwendeten Programme zuviel an Zeit und Energie absorbiert, sodass die eigentliche Autorentätigkeit, das Verfassen von Texten, in den Hintergrund gedrängt wird.

Die Tatsache, dass die Anwendung neuer Programme erlernt sein will, schafft auch neue Abhängigkeiten. Wer zuwenig Lust oder Talent zum Selbststudium hat, ist bei anspruchsvolleren Aufgaben auf EDV-Kurse oder auf die (in der Regel kostspielige) Unterstützung von EDV-Beratern angewiesen. Als Kehrseite dieser Tatsache ist zu erwähnen, dass zahlreiche Interviewpartner sich wohltuend von der Unterstützung eines Sekretariates entlastet fühlen. Auch jene, die sich in früheren Zeiten die Mühe nahmen, Texte auf der Schreibmaschine selber zu verfassen, mussten oft in der Schlussphase einer Publikation auf die Unterstützung einer professionellen Schreibkraft zurückgreifen, was nicht immer eine überzeugende Lösung war. Zum einen kamen selbst dann gewisse Texte fehlerhaft zurück und mussten nochmals überarbeitet werden, zum anderen verspürten einige Personen ethische Skrupel, wenn es darum ging, eine andere Person für solche Hilfsarbeiten einzusetzen.
Die Mehrheit der Befragten beurteilt es positiv, von dieser Abhängigkeit entbunden zu sein, weil damit auch der Grad an Einflussnahme auf Inhalt und Form des eigenen Produktes gestie gen ist.

f) Abhängigkeiten und Risiken
Neben effizienzsteigernden Erleichterungen erzeugt der PC-Einsatz auch neue Risiken und Abhängigkeiten. Zahlreiche Anwender/innen haben in bezug auf die Datensicherheit aus schmerzlichen Erfahrungen gelernt und sich ein ausgeklügeltes Sicherungssystem aus unterschiedlichen Spreichermedien zurechtgelegt, um Datenverluste zu vermeiden. Dabei zeigt sich, dass sich das Papier als Speichermedium nach wie vor grosser Beliebtheit erfreut.

Wie man sich unschwer vorstellen kann, ist die Sicherheit im Umgang mit EDV abhängig vom Know-How und der Praxiserfahrung im Umgang mit der entsprechenden Hard- und Software. Wo es an dieser Routine fehlt, ergeben sich für Leute, die in einem anforderungsreichen Tätigkeitsgebiet arbeiten, immer wieder Aergernisse. Weniger versierte EDV-Anwender/innen sind oft auf Rat oder Hilfe von Spezialisten angewiesen, was als unvermeidliche aber gelegentlich lästige Abhängigkeit empfunden wird. Unsere Gespräche haben zudem gezeigt, dass Leute, die selber als EDV-Berater tätig sind, zum Teil mit unrealistischen Erwartungen konfrontiert werden, weil die Prestigefunktion der Informatik von den Auftraggebern überbetont und ihre Wirkungsmöglichkeit überschätzt wird. Dem durch den Computer bewirkten Gewinn an Arbeitsautonomie stehen somit neue Abhängigkeiten gegenüber, die mit der Komplexität der neuen Technologie und der daraus resultierenden Ueberforderung der Anwender/innen zu tun haben. Es ist anzunehmen, dass diese Nachteile im selben Masse abgebaut werden, als anwenderfreundlichere Programme entwickelt werden. Doch viele PC-Nutzer/innen betrachten diese Perspektive als ferne "Zukunftsmusik".

g) Subjektive Befindlichkeit
Die Textproduktion und -gestaltung auf dem PC zieht jedoch nicht nur Produktivitäts- und Qualitätssteigerungen nach sich, sondern auch einen Verlust an taktiler Erfahrung im Arbeitsprozess. Die Arbeit mit dem PC reduziert das körperliche Engagement auf die ritualisierte Bedienung der Schreibtastatur. Prozesse, die in früheren Zeiten einen beträchtlichen zeitlichen und räumlichen Aufwand beanspruchten, sind heute mit wenigen Handgriffen problemlos zu bewerkstelligen.

Der Anwender/innen sind dadurch in ihrem körperlichen Befinden anders gefordert als früher. Während sie früher bei Textproduktion und -verarbeitung eine Vielzahl von Utensilien in den Arbeitsprozess einbezogen (Stifte, Notizblock, Papier, Schere, Leim etc.), können sie heute ihre Aufgabe theoretisch mit PC, Drucker und Papier vollumfänglich erledigen. Diese Veränderung des Arbeitsprozesses wird - trotz aller damit verbundenen Vorteile - von etlichen Autor/innen als Verlust an Sinnlichkeit erlebt. Sie betonen das Bedürfnis, beim Schreiben auch körperlich involviert zu sein und sich am Arbeitsplatz "ausbreiten" zu können.

An erster Stelle unter den positiven Konsequenzen der Computerarbeit ist wie bereits erwähnt das Wegfallen von Schreibblockaden zu vermerken, was den Einstieg in die Textarbeit im Vergleich zu früher enorm erleichtert. Die Arbeitsweise hat sich in der Mehrheit der Fälle dank dem PC entspannt: Die Arbeitsweise der Autor/innen ist heute provisorischer, jederzeit revidierbar und dadurch unbelasteter. Textliche Aenderungen sind jederzeit möglich, ohne dass der Text - wie in früheren Zeiten - deswegen neu geschrieben werden müsste.

Auch in Bezug auf und das persönliche Wohlbefinden und den Schreibkomfort - die "Ergonomie" - hat der Computer Veränderungen ausgelöst. Körperliche Anstrengung und Konzentration werden reduziert, sodass Verspannungen in vielen Fällen abgebaut werden. Vom "Arbeitstiererlebnis" zum lustvoll-spielerischen Arbeiten, könnte man den Unterschied zwischen Schreibmaschine und Computer benennen.

Nicht an allen Arbeitsplätzen wird jedoch den mit der PC-Arbeit zusammenhängenden ergonomischen Besonderheiten genügend Gewicht beigemessen. Einzelne Anwender/innen klagen über körperliche Beschwerden, z.B. mit Rücken oder Augen. "Die Augen sind die Verlierer", formulierte es ein Interviewpartner. Viele der Befragten klagen über Ermüdung der Augen und eine verschlechterte Sehkraft, weshalb sie die Arbeit am Bildschirm auf das absolut notwendige Minimum beschränken. So ist neben hoher Akzeptanz der Computertechnologie auch Kritik wegen negativer Begleiterscheinungen festzustellen. Die Anwender/innen setzen ihre Hoffnung in künftige Entwicklungen, welche ergonomisch bessere Lösungen bringen werden.

h) Kommunikation und Interaktion
Welcher Art sind die Auswirkungen des Computereinsatzes auf die Zusammenarbeit der Autor/innen mit anderen Personen und Institutionen?

Stellvertretend für den ganzen Arbeitsbereich haben wir diese Frage am Beispiel der Zusammenarbeit mit Sekretärinnen, Verleger/innen und Lektor/innen unter die Lupe genommen. Unsere Analyse zeigt, dass in allen drei Bereichen Auswirkungen des EDV-Einsatzes festzustellen sind. Der Computer ermöglicht den Autor/innen eine autonomere Arbeitsweise, was zur Folge hat, dass viele auf die Unterstützung einer Sekretärin verzichten können. Selbst da, wo diese nicht überflüssig geworden ist, hat sich ihr Stellenwert und damit ihr Tätigkeitsprofil durch den technologischen Wandel verändert. Gesamthaft gesehen ist eine Entflechtung der traditionell hohen Interdependenz in der Zusammenarbeit von Textautor/in und Sekretärin festzutstellen. Zumindest aus Autorensicht wird dieser Prozess grundsätzlich positiv bewertet.

In der Zusammenarbeit mit Verleger/innen zeichnen sich insbesondere im wissenschaftlichen und jornalistischen Bereich Veränderungen ab.

Wissenschaftliche Buchverlage haben die Tendenz, von ihren Autor/innen für ihre Publikationen zunehmend druckfertige gestaltete Manuskripte zu verlangen. Die Ansprüche der Verleger/innen hinsichtlich Formatierung, Layout etc. konfrontieren die Buchautor/innen mit neuen Aufgaben, die mit ihrer eigentlichen wissenschaftlichen Autorentätigkeit wenig zu tun haben und darum eine echte Belastung darstellen können. Auch Zeitungsproduzenten erwarten von ihren Mitarbeitern zunehmend Texte, die auf Mass geschrieben, bereits korrigiert und druckfertig formatiert sind. Die Arbeitsverantwortung wird dadurch - im Vergleich zu früher - von den Fachkräften im Druck- und Satzbereich auf die Ebene der Textautor/innen zurückverlagert.

Im wissenschaftlichen Bereich besteht ferner auch die Tendenz, aus Kostengründen an der Lektoratsarbeit zu sparen. Anders präsentiert sich die Situation im Belletristikbereich, wo sich das Lektorat behauptet und wo dank EDV (z.B. im Bereich von Textverwaltung und - analyse) sogar neue Wirkungsmöglichkeiten erschlossen werden können.

Die Hinweise in Bezug auf Veränderungen in der zwischenmenschlichen Kommunikation fallen widersprüchlich aus. Zum einen wurden durch den Personalcomputer offensichtlich persönliche Berührungsflächen abgebaut; der PC als "stand-alone-Gerät" hat dazu geführt, dass "die Blickrichtung einsamer geworden ist". Zum anderen scheint sich die Kommunikationsfreudigkeit der Mitarbeiter andere Entfaltungsmöglichkeiten und Medien zu suchen, welche ihren Bedürfnissen entgegenkommen. Kaum ein/e Gesprächspartner/in mochte die als Schreckgespenst des Computerzeitalters beschworene Kommunikationsarmut aufgrund eigener Erfahrungen bestätigen.

Neue sich abzeichnende kommunikative Trends (E-Mail, computerbased cooperative work etc.) haben unter den befragten Personen eine durchschnittlich geringe Akzeptanz, was zum Teil auch ein Generationeneffekt sein dürfte (rund die Hälfte der befragten Personen sind älter als 50). Zudem pflegen viele Personen eine ausgesprochen individualistische Arbeitsweise, sodass die Bedürfnissse nach elektronischer Vernetzung per se nicht sehr ausgeprägt sind.

i) Fazit
Abschliessend ist festzuhalten, dass der Computer von den befragten Personen mehrheitlich als unentbehrliches Instrument im Bereich der Textproduktion betrachtet wird. Durch den Einsatz des PC haben sich verschiedene Verlagerungen in Struktur und Ablauf des Schreibprozesses ergeben, welche von den Leuten positiv gewichtet werden. Auch wenn Zeitaufwand und Papierverbrauch kaum geringer geworden sind, halten die Befragten die Arbeit mit Hilfe des Computer für effizienter und angenehmer. Arbeitsziele und -inhalte scheinen durch den PC-Einsatz jedoch kaum tangiert.

Offensichtlich ist der PC vor allem für jene Autoren und Autorinnen eine Hilfe, welche eine eher intuitive und unstrukturierte Vorgehensweise pflegen. Der PV ermöglicht ihnen ein organisches Erarbeiten und Ueberarbeiten von Texten und Publikationen und trägt dazu bei, Schreibblockaden abzubauen. Auch kritische Vorbehalte sind im Rahmen der Befragung jedoch nicht ausgeblieben: Die Denkarbeit komme zu kurz, wurde kritisiert, es werde formaler Perfektionismus betrieben, der über inhaltliche Mängel hinwegtäusche, die Arbeit am PC missachte körperlich-physiologische Bedürfnisse und Empfindlichkeiten. Einzelne Autor/innen sind deshalb latent oder ausgeprägt "PC-resistent" und verteidigen ihre altvertrauten Arbeitsmechanismen oder -techniken gegenüber dem neuen Medium. Diese Tatsache kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrheit der Befragten den Computers in ihren Alltag integriert haben und versuchen, seine Vorzüge auf selektive Weise optimal zu nutzen.

Die Untersuchungsergebnisse bestätigen unsere Annahme, dass bei der Computernutzung sowohl persönlichkeitsspezifischen Variablen als auch strukturelle Rahmenbedingungen einen Einfluss ausüben. Der Einsatz des PCs ist insbesondere abhängig von der Persönlichkeitsstruktur (Arbeitsstil etc.), den persönlichen Präferenzen (Arbeitsziele etc.), dem Informationsstand (technisches Know-How, Einschätzung der Potentialitäten etc.) und den materiellen Möglichkeiten der Anwender/innen. Diese individuellen Einflüsse sind umso bedeutsamer, je geringer die Einbindung des Individuums in eine übergeordnete Struktur ist. Der Einsatz von EDV wird aber auch gesteuert von den bewussten und unbewussten Auswahlmechanismen der Anwender/innen. Angebotsinduzierte Einflüsse sind nur insofern von Relevanz, als es der neuen Technologie gelingt, die Akzeptanz der Nutzer/innen zu gewinnen. Dies ist umso eher der Fall, als der Computereinsatz der individuellen Zielerreichung nützlich scheint.

Wesen und Stellenwert des Computers werden von den Anwender/innen unterschiedlich und zum Teil widersprüchlich eingeschätzt. Es dominiert die Betonung des instrumentellen Charakters (der PC als Werkzeug, Instrument, Hilfsmittel etc.), welche von der aktuellen Nutzung ausgeht und den PC als Mittel zur Erreichung vogegebener Ziele betrachtet. Je geringer die Einbindung der Anwender/innen in übergeordnete institutionelle Bezüge, desto autonomer sind sie im Gebrauch der EDV-Technologie und desto unkomplizierter können sie den EDV-Einsatz mit ihren Zielen in Einklang bringen. Individuelle Nutzer/innen ohne institutionelle Einbindung (Schriftsteller, freie Journalisten, unabhängige Forscher) stossen jedoch dann an Grenzen, wenn die Investitionen für Hardware, Software und den Erwerb von Know-How ihre finanziellen und zeitlichen Ressourcen überstrapazieren. Personen mit Verantwortung in institutionellen Bezügen (Datenbanken, Verlagen, Agenturen etc.) scheinen andererseits eher befähigt, künftige Veränderungen und Entwicklungen zu antizipieren als intellektuelle "Einzelkämpfer". Die durch den EDV-Einsatz induzierten Lernprozesse finden nicht immer auf der Basis von Freiwilligkeit statt. Der zwischen den Betrieben stattfindende Konkurrenzkampf zwingt jedoch deren Mitarbeiter, sich dem neuesten technologischen Stand laufend anzupassen.

Inhalt


ANHANG

A) Liste der im Rahmen des Projektes befragten Textautoren und -autorinnen

1. Herr B., Politologe und Mitarbeiter eines Büros für politikwissenschaftliche Studien
2. Herr B., Physiker und Mitarbeiter einer Stiftung für Zukunftsgestaltung
3. Herr B., Geograph und Mitarbeiter eines Büros für wissenschaftliche Studien
4. Herr B., Schriftsteller und journalistischer Mitarbeiter
5. Herr C., Prof. für Literatur und Kultur
6. Herr C., Journalist und Sachbauchautor
7. Herr F., Vertriebsleiter eines grossen Belletristik-Verlags (unterstützt von seinem Lektor)
8. Herr G., Professor für Soziologie
9. Herr H., Leiter einer sozialwissenschaftlichen Datenbank
10. Herr H., Politologe
11. Frau H., Wissenschaftsjournalistin
12. Herr L., Leiter einer vorwiegend im Sachbuchbereich tätigen Verlags
13. Frau M., Soziologin und Planerin
14. Herr Prof. M., Prof. für Sprache und Literatur
15. Herr R., EDV-Berater an einem Hochschulinstitut und Mitarbeiter eines wissenschaftlichen
Verlags
16. Frau Sch., Schriftstellerin und Journalistin
17. Herr U., Redaktor bei einer Nachrichtenagentur
18. Herr W., Prof. für Soziologie
19. Herr W., Leiter der Sportredaktion einer Tageszeitung
20. Herr Z., Schriftsteller, Journalist und Leiter von EDV-Kursen

 

B) Kontaktbrief mit Informationen zum Forschungsvorhaben

Zürich, den 19.11.1993

Sehr geehrter Herr ....
Sehr geehrte Frau .....

im Rahmen eines Projektes zum Thema "Computerinduzierter Wandel in der Arbeit von Intellektuellen und Wissenschaftern" (Lehrstuhl Prof. Dr. Geser) untersuche ich zur Zeit die Funktion des Computers bei der Generierung, Redaktion und Verbreitung von Texten. Es interessiert mich in diesem Rahmen, zu erfahren, für welche Aufgaben der Computer bei Produktion und Vertrieb von Texten eingesetzt wird, und inwiefern sich durch den Computereinsatz Organisation, Inhalte und Qualität der Arbeit verändert haben. Um Einblick in diesen Thematik zu erhalten, führe ich zur Zeit Interviews mit Wissenschaftlern, Schriftstellern, Journalisten, Redaktoren und Verlegern durch.

Es ist mir zwar nicht bekannt, welchen Stellenwert der PC in Ihrer Arbeit einnimmt, doch stelle ich mir vor, dass auch Sie sich die Vorzüge der EDV-Technologie bei Ihrer Arbeit zunutze machen. Ich würde gerne Genaueres über Ihre Erfahrungen mit diesem Hiifsmittel bzw. "Medium" erfahren. Die Vorstellung, mit Ihnen ein solches Gespräch zu führen, scheint mir besonders attraktiv, weil Sie sich sowohl als Wissenschaftler als auch als Schriftsteller mit der Produktion von Texten beschäftigen.

Ich möchte Sie anfragen, ob Sie im Dezember 1993 1 - 1 1/2 Stunden Zeit für ein Interview erübrigen könnten, um mir Ihre Erfahrungen in dieser Thematik mitzuteilen. Das beiliegende Kurzkonzept informiert Sie in den Grundzügen über die inhaltliche Orientierung meines Projektes. Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Ich werde mir erlauben, Sie in einigen Tagen anzurufen und hoffe sehr, dass Sie bereit sind, mit mir einen Gesprächstermin zu vereinbaren.

Mit freundlichen Grüssen

lic. phil. Margret Bürgisser

Inhalt

C) Gesprächsleitfaden

Anmerkung: Der hier vorliegende Standard-Gesprächsleitfaden wurde je nach Tätigkeitsgebiet des/der Interviewten fallweise leicht modifiziert bzw. ergänzt.

a) Standard-Schreibprozess

1. Wie lässt sich Ihr"normaler Arbeits /Schreibprozess" charakterisieren? Gibt es ein Standard-Muster des Schreibens?

2. Welches sind die wichtigsten Schreibaufgaben, die Sie im Rahmen ihrer Tätigkeit auszuführen haben?

3. Beschreiben Sie anhand eines konkreten Beispiels im Detail den Ablauf eines Schreib-prozesses von den Anfängen bis zum fertigen Produkt. Für welche Aufgaben setzen Sie den PC ein?

b) Veränderungen durch den Einsatz des PC:

4. Seit wann arbeiten Sie mit dem PC?

5. Vergleichen sie die Arbeitsweise mit dem PC mit jener, die sie hatten, bevor sie mit dem PC arbeiteten. Welche Unterschiede stellen Sie fest?

6. Inwiefern hat sich der Verlauf des Arbeitsprozesses verändert, hinsichtlich Zielen/Inhalten, Stil, Rechtschreibung, Darstellung?

7. Worin liegt der Unterschied zur traditionellen Schreibweise?

8. Hat sich die Qualität Ihrer Schreibprodukte durch der Computereinsatz verändert? Wenn ja, verbessert oder verschlechtert? Beispiele?

9. Ist gesamthaft eine Efizzienzsteigerung beim Arbeiten festzustellen? Inwiefern?

10. Haben Sie durch den Einsatz des PC neue Schreibtechniken entwickelt? Wenn ja, welche?

11. Welche Möglichkeiten, die der PC bietet, ignorieren sie? Aus welchem Grund und mit welchem Resultat?

12. In welchen Fällen ziehen sie eine konventionelle Schreibtechnologie dem PC vor?

c) Verwendete Technologie und persönliches Know-How:

13. Welche Hardware und Software benutzen Sie?

14. Wie würden sie den Grad der Sicherheit im Umgang mit Geräten und Software bezeichnen?

15. Welche Lernprozesse haben sie seit dem Anfang durchgemacht (formalisierte, informelle?)

d) Subjektives Arbeitserlebnis

16. Welches sind die Merkmale des subjektiven "Arbeiterlebnisses" bei der Erstellung eines Berichtes, Textes? (Hemmungen, Blockaden, Stimulierung etc.)

I7. Inwiefern haben sich diese Erlebnisse durch den Einsatz des PC verändert, verlagert etc.?

18. Welche Probleme konnten durch den PC-Einsatz eliminiert werden? Welche Probleme sind neu entstanden?

e) Andere Aspekte des Computergebrauchs

19. Welche Erfahrungen haben sie mit den für Textprogramme typischen "Dienstleistungen"
(Rechtschreibeprogramme, Suchprogramme, Trennprogramme etc.) gemacht?

20. Hat sich bei Ihrer Arbeit die Papierproduktion durch den Gebrauch des PC vergrössert (Trend "Papierflut" ) oder verkleinert (Trend"papierloses Büro")?

21. Welche Eigenschaften wünschen Sie sich für die Arbeit mit ihren Texten vom "idealen" PC-Programm?

22. Bestehen bei Ihnen Bedürfnisse für Dienstleistungen, die Ihr PC bzw. ihre Software (noch) nicht erfüllen kann?

23. Wo sehen sie prospektiv noch ungenutzte Möglichkeiten der EDV Technologie, die für Sie nützlich wären?

f) Ebene der sozialen Interaktion

24. Welche bisher an andere delegierten Arbeiten (z.B. Tippen, Redigieren, Layouten) über-nehmen sie selber, seit sie mit dem PC arbeiten?

25. Für welche Arbeiten ziehen sie jetzt neu andere Leute bei (z.B. EDV-Beratung)

26. Welche Erfahrungen haben Sie mit E-Mail gemacht? Inwiefern hat E-Mail ihrer Arbeitsorganisation bzw. ihren sozialen Kontakten verändert?

27. Inwiefern hat Ihnen der PC neue Kommunikative Möglichkeiten eröffnet?

28. Welche Formen bisheriger Kommunikation sind durch den PC-Gebrauch hinfällig oder verunmöglicht geworden?

29. Haben Sie Erfahrungen gemacht mit cooperative work? Welche?

30. Lassen Sie sich mehr von andern Personen (Partnern, Kollegen etc.) inspirieren, seit Sie mit dem PC arbeiten? Auf welche Weise?

31. Tauschen Sie gegebenenfalls vermehrt Skizzen, Entwürfe oder andere vorläufige Papiere aus als vorher?

Inhalt

D) Literatur

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Inhalt

Last update: 01. Feb 15


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  Prof. Hans Geser
Soziologisches Institut

der Universität Zürich

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